Pneumologie 2004; 58(9): 637-638
DOI: 10.1055/s-2004-830064
Brennpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Alpha 1-Antitrypsin-Labor und Alpha 1-Antitrypsin-Register

Alpha-1-Antitrypsin-Laboratory and German Alpha-1-Antitrypsin-RegistryR.  Bals1 , C.  Vogelmeier1
  • 1Klinikum der Philipps-Universität Marburg
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PD Dr. med. Dr. rer. nat. Robert Bals

Klinikum der Philipps-Universität Marburg · Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie

Baldingerstr. 1

35043 Marburg

Email: bals@mailer.uni-marburg.de

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Publication Date:
01 September 2004 (online)

Table of Contents

Der Alpha 1-Antitrypsin (AAT) Mangel wird durch Mutationen im Gen des AATs verursacht und kann sich klinisch (in erster Linie) durch eine Schädigung von Leber und/oder Lunge manifestieren [1]. In der Lunge kann der Mangel der Antiprotease zu einem proteolytischen Abbau von Strukturproteinen führen, was die Entwicklung eines Lungenemphysems nach sich zieht. Auf diesem Zusammenhang basiert die Proteasen-Antiproteasen-Hypothese zur Beschreibung der Pathogenese der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Damit ist der AAT-Mangel eine wichtige Modellerkrankung zum Verständnis der COPD. In diesem Artikel sollen kurz Grundlagen der klinischen Versorgung von Patienten mit AAT-Mangel dargestellt werden. Dabei werden die Tätigkeiten des kürzlich eröffneten AAT-Labors und des im Aufbau befindlichen deutschen AAT-Registers am Klinikum der Philipps-Universität beschrieben.

Bei ungefähr 0,005 % der deutschen Bevölkerung und 2 % der Patienten mit einer COPD liegt ein schwerer Mangel an AAT vor. Es gibt verschiedene Mutationen des AAT-Gens, die zu einem Mangel an der Antiprotease führen können. Die häufigsten Mutationen sind die S- und die Z-Mutation, die normale Form des Gens wird M genannt. Klassischerweise besitzen Patienten mit schwerem Mangel an AAT die Konstellation PiZZ (Pi steht für Proteinaseinhibitor). Es existieren allerdings eine Reihe weiterer seltener Mutationen, die zu einem AAT-Mangel führen können [2]. Ein AAT-Mangel führt typischerweise zur Schädigung von Leber und/oder Lunge. Es ist allerdings nicht bekannt, welcher Anteil von Patienten mit dem Genotyp PiZZ eine solche Schädigung entwickelt. Tab. [1] fasst die klinischen Folgen eines AAT-Mangels kurz zusammen [3].

Tab. 1 Krankheiten und Syndrome des Kindes- und Erwachsenenalters, die mit dem Mangel an AAT verbunden sind
Säuglings-/KinderalterErwachsenenalter
Leberschäden Neugeborenenikterus
Cholestase
Leberzirrhose
Primäres Leberkarzinom
Lungenschäden -COPD
Sonstiges -Panniculitis
M. Wegener

Am Beginn der Diagnostik steht die Bestimmung der AAT-Serumkonzentration. Nach den gerade erschienenen Empfehlungen der American Thoracic Society und der European Respiratory Society [3] sollte bei allen Patienten eine quantitative Bestimmung des AAT-Spiegels und eine Genotypisierung erfolgen, bei denen im relativ frühen Lebensalter ein Lungenemphysem diagnostiziert wird - und zwar unabhängig von der Raucheranamnese. Weiter sollten Geschwister und Kinder von Patienten mit AAT-Mangel und Personen getestet werden, bei denen eine familiäre Häufung einer COPD-Erkrankung festgestellt wird. Schließlich wird die Testung auch empfohlen für Patienten mit einem Verdacht auf ein Asthma bronchiale, deren Bronchialobstruktion nur partiell reversibel ist. Alle relevanten Indikationen für die Testung finden Sie in Tab. [2] [3]. Die Bestimmung der Serumkonzentration sollte durchgeführt werden, wenn Patienten entzündungsfrei sind (negatives CRP), da AAT ein Akut-Phase-Protein ist. Bei erniedrigtem AAT-Spiegel empfiehlt sich eine weiterführende Diagnostik mittels Phänotypisierung (isoelektrische Fokussierung) und Genotypisierung (z. B. mittels Polymerase-Kettenreaktion). Diese Untersuchungen können von verschiedenen Laboratorien durchgeführt werden. Wir sind gegenwärtig in der glücklichen Lage diese Untersuchung als kostenlosen Service anzubieten. Auf ein spezielles Filterpapier werden einige Tropfen Blut aufgebracht und versandt. Wir führen eine isoelektrische Fokussierung und einen genetischen Test auf das Vorliegen der S- oder Z-Mutation durch. In seltenen Fällen fordern wir weiteres Material (EDTA-Blut, Serum) für weitergehende Untersuchungen an. Das Ergebnis wird an den einsendenden Arzt zurückgesandt, der das Ergebnis mit seinem Patienten besprechen kann. Die Adresse zur Anforderung eines Test-Kits ist unten angegeben.

Tab. 2 Indikationen zur Bestimmung der AAT-Konzentration im Serum als erster Schritt zum Nachweis eines AAT-Mangels. Die Reihenfolge gibt die Wahrscheinlichkeit wieder, einen erniedrigten AAT-Spiegel zu finden. Nach [3]
NummerEmpfehlung
1Fehlen der Alpha-1-Zacke in der Serumelektrophorese
2Emphysem bei jungen Patienten (unabhängig von der Raucheranamnese)
3Verwandte mit AAT-Mangel
4Dyspnoe und Husten bei mehreren Familienmitgliedern
5Lebererkrankung unklarer Ursache
6Alle Patienten mit COPD
7Erwachsene mit Bronchiektasen unklarer Genese
8Patienten mit Asthma mit unvollständiger Reversibilität unter Therapie
9Pannikulitis und -anti-Protease-3-Vaskulitis unklarer Genese

Ein weiterer Focus unserer Bemühungen gilt dem Aufbau eines deutschen Registers für Betroffene mit AAT-Mangel. Ursprünglich war an der Ruhrland-Klinik ein derartiges Register eingerichtet worden. Dieses Register wird jetzt in Marburg weiterentwickelt und mit dem europäischen Register vernetzt. Der wichtigste Grund ein Register für eine seltene Erkrankung aufzubauen, ist mehr über die klinischen Manifestationen und den Verlauf der Erkrankung zu lernen. Nur auf der Basis derartiger Daten können Verbesserungen für die Diagnostik und Therapie erarbeitet werden. Außerdem besteht damit die Möglichkeit, die Qualität der Versorgung zu analysieren und so Schwachstellen zu beheben. Mitte Mai wurden die ersten Fragebogen an Betroffene verschickt. Das Ziel ist, innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre 1000 Patienten in das Register aufzunehmen. Wir wenden uns direkt an die Betroffenen, die in aller Regel sehr motiviert sind, am Register mitzumachen. Der Fragebogen kann in ungefähr 20 Minuten beantwortet werden. Zur Beantwortung von einigen Fragen ist die Mithilfe des behandelnden Arztes notwendig. Der Fragebogen ist so gestaltet, dass die gewonnenen Daten mit dem internationalen Register der AIR (Alpha 1-Antitrypsin Registry) kompatibel sind. Alle Eintragungen in das Register sind komplett anonymisiert. Die Adressen werden separat gespeichert und nur dazu verwendet, jährlich einen Follow-up-Fragebogen zu senden. Ein unabhängiger Beirat berät und kontrolliert das Register. Diesem Beirat gehören Pneumologen, Gastroenterologen, Statistiker und Vertreter von Patientengruppen an. Ein Ziel ist es, die Ergebnisse aus dem Register in internationalen und nationalen Fachzeitschriften zu publizieren. Insbesondere streben wir auch einen intensiven Informationsaustausch mit den Betroffenen an, von deren Seite bereits viele Anregungen gekommen sind.

Weitere Informationen sind auf der Website unseres Klinikums zu finden: www.med.uni-marburg.de/d-einrichtungen/pneumologie/patienten. Kits zur weiterführenden Diagnostik bei Verdacht auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder Unterlagen zum Alpha-1-Antitrypsin-Register können angefordert werden:

PD Dr. Dr. Robert Bals
Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie
Baldingerstr. 1
35043 Marburg
Tel.: 06421/286 4994
Fax: 06421/286 8987
E-mail: alpha1@med.uni-marburg.de

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Literatur

  • 1 Needham M, Stockley R A. alpha(1)-Antitrypsin deficiency * 3: Clinical manifestations and natural history. Thorax 2004: 441-445
  • 2 DeMeo D L, Silverman E K. Alpha1-antitrypsin deficiency. 2: genetic aspects of alpha(1)-antitrypsin deficiency: phenotypes and genetic modifiers of emphysema risk. Thorax 2004: 259-264
  • 3 anonymous .American Thoracic Society/European Respiratory Society Statement: Standards for the Diagnosis and Management of Individuals with Alpha-1 Antitrypsin Deficiency. Am J Respir Crit Care Med 2003: 818-900

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Literatur

  • 1 Needham M, Stockley R A. alpha(1)-Antitrypsin deficiency * 3: Clinical manifestations and natural history. Thorax 2004: 441-445
  • 2 DeMeo D L, Silverman E K. Alpha1-antitrypsin deficiency. 2: genetic aspects of alpha(1)-antitrypsin deficiency: phenotypes and genetic modifiers of emphysema risk. Thorax 2004: 259-264
  • 3 anonymous .American Thoracic Society/European Respiratory Society Statement: Standards for the Diagnosis and Management of Individuals with Alpha-1 Antitrypsin Deficiency. Am J Respir Crit Care Med 2003: 818-900

PD Dr. med. Dr. rer. nat. Robert Bals

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