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DOI: 10.1055/s-2004-830065
COPD oder was kostet wie viel?
COPD or How Much Do We Spend for What
Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier
Klinik für Innere Medizin der Universität · Abt. Pneumologie
Baldingerstraße
35043 Marburg
eMail: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
14. Dezember 2004 (online)
Die COPD ist eine Erkrankung, der weltweit eine große und zunehmende Bedeutung zukommt. 1990 lag die COPD an der 6. Stelle der globalen Todesursachenstatistik. Für das Jahr 2020 hat die Global Burden of Disease Studie prognostiziert, dass die COPD Rang drei der Mortalitätsstatistik einnehmen wird [1]. In den Vereinigten Staaten ist die COPD die einzige unter den häufigen Todesursachen, deren Prävalenz in den letzten 40 Jahren zugenommen hat. Darüber hinaus nimmt die COPD auch bei den Erkrankungen, die zu Arbeits- und/oder Erwerbsunfähigkeit führen, eine prominente Position ein: So wird in dem gerade erschienenen European Lung White Book geschätzt, dass in der Europäischen Union 41 300 verlorene Arbeitstage pro 100 000 Einwohnern auf eine COPD zurückgehen und pro Jahr durch die Erkrankung ein Produktivitätsverlust von 28,5 Milliarden € verursacht wird.
Schließlich steigt die Zahl der COPD-bedingten Krankenhauseinweisungen. Wieder aufbauend auf Daten aus dem European Lung White Book werden von 100 000 Personen, die älter als 60 Jahre sind, mehr als 1000 pro Jahr wegen einer COPD stationär aufgenommen mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 9 Tagen und einer 30 %-igen Wahrscheinlichkeit noch im selben Jahr wieder wegen einer COPD stationär eingewiesen zu werden. Auch die Zahl der Vorstellungen bei niedergelassenen Kollegen aufgrund einer COPD hat stark zugenommen. Im Vereinigten Königreich ist die Quote der Patienten, die wegen einer COPD beim Allgemeinarzt vorstellig werden, zwei- bis viermal größer als die von Patienten mit Angina pectoris.
In dieser Ausgabe der Pneumologie stellen Nowak u. Mitarb. [2] eine multizentrische, retrospektive, gesundheitsökonomische Beobachtungsstudie zur COPD vor. Dazu wurde eine Stichprobe von 321 Patienten systematisch evaluiert. Es ergaben sich Gesamtkosten pro Patient und Jahr von ungefähr 3000 €, wobei der Hauptteil der Kosten durch Krankenhausaufenthalte, Medikamente und Frührente verursacht wurde. Wie zu erwarten war, sind die Krankheitskosten stadienabhängig - Patienten mit nach ATS-Kriterien schwerer COPD verursachen mehr als doppelt so hohe Kosten wie Patienten mit leichtgradiger Erkrankung.
Was bringen uns diese Daten? Ein wesentlicher Nutzen kann sicher darin bestehen, gegenüber politischen Entscheidungsträgern die Bedeutung der Erkrankung zu dokumentieren. Dabei ist das Ziel, eine sachgerechte Allokation von Ressourcen und eine adäquate Anpassung von Infrastrukturen zu befördern. Aber die Analyse ist noch ergiebiger: Es zeigte sich, dass besonders hohe Kosten durch Exazerbationen entstehen, insbesondere dann, wenn eine stationäre Behandlung erforderlich wird. In der Studie hatten die eingeschlossenen Patienten unter Zugrundelegung der Exazerbationsdefinition von Rodriguez-Roisin im Mittel 2,7 Exazerbationen pro Jahr. Unter der Annahme, dass die als Exazerbationen klassifizierten Ereignisse wirklich welche waren, ist diese Zahl sehr hoch. Dies bedeutet, dass wir daran arbeiten müssen, die Exazerbationsfrequenz zu vermindern.
Was haben wir hierzu für Möglichkeiten? Wir wissen auf der Basis von kontrollierten Studien, dass der Einsatz von Tiotropium, langwirkenden β2-Mimetika, inhalierbaren Steroiden, Kombinationspräparaten aus langwirkenden β2-Mimetika und inhalierbaren Steroiden, Vakzinationen und Rehabilitationsmaßnahmen die Exazerbationsfrequenz signifikant senken. Setzen wir diese Möglichkeiten schon konsequent genug ein? Zieht man die in der Publikation aufgeführte Medikation der Patienten zu Rate, kommen einem daran Zweifel. Insbesondere wird die von allen relevanten Leitlinien empfohlene schweregradabhängige Anwendung der Pharmaka offensichtlich nicht berücksichtigt. So ist der Anteil der Patienten in der Studie, die mit inhalierbaren Steroiden behandelt werden, in der Gruppe der Patienten mit leichter COPD in etwa genauso groß wie in der Gruppe mit schwerer COPD. Weiter stellt sich naturgemäß die Frage, ob wirklich alle Patienten mit COPD-Exazerbationen, die wir augenblicklich stationär behandeln, wirklich einer stationären Behandlung bedürfen. Diese Frage können wir auf der Basis der Daten nicht klar beantworten. Zumindest wurden in der Studie nur ung. 10 % der Exazerbationen stationär behandelt. In diesem Zusammenhang sei auf die kürzlich publizierte Arbeit von Aaron u. Mitarb. [3] verwiesen. Die Autoren behandelten Patienten, die mit einer COPD-Exazerbation in einer Krankenhausnotaufnahme vorstellig wurden, mit einem Antibiotikum, Bronchodilatatoren und 40 mg Prednison pro Tag für 10 Tage versus Plazebo und schickten die Pat. damit wieder nach Hause. Es zeigte sich, dass die Prednisonbehandlung in allen evaluierten Punkten dem Plazebo überlegen war. So mussten von den steroidbehandelten Patienten nur 11 % (Plazebo 21 %) später wegen der Exazerbation stationär aufgenommen werden und das, obwohl die Patienten ein durchschnittliches FEV1 von nur 1 l aufwiesen.
Die Evidenz für die Wirksamkeit der systemischen Steroide bei der COPD-Exazerbation ist sehr überzeugend [4]. Werden orale Steroide in angemessener Form (20 - 40 mg Tagesdosis, 10 - 14 Tage Therapiedauer) schon jetzt ausreichend für die Exazerbationsbehandlung eingesetzt? Daran ist zu zweifeln, angesichts der Tatsache, dass in der Studie hauptsächlich Antibiotika (39 %) und erst in zweiter Linie systemische Steroide (22 %) bei Exazerbationen zur Anwendung kamen.
Fazit: Die vorliegende Studie ist wichtig, da sie uns eine Abschätzung der Kosten ermöglicht, die in Deutschland durch die COPD verursacht werden. Daneben wirft sie eine Vielzahl von Fragen auf, auf die wir Antworten brauchen - nicht nur um die Kosten zu begrenzen, sondern auch um die Qualität der Versorgung zu verbessern.
#Literatur
- 1 Lopez A D, Murray C C. The global burden of disease, 1990 - 2020. Nat Med. 1998; 4 1241-1243
- 2 Nowak D, Dietrich E S, Oberender P. et al . Krankheitskosten von COPD in Deutschland. Pneumologie. 2004; 58 837-844
- 3 Aaron S D, Vandemheen K L, Hebert P. et al . Outpatient oral prednisone after emergency treatment of chronic obstructive pulmonary disease. New Engl J Med. 2003; 348 2618-2625
- 4 Worth H, Buhl R, Cegla U. et al . Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2002; 56 704-738
Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier
Klinik für Innere Medizin der Universität · Abt. Pneumologie
Baldingerstraße
35043 Marburg
eMail: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de
Literatur
- 1 Lopez A D, Murray C C. The global burden of disease, 1990 - 2020. Nat Med. 1998; 4 1241-1243
- 2 Nowak D, Dietrich E S, Oberender P. et al . Krankheitskosten von COPD in Deutschland. Pneumologie. 2004; 58 837-844
- 3 Aaron S D, Vandemheen K L, Hebert P. et al . Outpatient oral prednisone after emergency treatment of chronic obstructive pulmonary disease. New Engl J Med. 2003; 348 2618-2625
- 4 Worth H, Buhl R, Cegla U. et al . Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2002; 56 704-738
Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier
Klinik für Innere Medizin der Universität · Abt. Pneumologie
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35043 Marburg
eMail: Claus.Vogelmeier@med.uni-marburg.de