Die enge Assoziation zwischen Asbestexposition und gehäuftem Auftreten von Pleuramesotheliomen
ist seit den 60er-Jahren bekannt. Die karzinogene Potenz hängt vom Asbestfasertyp
und der Art der Exposition ab. Obwohl die Herstellung und Nutzung von Asbest in Deutschland
seit Jahren verboten sind, ist in Westeuropa wegen einer Latenzzeit von 20 - 50 Jahren
nach Exposition immer noch mit einem Anstieg dieser schwer diagnostizierbaren und
therapierefraktären Erkrankung zu rechnen. In Westeuropa werden in den Jahren 2010
- 2020 bis zu 9000 Betroffene jährlich erwartet. Das klinische Erscheinungsbild ist
im Frühstadium unspezifisch. In der feingeweblichen Untersuchung von Tumorbiopsien
ist eine Abgrenzung des Mesothelioms zum Adenokarzinom und reaktiven Mesothel trotz
einer Vielzahl immunhistochemischer Marker schwierig, so dass die Diagnose Mesotheliom
häufig eine Ausschlussdiagnose ist. Die Prognose mit einer mittleren Lebenserwartung
von 6 - 18 Monaten nach Diagnosestellung wird durch die gängigen Therapien nicht wesentlich
beeinflusst und ist in den allermeisten Fällen infaust [1].
Microarrays dienen seit ihrer Entwicklung vor ca. 10 Jahren zur Analyse der Aktivität
von bis zu vielen tausenden Genen gleichzeitig und können so Zellen und Gewebe auf
molekularer Ebene charakterisieren. Ein Vergleich von Tumor- und Normalgewebe mittels
Genexpressionsanalyse sollte Stoffwechselwege und Gene identifizieren, die das molekularbiologische
Verständnis der Onkogenese verbessern und zu einer effektiveren Diagnostik führen.
[2]
[3] In der vorgestellten Untersuchung wurde das Tumorgewebe von 16 Patienten mit einem
malignem Mesotheliom und die normale Pleura von 5 Patienten mittels Microarraytechnik
analysiert. In der Anamnese zeigte sich bei den Tumorpatienten eine klar dokumentierte
Asbestexposition in 15 von 16 Fällen.
Die RNA dieser Gewebeproben wurde isoliert und anschließend zur Steigerung der Reinheit
mit DNase behandelt. Nach reverser Transkription von 10 µg totaler RNA wurde die mit
einem radioaktivem Cytosinnukleotid markierte cDNA mit den Microarraymembranen, die
4132 DNA-Punkte enthielten, 12 Stunden lang hybridisiert. Nach Scannen der Membranen
auf einem Phosphorimager wurden die Daten mit spezieller Software ausgewertet. Die
Variabilität wurde anhand der 84 Housekeepinggene, die in doppelter Ausführung auf
den Microarraymembranen aufgebracht waren, ermittelt; durchschnittlich lag diese bei
9,2 %. Die Daten wurden nun auf drei verschiedene Arten normalisiert: 1) unter Anwendung
der so genannten „traditionellen Methode”, welche die Werte aller Gene auf einem Array
einbezieht (die Expression jedes Gens wird durch die durchschnittliche Genexpressionsintensität
des gesamten Arrays der jeweiligen Probe dividiert), 2) unter Berücksichtigung der
Gene, die bei allen Array-Experimenten die geringste Variabilität aufweisen (der durchschnittliche
Wert dieser Gene wurde als Normalisierungsfaktor benutzt) und 3) mittels der Gene,
deren Standardabweichung in einer Gauss-Verteilung von dem Mittelwert bei 1 oder weniger
lag und deren Expressionsniveau somit bei allen Arrays am ähnlichsten war [2]
[3].
Bei der Berechnung der Verteilung der Genexpressionsintensitäten nach den verschiedenen
Normalisierungsmethoden waren durchschnittlich 75 % der Gene beim Vergleich ohne Veränderung,
d. h. die Mesotheliomproben wiesen im Vergleich zu den normalen Pleuraproben nur einen
0,5 - 2,0-fachen Unterschied auf. Mehr als um das Doppelte hochreguliert waren durchschnittlich
23 %, mehr als 2-fach herunterreguliert waren durchschnittlich nur 2 % der Gene. Zur
Analyse der Signifikanz wurden neben den drei Normalisierungen noch jeweils drei verschiedene
statistische Methoden angewendet: 1) ein t-Test, bei dem ein p-Wert kleiner 0,001
gefordert war, 2) Significance analysis of genes (SAM) und 3) Patterns of gene expression
(PAGE), woraus sich 9 unterschiedliche Reihenfolgen bezüglich der Signifikanz der
am meisten veränderten Gene ergaben. Es wurde festgelegt, dass sich ein signifikantes
Gen auf mindestens 3 Listen befinden musste, wenigstens einmal von PAGE oder SAM als
signifikant ermittelt wurde und einen mindestens 2-fachen Unterschied nach mindestens
einer Normalisierungsmethode aufweisen musste. Nach diesen Kriterien zeigten sich
beim Vergleich der Genexpression bei den Mesotheliomproben 166 Gene signifikant hoch-
und 26 Gene signifikant herunterreguliert.
Insbesondere fielen die folgenden hochregulierten Stoffwechselwege und Gene auf:
-
Es wurde eine Hochregulierung vieler mRNA-Translation-Initiationsfaktoren gefunden.
Diese Beobachtung wurde auch bei einigen anderen Tumoren mit der Karzinogenese in
Verbindung gebracht [4].
-
Viele Gene des Glukosemetabolismus waren aktiviert, die Steigerung der Glykolyse wurde
bei vielen Tumoren nachgewiesen und erklärt auch die generell gute Darstellbarkeit
des Mesothelioms mittels Positronenemissionstomographie (erhöht Aufnahme von 18FDG) [4]
[5]
[6].
-
Die Mesotheliome zeigten eine verstärkte Expression vieler Gene, die Proteine der
extrazellulären Matrix, des Zytoskeletts und des zytoskeletalen Umbaus kodieren. Mehrere
Studien weisen Genen, welche das auf Actin basierende Zytoskelett regulieren, eine
wichtige Rolle bei der Onkogenese zu [4]
[6].
-
Entgegen den Beobachtungen beim Bronchialkarzinom hatten Gene, die als Onkogene oder
Apoptose-Gene klassifiziert werden, keine beständigen Unterschiede (z. B. p53) [6].
-
Weitere hochregulierte Gene von besonderem Interesse hinsichtlich Diagnose, Prognose
und Therapie sind gp96, lung resistance related-Protein, Galectin-3 bindendes Protein,
67 kD Laminin-Rezeptor (auf Tumorgefäßen) und Spannungs-abhängige Anionenkanäle (VDAC).
Bei Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass eine Immunisierung mit dem Hitzeschockprotein
gp96 eine spezifische Immunität z. B. gegenüber Lungentumoren verursacht. Von prognostischer
Relevanz könnte das hochregulierte lung resistance related-Protein sein, indem es
den Erfolg einer Chemotherapie vorhersagen könnte und auch das Galectin 3-bindende
Protein, welches bei Brust- und Lungenkrebs auf eine schlechte Überlebensrate hinweist.
Die Aktivierung von VDAC 1 und 2 bei den Mesotheliomen erklärt möglicherweise die
Resistenz der Tumoren gegenüber Apoptose und könnte für die Entwicklung neuer Therapien
von Bedeutung sein. Eine Hochregulierung des 67 kD Laminin-Rezeptors wurde auch bei
anderen Tumoren gefunden, in den hier diskutierten Versuchen zeigte sich eine verstärkte
Expression auf den Tumorgefäßen, was mit Hilfe immunhistochemischer Methoden nachgewiesen
wurde. Daraus könnte man eine Rolle dieses Rezeptors bei der Angiogenese von Tumoren
schlussfolgern.
Ein bedeutendes herunterreguliertes Gen war das Tumorsuppressorgen Retinoblastoma-1.
Eine Inaktivierung dieses Gens wurde in zahlreichen anderen Tumoren nachgewiesen.
Zur Validierung der Ergebnisse wurde die RNA von 10 der ursprünglichen Mesotheliom-Patienten
auf 14 ausgewählte hochregulierte Gene hin in semiquantitativen RT-PCR-Experimenten
untersucht und mit der RNA von 5 normalen Pleurapatienten verglichen. Die Tendenz
der Expressionsunterschiede stimmte in allen Fällen bis auf den 67 kD Laminin-Rezeptor
überein und konnte auch an 5 zusätzlichen Mesotheliom-Patienten bestätigt werden.
In zusätzlichen immunhistochemischen Versuchen wurde gezeigt, dass der 67 kD Laminin-Rezeptor
auf Tumorgefäßen, aber nur geringgradig von den Tumorzellen exprimiert wurde; der
in den Microarrays beobachtete deutliche Anstieg der Expression von Cytokeratin 18
und gp96 ließ sich jedoch auch durch verstärkte Anfärbung der Mesotheliome nachweisen.
Eine Reihe der beschriebenen verändert exprimierten Gene eignen sich als Tumormarker
für Diagnostik und Prognose oder als Zielstrukturen neuer Behandlungsstrategien, wobei
eine weitere Validierung an größeren Patientenkollektiven erfolgen sollte.