Pneumologie 2005; 59(6): 412-417
DOI: 10.1055/s-2004-830312
Workshop
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Modelle pulmonaler Infektionen bei Großtieren - speziesspezifische Unterschiede

P.  Reinhold1
  • 1Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) - Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Standort Jena
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. Juli 2005 (online)

Inhaltsübersicht #

Einleitung

Im Zeitalter der modernen Molekularbiologie werden interessante neue Ergebnisse auf zellulärer und molekularer Ebene gewonnen. Ob aus In-vitro-Systemen stammende Phänomene in gleicher Weise im Gesamtorganismus vorkommen und welche pathogenetische Relevanz ihnen in vivo zuzuschreiben ist, kann nur im integrierten Tiermodell erforscht werden.

Nicht nur in der pneumologischen Forschung sind Labornager, und hier insbesondere Mäuse, die zurzeit wohl am häufigsten verwendeten Spezies bei der Etablierung und Nutzung von Tiermodellen. Die Gründe hierfür sind unter anderem eine leichte Verfügbarkeit von genetisch definierten Versuchstieren, die relativ gute immunologische Charakterisierung, eine günstige Kosten-Nutzen-Rechnung sowie die schnelle Verfügbarkeit publizierbarer Ergebnisse.

Größere Tierarten bis hin zu landwirtschaftlichen Nutztieren werden hingegen weniger häufig für Forschungszwecke eingesetzt. Gerade letztere bieten aber folgende Vorteile:

  • Spontan auftretende respiratorische Erkrankungen bei einer bestimmten Tierart sind in Ätiologie und Pathogenese oft vergleichbaren respiratorischen Erkrankungen des Menschen sehr ähnlich (z. B. Infektion mit Respiratorischen Synzytial Virus beim Kalb; Asthma der Katze; COPD des Pferdes), so dass von einem weniger artifiziellen Modell als beim Labornager ausgegangen werden kann.

  • Tiere mit Körpermassen zwischen 50 und 100 kg (z. B. Kälber, Schweine, Schafe) weisen dem Menschen vergleichbare physiologische Bereiche für Kenngrößen der Lungenfunktion (Volumina, Atmungsstromstärken, Resistance etc.) auf.

  • Durch moderne nicht-invasive diagnostische Methoden, die an Tier und Mensch gleichermaßen unter Spontanatmung anwendbar sind kann sichergestellt werden, dass im Tierexperiment identische Funktionsparameter erhoben werden wie auch am humanen Patienten (direkte Vergleichbarkeit!).

  • Aufgrund der längeren Lebensdauer von Großtieren im Vergleich zum Labornager werden intra-individuelle Langzeituntersuchungen möglich - eine Voraussetzung zur Etablierung von Modellen für chronische Erkrankungen.

Bedingt durch speziesspezifische Besonderheiten in Struktur und Funktion des respiratorischen Systems wird letztendlich kein Tiermodell in der Lage sein, alle Charakteristika einer respiratorischen Erkrankung des Menschen widerzuspiegeln. Bei der Wahl einer bestimmten Spezies zur Etablierung von Tiermodellen sollten jedoch die nachfolgend aufgeführten anatomischen und funktionellen Unterschiede zwischen der Lunge des Menschen und den Lungen verschiedener Tierarten bekannt sein und - entsprechend der zu bearbeitenden Fragestellung - Beachtung finden.

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Morphologische Besonderheiten des respiratorischen Systems verschiedener Spezies

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Anatomie des Tracheobronchialbaumes

Das System der Atemwege unterliegt bei verschiedenen Säugetieren sehr unterschiedlichen Verzweigungsmustern. Während sich die Atemwege in der humanen Lunge (wie auch in der Lunge größerer Tierarten) irregulär dichotom verzweigen, weisen die Atemwegssysteme von Maus, Ratte und Hamster ein monopodiales Aufzweigungsmuster auf [1]. Eine Besonderheit bei Wiederkäuern (Rind, Schaf, Ziege) und Schweinen besteht darin, dass der zum rechten kranialen Lungenlappen führende Bronchus noch vor der Bifurkation direkt von der lateralen Seite der Trachea abzweigt.

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Segmentanatomie der Lunge

Entsprechend des Segmentierungsgrades der Lungen werden 3 Typen der Säugerlungen unterschieden [2], deren typische Charakteristika in Tab. [1] vergleichend dargestellt sind. Eine Ausnahme stellt die Lunge der Ziege dar, die einen geringen Lobulierungsgrad (nur in den kranialen Lungenlappen) und eine dünne Pleura aufweist [3]. Bezüglich der peripheren Atemwege sei angemerkt, dass das Fehlen respiratorischer Bronchiolen nicht für die Lungen von Schafen, Rindern und Schweinen, sondern auch für die meisten Nagerlungen (inkl. Kaninchen) charakteristisch ist [2].

Tab. 1 Lungentypen auf Basis der Segmentanatomie und deren spezifische Charakteristika (modifiziert nach [2] und [6])
Typ ITyp IITyp III
Rind, Schaf, SchweinHund, Katze, AffePferd
Grad der Lobulierunghochkeineunvollständig
Pleuradick
(nutritive Versorgung durch Arteria bronchialis)
dünn
(nutritive Versorgung durch Arteria bronchialis)
dick
(nutritive Versorgung durch Arteria bronchialis)
distale Atemwege
terminale Bronchienals dominierende distale Atemwege vorhandenfehlenvorhanden
respiratorische Bronchiolenkaum entwickeltvorhanden
(sehr gut entwickelt)
vorhanden
(aber weniger gut entwickelt)
kollaterale Ventilationnicht vorhanden bei Rind und Schwein
eingeschränkt vorhanden beim Schaf
sehr gut entwickelte kollaterale Atemwegeeingeschränkt vorhanden
Zirkulation
Termination der Bronchialarteriedistale Atemwegedistale Atemwegedistale Atemwege & Alveolen
Shunts zwischen Arteria bronchialis und Arteria pulmonalis vorhanden
(beim Schwein allerdings nicht nachgewiesen)
nicht nachgewiesenvorhanden
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Pulmonales Gefäßbett

Bezüglich speziesspezifischer Unterschiede und Besonderheiten im Verlauf und in der Struktur der pulmonalen Gefäße sei auf einen Übersichtsartikel von Kay [4] verwiesen. Insbesondere die Schichtdicke der glatten Muskulatur ist in den kleinen pulmonalen Arterien, Arteriolen und Venen der meisten Tierarten stärker ausgeprägt als beim Menschen, variiert aber zwischen verschiedenen Tierarten erheblich. Für Studien, in welchen die pulmonale Perfusion beurteilt werden soll, kann im Prinzip davon ausgegangen werden, dass die Struktur der Gefäße mit den funktionellen Eigenschaften des pulmonalen Gefäßbettes korreliert ist. Entsprechend der Empfindlichkeit, mit der die kleinen pulmonalen Arterien auf vasokonstriktorische Stimuli (inklusive der alveolären Hypoxie) reagieren, können verschiedene Tierarten wie folgt klassifiziert werden [5] [6]:

  • stark reagibel: Rind, Schwein, Frettchen

  • moderat reagibel: Ratte, Kaninchen, Katze, Pferd, Ziege

  • kaum reagibel: Meerschweinchen, Hund.

Für Schafe schwanken die Literaturangaben zwischen mild und moderat.

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Besonderheiten der Lungenbelüftung im speziesspezifischen Vergleich

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Atmungsmechanik

Je höher der Segmentierungsgrad einer Lunge ist, desto höher ist der Anteil bindegewebiger Strukturen innerhalb des Lungengewebes infolge bindegewebiger Septen zwischen den Segmenten. In der Konsequenz weisen höher segmentierte Lungen auch höhere resistive Gewebewiderstände und verminderte Dehnbarkeitseigenschaften (spezifische dynamische Compliance) auf. Folglich ist die spezifisch zu leistende Atemarbeit zur Überwindung der Widerstände beispielsweise bei Rindern und Schweinen schon unter Ruheatmung größer als bei Mensch, Pferd, Hund, Katze oder Ratte.

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Kollaterale Ventilation

Das Vorhandensein von kollateralen Atemwegen (Kohnsche Poren, Lambertsche Kanäle, Martinsche Kanäle) wurde für die Lunge des Menschen, sowie für die Lunge von Hund, Katze, Kaninchen, Frettchen, Schaf und Pferd beschrieben und von Mitzner [7] in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst. Speziesspezifische Unterschiede bestehen dahingehend, dass die funktionelle kollaterale Ventilation bei Hund, Katze und Kaninchen sehr stark, jedoch bei Pferd und Schaf in deutlich geringerem Maße an der alveolären Belüftung beteiligt ist. Weil Rinder und Schweine nicht über die Möglichkeit verfügen, Alveolarbezirke, deren zuführender Bronchus verlegt ist, über kollaterale Atemwege zu belüften, sind in Rinder- und Schweinelunge häufig Atelektasen zu finden. In der Konsequenz neigen letztgenannte Tierarten zum Auftreten ventilatorischer Asynchronismen und regionaler Inhomogenitäten bei der alveolären Ventilation.

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Gasaustauschkapazität

Wie Tab. [2] widerspiegelt, variiert die Alveolarfläche in Relation zur Körpermasse (KM) erheblich zwischen unterschiedlichen Spezies. Im Vergleich zum Menschen (1,1 m2/kg) beträgt die Alveolarfläche pro kg KM beispielsweise beim Rind nur 0,6 m2/kg; beim Hund jedoch 2,9 m2/kg und bei der Ziege 3,0 m2/kg.

Tab. 2 Daten zur Gasaustauschkapazität und Belüftung der Lunge bei verschiedenen Tierarten (modifiziert entsprechend der Angaben von [28])
Alveolaroberfläche pro kg KörpermasseAlveolaroberfläche in Relation zum O2-Verbrauch des OrganismusAtemzugvolumen (Vt) in Relation zum totalen LungenvolumenAtemzugvolumen (Vt) pro kg KörpermasseBelüftungsrate
(Atemminutenvolumen in Relation zum totalen Lungenvolumen)
[m2/kg][m2/ml O2] [%][ml/kg]
Mensch 1,150,005111,0 9,91,32
Katze 2,810,0054 7,5 9,81,54
Hund 2,910,007814,015,72,80
Ziege 3,000,0082 7,8 9,71,47
Pferd keine Angabenkeine Angaben14,315,41,57
Rind 0,640,002529,0 7,48,71

Die funktionelle Konsequenz hieraus ist, dass bei Lungen mit geringerer Gasaustauschkapazität schon unter den Bedingungen der Ruheatmung ein relativ größerer Anteil der totalen Lungenkapazität ventiliert werden muss. So beträgt beispielsweise die Belüftungsrate der Lunge (ausgedrückt als das Verhältnis zwischen Atemminutenvolumen und totalem Lungenvolumen) beim Rind > 8, während sie bei anderen Säugern - wie Katze, Hund, Ziege, Mensch oder Pferd - zwischen 1,3 und 2,8 angegeben wird.

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Atmungsmuster

Aufgrund einer im Verhältnis zur Körpermasse kleinen Lunge mit einer geringen spezifischen dynamischen Compliance können Rinder und Schweine nur eine geringe Atemtiefe realisieren. Demzufolge ist das mittlere Atemzugvolumen bezogen pro kg Körpermasse (Vt/kg) bei Rindern und Schweinen geringer als bei anderen Spezies (vgl. Tab. [2]). Bezogen auf die Körpermasse haben Jungtiere ein größeres Atemzugvolumen pro kg KM als adulte Tiere. Innerhalb der eigenen Arbeitsgruppe wurde für lungengesunde Kälber eine zum adulten Menschen vergleichbare Atemtiefe von etwa 9 - 11 ml/kg ermittelt [8] [9] [10].

Da das Atemminutenvolumen (Vmin) ein Produkt aus Atemzugvolumen (Vt) und der Atmungsfrequenz (fR) darstellt (Vmin = Vt × fR), ist das Ventilationsmuster bei Spezies, deren Atemzugvolumen im Vergleich zu anderen Tierarten limitiert ist, durch eine höhere physiologische Atmungsfrequenz gekennzeichnet (beispielsweise 20 - 30 Atemzüge pro Minute beim Rind versus 12 - 16 Atemzüge pro Minute beim Pferd mit vergleichbarer KM).

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Totraumventilation

Das Verhältnis zwischen Totraumvolumen (Vd) und Atemzugvolumen determiniert, welcher prozentuale Anteil des pro Atemzug inhalierten Volumens nicht am Gasaustausch teilnimmt. Dieses Vd/Vt-Verhältnis variiert erheblich zwischen verschiedenen Spezies. Beispielsweise sind beim Menschen - vergleichbar zu Hund und Meerschweinchen - etwa 30 - 40 % des inhalierten Volumens reines Totraumvolumen, so dass etwa 60 - 70 % von Vt am Gasaustausch teilnehmen. Im Gegensatz dazu kann der Anteil des Totraumvolumens am Atemzugvolumen bei Großtieren (wie Rind oder Pferd) zwischen 50 % und 75 % betragen [11] [12].

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Konsequenzen von Struktur und Funktion der Lunge für Tiermodelle

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Anteil bindegewebiger Strukturen in der Lunge

Tierarten, deren Lunge durch einen ausgeprägten Segmentierungsgrad gekennzeichnet ist (z. B. Rind, Schwein und Schaf), weisen einen höheren Anteil bindegewebiger Strukturen innerhalb des Lungengewebes auf als Tierarten ohne ausgeprägte Segmentanatomie der Lunge (z. B. Hund und Katze). Bei der Auswertung bildgebender diagnostischer Verfahren sollten bei den zuerst genannten Tierarten auffällige interstitielle Strukturen folglich nicht irrtümlicherweise als Zeichen einer interstitiellen Pneumonie interpretiert werden.

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Lokalisation von Entzündungsprozessen

Jedes broncho-pulmonale Segment stellt eine in sich geschlossene funktionelle Einheit dar, welche durch Bindegewebe vom Nachbarsegment abgegrenzt ist, über einen Segmentbronchus belüftet und über ein funktionell zugehöriges Blutsystem perfundiert wird. Stark segmentierte Lungen bieten den Vorteil, dass einzelne Segmente chirurgisch gut trennbar sind. Des Weiteren wird eine Ausbreitung von Entzündungen und Infektionen durch die bindegewebigen Septen zwischen einzelnen Segmenten und durch das Fehlen kollateraler Atemwege begrenzt. Folglich sind in den zum Typ I gehörigen Lungen (vgl. Tab. [1]) Erkrankungsherde meist stark lokal begrenzt und scharf vom gesunden Nachbargewebe abgegrenzt („Läppchenpneumonie”). Eine ausgeprägte Segmentanatomie der Lunge bietet demzufolge die Möglichkeit, lokale Expositionen zu induzieren und innerhalb desselben Tieres unbelastete Kontrollregionen der Lunge zu untersuchen (was jedoch systemisch vermittelte Reaktionen des gesamten Organsystems nicht ausschließt). Werden andererseits broncho-pulmonale Segmente einer Rinder- oder Schweinelunge lavagiert oder bioptiert, so ist der Befund lediglich für die gespülte Region repräsentativ, keinesfalls jedoch auf das gesamte Organsystem übertragbar.

Im Gegensatz dazu sind Lungen vom Typ II (z. B. Hund und Katze) dadurch charakterisiert, dass sich entzündliche Prozesse sehr leicht in das benachbarte Gewebe ausbreiten (aufgrund des Fehlens bindegewebiger Septen und der sehr gut entwickelten kollateralen Atemwege), so dass im Falle einer Pneumonie oft ganze Lungenlappen betroffen sind. Eine Übertragbarkeit der diagnostischen Befunde aus broncho-alveolärer Lavageflüssigkeit oder Bioptaten auf größere Lungenbezirke ist hingegen eher zulässig.

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Folgen obstruktiver Atemwegserkrankungen

Speziesspezifische Variationen bezüglich der Lobulierung der Lunge und der kollateralen Ventilation ziehen im Falle von obstruktiven Atemwegserkrankungen sehr unterschiedliche pathophysiologische Konsequenzen nach sich. Die funktionelle Residualkapazität (FRC), das Vorhandensein atelektatischer Lungenbezirke und die Intensität von Gasaustauschstörungen aufgrund von Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten korrelieren eindeutig mit der kollateralen Ventilation.

Spezies mit stark lobulierten Lungen vom Typ I, denen die Möglichkeit zur kollateralen Ventilation gänzlich fehlt (z. B. Rind, Schwein), verfügen im Falle von Atemwegsobstruktionen über keine effektiven Kompensationsmechanismen zur Sicherstellung der alveolären Ventilation. Bei diesen Tierarten führen obstruktive Ventilationsstörungen in der Regel zu alveolärer Hypoventilation mit regionalen Atelektasen. In obstruktiv veränderten Lungenregionen bewirken hohe Atemwegswiderstände zu lange Zeitkonstanten während der Exspiration, so dass während der Exspirationszeit nur ein Teil des zu exhalierenden Gasgemisches abgeatmet werden kann. Durch die eingeschlossene Luft („trapped air”) erhöht sich die FRC, Lungenregionen werden zunehmend überbläht und ein obstruktiv bedingtes Emphysem kann sich entwickeln. Ventilatorische Asynchronismen, zu denen die o. g. Tierarten neigen, sind dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb einer Lunge überblähte und atelektatische Bezirke vergesellschaftet sind. Die Konsequenzen der sich ergebenden Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten sind Gasaustauschstörungen, die sich wie folgt manifestieren: Hypoxämie (PaO2↓), Hyperkapnie (PaCO2↑), erhöhte alveolo-arterielle PO2-Differenz (AaDO2↑) und ein zunehmender Anteil an arterio-venösem Shuntblut.

Bei Spezies mit nicht lobulierten Lungen vom Typ II und sehr gut entwickelten kollateralen Atemwegen (z. B. Hund, Katze, Affe) wirkt die kollaterale Ventilation wie ein Bypass und sichert die alveoläre Belüftung distal der obstruktiv veränderten Atemwege. Demzufolge steigt FRC weder bei obstruktiven Atemwegserkrankungen noch bei induzierten Atemwegsobstruktionen - unspezifisch durch Histamin, Carbachol, Metacholin o. ä. oder spezifisch durch Antigene, Allergene - nennenswert an. Dank der geringen kollateralen Resistance ist die alveoläre Be- und Entlüftung mit so geringen Zeitkonstanten möglich, dass sich in der Regel weder Atelektasen noch ein obstruktiv bedingtes Emphysem entwickeln. Durch die kollaterale Ventilation werden Störungen des pulmonalen Gasaustausches infolge von Ventilations-Inhomogenitäten bzw. pulmonaler Shunts weitgehend vermieden. Dies erklärt das häufige Fehlen einer Hypoxämie in Modellen für milde bis moderate Atemwegserkrankungen bei Hund und Katze im Vergleich zu Menschen mit ähnlichem Obstruktionsgrad [6].

Für Hunde sei gesondert erwähnt, dass es im Falle von ausgeprägten Atemwegsobstruktionen (z. B. bei bronchialen Provokationstests) dennoch zu Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten kommen kann. Verantwortlich hierfür ist die geringe Reagibilität des pulmonalen Gefäßbettes, so dass die Umverteilung des pulmonalen Blutflusses von schlecht belüfteten zu besser ventilierten Lungenregionen durch den Mechanismus der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion nur unzureichend erfolgt.

Pferde wie auch Schafe nehmen eine gewisse Zwischenstellung ein. Beide Tierarten verfügen zwar über Möglichkeiten zur kollateralen Ventilation, diese sind jedoch gegenüber den Lungen von Hund oder Katze deutlich eingeschränkt [6]. Folglich reagieren auch Pferde und Schafe im Falle von Atemwegsobstruktionen mit FRC-Anstiegen und Gasaustauschstörungen, jedoch sind diese pathophysiologischen Konsequenzen graduell nicht so stark ausgeprägt wie beispielsweise bei Schwein oder Rind.

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Praktische Beispiele für Modelle pulmonaler Infektionen bei Großtieren

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Art der Infizierung

Die am häufigsten im Schrifttum beschriebenen Applikationsorte bei einer experimentellen Infizierung sind: intranasal, intratracheal, intrabronchial (letzterer meist unter bronchoskopischer Sichtkontrolle) oder entsprechende Kombinationen. Eigene Erfahrungen zu experimentell induzierten respiratorischen Infektionen liegen für Kälber und Schweine vor, wobei sich bei diesen Tierarten die aerogene Infizierung durch Inhalation eines erregerhaltigen Aerosols als sehr praktikabel erwiesen hat. Während eine intratracheale oder intrabronchiale Bolus-Applikation gerade in den stark segmentierten Lungen von Rind und Schwein eher lokale Reaktionen in einem Lungenlappen oder in wenigen Segmenten erwarten lässt, sichert die Inhalation eines Aerosols, dass große Anteile des respiratorischen Epithels mit dem Infektionsstamm in Kontakt kommen.

In eigenen Studien zur RSV-Infektion bei Kälbern [13] oder zur Chlamydien-Infektion bei Schweinen [14] hat sich ein Düsenvernebler (Pari Provocation Test II, Pari GmbH, Starnberg) bewährt, durch welchen ein Aerosol mit einem Anteil von mindestens 80 % Teilchen ≤ 5 µm Durchmesser produziert wird. Die inhalierte Aerosolmenge wird dosiert, indem das zu infizierende Tier wiederholt je 10 Liter des Aerosols aus einem Reservoirbeutel abatmet. Hierbei ist das Tier mittels Atmungsmaske, Inspirationsventil und Faltenschlauch mit dem Aerosolgerät verbunden (Abb. [1]). Die Tiere sind nicht narkotisiert und atmen spontan. Während Kälber frei stehen können, sollten die weniger kooperativen Schweine in einer Art Hänge-Vorrichtung fixiert werden und sind ggf. leicht zu sedieren.

Zoom Image

Abb. 1 Schematische Darstellung der experimentellen Infizierung eines Kalbes durch Inhalation eines erregerhaltigen Aerosols (aus [13]).

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Diagnostik von pulmonalen Dysfunktionen in kontrollierten Studien an Großtieren

Die Erfassung der Konsequenzen einer experimentellen Infizierung für das Einzeltier stützte sich traditionell weitgehend auf klinische und pathologisch-anatomische Untersuchungsmethoden. Bildgebende Verfahren wie Bronchoskopie, Thoraxsonographie [10] oder Röntgendiagnostik sind am Großtier anwendbar, sofern die entsprechende Gerätetechnik zur Verfügung steht. Zum Erregernachweis in vivo werden meist Nasentupfer oder Nasenzellabstriche gewonnen. Zur Probengewinnung aus den Atemwegen distal des Nachen-Rachen-Raumes sind an verschiedensten Tierarten unter anderem die Aspiration von Tracheobronchialsekret, die Gewinnung von tracheo-bronchialen Spülproben und auch die broncho-alveoläre Lavage beschrieben.

In den letzten 10 - 15 Jahren wurden moderne Methoden der Lungenfunktionsdiagnostik an Großtieren etabliert, die eine sensitive Erfassung respiratorischer Dysfunktionen in vivo erlauben. Somit kann der Einfluss biotischer und abiotischer Faktoren auf das respiratorische System wiederholt untersucht und im Verlauf einer Studie zu unterschiedlichen Zeitpunkten beurteilt werden. Das am Tier anwendbare lungenfunktionsdiagnostische Methodenspektrum ist jedoch im Vergleich zu Verfahren der humanmedizinischen Pneumologie per se dahingehend eingeschränkt, dass alle von der aktiven Mitarbeit und Kooperationsbereitschaft des zu untersuchenden Individuums abhängigen Verfahren von vornherein ausscheiden. Unter dem Aspekt des Tierschutzes geraten auch invasive Methoden immer mehr in die Kritik.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien als Beispiele nachfolgend einige lungenfunktionsdiagnostische Methoden und Untersuchungsverfahren genannt, die nicht-invasiv und unter Spontanatmung am wachen Großtier im Rahmen kontrollierter Studien anwendbar sind:

  • Spirometrie: z. B. Pneumotachographie oder Ultraschallspirometrie zur Erfassung von Kenngrößen der Ventilation unter Spontanatmung bei nahezu allen Tierarten

  • Forcierte Oszillometrie: Validierung des Impuls-Oszillometrie-Systems (IOS) zur Analyse der Atmungsmechanik für Kälber [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21]

  • Kapnographie bzw. Kapnovolumetrie: Validierung für Pferde [22] und erste Anwendung an Kälbern [23]

  • Atemgasanalyse (NO, CO): bislang vorwiegend an Pferden und Katzen angewandt [24]

  • Atemkondensat-Untersuchungen: an Kälbern, Schweinen, Pferden, Katzen und Hunden beschrieben [25].

Dass sich die genannten nicht-invasiven Untersuchungstechniken in etablierte Infektionsmodelle an Großtieren integrieren lassen, soll anhand nachfolgender Beispiele exemplarisch belegt werden:

  • Mithilfe der Kopplung von Spirometrie und IOS konnten bei den Modelltieren Kalb und Schwein Veränderungen in der Ventilation (Atmungsfrequenz und Atemvolumina) sowie in der Atmungsmechanik (Obstruktionen der Atemwege und/oder verminderte Dehnbarkeiten des Lunge-Thorax-Systems) infolge von experimentellen Infektionen sensitiv erfasst und quantifiziert werden [10] [26].

  • Die Leukotrien B4 (LTB4)-Konzentration im Atemkondensat korreliert mit der Anzahl neutrophiler Granulozyten in der broncho-alveolären Lavageflüssigkeit und hat sich in Infektionsmodellen am Kalb als ein unspezifischer Marker für den Schweregrad einer Entzündung innerhalb der Atemwege erwiesen. Im Falle einer bakteriell bedingten Bronchopneumonie war eine signifikante Korrelation zwischen der Abnahme der Lungendehnbarkeit und dem Anstieg der LTB4-Konzentration im Atemkondensat zu beobachten. Bei einer viral bedingten Infektion (RSV) stand die Erhöhung der LTB4-Konzentration im Atemkondensat mit einer erhöhten unspezifischen Reaktivität der Atemwege in Beziehung [27].

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Schlussfolgerung

Während gut definierte Labortiermodelle insbesondere zur Bearbeitung immunologischer und genetischer Fragestellungen unverzichtbar sind, bieten Großtiermodelle erhebliche Vorteile für die Erfassung von funktionellen Charakteristika des respiratorischen Systems mit einem zur Humanmedizin kompatiblen Methodenspektrum.

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Abb. 1 Schematische Darstellung der experimentellen Infizierung eines Kalbes durch Inhalation eines erregerhaltigen Aerosols (aus [13]).