Infektionsimmunologische Untersuchungen sind bisher hauptsächlich auf die Rolle des Immunsystems bei der Abwehr von Mikroorganismen fokussiert. Im Unterschied hierzu sind die Auswirkungen mikrobieller Erreger auf den Wirt ebenfalls wichtige Determinanten der Immunregulation. Die dadurch induzierte Immunmodulation ist aber bisher nur wenig erforscht. Derartige Interaktionen können mannigfaltige Folgen haben, wie z. B. die Induktion einer systemischen Immuntoleranz, welche über das eigentliche Zielantigen hinausgeht, oder die Durchbrechung von Toleranz mit der Folge einer Autoimmunität, eine infektbedingte Organdysfunktion oder Immunparalyse, chronische Besiedlungen sowie auch eine veränderte Suszeptibilität für Zweit- oder Co-Infektionen.
Das Immunsystem des Menschen reagiert auf eine durch Mikroben verursachte Stimulation mit entweder erlernten oder aber mit angeborenen Mechanismen [1]. Diese Mechanismen werden entweder durch die innate (angeborene) oder aber durch die adaptive (erworbene) Immunität vermittelt. Sie stehen dabei sowohl hinsichtlich der Effektorfunktion als auch der Immunregulation in enger Wechselwirkung. Das innate Immunsystem dient dazu, fremde Strukturen rasch zu erkennen und solange zu bekämpfen, bis eine adaptive Immunantwort entwickelt ist, um ein beliebiges Pathogen effizient und spezifisch zu eliminieren. Vermittelt werden die Funktionen und Reaktionen der innaten Immunität durch eine Gruppe erst kürzlich beschriebener Rezeptoren, den so genannten „mustererkennenden Rezeptoren” (pattern recognition receptor, PRR) [2]. Diese erkennen Pathogene über Strukturen, die typisch für die jeweiligen Mikroorganismen sind, aber im Säugetierorganismus nicht vorkommen, sog. PAMPs („pathogen-associated-molecular patterns”) [3]. Zur Gruppe der PRR gehören die Toll-Like Rezeptoren (TLR), von denen zurzeit 11 verschiedene beschrieben, wenn auch nicht alle im Detail charakterisiert sind, sowie der membranständige Rezeptor CD14. Die TLRs werden auf einer Vielzahl von Zelltypen, auf Immun- und Nicht-Immunzellen, exprimiert. Bekannt ist z. B., dass der TLR4 den Hauptvirulenzfaktor gramnegativer Bakterien, das Lipopolysaccharid, erkennt [4]. Der TLR2 erkennt die Lipoteichonsäure und das Peptidoglykan, welches von grampositiven Bakterien stammt, und TLR9 diskriminiert charakteristische Bestandteile bakterieller DNA [5]. Neben diesen charakteristischen Strukturen von Mikroorganismen binden aber auch weitere Substanzen physiologischer und nicht physiologischer Herkunft an TLRs. So konnte gezeigt werden, dass an den TLR4 auch Fibronektin, Fragmente der Hyaluronsäure, lösliche Bestandteile des Heparins, reaktive Sauerstoffspezies, Elastase und „Heat Shock Proteine” binden [6]
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[9]. Von besonderem Interesse ist die Beobachtung, dass auch TLR-exprimierende Gewebezellen zu innaten Effektorfunktionen in der Lage sind, beispielsweise Epithelzellen zur Sekretion von Defensinen, Nierentubulus- und Darmepithelzellen, aber auch Herzmuskel- und Alveolarepithelzellen [10]
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Mittels verschiedener Tiermodelle und unterschiedlicher molekularbiologischer Techniken konnte gezeigt werden, dass die Anbindung der Liganden an den Rezeptor und eine damit verbundene Aktivierung der jeweiligen Signaltransduktionswege zu einer sehr spezifischen Immunantwort durch die Expressionsregulation wesentlicher Mediatoren, wie z. B. von Zytokinen führt. Des Weiteren wird über eine Aktivierung der TLR eine Vielzahl von nicht immunologisch aktiven Zellen in ihrer Funktion beeinflusst, die Expression relevanter PRR reguliert und die Reaktivität des innaten Immunsystems moduliert. So führt die Aktivierung des TLR4 durch den Virulenzfaktor gramnegativer Bakterien, das Lipopolysaccharid, in einer Vielzahl von Organen zur Expression inflammatorischer Mediatoren. Der Tumor Nekrose Faktor α und Interferon-γ können ihrerseits dann die Expression von TLR2 in Lungenepithelzellen induzieren [16]. Dies konnte sowohl in Sepsismodellen nach intraperitoneale- als auch infolge einer nasalen Applikation des Virulenzfaktors gezeigt werden. Für spezifische Motive bakterieller DNA, den so genannten CpG's, konnte ebenfalls eine TLR abhängige Regulation relevanter Mediatoren für ein akutes Lungenversagen nachgewiesen werden [5]. In verschiedenen Allergiemodellen wurde demonstriert, dass insbesondere dendritische Zellen nach Stimulierung eine veränderte Expression von TLR aufweisen [17].
In eigenen tierexperimentellen Untersuchungen konnten wir bisher die besondere Bedeutung von TLR2, TLR4 und TLR9 anhand von Maus-KO-Modellen für die Herz- und Lungenfunktion untersuchen. So konnten wir zeigen, dass die jeweiligen Rezeptoren nicht nur die kardiomyozytäre Kontraktilität in verschiedenen Sepsisstudien mit bestimmen, sondern auch im Rahmen von Okklusions-/Reperfusionsuntersuchungen für die Infarktgrößenentwicklung mit verantwortlich zu sein scheinen. In einem weiteren Ganztier-Mausmodell wird von uns zurzeit die Bedeutung der jeweiligen Rezeptoren für die Entwicklung eines ALI/ARDS im Rahmen von verschiedenen Beatmungsverfahren untersucht.
Von besonderer Bedeutung für unsere Untersuchungen ist die Beobachtung, dass die Aktivierung des TLR4 über die NAPDH-Oxidase zu einer veränderten Expression von TLR2 in Endothelzellen führt [18]. Dies zeigt, dass eine mikrobielle Aktivierung bzw. die „Pathogen induzierte Immunmodulation” auch das angeborene Immunsystem in seiner Reaktionsfähigkeit modulieren kann und somit wesentlichen Einfluss auf den klinischen Verlauf einer Vielzahl von Erkrankungen nimmt.
Erste klinische Phase-II-Studien zur Bedeutung eines TLR4-Antagonisten mit der Bezeichnung E5564 wurden bei Sepsispatienten und zur Verhinderung einer inflammatorischen Reaktion während Bypass- und Klappenoperationen bereits durchgeführt. Ergebnisse sind noch nicht publiziert. Eigene tierexperimentelle Untersuchungen mit dieser Substanz haben gezeigt, dass die kardiodepressive Wirkung von LPS durch eine zeitgleiche Applikation von E5564 nahezu vollständig verhindert wird.