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DOI: 10.1055/s-2004-830490
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Schwerpunkt: Mamma-Rekonstruktion
Main Topic: Breast ReconstructionPublication History
Eingang des Manuskriptes: 30. September 2004
Angenommen: 30. September 2004
Publication Date:
04 January 2005 (online)
Die Chirurgie der weiblichen Brust ist traditionell wesentlicher Bestandteil der Plastischen Chirurgie, und wie das Attribut „plastisch“ auch schon impliziert, sind Eingriffe zur Formveränderung der Brust, etwa Augmentation, Reduktion, Straffung oder Kombinationen aus diesen Operationstechniken, genuin plastisch-chiurgische Eingriffe. Auch die Rekonstruktion der Brust nach brusterhaltender Therapie (BET) oder Ablatio bei Tumoren oder anderen Veränderungen ist plastisches Aufgabenfeld. Durch die in unserem Fachbereich entwickelten Techniken der Brustchirurgie, die Etablierung der Mikrochirurgie und ihre immer weiter betriebene Verfeinerung, kann unser Fachbereich in der rekonstruktiven Mammachirurgie die besseren Leistungen vorweisen. Die von Tansini erstbeschriebene und von Olivari popularisierte Technik der gestielten Latissimus dorsi-Lappenplastik, zunächst zur Deckung von Thoraxdefekten, dann zur Formung der weiblichen Brust, ist ein wichtiger Bestandteil. Standard beim Brustaufbau ist heute der Bauchfettlappen (TRAM-Lappen: Transverser Rectus Abdominis Muskel), nicht mehr in seiner gestielten Form, sondern als freies, mikrovaskuläres Transplantat, das unabhängig an seinem neuen Sitz eingepasst, modelliert und angeschlossen werden kann. Der freie TRAM-Lappen und seine Weiterentwicklung, der Perforator-Lappen (DIEP-Lappen: Deep Inferior Epigastric Perforator), stellen damit sichere Routineverfahren im Brustaufbau dar. Der initial höhere medizinische und finanzielle Aufwand steht einem dauerhaften und ästhetischen Ergebnis gegenüber. Die angleichende Straffung für ein symmetrisches Ergebnis und die Rekonstruktion der Brustwarze sind ebenfalls Techniken aus unserem Armamentarium.
Es ist essenziell, dass wir Plastische Chirurgen mit diesen Techniken in den heute politisch gewollten, aber auch fachlich notwendigen, interdisziplinären Brustzentren vertreten sind. Der Plastische Chirurg muss zum Kernteam eines solchen Brustzentrums gehören. Das gilt nicht nur für die sekundäre Rekonstruktion nach einer Karzinombehandlung, sondern bereits primär in der Indikationsstellung zur operativen Technik. Hier gewinnt die primäre Rekonstruktion immer mehr Gewicht und muss den Patientinnen auch angeboten werden. Es darf nicht sein, dass die Patientinnen nur durch das Internet, Selbsthilfegruppen oder populärwissenschaftliche Publikationen von rekonstruktiven Techniken mit autologem Gewebe erfahren. Sie müssen bereits im Vorfeld der operativen Behandlung von ihren behandelnden Ärzten adäquat über die rekonstruktiven Techniken informiert werden.
Mit der Zunahme der brusterhaltenden Therapien, die inzwischen fast überall vom Gynäkologen durchgeführt werden, treten primäre und sekundäre Rekonstruktion durch Lappenplastiken jedoch immer weiter in den Hintergrund. Nicht immer werden allerdings die Indikationen zur brusterhaltenden Therapie adäquat gestellt. Die Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft ist nicht exakt genug formuliert - sie lässt Spielraum für Interpretation. So ist bei „invasiven Karzinomen mit günstiger Relation von Tumorgröße zum Brustvolumen“ die Indikation zur brusterhaltenden Therapie möglich [[5]].
Auch wird gerne verschwiegen, dass die BET mit Bestrahlung eine statistisch signifikant erhöhte Rate von Lokalrezidiven nach sich zieht [[4], [7]]. Um eben das zu kaschieren, wird (richtig) formuliert, dass die Brusterhaltung mit Bestrahlung für das Überleben keine Veränderung mit sich bringe [[6]]. Die Raten für die Lokalrezidive variieren stark in Abhängigkeit von Patientenalter, Tumorgröße, Lymphknotenbefall, Sicherheitsabständen, und nicht zuletzt sind Lokalrezidive abhängig vom operativen Zentrum. So zeigt die EORTC-Studie eine Lokalrezidivrate von 19,7 % nach BET und von 12,2 % nach Mastektomie. Die Rezidivrate für die BET schwankt je nach operativem Zentrum zwischen 10,5 und 36 %, für die Mastektomie zwischen 4,6 und 21,3 % [[2]]. Anders formuliert: Die Operationen sind weit entfernt von einer Standardisierung. Das zeigt sich auch in den von Fisher und Mitarb. (2002) und von Veronesi und Mitarb. (2002) publizierten Langzeitstudien [[3], [10]]. Während bei Veronesi die BET nur als „radikale BET“ bei Tumoren nicht größer als 2 cm als Quadrantektomie mit mehreren Zentimetern Sicherheitsabstand und Mitnahme der Pektoralisfaszie und ggf. des gesamten M. pectoralis minor durchgeführt wurde, schließen die Daten von Fisher Tumoren von bis zu 4 cm ein, die in einer Lumpektomie ohne Resektion der Faszie, Muskulatur oder Haut operiert wurden. Auch die Mastektomie war jeweils verschieden: bei Veronesi eine radikale nach Halstedt (!), bei Fisher eine modifizierte. Fisher zeigt Lokalrezidivraten von 14,3 %, Veronesi von 8,8 % nach 20 Jahren.
In seriösen wie auch in populär-wissenschaftlichen Publikationen wird immer darauf hingewiesen, dass in Deutschland die BET bei bis zu 80 Prozent der primären Brustkrebsbehandlungen möglich ist. Diese hohe Rate spiegelt sicherlich die Euphorie wider, die mit der brusterhaltenden Therapie einhergeht. Natürlich ist es für die Patientin einfacher zu akzeptieren, dass lediglich ein Teil der Brust entfernt wird, als dass die gesamte Brust amputiert wird. Allerdings dürfen dabei nicht onkologische Gesichtspunkte vernachlässigt werden. Und hier kommt wieder der Plastische Chirurg ins Spiel, der mit den Techniken der subkutanen oder der hautsparenden Mastektomie in Kombination mit einem rekonstruktiven Verfahren ein gutes - wenn nicht gar im Vergleich zur BET besseres - Ergebnis erzielen kann, das aber die onkologische Sicherheit nicht beeinträchtigt. Eindrucksvoll zeigt die Arbeit von Tyldesley und Mitarb. (2003), dass die brusterhaltende Therapie in lediglich 48 Prozent der Fälle indiziert ist [[9]]. In Japan wurden 2000 bei strenger Indikation (u. a. Tumorgröße nicht größer als 3 cm) nur 41 Prozent aller Mammakarzinome brusterhaltend operiert [[8]]. Auch die Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie in Kombination mit der BET ist trotz vielversprechender Studien nicht geklärt und kann mit keinerlei Langzeitdaten aufwarten [[1]].
Es bleibt daher unsere Aufgabe, bei der primären und sekundären Behandlung (in den Brustzentren) die Indikation zu hinterfragen und unsere Techniken in die rekonstruktive Behandlung des Mammakarzinoms einzubringen. Die Patientin darf nicht das Opfer politischer oder pekuniärer Erwägungen sein. Dazu gehört aber auch, dass wir Plastische Chirurgen die Schritte und die Inhalte in der diagnostischen und therapeutischen Kaskade des Mammakarzinoms kennen und zeitgemäße operative Therapien durchführen.
Literatur
- 1 Chen A M, Meric-Bernstam F, Hunt K K, Thames H D, Oswald M J, Outlaw E D, Strom E A, McNeese M D, Kuerer H M, Ross M I, Singletary S E, Ames F C, Feig B W, Sahin A A, Perkins G H, Schechter N R, Hortobagyi G N, Buchholz T A. Breast conservation after neoadjuvant chemotherapy: the MD Anderson cancer center experience. Clin Oncol. 2004; 22 2303-2312
- 2 van Dongen J A, Voogd A C, Fentiman I S, Legrand C, Sylvester R J, Tong D, van der Schueren E, Helle P A, van Zijl K, Bartelink H. Long-term results of a randomized trial comparing breast-conserving therapy with mastectomy: European Organization for Research and Treatment of Cancer 10801 trial. J Natl Cancer Inst. 2000; 92 1143-1150
- 3 Fisher B, Anderson S, Bryant J, Margolese R G, Deutsch M, Fisher E R, Jeong J H, Wolmark N. Twenty-year follow-up of a randomized trial comparing total mastectomy, lumpectomy, and lumpectomy plus irradiation for the treatment of invasive breast cancer. N Engl J Med. 2002; 347 1233-1241
- 4 Freedman G M, Fowble B L. Local recurrence after mastectomy or breast-conserving surgery and radiation. Oncology. 2000; 14 1561-1581
- 5 Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft .Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau, S3 Leitlinie, Version Juli 2004: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/onko-045.pdf .
- 6 Kroman N, Holtveg H, Wohlfahrt J, Jensen M B, Mouridsen H T, Blichert-Toft M, Melbye M. Effect of breast-conserving therapy versus radical mastectomy on prognosis for young women with breast carcinoma. Cancer. 2004; 100 688-693
-
7 Simon W E.
Lokoregionäres Rezidiv. v Minckwitz G Aktuelle Empfehlungen zur Therapie primärer und fortgeschrittener Mammakarzinome. Germering; Zuckschwerdt 2002: 135-143 - 8 Takahashi K, Nishimura S, Tada K, Saito M, Makita M, Tada T, Yoshimoto M, Kasumi F, Akiyama F, Sakamoto G. Indications and limits of breast conserving treatment. Gan To Kagaku Ryoho. 2002; 29 1125-1131
- 9 Tyldesley S, Foroudi F, Barbera L, Boyd C, Schulze K, Walker H, Mackillop W J. The appropriate rate of breast conserving surgery: an evidence-based estimate. Clin Oncol (R Coll Radiol). 2003; 15 144-155
- 10 Veronesi U, Cascinelli N, Mariani L, Greco M, Saccozzi R, Luini A, Aguilar M, Marubini E. Twenty-year follow-up of a randomized study comparing breast-conserving surgery with radical mastectomy for early breast cancer. N Engl J Med. 2002; 347 1227-1232
PD Dr. med. Hisham Fansa
Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
Städtische Kliniken Bielefeld gem. GmbH
Klinikum Mitte
Teutoburger Straße 50
33604 Bielefeld
Email: hisham.fansa@sk-bielefeld.de