Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(36): 1865
DOI: 10.1055/s-2004-831350
CME

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schlaganfall - Der konkrete Fall

Stroke - case reportF. Bihr1 , W. Habscheid1
  • 1Medizinische Klinik, Paracelsus-Krankenhaus, Ostfildern
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Prof. Dr. med. Wolfgang Habscheid

Medizinische Klinik Paracelsus-Krankenhaus

Hedelfingerstr.166

73760 Ostfildern

Phone: 0711/4488350

Fax: 0711/44884549

Email: wolfgang.habscheid@t-online.de

Publication History

eingereicht: 2.6.2004

akzeptiert: 22.7.2004

Publication Date:
15 September 2004 (online)

Table of Contents #

Anamnese

Ein 75-jähriger Patient wurde vom Notarzt in die Klinik eingeliefert. Er hatte morgens nach dem Aufwachen erstmals eine rechtsseitige Hemiparese und Sprachstörung bemerkt. Als vaskuläre Risikofaktoren waren eine Hypertonie und Hypercholesterinämie bekannt. Seit einem passageren Sprachdefizit vor 15 Jahren stand er bei chronischer absoluter Arrhythmie unter einer antikoagulatorischen Therapie mit Phenprocoumon. 8 Monate vor Aufnahme erfolgte eine operative Mitralklappenrekonstruktion wegen schwerer Insuffizienz.

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Befunde

Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich eine brachiofazial-betonte Hemiparese rechts mit Absinken des Armes im Halteversuch und fehlender Gehfähigkeit. Die Kommunikation war durch eine motorische (Broca-)Aphasie stark eingeschränkt. Die NIHS(National Institutes of Health Stroke)-Scale lag bei 14. Die übrige körperliche Untersuchung war bis auf einen normofrequenten unregelmäßigen Puls unauffällig. Im EKG zeigte sich eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern. Im Labor fanden sich bis auf einen INR-Wert von 2,5 unter oraler Antikoagulation keine signifikanten Abweichungen. In der umgehend durchgeführten kranialen Computertomographie wurde eine intrazerebrale Blutung ausgeschlossen. Ein 3 ¥ 4 cm großer Territorialinfarkt links frontoparietal konnte erst in der am Folgetag durchgeführten zweiten Untersuchung gesichert werden. Die Doppler- und Duplexsonographie zeigte deutliche atherosklerotische Plaques am Karotisbulbus beidseits, jedoch keine signifikanten Stenosen oder Verschlüsse extra- und intrakraniell. Bei der Echokardiographie fand man die rekonstruierte Mitralklappe mit regelrechter Funktion. Der linke Vorhof war deutlich dilatiert (76 mm) und zeigte einen ausgeprägten Spontanechokontrast.

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Therapie und Verlauf

Der Patient wurde zur Überwachung und Akuttherapie auf die Schlaganfallstation aufgenommen. Eine Thrombolysetherapie war bei unklarem Ereigniszeitpunkt und Phenprocoumontherapie kontraindiziert. Phenprocoumon wurde wegen der schlechten Steuerbarkeit der Gefahr einer sekundären Einblutung bei großem Territorialinfarkt abgesetzt. Da die Rezidivgefahr bei massiv vergrößertem Vorhof und Spontanechos hoch eingeschätzt wurde, erfolgte trotz erhöhten Risikos einer Einblutung eine Antikoagulation mit einem niedermolekularen Heparin (NMH) (Certoparin 2 ¥ 4200 IE anti Xa), die problemlos vertragen wurde. Der weitere Verlauf war bis auf einen akuten Harnverhalt komplikationslos, jedoch erholte sich der Patient nur langsam. Bis zur Entlassung in die stationäre Rehabilitation nach 14-tägigem Aufenthalt war eine Mobilisation auf der Ebene mit Hilfe möglich. Die motorische Funktion des rechten Arms war noch deutlich eingeschränkt. Die Sprachstörung imponierte gering gebessert. Die Verlegung erfolgte mit unveränderter Heparintherapie. Eine Umstellung der Antikoagulation auf Phenprocoumon mit einer höheren Ziel-INR von 3,5 war ab dem Zeitraum von 4 Wochen nach dem Akutereignis geplant.

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Fazit

Trotz Antikoagulation (INR-Wert 2,5) war es bei dem Patienten unter Vorhofflimmern bei Z.n. Mitralklappenrekonstruktion und großem linken Atrium mit Spontanechokontrast zu einem kardiogenen embolischen Hirninfarkt gekommen. Generell birgt die frühe Antikoagulation vor allem bei größeren Infarktarealen ein erhöhtes Blutungsrisiko, weshalb sie auch bei embolischen Insulten nicht allgemein empfohlen wird. Bei Hochrisikopatienten, wie im vorliegenden Fall, kann jedoch eine Heparinisierung jenseits der Low-dose-Therapie zur Thromboseprophylaxe vertreten werden, wenngleich für dieses Vorgehen keine ausreichende Evidenz besteht. Wir wählten eine „halb-therapeutische Dosis” eines NMH, da diese sich bei Patienten mit tiefer Venenthrombose in der Rezidivprophylaxe als genauso wirksam erwiesen hat wie eine Phenprocoumon-Behandlung (INR von 2-3) und eine ähnliche Dosierung bei Schlaganfallpatienten keine erhöhte zerebrale Blutungsrate zeigte (TOPAS-Studie) [1]. Bei großen embolischen Territorialinfarkten ist erst nach 4-6 Wochen die Umstellung auf Phenprocoumon zu erwägen.

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Literatur

  • 1 Diener C H, Ringelstein E B, von Kummer R. et al . Treatment of acute ischemic stroke with the low-molecular-weight heparin Certoparin. Results of the TOPAS Trial.  Stroke. 2001;  32 22-29

Prof. Dr. med. Wolfgang Habscheid

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Fax: 0711/44884549

Email: wolfgang.habscheid@t-online.de

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Literatur

  • 1 Diener C H, Ringelstein E B, von Kummer R. et al . Treatment of acute ischemic stroke with the low-molecular-weight heparin Certoparin. Results of the TOPAS Trial.  Stroke. 2001;  32 22-29

Prof. Dr. med. Wolfgang Habscheid

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73760 Ostfildern

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