Aktuelle Urol 2004; 35(4): 269-270
DOI: 10.1055/s-2004-832276
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Hypogonadismus - Risiken der Testosteron-Ersatztherapie beachten

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Publication Date:
31 August 2004 (online)

 
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Die Testosteron-Ersatztherapie ist mit einigen Risiken behaftet. Kausale Zusammenhänge zwischen der Testosteron-Ersatztherapie und dabei auftretenden unerwünschten Wirkungen konnten bisher zwar noch nicht in großen prospektiven Studien belegt werden, dennoch sind einige Risiken ernst zu nehmen. Das macht eine sorgfältige Überwachung der Behandelten erforderlich.

In den USA sind etwa 2 bis 4 Mio. Männer von Hypogonadismus betroffen. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. Allerdings werden gegenwärtig nur 5% der Betroffenen behandelt. Dennoch findet heute die Testosteron-Ersatztherapie große Aufmerksamkeit, zumal man erwartet, dass dadurch die Manneskraft und Gesundheit der Männer in reiferen Jahren aufrecht erhalten bleibt. Trotz der vielfach berichteten Vorteile, wie Verbesserung von Libido, Knochendichte, Muskelmasse, Erythropoese, Stimmung und Kognition, bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten über die Testosteron-Ersatztherapie bei altersbedingtem Hypogonadismus und den damit verbundenen Risiken. Allerdings gibt es dazu bisher keine größeren Langzeitstudien. Dr. Ernani Luis Rhoden und Dr. Abraham Morgentaler aus Boston geben eine Übersicht darüber, welche Kenntnisse über Risikofaktoren der Testosteron-Ersatztherapie zurzeit vorliegen. Zudem geben sie Empfehlungen für das Monitoring von Männern, die eine derartige Therapie erhalten (N Engl J Med 2004; 350: 482-492).

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Wirkung auf viele Organe und Gewebe

Testosteron ist ein Steroidhormon, das auf eine Vielzahl von Organen und Geweben wirkt. Dazu gehört auch das kardiovaskuläre System. Aus der Tatsache, dass Männer gleichzeitig einen höheren Testosteronspiegel und eine höhere Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse aufweisen, wird oft auf Testosteron als kardiovaskulärem Risikofaktor geschlossen. Bisher konnte anhand der vorliegenden Daten allerdings kein deutlicher kausaler Zusammenhang mit einer Testosteron-Ersatztherapie nachgewiesen werden. So konnten auch günstige Effekte dieser Behandlung, wie z. B. auf die chronische stabile Angina, auf den Durchmesser der Koronararterien und auf hämostatische und thrombotische Faktoren gezeigt werden. Studien haben bisher keine erhöhte Inzidenz von Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Angina pectoris unter Testosteron-Ersatztherapie belegen können. Nach Ansicht der Autoren bedarf es großer prospektiver und plazebokontrollierter Langzeitstudien, um eindeutige Aussagen machen zu können.

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Partielles Androgendefizit beim Mann. Der Zusammenhang zwischen den angeführten Erkrankungen und Symptome mit einem Testosterondefizit ist unterschiedlich gut belegt (Bild: Urologie, Thieme, 2002).

Zurzeit gibt es auch keine Daten, die eine Verschlechterung des Lipidprofils unter Testosteron-Ersatztherapie im physiologischen Rahmen vermuten lassen. Dagegen ist in verschiedenen Fällen ein Anstieg des Hämatokrits beobachtet worden. Steigt dieser über Normalwerte, kann das vor allem bei älteren Patienten schwerwiegende Konsequenzen haben. So verschärft die dabei zunehmende Viskosität des Blutes eventuell bestehende vaskuläre Erkrankungen. Das Risiko einer Polyglobulie ist unter Testosteron-Ersatztherapie vor allem dann erhöht, wenn das Hormon injiziert wird. Obwohl unerwartete Ereignisse bei leichter Polyglobulie von relativ kurzer Dauer unwahrscheinlich sind, sollten der Hämatokrit oder der Hämoglobinspiegel nach Ansicht der Autoren bei Männern unter Testosteron-Ersatztherapie überwacht werden. Andererseits finden sie es beruhigend, dass nach ihren Kenntnissen bisher über keine auf Testosteron zurückzuführende thromboembolische Ereignisse berichtet wurde.

Das Prostatavolumen nimmt unter Testosteron-Ersatztherapie signifikant zu. Dennoch kommt es meist nicht zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Flussraten. Klinikern sollte allerdings bewusst sein, dass einzelne Patienten mit Hypogonadismus unter Testosteron-Ersatztherapie gelegentlich Beschwerden beim Wasserlassen haben.

Selbst jahrzehntelange Forschung konnte bisher nicht zwingend nachweisen, dass Testosteron eine ursächliche Rolle bei der Entstehung von Prostatakarzinomen spielt. Die Autoren weisen darauf hin, dass Prostatakarzinome am häufigsten dann auftreten, wenn im Leben des Mannes die Testosteronspiegel sinken! Patienten mit erhöhtem PSA-Spiegel und positiven Befunden bei der rektalen Untersuchung sollten überwacht werden. Gegebenenfalls muss vor Beginn der Therapie eine Prostatabiopsie durchgeführt werden. Obwohl ein Prostatakarzinom in der Anamnese als absolute Kontraindikation für die Testosteron-Ersatztherapie angesehen wurde, wird dieser Punkt in Bezug auf Männer, die als geheilt angesehen werden, zurzeit aktiv debattiert.

Hepatotoxische Effekte durch orale Testosteron-Präparate haben in den USA dazu geführt, dass von der Gabe dieser Form abgeraten wird. Die Testosteron-Ersatztherapie wurde auch mit der Entwicklung oder Exazerbation von Schlafapnoe in Verbindung gebracht, die gewöhnlich nach hohen parenteralen Dosen bei Patienten mit bereits bestehenden weiteren Risikofaktoren für die Schlafapnoe auftrat.

Allgemein kann die Testosteron-Ersatztherapie bei einigen Männern zu einem Schwellen der Brust, einer Verkleinerung der Testikel und einer Beeinträchtigung der Fertilität führen. Außerdem wurden verschiedene Hautreaktionen beobachtet. Eine Flüssigkeitsretention ist selten, doch sollte eine Testosteron-Ersatztherapie bei Männer mit Herz- und/oder Niereninsuffizienz mit Vorsicht angewandt werden.

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Sorgfältiges Monitoring

Vor und während der Testosteron-Ersatztherapie sind nach Ansicht der Experten zunächst in Abständen von drei bis sechs Monaten und nach einem Jahr jährlich Bluttests zur Messung von PSA, Hämatokrit und Hämoglobin sowie eine digitale rektale Untersuchung erforderlich. Eine Lipidbestimmung ist optional. Zudem sollte die Entleerung der Blase überwacht und eine Bewertung des Prostatazustandes anhand des "International Prostatic Symptom Scores" durchgeführt werden. Es besteht nach Ansicht der Autoren kein Anlass, Männern mit einem negativen Biopsieergebnis eine Testosteron-Ersatztherapie vorzuenthalten. Zudem ist zu bedenken, dass Anomalien im PSA-Spiegel oder bei der rektalen Untersuchung auch gutartige Ursachen haben können. Rhoden und Morgentaler merken an, dass ihre Empfehlungen für Männer unter 40 Jahren wahrscheinlich modifiziert werden müssten, zumal ein Prostatakarzinom in dem Alter selten auftritt.

Dr. Volker Kriegeskorte, Martinsried

 
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Partielles Androgendefizit beim Mann. Der Zusammenhang zwischen den angeführten Erkrankungen und Symptome mit einem Testosterondefizit ist unterschiedlich gut belegt (Bild: Urologie, Thieme, 2002).