Aktuelle Urol 2004; 35(4): 271
DOI: 10.1055/s-2004-832277
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Überaktive Blase bei Kindern - Tolterodin behebt die Symptome

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Publication Date:
31 August 2004 (online)

 
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Die Behandlung mit Tolterodin hat sich bei Kindern mit einer überaktiven Blase als wirksam und gut verträglich erwiesen. Der selektive antimuskarine Wirkstoff ist effektiver als nichtselektive Mittel und führt dadurch auch zu einer besseren Compliance.

Eine Detrusor-Hyperaktivität kommt im Kindesalter häufiger vor und kann dazu führen, dass diese Kinder sowohl tagsüber als auch nachts einnässen und Harnwegsinfektionen, verbunden mit vesikouretralem Reflux, erleiden. Mittel der Wahl zur Behandlung der überaktiven Blase sind Antimuskarinika wie Oxybutynin. Deren Anwendung ist jedoch durch das Auftreten systemischer Nebenwirkungen begrenzt, was oft zu schlechter Compliance und zum Abbruch der Behandlung führt. Dr. A. Raes und Kollegen vom Universitätshospital in Gent, Belgien, untersuchten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tolterodin, das speziell zur Behandlung von Harninkontinenz und anderen mit der überaktiven Blase verbundenen Symptomen entwickelt wurden (Eur Urol 2004; 45:240-244). Dazu unternahmen sie eine retrospektive Auswertung der Datenbank eines Inkontinenzzentrums. Die Analyse umfasste 256 Patienten im Alter von drei bis 17 Jahren, davon 81 Mädchen und 175 Jungen. Alle litten an einer urodynamisch bestätigten Überaktivität der Blase und waren mit oral gegebenem Tolterodintartrat in Dosen von 0,5 - 4,0 mg behandelt worden. Die Kinder in Gruppe I hatten zuvor Oxybutynin oder Oyxphencyclimin erhalten. Eine Subgruppe davon wechselte zu Tolterodin aufgrund von Intoleranz und schwerer Nebenwirkungen (60,4%) oder wegen mangelnder Wirkung (39,6%). Den Patienten in der Gruppe II (n = 51) war Tolterodin als Initialtherapie ihres Blasenleidens verschrieben worden.

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Anzahl der Inkontinenzepisoden verringert

Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 9,3 Monate. Die Enddosis bestand aus 0,1 mg/kg täglich, aufgeteilt in zwei Dosen. Unter der Behandlung mit Oxybutynin oder Oyxphencyclimin waren in Gruppe I in 81% der Fälle ZNS-Störungen, bei 26,2% Gesichtsrötungen, bei 25,2% gastrointestinale Beschwerden und bei 12,2% Akkomodationsprobleme aufgetreten. Das Absetzen der nichtselektiven Antimuskarinika führte zu einer vollständigen Erholung von den Nebenwirkungen.

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Aufbau der Harnblase. In der Ansicht von ventral sind die drei Schichten des M. detrusor vesicae zu erkennen (Bild: Urologie, Thieme, 2002).

Unter Tolterodin traten in beiden Gruppen keine schwerwiegenden Ereignisse auf. Neun Patienten (3,5%) berichteten über Nebenwirkungen, und nur zwei setzten die Therapie ab. Der Harndrang nahm in Gruppe I um durchschnittlich 38,7% ab, die maximale Blasenkapazität erhöhte sich um 33,6%, und die Anzahl der Inkontinenzepisoden verringerte sich um 64,8%. Die entsprechenden Werte in Gruppe II betrugen 28,9% für die Abnahme des Harndrangs, 49,7% für die signifikant erhöhte maximale Blasenkapazität und 64,8% für die Abnahme der Inkontinenzepisoden in 24 Stunden.

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Fazit

Die Ergebnisse der retrospektiven Analyse erlauben nach Ansicht der Autoren den Schluss, dass Tolterodin eine sichere und effektive Therapie für Kinder mit überaktiver Blase bietet. Die Kinder können also problemlos auf dieses spezielle Antimuskarinikum überwechseln, das weniger Nebenwirkungen aufweist als nichtselektive Präparate. Die damit verbundene bessere Therapietreue führt auch zu einem besseren Behandlungserfolg. Die Befunde sollten noch in kontrollierten, prospektiven Studien bestätigt werden, raten Raes und Kollegen an.

Dr. Volker Kriegeskorte, Martinsried

 
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Aufbau der Harnblase. In der Ansicht von ventral sind die drei Schichten des M. detrusor vesicae zu erkennen (Bild: Urologie, Thieme, 2002).