Z Orthop Ihre Grenzgeb 2004; 142(5): 631-632
DOI: 10.1055/s-2004-832324
Leserbrief

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Chirotherapie und spinales epidurales Hämatom - was kam zuerst?

Chiropractic Manipulation and Spinal Epidural Hematoma - What was First?Ch. Niedhart1
  • 1Klinik und Poliklinik für Orthopädie, RWTH Aachen
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Publication Date:
07 October 2004 (online)

Saxler/Barden: Das ausgedehnte spinale epidurale Hämatom - Eine seltene Komplikation nach chirotherapeutischer Manipulationsbehandlung der Halswirbelsäule. Z Orthop 2004; 142: 79-82

Der oben genannte Artikel schildert folgenden Fall:

Eine Frau beklagt seit einem Tag bestehende Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Bei diagnostizierter Blockierung C5/6 wird eine mobilisierende Behandlung und eine Infiltration der Facettengelenke durchgeführt. Die Schmerzen verschlimmern sich im Folgenden. Tage später wird die Diagnose eines spinalen epiduralen Hämatoms (SEH) gestellt.

Die Autoren ziehen den Schluss, das spinale epidurale Hämatom sei eine „Komplikation nach chirotherapeutischer Manipulationsbehandlung”.

Diesem Schluss möchte ich widersprechen: Die Autoren schildern einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem ärztlichen Eingriff und einem Krankheitsbild. Es wird ausführlich diskutiert, warum die Infiltration wahrscheinlich nicht ursächlich für das SEH verantwortlich ist, außer Acht lassen die Autoren jedoch die Tatsache, dass das SEH durchaus initiale Erkrankung mit den Symptomen Kopfschmerz und begleitender reversibler Funktionsstörung als Folge sein kann [1]. Der Beweis der Kausalität zwischen manualtherapeutischem Eingriff und SEH wird von den Autoren nicht erbracht (und kann retrospektiv auch nicht erbracht werden). Damit ist die Schlussfolgerung, die SEH sei eine „Komplikation nach chirotherapeutischer Manipulationsbehandlung”, nicht haltbar.

Gleiche Diskussion entfacht sich immer wieder um die Zusammenhangsfrage zwischen manualtherapeutischem Eingriff und der Dissektion hirnzuführender Gefäße: Meist handelt es sich hier um bereits bei manualtherapeutischem Eingriff vorliegende, noch nicht erkannte oder deutlich später ohne Zusammenhang eintretende Dissektionen [2].

Zudem wird als Therapie eine „Mobilisation” angegeben: Eine Mobilisation ist als weiche, repetitive Technik mit langsamer Bewegung zu verstehen, im Gegensatz zur Manipulation ohne Impuls durchgeführt [3]. Eine korrekt ausgeführte Mobilisation sollte daher - bei fehlendem Impuls - nicht zu Gefäßverletzungen führen.

Weiter stellt sich die Frage, warum eine zusätzliche Infiltration notwendig war. Eine erfolgreiche Mobilisation hätte bei alleiniger reversibler Funktionsstörung im Segment C5/6 zur raschen Beschwerdefreiheit führen sollen. Wenn eine zusätzliche Infiltration notwendig war, war entweder die Mobilisation nicht erfolgreich durchgeführt oder Schmerzursache waren andere Prozesse, z. B. ein SEH unklarer Genese?

Zusammenfassend wird in der vorliegenden Arbeit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen spinalem epiduralem Hämatom und chirotherapeutischer Mobilisationsbehandlung geschildert. Der Fall an sich erscheint ausgesprochen interessant und kann als Grundlage zur Diskussion über den Kausalzusammenhang zwischen Chirotherapie und SEH dienen. Er ist jedoch ungeeignet, das spinale epidurale Hämatom als eine „Komplikation nach chirotherapeutischer Manipulationsbehandlung” darzustellen, da die Autoren keine Kausalität nachweisen können. Insofern sind Titel und Schlussfolgerung der Arbeit irreführend.

Literatur

  • 1 Niedhart C, Miltner O, Schmidt-Rohlfing B, Siebert C H. Pneumonie als Ursache rezidivierender BWS- und Costotransversalgelenks-Blockierungen.  Man Med Osteopath Med. 2002;  40 184-185
  • 2 Refisch A, Bischoff P. Manipulation und Läsionen der Zervikalarterien. Mehr als zeitliche Koinzidenz?.  Man Med Osteopath Med. 2003;  42 109-118
  • 3 Bischoff P. Chirodiagnostische und chirotherapeutische Technik. Spitta Verlag Balingen 1997

Dr. med. Ch. Niedhart

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