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DOI: 10.1055/s-2004-832607
Traum(atabe)hafte(te) Orientierung in Aachen
Zusammenfassung der 6. Aachener Balint-StudientagungPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
17. September 2004 (online)

Ort:
Katholische Hochschulgemeinde; Pontstr. 74 - 76, 52 062 Aachen
Zeit:
09.05.2003 ab 16 : 00 - 11.05.2003 bis 13 : 30
Teilnehmer:
Angemeldete Teilnehmer und Medizinstudenten
Protokollführer:
cand. med. Kaspar Bausch
Thema: „Der traumatisierte Patient in der Praxis”.
Die Teilnehmer konnten aus 3 Modulen das ihnen gemäße heraussuchen.
Themenbezogene Praxis-Module, Klassische Balint-Arbeit, Ausbildungsmodule zum Balint-Gruppenleiter.
Eröffnet wurde die Tagung von Frau Dr. H. Otten, Präsidentin der Internationalen Balint-Gesellschaft, sowie Herrn Dr. G. Flatten, ltd. Oberarzt an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am UK-Aachen.
Kurz wurde das Leben und Wirken von Michael Balint (1896 - 1970) skizziert, danach die Balint-Gruppenarbeit umrissen.
Am Freitag, um 16 : 30, hielt Prof. Petzold, in Abänderung zum gedruckten Programm, seinen Vortrag:
„Das Aachener Balint-Cooperations-Modell und die Tübinger Lösungen”.
Über Einhard, Kaiser Karl, Keppler und Hölderlin spannte Prof. Petzold einen Bogen von Aachen nach Tübingen und er erklärte einiges zum MV-Modell (MV = Monte vérita bei Ascona).
Kernpunkte des Vortrages waren die Hinweise, dass eine Veränderung in komplexen Systemen erst durch eine kritische Instabilität (G. Schiepek) ermöglicht wird, und dass Studierende der Medizin sich ihre Kenntnisse und ihr Wissen zuerst und mitunter recht mühevoll professionell zu erwerben haben (oft wie in einer Einbahnstraße), bevor der Gegenverkehr zugelassen werden kann.
Nach dem Vortrag wurde die Arbeit in den einzelnen Modulen fortgesetzt, wobei die Gruppen zur klassischen Balint-Gruppenarbeit von Frau Dr. Ludwig und Herrn Prof. Petzold geleitet wurden .
Der erste Tag der 6. Aachener Balint-Studientagung endete um 21 : 00.
Am Samstag begann die Balint-Studientagung um 9 : 00 Uhr zunächst wieder mit der Arbeit in einer weiteren Großgruppe. Danach wurde die Arbeit in den einzelnen Modulen fortgesetzt. Am Ende dieses Vormittags wurde allen Tagungsteilnehmern eine Führung durch Aachens Altstadt angeboten.
Um 15 : 30 folgte wieder die Arbeit in den Modulen, die mit dem Vortrag von Fr. Dr. Reddemann um 19 : 00 endete.
Dieser Vortrag war einer der Höhepunkte der Veranstaltung, war er doch schon seit einiger Zeit geplant und mit Spannung erwartet worden.
Thema dieses Vortrags war:
„Der traumatisierte Patient in der allgemeinärztlichen Praxis”.
Frau Dr. Reddemann ging hierbei zunächst auf die am häufigsten auftretende Situation ein: die meisten traumatisierten Patienten werden in der täglichen Routine von den Gynäkologen und den als Hausärzten tätigen Allgemeinmedizinern gesehen.
Unter einem Trauma versteht man unter anderem eine Situation, die durch Überwältigtsein, Todesangst, Panik und dem Gefühl der extremen Hilflosigkeit und Ohnmacht gekennzeichnet ist. Situationen, in denen dies gehäuft auftritt, sind z. B. Vergewaltigungen, Folter, Naturkatastrophen und der 2. Weltkrieg. Die darauf folgenden Reaktionen des betroffenen Individuums sehen sehr verschieden aus, abhängig von der Stabilität der Personen, wobei Kinder oftmals sehr hilflos sind.
Kindertraumata treten nach extremen Fieberschüben auf, plötzlichen Verlusten nahestehender Bezugspersonen, beinahe Ertrinken, Angriffe durch Tiere sowie Stürze und medizinische Eingriffe. Der Schweregrad der Traumata ist u. a. abhängig vom Reifegrad des Kindes, der Qualität der Bindung und der Dauer des Ereignisses.
Allgemeine Gefahren durch Traumata gehen oft auf die unbewussten Anteile der Schädigung zurück. Als Beispiel wurde von Frau Dr. Reddemann der Ausbruch des Vulkans Mt. St. Helen genannt, wonach die Zahl der Alkoholprobleme in der betroffenen Region drastisch angestiegen war.
Eine Teilursache bei vielen Krankheitsbildern sind nicht verarbeitet Traumata. Vermutet wird dies bei Depressionen, Angststörungen, dissoziativen Störungen und Essstörungen.
Im Allgemeinen ist das Bild der posttraumatischen Belastungsstörung breit gefächert, wird durch ein Vermeidungsverhalten oftmals nicht sehr schnell festgestellt und besteht deshalb teilweise über lange Zeit.
Die dabei auftretenden Symptome der Traumatisierung können unter anderem sein: Einnässen und Einkoten, chronische Verspannungen in Rücken- Kopf-, Nackenmuskulatur, Müdigkeit, Mattigkeit, Atemwegserkrankungen sowie Probleme des Gastrointestinaltraktes. In einigen aktuellen Studien wird auch ein Zusammenhang zwischen KHK, Adipositas, Alkoholkrankheit und kindlichen Belastungssituationen nachgewiesen.
Traumafolgen lassen sich dabei einteilen in:
Akute Belastungssituation (klingt nach Tagen ab), Anpassungsstörungen (Beginn nach Wochen für ca. 6 Monate lang), Posttraumatische Belastungsstörung (kann sich über Jahre hinziehen), Borderline ähnliche Störungen (unspezifisch, durch extremen Stress)
Wichtig für den behandelnden Arzt ist es zu wissen, dass eine iatrogene Reinszenierung des Traumas bei medizinischen Eingriffen möglich ist.
Blieb die Frage, wie man traumatisierten Patienten begegnet. Frau Dr. Reddemann führte aus, dass sich hier ein Paradigmenwechsel vollzogen hat.
Wo früher ausgiebigst nach Ursachen gesucht wurde, teilweise unter erheblicher seelischer Beanspruchung der Patienten und einer viel zu raschen Traumatakonfrontation, tritt heute eine Stärkung des „Ichs” und eine Stabilisierung des Patienten in den Vordergrund. So lässt sich ein dissoziativer Flash-Back oftmals vermeiden, da zuerst die Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Traumaarbeit geschaffen werden.
Eine erfolgreiche Traumaarbeit setzt unter anderem voraus, dass der Patient eine stabile therapeutische Beziehung hat, seine Affekte kontrollieren kann, das soziale Umfeld stabil ist, und er sich selbst beruhigen kann.
Im anschließenden Fragenteil hat Frau Dr. Reddemann dann auch noch auf die Unterschiede zwischen der einfachen und der komplexen Traumatisierungsstörung hingewiesen, wobei bei der zweiten eine Konfrontation problematisch werden kann.
Damit endete der zweite Tag der Tagung.
Sonntag begann die Tagung nochmals um 9 : 00 mit einer Großgruppe und danach folgte wieder Modularbeit bis 12 : 30.
Im folgenden Plenum gab es Raum für die Erfahrungen der Tagungsteilnehmer. Auch Kritik wurde angefordert, um die Organisation noch besser anzupassen. Die Mehrzahl der Tagungsteilnehmer zeigten sich sehr zufrieden mit den Tagungsinhalten und der hervorragenden Ablaufplanung.
Aachen, den 3. 8. 03
Kaspar Bausch
cand. med. Kaspar Bausch, Jahrgang 1960, Abitur 1980, Zivildienst 1981, Studium Maschinenbau, 12 Jahre Prototypenbau in eigener Firma, Medizinstudium seit 1998, Schwerpunkte: Psychosomatik/Balint-Arbeit, Synergetik der Disziplinen, Akupunktur-TCM
Kaspar Bausch
Adenauer-Allee 144
52066 Aachen
eMail: info@k-bausch.de