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DOI: 10.1055/s-2004-834352
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Therapie der BPH mit Finasterid und Doxazosin - Langzeitbeobachtung spricht für Kombination
Publication History
Publication Date:
22 September 2004 (online)
Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) wird üblicherweise mit einem Alphablocker oder einem 5-a-Reduktasehemmer behandelt. Ob die Medikamente langfristig das Progressionsrisiko senken können, ist jedoch weit gehend unbekannt.
John D. McConnell vom University of Texas Southwestern Medical Center, Dallas, USA, und Mitarbeiter verglichen in einer kontrollierten, doppelblinden Studie mit 3047 Männern den Effekt von Plazebo, Doxazosin, Finasterid und einer Kombinationstherapie auf die Progression der BPH. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 4,5 Jahre. Die Progression der BPH wurde anhand des Symptomscores der American Urological Association bestimmt: akuter Harnverhalt, Harninkontinenz, Niereninsuffizienz oder wiederholte Harnwegsinfektionen (N Engl J Med 2003; 349; 25: 2387-2398).
Das Progressionsrisiko wurde im Vergleich zu Plazebo signifikant durch Doxazosin um 39% und durch Finasterid um 34% gesenkt. Die Verringerung des Risikos mit der Kombinationstherapie aus Finasterid und Doxazosin war mit 66% im Vergleich zu Plazebo signifikant höher als bei den Monotherapien.
Das Risiko eines akuten Harnverhalts und die Notwendigkeit eines invasiven Eingriffs wurden signifikant durch die Kombinationstherapie und Finasterid verringert, aber nicht durch Doxazosin. Beide Medikamente allein und die Kombinationsbehandlung führten zu seiner signifikanten Verbesserung im Symptomscore. Auch in diesem Fall war die Kombination der Monotherapie überlegen.
Nach 4 Jahren hatten sich in der Plazebogruppe die Serum-PSA-Werte im Mittel um 15% und in der Doxazosin-Gruppe um 13% erhöht. Verglichen mit den Ausgangswerten fielen die PSA-Werte in der Finasterid- und in der Kombinationsgruppe im Median um 50% ab.
Nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 4,5 Jahren hatte sich das Prostatavolumen in der Plazebo- und Doxazosin-Gruppe im Mittel um 24% vergrößert. Bei 427 Männern in der Finasterid- und Kombinationsgruppe, die zu Beginn der Studie ein großes Prostatavolumen aufweisen, nahm während der gleichen Zeit die Größe im Mittel um 19% ab.
27% der Männer hatten bis zum Studienende Doxazosin und 24% Finasterid abgesetzt, 18% im Kombinationsarm beide Medikamente. Der häufigste Grund waren unerwünschte Nebenwirkungen.
Die Autoren schließen aus ihrer Untersuchung, dass die Langzeitbehandlung mit der Kombinationstherapie aus Finasterid und Doxazosin die effektivste Option für BPH-Patienten ist. Diese Therapie ist auch für Männer geeignet, die ein erhöhtes Progressionsrisiko haben.
Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt
#Erster Kommentar
Die Resultate dieser plazebokontrollierten doppelblinden Multizenterstudie zeigen eine Reduktion des Risikos einer Progression und eine Verminderung des Risikos eines akuten Harnverhaltes bei Patienten mit benigner Prostatahyperplasie (BPH) mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4,5 Jahren bei einem medianen Alter von 62 Jahren.
Diese Resultate sind auf den ersten Blick viel versprechend. Die absoluten Zahlen sind jedoch weniger ausgeprägt und zeigen eine Verminderung des Progressionsrisikos von rund 19% bei den plazebobehandelten Patienten auf rund 8% bei den Patienten mit Kombinationstherapie nach 5 Jahren. Es stellt sich die Frage, wie lange dieser Effekt anhalten wird bei einer Population, die noch eine Lebenserwartung von gut 15 Jahren hat? Wird durch diese Kombinationstherapie lediglich der Zeitpunkt der transurethralen Resektion herausgeschoben und zu welchen Kosten? Riskieren wir durch diese medikamentöse Therapie bei der operativen Therapie ältere und morbidere Patienten mit einem erhöhten Operationsrisiko vorzufinden? Hier sind Langzeitresultate und Kostenvergleichsanalysen gefragt, bevor ein endgültiger Entscheid über den Nutzen dieser medikamentösen Therapie gefällt werden kann.
Weiter müssen die Resultate der im Juli 2003 im New England Journal of Medicine publizierten Resultate des "Prostate Cancer Prevention Trial" berücksichtigt werden. In dieser Studie wurde Finasterid zur Prävention des Prostatakarzinoms eingesetzt. Finasterid bewirkte hier wenn nicht eine Prävention, dann eine Verzögerung der Entwicklung eines Prostatakarzinoms. Die Patienten im Finasterid-Arm hatten jedoch ein erhöhtes Risiko ein wenig differenziertes Prostatakarzinom zu entwickeln. Ob diese Patienten rechtzeitig durch das PSA-Screening erfasst werden, bevor ein wenig differenziertes, lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom aufgetreten ist, ist ungewiss. Wiederum stellt sich die Frage nach dem Nutzen und zu welchem Preis.
Eine medikamentöse Therapie stellt, zumindest für eine gewisse Zeit, eine therapeutische Option dar bei symptomatischen Patienten und bei Patienten mit erhöhtem BPH-Progressionsrisiko, vor allem wenn eine operative Therapie aus medizinischen oder anderen Gründen im Moment nicht möglich ist. Die operative Therapie der BPH hat in den letzten Jahren zunehmend Fortschritte gemacht mit sehr niedrigen Morbidität- und Mortalitätsraten und es stehen alternative Therapieformen zur Verfügung, sodass mit dem Patienten die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze diskutiert werden sollten mit einer individuellen Therapieplanung. Aufgrund der Resultate der vorliegenden Studie stellt sich nicht die Frage operative oder medikamentöse Therapie, sondern operative Therapie früher oder später - und zu welchen Kosten?
PD George Thalmann, Bern
#Zweiter Kommentar
Die Publikation der MTOPS(Medical Therapy of Prostatic Symptoms)-Research Group kann zweifelsohne als Meilenstein der medikamentösen Therapie des benignen Prostatasyndroms (BPS) bezeichnet werden. Während Wirksamkeit und Verträglichkeit sowohl von 5a-Reduktasehemmern wie auch von a1-Rezeptorblockern in hochrangig publizierten Studien belegt sind (PLESS, PREDICT, ALFIN, VA-Studie1-4), so konnte die vorliegende Arbeit erstmalig einen statistisch signifikanten Vorteil bezüglich den Parametern Progressionsrisiko, Risiko eines Harnverhaltes und Notwendigkeit eines invasiven Eingriffs, für die Kombinationstherapie beider Substanzen gegenüber der Plazebogruppe sowie gegenüber beiden Monotherapiekollektiven zeigen. Grund hierfür ist vor allem die im Vergleich zu den anderen Studien deutlich längere Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 4,5 Jahren.
Neben den in obiger Zusammenfassung aufgeführten Ergebnissen sind aus der MTOPS-Arbeit noch weitere wegweisende Erkenntnisse zu erhoffen. So unterzogen sich 1198 der Studienteilnehmer freiwillig vor, sowie ein und 5 Jahre nach Studienbeginn, einer Prostatastanzbiopsie. Diese histologischen Untersuchungen könnten wichtige Erkenntnisse zur Ätiologie, Wirkmechanismen der medikamentösen Therapie, aber auch der "natural history" der BPH auf molekularer Ebene erbringen.
Bevor allerdings die Ergebnisse der MTOPS-Studie zu einer unkritischen Anwendung der Kombinations- oder Dualtherapie führen bzw. diese zu einem "Quasi-Standard" bei BPS-Patienten erhoben wird, sollten einige Probleme dieser Therapieform im Allgemeinen, sowie auch der oben genannten Publikation im Besonderen, geklärt werden.
So ist die Definition des primären Studienziels einer klinischen Progression bei Zunahme des AUA-Scores um ≥4 Punkte gegenüber dem Ausgangswert nicht unumstritten. Eben diese Zunahme des AUA-Scores um ≥4 Punkte machte aber 78% der klinischen Progressionen aus. Auf den akuten Harnverhalt fielen 12%, eine Harninkontinenz war mit 9% vertreten. Die Verringerung der Progressionsrisiken durch 5a-Reduktasehemmer (34%), a1-Rezeptorblockern (39%) und Kombinationstherapie (66%) muss weiterhin vor dem Hintergrund gesehen werden, dass auch in der Plazebogruppe nur 18% der Patienten nach vier Jahren überhaupt eine klinische Progression zeigten.
Die gezeigten statistischen Vorteile der Kombinationstherapie müssen im Einzelfall der klinischen Wirksamkeit, dem Nebenwirkungsprofil sowie auch ökonomischen Aspekten gegenübergestellt werden. |
Trotz statistischer Signifikanz aufgrund hoher Fallzahlen erscheinen die Verbesserungen der maximalen Harnstrahlraten absolut betrachtet eher marginal. So verbesserten sich diese nach 4 Jahren in der Plazebogruppe gegenüber dem Ausgangswert um 1.4 ml/s. Über diese Verbesserung hinaus finden sich lediglich 0,8 ml/s für die 5a-Reduktasehemmer, 1,1 ml/s für die a1-Rezeptorblocker und 2,3 ml/s für die duale Therapie. Inwieweit diese zwar statistisch signifikanten Ergebnisse auch klinisch signifikant und damit relevant sind, bleibt umstritten.
Die Senkung des Risikos eines akuten Harnverhalts durch die Kombinationstherapie sollte ebenfalls kritisch gesehen werden. Absolut stehen hier in einem Zeitraum von 4 Jahren 4 Verhalte in der Kombinationsgruppe 18 solcher Ereignisse in der Plazebogruppe gegenüber. Die Frage nach der klinischen Relevanz auch dieses Aspektes gewinnt zusätzliches Gewicht durch das Wissen, dass etwa 50% aller akuten Harnverhalte ohne vorherige BPS-assoziierte Symptome erfolgen. Eine präventive Pharmakotherapie könnte also in diesem Kollektiv gar nicht eingesetzt werden.
Neben diesen, die Wirksamkeit betreffenden Punkten, stellt die Verträglichkeit und Sicherheit der besprochenen Wirkstoffe ein entscheidendes Kriterium dar. Hier muss angeführt werden, dass immerhin 24% (5a-Reduktasehemmer) bzw. 27% (a1-Rezeptorblocker) der Studienteilnehmer ihre Studienmedikation vorzeitig absetzten. Grund hierfür waren in den meisten Fällen unerwünschte Nebenwirkungen. In der Kombinationsgruppe setzten 18% deswegen sogar beide Medikamente ab. Besonders relevant sind in diesem Kontext Nebenwirkungen wie erektile Dysfunktion, verringerte Libido und abnormale Ejakulation, welche in der 5a-Reduktasehemmer- und Kombinationstherapie-Gruppe signifikant häufiger auftraten.
In diesem Zusammenhang darf auch das Auftreten eines Mammakarzinoms bei 4 Patienten in der 5a-Reduktasehemmer-und Kombinations-Gruppe (zusammen 7252 "person-years") nicht unerwähnt bleiben. Die Inzidenz dieser Tumorentität bei 65- jährigen Männern in den USA liegt sonst bei 5.5 Fällen pro 100 000 "person-years". Diese evidente Diskrepanz muss, ebenso wie ein relativ gehäuftes Auftreten von schlechtdifferenzierten Prostatakarzinomen (Gleason-Score 7-10) unter Finasterid 9, weiter kritisch beobachtet werden.
Zusammenfassend handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine wichtige, hochwertig konzipierte Studie zur medikamentösen Therapie des BPS. Trotz beeindruckender Fallzahlen und Nachbeobachtungszeit sowie ausgesuchtem Publikationsorgan sollten die Schlussfolgerungen kritisch auf ihre klinische Relevanz geprüft werden. So müssen die gezeigten statistischen Vorteile der Kombinationstherapie im Einzelfall der klinischen Wirksamkeit, dem Nebenwirkungsprofil sowie auch ökonomischen Aspekten gegenübergestellt werden. Derzeit sehen wir die Indikation für eine duale medikamentöse Therapie hauptsächlich bei Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko. Dies sind vor allem ältere Männer mit großem Prostatavolumen (> 40g) und prostataspezifischem Antigen (PSA) > 4 ng/ml.
Dr. Oliver Reich, Prof. Christian G. Stief, München
Literatur bei den Autoren