Der transrektale Ultraschall sowie die Prostatabiopsie werden von der Mehrzahl der
Patienten als schmerzhaft empfunden. Aus diesem Grund wurden bereits verschiedene
Analgesiemethoden untersucht. Eine englische Studie zeigt nun, dass die rektale Gabe
von Diclofenac signifikant den Schmerz unter dieser Prozedur senkt.
In einem randomisierten doppelblinden Ansatz untersuchten A. Haq und Mitarbeiter die
Wirkung von Diclofenac bei der transrektalen Sonographie und bei der Prostatabiopsie
anhand von 72 Männern (The Journal of Urology, 2004; 171: 1489 - 1491). Patienten, die in die Analgesiegruppe randomerisiert wurden, erhielten 1 Stunde
vor der Untersuchung 100 mg Diclofenac im Zusammenhang mit der Antibiotikaprophylaxe
(500 mg Ciproflaxacin). Patienten aus der Plazebogruppe erhielten ein adäquates Plazebo
nach dem gleichen Zeitschema. Direkt nach der Untersuchung dokumentierten die Patienten
ihr Schmerzempfinden mittels einer 10 cm linearen visuellen Analogskala.
Beide Patientengruppen waren bezüglich Alter, Volumen der Prostata, Anzahl der Biopsien,
PSA-Werten, histologischer Diagnose und Komplikationsraten vergleichbar. Die Patienten
aus der Analgesiegruppe hatten signifikant weniger Schmerzen als die Patienten aus
der Plazebogruppe (2,8 vs. 4,9).
Transrektale Prostatabiopsie unter Sonographiekontrolle, sagittaler Schnitt (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).
Fazit
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen eindeutig, dass die rektale Gabe von Diclofenac den
Komfort für die Patienten bei der transrektalen Sonographie und bei der Prostatabiopsie
verbessert, was eine höhere Patientencompliance mit sich bringt.
Dr. Sabine Adler, Mülsen St. Niclas
Erster Kommentar
Erster Kommentar
Die von Haq et al. vorgelegte Serie untersucht den Effekt einer rektalen Diclofenac-Applikation
eine Stunde vor einer geplanten TRUS-gesteuerten Prostatabiopsie. Die relativ kleinen
Gruppen (35 vs. 37 Patienten) erhielten doppelblind randomisiert Verum vs. Plazebo.
Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung des VAS-Scores von 4,9 auf 2,8.
Die Tatsache der Schmerzhaftigkeit einer Prostatabiopsie war lange umstritten. Arbeiten
aus den letzten 5 Jahren zeigen jedoch in allgemeinem Konsens, dass ohne Analgesie/Anästhesie
im Rahmen einer Sechs- bis Zehnfachbiopsie signifikante Schmerzen zu erwarten sind.
Die meisten Autoren berichten von VAS/NAS-Werten um 5 auf der Skala bis 10. Dies wird
auch durch die vorliegende Arbeit bestätigt.
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Nur wenn es gelingt, die Prostatabiopsie von dem Makel des schmerzhaften Eingriffes
zu befreien, können wir unsere Früherkennungskonzepte realisieren.
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Die Effektivität der hier vorgestellten Analgesie erscheint jedoch geringer als in
vergleichbaren Arbeiten, in denen eine Lokalanästhesie auf ihre Wirksamkeit hin überprüft
wurde. Unterschiedliche Techniken erreichen einen Score von 0 bis 2. Die Autoren der
vorliegenden Serie weisen zu Recht darauf hin, dass einerseits die Lokalanästhesie
selbst Schmerzen verursachen kann und dass andererseits ein Plexusblock ein schwieriges
Verfahren mit erheblicher Variabilität je nach Untersucher sein kann. Sie beziehen
sich dabei allerdings im Wesentlichen auf die Arbeiten von Soloway et al., die bis
zu 6 Injektionen vor einer 6fach-Biopsie durchführten. Neuere Arbeiten zeigten jedoch,
dass eine Infiltration der Oberfläche der Apex prostatae durch nur eine Injektion
mittig oder beidseitig in Höhe der Gefäß-/Nervenbündel einen vergleichbaren Effekt
gegenüber dem klassischen Block mit weniger Injektionen bringen. Die Apex der Prostata
ist auch durch wenig erfahrene Untersucher einfach im TRUS einzustellen. Das Argument,
es handele sich um ein schwieriges Verfahren, wird dadurch stark entkräftet. Die Effektivität
einer solchen Lokalanästhesie ist höher als die der rektalen Applikation von Diclofenac.
So wird in unterschiedlichen Serien von erzielten Werten zwischen 1 und 2 auf der
Skala bis 10 berichtet. Die Autoren der vorliegenden Arbeit postulieren einen möglicherweise
das Gefäß-/Nervenbündel nachhaltig schädigenden Effekt einer Lokalanästhesie, insbesondere
im Hinblick auf eine bevorstehende potenzerhaltende Operation. Multiple historische
Arbeiten zur Lokal- und Leitungsanästhesie widersprechen jedoch dieser Behauptung.
Eine kurzfristige Restitutio ad integrum der Nerven nach der Injektion ist zu erwarten.
Auch gibt es bislang keinerlei Berichte, dass der Nerverhalt durch eine Lokalanästhesie
bei der Prostatabiopsie erschwert würde. Das Verfahren der Lokalanästhesie dauert
zwischen 2 und 5 Minuten und ist damit zusätzlich wesentlich schneller als die hier
vorgestellte Technik (eine Stunde).
Mehrere Arbeiten zeigten, dass die rektale Applikation von Lokalanästhetika wie Lidocain
einen geringen Effekt zeigt. Handelt es sich bei der beschriebenen Wirkung in der
vorliegenden Serie also nur um die systemische Wirkung des Medikaments? Aus früheren
Arbeiten, welche die Pharmakokinetik von Diclofenac untersuchen, ist bekannt, dass
rektal nur ca. 50% resorbiert werden. Die perorale Gabe könnte demnach prinzipiell
einen noch höheren Effekt erreichen. Zudem ist die Einnahme einer Tablette sicherlich
noch einfacher als die Gabe eines Zäpfchens. Allerdings müssen potenziell schleimhautschädigende
Wirkungen von Diclofenac bei beiden Applikationsarten bedacht werden. Paracetamol
käme hier als Alternative ohne diese Nebenwirkungen in Betracht.
Im Fazit kann das vorgestellte Verfahren keinesfalls als Optimum der Analgesie bei
einer TRUS-gesteuerten Prostatabiopsie angesehen werden. Möglicherweise bringt die
Kombination aus Lokalanästhesie und rektaler/peroraler Gabe von Diclofenac oder Paracetamol
eine weitere Verbesserung für den Patienten. Dies wäre in weiteren Studien randomisiert
zu untersuchen.
Literatur beim Autor
Dr. Martin Schostak, Berlin
Zweiter Kommentar
Zweiter Kommentar
Hat die Rücksicht auf den Patienten Schritt gehalten mit der Entwicklung der Prostatabiopsie?
Tun wir genügend, um unseren Patienten dabei Schmerzen zu ersparen?
In der vorliegenden Arbeit haben die befragten Patienten die Schmerzhaftigkeit der
Prostatabiopsie ohne Analgesie mit dem Wert von 4,8 auf einer Skala von 0 bis 10
eingeordnet, also mit dem Halben dessen, was sie sich als maximal vorstellen können.
In der vor-PSA-Ära war die Prostatabiopsie zur Abklärung eines verdächtigen Knotens
ein vergleichsweise seltener Eingriff, und meist konnte die Diagnose dann mit der
Entnahme nur weniger Stanzzylinder gestellt werden.
Die PSA-Früherkennung hat diese Situation grundlegend verändert: Wesentlich häufiger
wird die Indikation zur Biopsie gestellt. Um den kleinen, nicht palpablen Tumor zu
finden, muss systematisch eine größere Anzahl von Proben entnommen werden, mit steigender
Tendenz bis hin zur Massenbiopsie und mit modifizierter Lokalisation. Häufiger werden
Patienten biopsiert, bei denen ein Infekt Ursache der PSA-Erhöhung ist, was den Eingriff
meist schmerzhafter macht. Junge Männer geraten zunehmend in unser Blickfeld, die
öfter über Schmerzen bei der Biopsie klagen als ältere. Und nicht selten müssen wir
unsere Patienten zu einer Re-Biopsie motivieren. Ein Teil dieser "Erfahrenen" besteht
dann auf einer Regional- oder Allgemeinanästhesie, was durch die stationäre Aufnahme
zu Kosten führt, die weit über denen der Biopsie liegen.
Deshalb ist es notwendig, die Schmerzbekämpfung bei der Prostatabiopsie in das Zentrum
des Interesses zu stellen, das nicht nur das des Patienten ist. Es ist auch unseres
und zwar aus mindestens 2 Gründen: Zum einen ist es sicher für die Qualität der Untersuchung
vorteilhaft, nicht auf jede Reaktion des Patienten Rücksicht nehmen zu müssen. Zum
zweiten muss uns daran gelegen sein, die Akzeptanz dieser Untersuchung in der Bevölkerung
zu verbessern. Nur wenn es gelingt, die Prostatabiopsie von dem Makel des schmerzhaften
Eingriffes zu befreien, können wir unsere Früherkennungskonzepte realisieren. Zum
Vergleich: Die Koloskopie (ebenfalls eine schmerzhafte Untersuchung, aber in Sedo-Analgesie
durchgeführt) etabliert sich mittlerweile als Früherkennungsmaßnahme und wird von
der Bevölkerung akzeptiert.
Verschiedene Methoden zur lokalen Schmerzbekämpfung wurden schon erprobt. Die rektale
Gabe von Lokalanästhetika ist wohl nur gering wirksam. Die periprostatische Lokalanästhesie
kann mit einem erhöhten Infektrisiko einhergehen, ist schwer standardisierbar, erreicht
die Bläschendrüsen nicht und kann eine spätere Operation durch Fibrose erschweren.
In der vorliegenden Arbeit wird eine bestechend einfache Methode vorgestellt: der
Patient erhält eine Stunde vor der Biopsie 100 mg Diclofenac. Dabei handelt es sich
um eine Substanz, mit der wir Urologen häufig umgehen und die nebenwirkungsarm ist,
wenn die Kontraindikationen beachtet werden. Um neben dem generalisierten Effekt auch
die lokale analgetische Wirkung auszunutzen, werden Suppositorien verwendet. In dieser
Studie schätzten die Patienten untermittelbar nach der Untersuchung die Stärke ihrer
Schmerzen auf einer Skala von 0-10 ein. Das Medikament senkte den Schmerzscore von
4,9 (ohne Medikament) auf 2,8. Das Medikament störte die Untersuchung (einschließlich
TRUS) nicht, führte auch zu keiner Erhöhung der Komplikationsrate, wie die Konsultation
nach 2 Wochen ergab.
Mit diesem Medikament wurde der Schmerz also von der Hälfte auf ein knappes Drittel
dessen gesenkt, was die Patienten sich als maximal vorstellen können. Interessant
wäre gewesen, bei der Konsultation nach 2 Wochen die Erinnerung an den Schmerz zu
evaluieren, um zu sehen, welche Empfindungen langfristig im Gedächtnis bleiben, die
dann ja spätere Entscheidungen beeinflussen und auch kolportiert werden. Neben Diclofenac
bieten sich vermutlich auch andere, leicht applizierbare Analgetika für diesen Zweck
an, bis hin zu schwächeren Opioiden. Auch eine verminderte Fahrtüchtigkeit könnte
bei entsprechender Organisation in der Praxis akzeptiert werden. Denn letztlich muss
es das Ziel sein, die Angst vor einer Prostatabiopsie deshalb zu vermindern, weil
sie einer der Gründe ist, weshalb Männer die Prostatakarzinomfrüherkennung scheuen.
Biopsiepistole mit Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).
Dr. Helmut Haas, Heppenheim
Dritter Kommentar
Dritter Kommentar
Es wurden bereits einige Studien durchgeführt, die untersucht haben, ob sich mit einem
rektal applizierten Medikament die Schmerzen bei der transrektalen Prostatabiopsie
verringern lassen. Dieses Verringern der Schmerzen während der Prostatabiopsie ist
wichtig, um die Verträglichkeit bei den Patienten zu steigern und um die Bereitschaft
bei den Patienten zur Prostatabiopsie zu erhöhen. Ein Großteil der Studien benutzte
als Medikament ein rektal appliziertes Lokalanästhetikum, meist Lidocain in verschiedenen
Darreichungsformen. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, mal mit deutlicher Schmerzlinderung
durch das Medikament, mal ohne messbaren Effekt. Allen lokal applizierten Substanzen,
ob Lokalanästhetikum oder Diclofenac, ist eine relativ lange Einwirkzeit von ca. 1
Stunde gemeinsam. Diese Vorbereitung eines Patienten gestaltet sich in einer gut besuchten
Praxis oder Sprechstunde als schwierig. Ein geordneter Ablauf ist nur schwer vorstellbar,
beispielsweise wenn bei einem Patienten ungeplant die Indikation zur Prostatabiopsie
gestellt wird und der Patient um eine Stunde verschoben werden muss und es so im gesamten
Tagesablauf zu Verschiebungen kommt. Gleiches gilt für die ersten Patienten am Morgen,
welche dann entweder sehr früh einbestellt werden müssen, oder aber den Beginn der
Sprechstunde um eine Stunde verzögern. Die erste Variante wird organisatorisch schwierig
sein, die zweite ökonomisch gesehen kaum möglich.
Wenn jedoch der Effekt der Schmerzminderung erzielt werden soll, ist die Einwirkzeit
von mindestens einer Stunde unerlässlich. Somit ist die Grundidee des Artikels richtig,
die Lösung aber im alltäglichen Ablauf nur schwierig umsetzbar. Weiterhin scheint
die Verwendung eines Medikamentes, welches die Thrombozytenaggregation hemmt, vor
einer Prostatabiopsie fraglich. Die Hauptkomplikation der transrektalen Prostatabiopsie
ist die Blutung, sei es in Form einer Hämaturie, einer Hämospermie oder in Form einer
rektalen Blutung. Eine Erhöhung des Blutungsrisikos durch die Verwendung von Diclofenac
ist als bedenklich und gefährlich anzusehen. Der Patient wird eine ausgeprägte Blutung
nach Prostatabiopsie sicherlich als bedrohender und störender empfinden, als ein vorübergehender
Schmerz während der Biopsie. So zeigt sich in der vorgestellten Studie zwar kein signifikanter
Unterschied bezüglich der Blutungskomplikationen, es war aber in der Diclofenac-Gruppe
eine operative Blasentampondenausräumung notwendig, welche in der Kontrollgruppe nicht
zu beobachten war. Um einen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich der Komplikationen
zu erzielen, reicht die geringe Fallzahl von 37 und 35 Patienten pro Gruppe nicht
aus. Andere Studien aus anderen medizinischen Disziplinen zeigen jedoch ein signifikant
erhöhtes Blutungsrisiko nach Diclofenc-Einnahme.
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Die Grundidee des Artikels ist richtig, die Lösung aber im alltäglichen Ablauf nur
schwierig umsetzbar.
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Aus diesen Gründen halte ich die Verabreichung eines Diclofenac-Suppositoriums vor
einer Prostatabiopsie für nicht sinnvoll. Sollte jedoch die lokale Applikation eines
Medikamentes gewünscht werden, würde ich ein Lidocain-Gel bevorzugen. Für die verträgliche
Durchführung einer transrektalen Prostatabiopsie erscheint es mir jedoch wichtiger,
auf folgende Punkte besonderen Wert zu legen:
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Der Patient sollte ausführlich über die transrektale Prostatapunktion informiert sein.
Nützlich ist ein Informationszettel, den der Patient im Wartezimmer bereits lesen
kann. Ein informierter Patient ist meist ruhiger und weniger ängstlich.
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Der Patient sollte sich in Linksseitenlage und in einer bequemen Position befinden.
In der Steinschnittlage ist eine gute Entspannung und somit schmerzärmere Untersuchung
nur selten möglich.
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Der Patient sollte sich so gut wie möglich entspannen. Ein Hinweis auf entspannte
Bein-, Rücken- und Pomuskulatur vor Beginn der Punktion, wenn notwendig auch wiederholt,
kann hilfreich sein.
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Der Patient sollte über das momentane Geschehen informiert sein, vor allem Beginn
und Ende der reinen Ultraschalluntersuchung und Beginn und Ende der Probenentnahme.
Ein zusätzlicher "Patientenmonitor" kann diese Informationen unterstützen.
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Der Schallkopf sollte möglichst schonend eingeführt und so ruhig wie möglich bewegt
werden.
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Ein häufiger Positionswechsel des Schallkopfes, z.B. beim Herausziehen des Biopsiegerätes
aus der Stanzführung und bei der Entfernung des Gewebes aus der Biopsienadel, sollte
vermieden werden.
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Ein schnelles und zügiges Vorgehen bei der Probenentnahme trägt ebenfalls zur besseren
Verträglichkeit bei. So sollten alle notwendigen Materialien vorbereitet sein, die
Geräte einwandfrei funktionieren und der Ablauf so effizient wie möglich gestaltet
werden, ohne dass lange Pausen entstehen.
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Eine gewisse Erfahrung und Routine des Untersuchers sind hilfreich, die oben genannten
Punkte umzusetzen.
Mit diesen Maßnahmen lässt sich die transrektale Prostatabiopsie im Großteil der Fälle
für den Patienten erträglich durchführen, ohne dass die lokale Applikation von Medikamenten
notwendig ist und ohne dass die Prostatabiopsie als schmerzhaft in Erinnerung behalten
wird.
Jochen Walz, PD Markus Graefen, Hamburg