Prostatakarzinome, die Cyclooxygenase 2 (COX2) exprimieren, haben im Allgemeinen eine
schlechtere Prognose. Ob der Tyrosinkinase-Rezeptor HER2 mit der Expression von COX2
und der Prognose des Prostatakarzinoms assoziiert ist, wurde nun in einer Studie untersucht.
Immunhistochemischer Nachweis der COX2-Expression (Bild: Wülfing et al, 2004).
Die Arbeitsgruppe unter Federführung von J. Edwards wählte für die Untersuchung retrospektiv
117 Patienten aus, von denen Gewebeproben der Prostata vorlagen (European Journal of Cancer 2004; 40: 50-55). Alle Patienten litten entweder an einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) oder
an einem Prostatakarzinom, das in allen Tumorstadien vorkam. Die Autoren arbeiteten
die histologischen Schnitte erneut auf und untersuchten sie auf ihren COX2- und HER2-Gehalt.
Von den 117 Patienten hatten 28 eine BPH, 53 ein Prostatakarzinom im Stadium pT1 oder
pT2, 36 Patienten im Stadium pT3 oder pT4. Bei 22 von diesen bestanden bei Diagnosestellung
bereits Metastasen. In allen analysierten Gewebeproben ließ sich COX2 nachweisen,
wobei die Exprimierung in der Karzinomgruppe signifikant höher war. pT1/pT2- Tumoren
unterschieden sich in ihrem COX2-Gehalt nicht von einer BPH, pT3/pT4-Tumoren wiesen
jedoch deutlich mehr COX2 auf als die Malignome in den niedrigen Tumorstadien oder
die benignen Hyperplasien. Ob die Tumoren bereits metastasiert hatten, hatte darauf
allerdings keinen Einfluss. Eine Amplifikation des HER2-Gens konnten die Autoren nur
bei 8% (7/89) der Tumoren beobachten, eine Expression des dazu gehörigen Proteins
bei 12% (11/89). Mit der Expression von COX2 korrelierte dies jedoch nicht.
Fazit
Die Autoren folgern, dass HER2 beim Prostatakarzinom nicht die Expression von COX2
reguliert. Sie fanden in fortgeschrittenen Tumoren jedoch einen hohen Gehalt an COX2,
was ihrer Ansicht nach ein potenzieller Angriffspunkt für zukünftige Therapien sein
könnte.
Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen
Kommentar zur Studie
Die verschiedenen Unterformen der Cyclooxigenase katalysieren die Umwandlung von Arachidonsäure
zu Prostaglandinperoxid. Diese Umwandlung stellt eine Schlüsselreaktion in der Prostaglandinsynthese
dar. Es sind derzeit 2 Unterformen der Cyclooxigenase bekannt. COX1 wird regelmäßig
in Normalgewebe exprimiert und ist in der Regulierung normaler Zellprozesse involviert.
Im Gegensatz dazu wird COX2 nur ausnahmsweise in Normalgewebe, wird aber vermehrt
bei entzündlichen oder malignen Erkrankungen nachgewiesen. Mittlerweile wurde einer
vermehrte Expression von COX2 bei verschiedenen Tumorentitäten nachgewiesen. Hierzu
gehören Karzinome der Lunge, des Magen-Darm-Traktes sowie das Mammakarzinom. Von den
urologischen Tumoren zählen hierzu das Harnblasenkarzinom sowie das Prostatakarzinom.
Die Tatsache, dass COX2 vermehrt bei Tumorerkrankungen nachgewiesen wird und die Möglichkeit,
COX2 durch selektive Inhibitoren in der Wirkung zu hemmen, machen COX2 zu einem viel
versprechenden Target in der Tumortherapie. Hierzu gehören Karzinome der Lunge, des
Magen-Darm-Traktes sowie das Mammakarzinom. Von den urologischen Tumoren zählen hierzu
das Harnblasenkarzinom sowie das Prostatakarzinom.
Ein besonderes Interesse richtet sich auf das COX2, nachdem nachgewiesen werden konnte,
dass durch Blockierung von COX2 durch nichtsteroidale Antiphlogistika, das Risiko,
an Kolonkarzinom zu versterben, gesenkt werden konnte. Diese Ergebnisse machen COX-2-Inhibitoren
zu einem interessanten Therapieansatz in der Prävention von Tumorerkrankungen allgemein.
Daten über eine mögliche Sinnhaftigkeit der Einnahme von COX2- Inhibitoren in der
Prävention oder Therapie urologischer Tumoren werden vereinzelt vorgestellt.
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Die vorgelegte Arbeit bringt nur wenig neue Erkenntnisse
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Edwards et al. untersuchten die Expression von HER2 und COX2 im Gewebe von Patienten
mit BPH oder Prostatakarzinom. Zusätzlich wurde eine Amplifikation des HER2-Gens mittels
FISH untersucht. Hierbei wurde differenziert zwischen einer vermehrten Anzahl der
HER2-Gene (copy numbers) sowie einem größeren Verhältnis im Vergleich zu Chromosom
17 (amplification). Der Ansatz, die Expression von HER2 sowie COX2 gemeinsam zu untersuchen
rührt aus den Ergebnissen von Vadlamudi et al., die bei Patientinnen mit Mammakarzinom
eine Regulierung der COX2-Expression durch HER2 beschrieben. In der vorliegenden Arbeit
untersuchen die Autoren ein Patientenkollektiv mit BPH, lokal begrenzten oder lokal
fortgeschrittenen Tumoren. Hier stellt sich auch die erste Schwachstelle der Arbeit
dar. Zur exakten Beschreibung der Expression ist vom Prinzip ein gut definiertes Patientenkollektiv
erforderlich. Dies liegt hier nicht vor. Es wird nicht beschrieben, wie das Tumormaterial
gewonnen wird oder wie die Diagnose (pT2/pT3 lässt sich ja praktisch nur am Präparat
einer radikalen Prostatektomie diagnostizieren) gestellt wird. Problematisch ist sicher
auch, dass in 12 der pT1/pT2-Tumoren bereits Metastasen vorlagen. Dies führt eine
Korrelation der Expressionsdaten mit dem Tumorstadium ad absurdum. Eine weitere Schwachstelle
ist der Vergleich mit BPH-Gewebe. Hier wäre ein Vergleich mit normalem Prostatagewebe
(was zugegebenermaßen schwer zu definieren ist) sinnvoller.
Dementsprechend kann letztlich nur sinnvoll ein Vergleich zwischen Referenz- und Tumorgewebe
sowie zwischen metastasierten und nichtmetastasierten Tumoren durchgeführt werden.
Vergleicht man BPH mit Tumorgewebe, so findet man in der FISH tatsächlich eine signifikante
Zunahme der Anzahl der HER2-Kopien, aber keine Amplifikation. Der Vergleich hinsichtlich
der COX2 Expression zwischen BPH und Prostatakarzinom zeigt ebenfalls einen signifikanten
Expressionsunterschied. Dies steht etwas im Kontrast zu der Interpretation der Ergebnisse
durch die Autoren selber. Diese fokussieren die Interpretation der Ergebnisse eher
auf einen Expressionsunterschied zwischen BPH Gewebe "pT1/pT2" Tumoren, der anhand
des Patientenkollektivs nach meiner Einschätzungen nicht sinnvoll ist. Hinsichtlich
des Vergleich zwischen metastasierten und nichtmetastasierten Tumoren wird kein signifikanter
Unterschied hinsichtlich COX2 Expression, HER2-Amplifikation oder Anzahl der HER2-Gen
Kopien gesehen. Die Korrelation der HER2- Daten und der COX2 Expression untereinander
zeigt tatsächlich einen signifikanten Unterschied zwischen der COX2-Expression und
der Anzahl der HER2 Kopien. In einer ähnlichen Arbeit zur Expression von COX2 in Prostatagewebe
verglichen Madaan et al. die Expression von COX2 in BPH und Prostatakarzinomgewebe.
Diese Arbeitsgruppe konnte bei zunehmender Entdifferenzierung eine Zunahme der COX2-Expression
nachweisen. Kritisch anzumerken ist auch zu dieser Arbeit, dass durch das untersuchte
Patientenkollektiv (jeweils TUR-Material) keine Korrelation mit der Tumorgröße oder
dem Tumorstadium durchgeführt werden konnte.
Die Arbeit beschäftigt sich mit zwei interessanten Ansätzen: der Expression von COX2
beim Prostatakarzinom und mit der Expression von HER2 sowie der Interaktion beider
Proteine. Wie geschildert stellen beide Proteine mögliche therapeutsche Targets dar.
Problematisch sind sicher aber handwerkliche Schwächen der Arbeit. Dies ist in erster
Linie das unzureichend definierte Patientenkollektiv. Auch scheint das gewählte Modell
(retrospektive Analyse an Tumormaterial) nicht das optimale Konzept zu sein, um eine
Interaktion der beiden Proteine zu untersuchen. Hier scheint ein In-vitro-Konzept
für das Prostatakarzinom analog zu den Untersuchungen von Subbaramaiah erst einmal
sinnvoller zu sein. Diese Daten stehen aber aus. So gesehen bringt die vorgelegte
Arbeit nur wenig neue Erkenntnisse. Speziell kann nicht postuliert werden, welchen
therapeutischen Benefit die Gabe von COX2- Inhibitoren in der Prävention oder Therapie
des Prostatakarzinoms haben könnte.
In einer aktuellen Arbeit konnten Gupta et al. zumindest im Tiermodell nachweisen,
dass durch Einnahme von selektiven COX2-Inhibitoren sowohl die Tumorentstehung verhindert
als auch bei Tieren mit bestehenden Tumoren das tumorspezifische Überleben verlängert
werden kann. In einer etwas älteren Arbeit konnten Liu et al. ebenfalls in einem Mausmodell
nachweisen, dass durch Hemmung von COX2 das Tumorzellwachstum von PC3, einer hormonrefraktären
Prostatakarzinomzelle, gehemmt werden kann und existierende Tumoren verkleinert werden
können.
Angesichts der vorliegenden Arbeiten kann heute die Bedeutung von COX2 in der Entwicklung
des Prostatakarzinoms als gesichert angesehen werden. Auch die Gabe von COX2-Inhibitoren
in der Prävention oder supplementiven Therapie des Prostatakarzinoms scheint viel
versprechend. Klinische Daten, die eine Gabe von COX2-Inhibitoren untersuchen, stehen
bedauerlicherweise für das Prostatakarzinom weiterhin aus.
PD Dr. Martin G. Friedrich, Hamburg
Literatur beim Autor