Der Klinikarzt 2004; 33(8/09): X
DOI: 10.1055/s-2004-834382
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Geringer Aufwand, große Wirkung - Handschuhsysteme mit doppelter Latexschicht bieten mehr Schutz vor Infektionen

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Publication Date:
23 September 2004 (online)

 
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Denkt man an Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen einer Operation,denkt man häufig zuerst an den Patienten. Denn Pathogene, die möglicherweise während eines Eingriffs übertragen werden können, bestimmen nicht nur dessen Prognose, den Erfolg der Operation und damit die Dauer seines Krankenhausaufenthalts, sie können im schlimmsten Fall sogar das Leben des Patienten bedrohen. Was man jedoch leicht vergisst: Nicht nur das Infektionsrisiko des Patienten, sondern natürlich auch das des Chirurgen, seiner Assistenten und der OP-Schwestern ist während eines operativen Eingriffs signifikant erhöht.

Im Vergleich zur "Normalbevölkerung" haben Angehörige dieser Berufsgruppen beispielsweise ein dreifach höheres Risiko sich mit dem Hepatitis-B-Virus zu infizieren (Rabussay, 1997). Schutzmaßnahmen wie die Immunisierung gegen bestimmte Keime (z.B. Hepatitis-B-Impfung) bzw. das Tragen von Masken, Visieren oder Handschuhen tragen jedoch erfolgreich dazu bei, die Gefahr zu minimieren. Und dies ist wichtig: Schließlich betrifft eine Infektion nicht nur die medizinische Karriere, sondern gefährdet auch die eigene Gesundheit.

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Schützen Sie sich vor blutübertragbaren Infektionen!

Aus seiner täglichen Praxis weiß jeder chirurgisch Tätige, wie schnell Knochensplitter, scharfes Operationsbesteck oder auch bestimmte Naht- oder Operationstechniken die OP-Handschuhe beschädigen können. Daher ist es leicht nachzuvollziehen, warum doppelte Handschuhsysteme (so genanntes "double gloving") die Sicherheit für den Chirurg und das OP-Personal deutlich verbessern. Auch wenn die äußere Latexschicht reißt, schützt häufig die innere Schicht - die als die eigentliche Barriere zur Haut anzusehen ist - noch immer ausreichend vor Blutkontaminationen und damit vor Kreuzinfektionen zwischen Arzt und Patient. Ist in dem Handschuhsystem zusätzlich ein Indikatorsystem integriert (z.B. Biogel® IndikatorTM), ist eine Perforation der äußeren Latexschicht mit einem Blick zu erkennen, die Anzahl der Perforationen lässt sich mit solchen Systemen jedoch nicht reduzieren.

Dies schließen J. Tanner und H. Parkinson aufgrund ihrer Metaanalyse, in der sie insgesamt 18 randomisierte kontrollierte Studien zur Handschuhperforation auswerteten, neun dieser Untersuchungen beschäftigten sich mit dem Vergleich von einfachen und doppelten Handschuhsystemen. Demnach waren bei den einfachen Latexhandschuhen 239 von 2710 Handschuhen beschädigt. Bei doppelten Systemen zählten die Autoren im inneren Handschuh jedoch nur 63 Perforationen bei insgesamt 2554 Handschuhen (Odds Ratio 3,72; p < 0,00001). Natürlich hat nicht jede Perforation eine Infektion zur Folge, doch mit jedem noch so kleinen Riss steigt das Infektionsrisiko - für beide, den Patienten und den Operateur.

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Fingerfertigkeit bleibt erhalten

Unbegründet ist die Sorge vieler chirurgisch tätiger Ärzte vor einem Verlust an Tastempfinden bzw. der Geschicklichkeit durch die doppelte und damit dickere Latexschicht, auch das dokumentiert die Metaanalyse. Denn vergleicht man wie häufig Perforationen in der äußeren Latexschicht auftreten mit der Prävalenz der Perforationen in einfachen Systemen ergibt sich kein signifikanter Unterschied (10 versus 9%; p = 0,3). Das Tragen zweier Paare Handschuhe verleite demnach nicht dazu, mehr Verletzungen des äußeren Handschuhs hinzunehmen, so die Autoren.

Trotz der Vorteile, die doppelte Handschuhsysteme bieten, seien es bislang vor allem Orthopäden oder Zahnmediziner, die solche Systeme nutzen. Sie befürchten zu Recht nicht nur die häufig scharfen Bruchkanten oder Splitter bei Knochenbrüchen bzw. scharfe Kanten beim Abschleifen der Zähne. Auch Operateure, die mit besonders scharfen Instrumenten (Bohrer, Säge, Draht) arbeiten, verwenden vorzugsweise entweder doppelte Handschuhsysteme oder dickere orthopädische Handschuhe, wobei sich beide Varianten bezüglich ihrer Sicherheit nicht unterscheiden.

Doch nicht nur bei Operationen am Thorax, an Knochen und bei schlechten Sichtverhältnissen sowie beim Verschließen der Operationswunde - all dies sind besonders risikoreiche Eingriffe bzw. risikoreiche Arbeiten während einer Operation - sind doppelte Handschuhe zu empfehlen, da sich damit das Risiko für einen Blutkontakt bei jedem Eingriff um das Vier- bis Zehnfache reduzieren lässt. Sinnvoll ist auch ein routinemäßiger Wechsel der (äußeren) Handschuhe (z.B. alle 30 Minuten), um das Risiko zusätzlich zu verringern.

sts

Quelle: Tanner J, Parkinson H. Double gloving to reduce surgical cross-infection. The Cochrane Database of Systematic Reviews, 2003; www.interscience.wiley.com

 
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