Der Klinikarzt 2004; 33(8/09): XII-XIII
DOI: 10.1055/s-2004-834384
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Methicillinresistente Staphylococcus aureus - Nahezu die Nummer Eins unter den nosokomialen Erregern

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23 September 2004 (online)

 
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Weltweit haben sich methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) zu einem der wichtigsten nosokomialen Erreger entwickelt. Invasive Infektionen mit MRSA sind mit erhöhter Morbidität und Mortalität verbunden und führen zu beträchtlichen Mehrkosten. Die resistenten Erreger komplizieren insbesondere die Behandlung nosokomialer Pneumonien, weil sie auf die Initialtherapie oft nicht ansprechen und das bisherige Standardantibiotikum Vancomycin schlecht in die Lunge penetriert, konstatierte Prof. R. Wunderink, Chicago (USA).

Die meisten Infektionen mit MRSA treten im Krankenhaus oder zumindest im "healthcare-setting" auf und betreffen insbesondere ältere und schwer kranke Menschen. Es handelt sich vor allem um Bakteriämien, postoperative Wundinfektionen, beatmungsassoziierte Pneumonien (VAP), Haut- und Weichteilinfektionen.

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MRSA-Infektionen teurer und tödlicher

Für die Wahrscheinlichkeit MRSA als Erreger zu finden, spielt es interessanterweise fast keine Rolle, ob eine nosokomiale Pneumonie früh (bis Tag 5) oder spät (ab Tag 5) aufgetreten ist. Bei Patienten auf der Intensivstation fanden Kollef et al (Chest 2000) bei beiden Pneumonieformen in etwa 20% der Fälle MRSA (und bereits bei der Frühform 25% Pseudomonas aeruginosa). Nach Erfahrung von Lode kommen insbesondere internistische Patienten häufig schon MRSA-kolonisiert in die Intensivstation.

Bei schweren Infektionen steigt die Mortalität, wenn nicht bereits die initiale empirische Therapie gegen den jeweiligen Erreger wirksam ist, dies haben verschiedene Untersuchungen belegt. Nach der Erfahrung Lodes dauert es bei MRSA-Infektionen im Mittel aber mindestens zwei Tage länger als sonst, bis eine adäquate Therapie erfolgt. Auch diese Verzögerung trägt zur schlechteren Prognose bei.

Liegen einer bakteriämischen Infektion MRSA und nicht methicillinempfindliche S. aureus (MSSA) zugrunde, verdoppelt sich laut der Metaanalyse von Cosgrove et al (CID 2003) die Sterblichkeitsrate der Patienten. Zudem weisen Patienten mit einer MRSA-Infektion im Mittel eine vier bis acht Tage längere Liegedauer auf als bei MSSA. Deshalb wundert es kaum, dass zum Beispiel bakteriämische MRSA-Infektionen im Mittel 2500-3700 US-Dollar je Infektionsepisode teurer sind als MSSA-Infektionen.

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Infiziert oder nur kolonisiert?

Da gerade beatmungsassoziierte Pneumonien häufig und mit hoher Morbidität und Mortalität vergesellschaftet sind, ist es umso tragischer, dass deren Diagnose bis heute schwierig ist, betonte Prof. G. French, London. Klinische Kriterien wie Fieber, Atemfrequenz, Sauerstoffbedarf, C-reaktives Protein (CRP), Leukozytose oder purulentes Sputum kranken an ihrer geringen Sensitivität und Spezifität. Auch das Thorax-Röntgen ist eher unspezifisch - abgesehen davon, dass ein Normalbefund eine beatmungsassoziierte Pneumonie praktisch ausschließt. Goldstandard könnte die histologische Untersuchung einer Lungenbiopsie sein, diese hat aber kaum praktischen Wert und kommt meist zu spät.

Meist kommen VAP-Patienten zunächst wegen einer Grundkrankheit auf die Intensivstation und erhalten dort Antibiotika. Dies initiiert eine Kolonisierung der oberen Atemwege mit abnormen und antibiotikaresistenten Mikroorganismen, die aus der endogenen Flora, von benachbarten Patienten oder dem Personal stammen können. Da infolge der Intubation die normalen Reinigungsmechanismen ausgeschaltet sind, gelangen Erreger von den kolonisierten oberen in die tiefen Atemwege.

Einen klinisch bedeutsamen Erreger aus dem Blut zu isolieren, wäre für die Therapie sehr nützlich, gelingt aber bei den wenigsten Patienten. Sputum dagegen ist ein schlechtes Probenmaterial, das sowohl falsch-negative als auch falsch-positive Ergebnisse liefert, da die eigentlichen Erreger aus der Tiefe der Lunge oft nicht abgehustet werden. Auch eine Aspiration von Sekreten aus tiefen Abschnitten des Bronchialbaums erlaubt meist keine Unterscheidung zwischen Kolonisierung und Infektion bzw. zwischen oberer und unterer Flora. Bei intubierten Patienten lassen sich häufig MRSA im Aspirat nachweisen.

Aber wie viele dieser Patienten haben tatsächlich eine durch MRSA bedingte Pneumonie? So fand French im eigenen Krankengut zwar in 11% der bronchoalveolären Lavagen MRSA, aber nur bei einem Viertel dieser Patienten waren diese Erreger auch mit der Blutkultur zu belegen.

Mikrobiologisch aussagekräftigere Proben erhält man mit invasiven Techniken wie "geschützter Bürste" (PSB) oder der bronchoalveolären Lavage kombiniert mit quantitativer Kultur oder Direktmikroskopie. Dies zeigt auch eine Studie in der Fagon et al (AIM 2000) mit einer auf invasiven Methoden basierenden Diagnostik und Entscheidung über die Initialtherapie sowohl eine geringere 14-Tage-Mortalität als auch einen geringeren Antibiotikaverbrauch und eine frühere Besserung der Organfunktion erzielten als mit einer klinisch orientierten Strategie.

Bei der früh erworbenen (< 4 Tage) nosokomialen und beatmungsassoziierten Pneumonie spielen die klassischen Pneumonieerreger wie S. pneumoniae und H. influenzae die entscheidende Rolle, während bei der späten Form (> 4 Tage) die meist multiresistenten Nosokomialerreger wie Klebsiellen, Coliforme, P. aeruginosa, Acinetobacter und S. aureus bzw. heute MRSA größeres Gewicht haben. Allerdings verschwimmen die bislang scharf gedachten Grenzen zwischen beiden Pneumonieformen immer mehr - nicht zuletzt deshalb, weil die Patienten oft schon vor Aufnahme in die Intensivstation antibiotisch behandelt werden.

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Therapeutische Herausforderungen

Erhalten Patienten mit beatmungsassoziierter Pneumonie keine adäquate Initialtherapie, weisen sie eine deutlich höhere Sterblichkeit auf als adäquat behandelte Patienten. Besonders häufig betroffen sind Patienten mit Infektionen mit Pseudomonas, Acinetobacter, S. aureus und Enterobakterien. Mit Therapieregimen, die gegen all diese Erreger wirksam sind, versucht man heute den Patientenanteil mit unzureichender Therapie auf unter 10% zu reduzieren. Dennoch blieb in einigen Studien der erwartete Effekt auf die Mortalität aus. Daher wendet sich die Aufmerksamkeit nun auch der Anschlusstherapie zu, sagte Wunderink.

Zudem sprechen bis zu 50% der Patienten mit beatmungsassoziierter Pneumonie durch Erreger wie P. aeruginosa oder MRSA - in einer Studie von Ioanas (CCM 2004) waren es sogar 66%! - nicht auf die Initialtherapie an. Allerdings lässt sich allein mit klinischen Mitteln kaum zwischen einem wirklichen Therapieversagen und einem langsamen Ansprechen unterscheiden, ebenso wenig wie Aussagen zu den Gründen für das Therapieversagen möglich sind. Denkbar als Ursache sind zum einen eine zu niedrige Dosierung, ein unzureichender Gewebespiegel, eine Resistenzentwicklung unter der Therapie oder die Selektion von superinfizierenden Organismen.

Das Management MRSA-bedingter Pneumonien ist ein Modellfall für die Probleme mit inadäquater oder unwirksamer Therapie. Mangels Alternativen war Vancomycin lange Zeit - und ist vielerorts noch - die Standardtherapie für solche Infektionen, obwohl es bei mindestens 40% der Patienten versagt. Dies belegen viele Studien, in denen die Isolate nicht resistent waren, sondern eine minimale Hemmkonzentration (MHK) von höchstens 2 mg/l aufwiesen.

Ein Problem scheint die geringe Penetrationsfähigkeit von Vancomycin in den Alveolarraum zu sein. Die Standarddosis von zweimal 1 g/Tag ergibt zwar einen Plasmaspitzenspiegel von 28 mg/l, in der Lungenepithelflüssigkeit kommt aber nur ein Viertel bis ein Sechstel davon an. Auch die hohe Proteinbindung von etwa 60% reduziert den aktiv zur Verfügung stehenden Anteil des Glykopeptids.

Moise (2000) beobachtete in seiner Studie nur dann eine zufrieden stellende klinische Erfolgsrate (78%), wenn der Quotient aus der Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) und der minimalen Hemmkonzentration - die so genannte AUIC - über 345 lag. Dies wird mit der Vancomycin-Standarddosierung bei Isolaten mit einer MHK von 1 mg/l erreicht, nicht aber für solche mit einer MHK von 2 mg/l. Blieb die AUIC dagegen unter 345, so war nur bei 24% der Patienten ein Therapieerfolg zu beobachten. Damit die Behandlung auch mikrobiologisch erfolgreich war, die MRSA also eradiziert wurden, war jedoch eine sehr viel höhere AUIC von über 866 erforderlich.

Besonders gering war die Erfolgsrate bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion - nach Einschätzung von Wunderink auch deshalb, weil Ärzte bei diesen Patienten aus Vorsicht zur Unterdosierung neigen. Die Erhöhung der Vancomycin-Dosis oder eine Dauerinfusion wären mögliche Auswege, haben die Erfolgsrate bislang aber nicht wesentlich verbessert. Zudem sind einer Dosiserhöhung durch die Verträglichkeit Grenzen gesetzt. Denn jeder fünfte Patient zeigt nephrotoxische Nebenwirkungen, so das Ergebnis von Wysocki (AAC 2001).

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Welche Alternativen gibt es?

Keine Alternative ist nach Angaben Wunderinks Quinupristin-Dalfopristin, da es Vancomycin bei MRSA-bedingter Pneumonie sogar unterlegen war. Im Gegensatz dazu hat sich das Oxazolidinon-Antibiotikum Linezolid (Zyvoxid®) in zwei klinischen Studien bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie durch grampositive Bakterien als mindestens gleichwertig zu Vancomycin erwiesen, jedoch einen Trend zu höheren Überlebensraten gezeigt.

So ergab eine gepoolte Analyse der 160 Patienten mit dokumentierter MRSA-bedingter Pneumonie aus beiden Studien für die Behandlung mit zweimal 600 mg/Tag Linezolid 12-28 Tage nach dem Ende der Therapie eine signifikant höhere Heilungsrate (59 versus 35%) und eine signifikant höhere Überlebensrate (80 versus 64%) als für Vancomycin (zweimal 1 g/Tag). Eine Multivariatanalyse (Wunderink, Chest 2003) erwies die Vancomycin-Behandlung als einen unabhängigen Risikofaktor (p < 0,01) für Therapieversagen. Die Überlebenschance war unter Linezolid doppelt so hoch wie unter Vancomycin, so Wunderink.

Zum guten Abschneiden von Linezolid dürfte dessen bessere Penetration in die Lunge beitragen. Denn das Oxazolidinon erreicht über den gesamten Dosierungszeitraum in der Lungenepithelflüssigkeit viermal so hohe Konzentrationen wie im Plasma, während es bei Vancomycin höchstens ein Viertel ist. Bei der Verträglichkeit gab es keine signifikanten Unterschiede.

Eine adäquate Initialtherapie ist zwar notwendig, wird jedoch allein nicht ausreichen, um die Mortalität von VAP-Patienten zu senken. Angesichts der unterschiedlichen, die Intensivstationsaufnahme auslösenden Grunderkrankungen kann nicht ein Antibiotikum für alle Patienten passen. Derzeit größtes Hindernis für eine Verbesserung der Therapieergebnisse scheint die Überschätzung von Vancomycin zu sein, dessen Standarddosierung für eine MRSA-bedingte beatmungsassoziierte Pneumonie inadäquat ist. Linezolid ist eine gute Alternative zu Vancomycin und ist zumindest bei einigen Patientengruppen - besonders bei Patienten mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion - sogar überlegen.

Dr. K.A. Schmidt, Aachen

Quelle: Symposium "MRSA - An endemic challenge for hospital clinicians" auf dem 14th European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ECCMID)", unterstützt von der Pfizer Inc. New York (NY, USA)