Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2004-835146
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Zwei Zugänge zum Hüftgelenkersatz - Vergleich der Patientenzufriedenheit - Eine Matched-pair-Studie
Publication History
Publication Date:
12 October 2004 (online)
- Renaissance des "Wagner-Cup"
- Lateraler versus dorsalem Zugang
- Zögerliche Mobilisation nach lateralem Zugang
- Weniger Schmerzen und frühere Rehabilitation nach dorsalem Zugang
- Größe des Weichteiltraumas wenig relevant
Der Hüftgelenksersatz ist seit Jahren einer der häufigsten auf dem Gebiet der Endoprothetik. Jedes Jahr werden deutschlandweit mehr als 180000 dieser Eingriffe durchgeführt. Die Ergebnisse sind nach Betrachtung der Schwedenstudie (Malchau et al. 2002) mit einer Prothesenstandzeit von 95% nach 15 Jahren inzwischen auf so einem hohen Niveau angelangt, dass selbst jüngere Patienten sich heute in steigender Anzahl bei gesenkter Komplikationsrate mit einer Hüftgelenkendoprothese behandeln lassen. Das ist unter anderem bedingt durch das in den letzten Jahren um viele neue Modelle gewachsene Spektrum der Prothesentypen. Es existieren etwa 150 verschiedene Modelle auf dem Markt.
#Renaissance des "Wagner-Cup"
So erlebte vor einigen Jahren die Idee des "Wagner-Cup" eine Renaissance. Mit dem BHR-System (Birmingham Hip Replacement/McMinn et al. 2002) wurde wieder ein Oberflächenersatz implantiert. Mittlerweile haben zahlreiche Endoprothesenhersteller ähnliche Modelle auf den Markt gebracht. Davon profitieren insbesondere jüngere Patienten, da durch den Verzicht auf die Resektion des proximalen Femurs eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Revision verbleibt. Für die zu erwartende Wechseloperation gab es nun vernünftige und aufwandsarme Strategien durch die geringere Knochenresektion.
#Lateraler versus dorsalem Zugang
Es gibt für die unterschiedlichen Prothesentypen wegen der diversen Verankerungsprinzipien und der jeweiligen Morphologie verschiedene Zugangswege zum Hüftgelenk. Ziel unserer Untersuchung war es, zwei unterschiedliche Zugänge hinsichtlich der subjektiven Patientenzufriedenheit zu vergleichen. Ein Zugang für die konventionellen Spotorno-Schaft-Prothesen ist an der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der Universität zu Köln der laterale Zugang. Dabei wird in Rückenlagerung der Muskulus gluteus medius im ventralen Ansatz vom Trochanter major abgelöst und auf dem Schenkelhals bis zum Hüftgelenk vorpräpariert, wobei die Luxation nach vorne erfolgt. Für die Implantation der McMinn-Oberflächenersatzprothese wird der dorsale Zugang genutzt, bei dem der Patient in Seitenlage positioniert wird. Nun wird über eine ca. 15 bis 20 cm lange Hautinzision der M. gluteus maximus in Faserrichtung ge-spalten und der Muskulus piriformis nach Anschlingen ansatznah durchtrennt. Die Kapsel wird von hinten eröffnet, die Luxation erfolgt nach dorsal.
Im Rahmen einer Matched-pair-Studie wurden an der Universitätsklinik für Orthopädie in Köln jeweils 40 Patienten nach Implantation einer Hüftgelenksendoprothese konventioneller Art (Spotorno-Schaft) mit lateralem Zugang mit der gleichen Anzahl mit dem Oberflächenersatz (BHR-System) von dorsal implantiert hinsichtlich ihrer Zufriedenheit verglichen. Vergleichsgegenstand war die Patientenzufriedenheit, die über subjektive und objektive Kriterien erfasst wurde. Dazu dienten die Vergleichsparameter des postoperativen Analgetikabedarfes, die Mobilisationsfähigkeit, die Dauer des stationären Aufenthaltes und die anschließende Rehabilitation. Nebenbei konnten Unterschiede hinsichtlich Schnittlänge, Transfusions- und Antibiotikabedarf und Operationszeit bestimmt werden. Verglichen wurden die Patientendaten mittels des t-Tests.
#Zögerliche Mobilisation nach lateralem Zugang
Alle Patienten mit Hüftgelenkendoprothese wurden am ersten Tag nur mit Anleitung durch Physiotherapeuten neben dem Bett mobilisiert. Die ersten Schritte wurden in beiden Prothesengruppen erst am zweiten Tag nach der Operation vorgenommen. Hierbei waren noch keinerlei Unterschiede auszumachen, erst nach der ersten Woche wurden Mobilisationsunterschiede deutlich, insofern, als die über den dorsalen Zugang versorgten Patienten bereits am 7. Tag in den Vierpunktgang wechselten, wohingegen die von lateral versorgten Patienten dazu im Schnitt fast zwei Tage länger benötigten. Gleiches gilt für die Bewältigung von Treppen, wozu der Vierpunktgang nötig ist.
Insgesamt beschrieben die Patienten, die von dorsal versorgt worden waren, ihre Mobilisation nach einer Woche als zufrieden stellend. Sie bewerteten sie hinsichtlich Fähigkeit und Schmerzhaftigkeit mit durchschnittlich 6,7 von zehn möglichen Punkten, wohingegen in der anderen Gruppe nach einer Woche nur 5,2 Punkte vergeben wurden. Offensichtlich ist nach dorsalem Zugang schneller eine bessere und schmerzärmere Mobilisation möglich. Sechs Monate nach der Operation hat sich der initiale Vorsprung der dorsalen Gruppe verloren. Nach dieser Zeit bewerten beide Gruppen die Mobilisation insgesamt, d.h. bezüglich der Mobilisationsfähigkeit und der Schmerzbelastung, mit einem Wert von 8,51 (dorsal) bzw. 8,37 (lateral) von 10 möglichen Punkten.
#Weniger Schmerzen und frühere Rehabilitation nach dorsalem Zugang
Alle Patienten erhielten während der Operation einen Periduralkatheter bzw. anschließend eine Schmerzpumpe zur Analgesie, die im Schnitt zwei Tage verblieb. Hinsichtlich des Verbrauches wiesen die beiden Gruppen keinen Unterschied auf. Erst anschließend zeigte sich, dass der Bedarf an oralen Analgetika in der von lateral versorgten Gruppe höher war, als in der Gruppe der Patienten mit dorsalem Zugang. Der Verbrauch an Opioiden war höher bzw. dauerte über einen längeren Zeitraum an. Alle Patienten wurden über mindestens 10 Tage den gesamten stationären Aufenthalt hinweg mit nichtsteroidalen Antirheumatika als Kalzifikationsprophylaxe behandelt. Die schmerzlindernde Wirkung dieser Stoffgruppe ist insbesondere bei Skelett- und Muskelschmerzen nicht zu unterschätzen.
Auch in der Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes zeigten die Gruppen deutliche Unterschiede. In der von lateral versorgten Gruppe lag die durchschnittliche stationäre Verweildauer bei 14,1 Tagen, in dem anderen Patientenkollektiv bei nur 12,7 Tagen. Anschließend an den stationären Aufenthalt begannen 20% der dorsal versorgten gegenüber nur 12% der lateral versorgten Patienten eine ambulante Rehabilitation, die übrigen Patienten begaben sich in eine stationäre Rehabilitation. Hinsichtlich des Transfusionsbedarfs waren ebenfalls Differenzen auszumachen. Während in der dorsalen Gruppe nur drei Patienten (7,5%) mit Erythrozytenkonzentraten behandelt wurden, war das im lateralen Kollektiv in sieben Fällen (17,5%) notwendig.
Die mittlere Schnittlänge lag bei der dorsalen Gruppe bei 20,35 cm, der durchschnittliche laterale Zugang war dagegen nur 15,20 cm lang.
#Größe des Weichteiltraumas wenig relevant
Diesen Ergebnissen zufolge korreliert die Lebensqualität bzw. das Schmerzempfinden des Patienten nicht mit der Größe des Weichteiltraumas. Ganz im Gegenteil fanden sich die Patienten nach dorsalem Zugang schneller schmerzarm mobilisiert, als das nach dem Zugang von lateral der Fall war.
Das Patientengut mit dorsalem Zugangsweg ist ein gesondert Ausgewähltes. Ähnlich den Erfahrungen von Wright et al. sowie Wenz et al. handelt es sich hier meist um Patienten jüngeren Alters, die den älteren Patienten aus der Gruppe des lateralen Zuganges schon von daher postoperativ überlegen sind.
Im Rahmen des Matchings, also der Zuordnung zweier Patienten aus den beiden Gruppen nach Geschlecht, Alter und BMI, wurde darauf geachtet, dass hier zwei möglichst homogene Gruppen miteinander verglichen werden. Während aller Befragungen der Patienten wurde darauf geachtet, dass möglichst keine Fragen ausgewählt wurden, die dem jeweils implantierten Prothesentyp eine Relevanz verliehen hätten. Vielmehr zielten die Fragen auf die postoperativen Schmerzen und objektive, perioperative Parameter, bei welchen das verwendete Prothesenmodell keinerlei Rolle spielen durfte.
Das größere Weichteiltrauma des dorsalen Zugangs belastet den Patienten in unserer Untersuchung also nicht, es führt anfangs sogar zu einer schnelleren und unkomplizierten Rehabilitation und größerer Patientenzufriedenheit.
Literatur beim Verfasser.
Dr. Hans Philipp Springorum
Orthopädische Universitätsklinik Köln