Definition
Beim kardiogenen Schock kommt es infolge eines kardialen Pumpversagens zu einer
zunehmenden Kreislaufzentralisation mit konsekutiver Minderperfusion lebenswichtiger
Organe. Neben dieser klinischen Definition lässt sich der kardiogene Schock folgendermaßen
definieren: Herzindex (Herzzeitvolumen/Körperoberfläche < 2 l/min/m 2) verbunden mit einem Vorwärtsversagen des linken Ventrikels mit Abnahme des systemarteriellen
Mitteldruckes < 70 mmHg und/oder einem Rückwärtsversagen mit Anstieg des
pulmonalkapillärem Verschlussdruckes (PCWP > 18 mmHg) [5].
Ursachen
Die häufigste Ursache eines kardiogenen Schocks ist ein myokardiales Pumpversagen infolge eines akuten Myokardinfarktes. Seltenere Ursachen sind eine mechanische Dysfunktion oder eine extrakardial bedingte Behinderung der Füllung der Ventrikel. Tab. [1] zeigt zusammenfassend die häufigsten Ursachen für ein kardiales Kreislaufversagen.
Tab. 1 Ursachen für kardiales und peripheres Kreislaufversagen.
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Myokardiales Pumpversagen
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akuter Myokardinfarkt
Kardiomyopathie (ischämische, dilatative, hypertrophe, restriktive), Myokarditis
</TD>
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Mechanische Dysfunktion
</TD><TD VALIGN="TOP">
akute Mitralinsuffizienz (Papillarmuskeldysfunktion, Sehnenfadenabriss meist
infolge Myokardinfarkt oder Endokarditis)
akute Aorteninsuffizienz (meist infolge Endokarditis oder Aortendissektion)
dekompensiertes Klappenvitium
- Chronische Mitralinsuffizienz oder -stenose
- Chronische Aorteninsuffizienz oder -stenose
Ventrikelseptumdefekt (VSD) (meist infolge Myokardinfarkt)
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<TD VALIGN="TOP">
Extrakardiale Obstruktion
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Perikardtamponade
Lungenembolie
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Sonstige Ursachen
</TD><TD VALIGN="TOP">
Pharmakatoxizität (Ca-Antagonisten, Antidepressiva, Neuroleptika, Antrazykline,
…)
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kurzgefasst: Die häufigste Ursache eines kardiogenen Schocks ist der akute Myokardinfarkt
mit mindestens 40 %igem Verlust an Myokardmasse.
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Wesentliche diagnostische Eckpfeiler
Klinische Leitsymptome
Viele Patienten im kardiogenen Schock kommen in noch kreislaufstabilem Zustand
mit niedrig-normalen systemarteriellen Blutdruckwerten in die Klinik. Ein Abfall des systemarteriellen Blutdrucks ist ein spätes klinisches Zeichen eines Schockgeschehens. Die für Schockzustände
typische reflektorische Sinustachykardie kann bei b-Blocker-Vorbehandlung fehlen. Infolge der Kreislaufzentralisation
und des Vorwärtsversagens bestehen häufig Müdigkeit bis hin zur Somnolenz, Oligurie sowie eine akrale Marmorierung und Kälte. Infolge des Rückwärtsversagens besteht eine progrediente Dyspnoe. Unter Umständen sind ein 3. Herzton oder ein neu aufgetretenes Systolikum und über den Lungenarealen feuchte Nebengeräusche zu auskultieren. Bei Rechtsherzinsuffizenz sind Jugularvenenstauung, Hepatomegalie und periphere Ödeme zu erkennen. Ein Pulsus paradoxus, d. h. die „paradoxe” Abnahme des systolischen Blutdrucks um mindestens 20 mmHg
bei tiefer Inspiration, ist ein Zeichen eines hämodynamisch wirksamen Perikardergusses
oder einer Lungenembolie.
EKG
Domäne des EKG ist die Infarktdiagnostik. Bei allen Patienten mit einer typischen
klinischen Symptomatik sollten bei nicht eindeutigem 12-Kanal-EKG die erweiterten Ableitungen (V7-V 9) sowie die rechtsventrikulären Ableitungen (rV1-rV6) geschrieben werden, um eine rechtsventrikuläre Infarktbeteiligung zu erfassen
[11].
Röntgen-Thorax
Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme zählt nicht zum Basisrepertoire der Diagnostik eines kardiogenen Schocks. Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme
ist sinnvoll zur Dokumentation des Ausmaßes einer pulmonalvenösen Stauung und
zur Lagekontrolle eines zentralen Venenkatheters.
Labor
Wichtig ist die Bestimmung myokardialer Enzyme und Proteine (Troponin T, CK, CK-MB, GOT, LDH), welche ggf. aufgrund einer „diagnostischen
Lücke” nach 2-4 Stunden wiederholt werden muss (Tab. [2]). Einzelne Laborparameter sind hilfreich, um das Ausmaß des Schockgeschehens
zu erfassen: arterielle/kapilläre Blutgasanalyse; Laktat; Nierenretentionswerte;
Leberwerte und Gerinnungsfaktoren (GOT, GPT, CHE, Albumin, Quick, AT-III).
Tab. 2 Charakteristika kardialer Marker.
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Parameter
</TD><TD VALIGN="TOP">
Anstieg
(h)
</TD><TD VALIGN="TOP">
Gipfel
(h)
</TD><TD VALIGN="TOP">
Normalisierung
(Tage)
</TD><TD VALIGN="TOP">
Biologische Halbwertszeit (h)
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Myoglobin
</TD><TD VALIGN="TOP">
2-6
</TD><TD VALIGN="TOP">
6-12
</TD><TD VALIGN="TOP">
1
</TD><TD VALIGN="TOP">
0,25
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Troponin I
</TD><TD VALIGN="TOP">
3-8
</TD><TD VALIGN="TOP">
12-24
</TD><TD VALIGN="TOP">
7-10
</TD><TD VALIGN="TOP">
2-4
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Troponin T
</TD><TD VALIGN="TOP">
3-8
</TD><TD VALIGN="TOP">
12-24
</TD><TD VALIGN="TOP">
7-14
</TD><TD VALIGN="TOP">
2-4
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
CK
</TD><TD VALIGN="TOP">
3-12
</TD><TD VALIGN="TOP">
12-24
</TD><TD VALIGN="TOP">
3-4
</TD><TD VALIGN="TOP">
17
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
CK-MB-Aktivität
</TD><TD VALIGN="TOP">
3-12
</TD><TD VALIGN="TOP">
12-24
</TD><TD VALIGN="TOP">
2-3
</TD><TD VALIGN="TOP">
13
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
CK-MB-Masse
</TD><TD VALIGN="TOP">
2-6
</TD><TD VALIGN="TOP">
12-24
</TD><TD VALIGN="TOP">
3
</TD><TD VALIGN="TOP">
13
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
ASAT
</TD><TD VALIGN="TOP">
6-12
</TD><TD VALIGN="TOP">
18-36
</TD><TD VALIGN="TOP">
3-4
</TD><TD VALIGN="TOP">
20
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
LDH
</TD><TD VALIGN="TOP">
6-12
</TD><TD VALIGN="TOP">
48-144
</TD><TD VALIGN="TOP">
7-14
</TD><TD VALIGN="TOP">
110
</TD>
<TD VALIGN="TOP" COLSPAN="5">
Abkürzungen: Creatinkinase (CK), Laktatdehydrogenase (LDH), Aspartataminotransferase
(ASAT).
</TD>
Echokardiographie
Als schnelles nicht-invasives und bettseitig einsetzbares Verfahren macht die
Echokardiographie Aussagen zur links- und rechtsventrikulären Funktion, zur Lokalisation
von Wandbewegungsstörungen sowie zu Infarktkomplikationen wie akuter Mitralinsuffizienz
oder Ventrikelseptumdefekt. Auch seltenere differenzialdiagnostische Ursachen
eines kardiogenen Schocks wie eine akute Lungenembolie oder eine Perikardtamponade
lassen sich erkennen [1].
Invasives hämodynamisches Monitoring
Pulmonalarterien-Katheter (Swan-Ganz-Katheter)
Wesentliche Aufgabe des invasiven hämodynamischen Monitorings ist die eindeutige
Zuordnung zu einem hypodynamen oder hyperdynamen Kreislaufversagen sowie Änderungen
bzw. Modifikationen eines Therapieschemas. Hierzu dienen die in Tab. [3] aufgeführten Messparameter. Die erhobenen Werte sollten immer in Zusammenschau
mit Klinik und Echokardiographie interpretiert werden, um etwaige Messfehler
zu erkennen (Tab. [3]). Unseres Erachtens gehört der Pulmonalarterien-Katheter zur Überwachung und
Therapiesteuerung eines Patienten im kardiogenen Schock. Seine Verweildauer
sollte jedoch in Hinblick auf katheterassoziierte Komplikationen, insbesondere
Infektionen und Arrhythmien, kritisch überprüft werden [2]
[6]. Entsprechend den Leitlinien der Society of Critical Care Medicine und des
American College of Cardiology handelt es sich dabei um Evidenzgrad D/E Empfehlungen
[7] [9].
Tab. 3 Mögliche Fehlerquellen beim invasiven hämodynamischen Monitoring.
<TD VALIGN="TOP" COLSPAN="2">
Parameter
</TD><TD VALIGN="TOP">
Fehlerquellen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
MAP
</TD><TD VALIGN="TOP">
Mittlerer arterieller Druck
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
ZVD
Norm: 8-10 mmHg
</TD><TD VALIGN="TOP">
Zentraler Venendruck
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
PAPm
Norm: 9-19 mmHg
</TD><TD VALIGN="TOP">
mittlerer pulmonalarterieller Druck
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
PCWP
Norm: 4-12 mmHg
</TD><TD VALIGN="TOP">
Pulmonalkapillärer Verschlussdruck sog. „wedge”-pressure
</TD><TD VALIGN="TOP">
-
Eichung beachten
-
PEEP-Beatmung
-
Katheterspitze oberhalb Zone 3 nach West, d. h. in Rückenlage des Patienten
oberhalb des linken Atriums.
-
„overwedging”, d. h. kontinuierlicher Druckanstieg, der auf einen Verschluss
der Katheterspitze durch einen übermäßig inflatierten Ballon oder eine zu
periphere Katheterlage zurückzuführen ist
-
„underwedging”, wenn der Ballon die Pulmonalarterie nicht vollständig verschließt
-
Anliegen der Katheterspitze auf der Gefäßwand
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
SvO2
Norm: > 70 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
Gemischtvenöse Sauerstoffsättigung
</TD><TD VALIGN="TOP">
-
Blutentnahme in zu peripherer Pulmonalarterienposition
-
Blutentnahme nicht Luftblasen frei
-
nicht erkanntes Shunt-Vitium
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
HZV
Bestimmung nach Thermodilution
</TD><TD VALIGN="TOP">
Herzminutenvolumen
</TD><TD VALIGN="TOP">
-
bei Trikuspidalinsuffizienz
-
bei sehr niedrigen Flüssen im rechten Herzen (low-output) aufgrund Temperatur-
verlust an Umgebung
-
Thermistor an PA-Wand anliegend
-
nicht erkanntes Shuntvitium
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
HZV
Bestimmung nach Fick
</TD><TD VALIGN="TOP">
Herzminutenvolumen
HZV = VO 2 /avDO2 × 10
= VO 2/(CaO2-CvO2)
</TD><TD VALIGN="TOP">
-
O2-Aufnahme aus Normtabelle ( = VO2) nicht korrekt (z. B. Lungendiffusions- störungen, Lungenödem…)
-
Fehlbestimmung der SvO2 (s. o.)
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
SVR
Norm: 800-1200 dyn× s×cm-5
</TD><TD VALIGN="TOP">
Systemvaskulärer Widerstand
= (MAP-ZVD)/HZV × 80
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
VO2
Norm: 180-280 l/min
</TD><TD VALIGN="TOP">
Sauerstoffverbrauch
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
avDO2
Norm 30-50 ml/l
</TD><TD VALIGN="TOP">
Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
Gemischtvenöse Sauerstoffsättigung
Die gemischtvenöse Sauerstoffsättigung (SvO2) setzt sich aus venösem Blut der
V. cava superior und inferior sowie dem Sinus coronarius zusammen. Sie ist nur
mittels Pulmonalarterien-Katheter messbar und wird von folgenden Faktoren beeinflusst:
Herzzeitvolumen, Hämoglobinkonzentration, arterielle Sauerstoffsättigung und
Sauerstoffverbrauch. Es besteht nur dann eine direkte Korrelation zwischen
SvO2 und HZV, sofern alle übrigen Parameter als konstant einzustufen sind. Diese
Prämisse ist jedoch nur gültig in stabilen hämodynamischen Zuständen und fehlenden
Zeichen einer manifesten Linksherzdekompensation (hier wären die Variablen SaO2 und VO2 vermindert). Trotz dieser Kritikpunkte wird einer engmaschigen oder kontinuierlichen
SvO2-Messung eine besondere Bedeutung beigemessen, um frühestmöglich hämodynamische
Änderungen zu erkennen und ggf. ein Therapieregime zu modifizieren. Aus Gründen
einer leichteren Verfügbarkeit wird von manchen Autoren vorgeschlagen, die
SvO2 durch die zentralvenöse Sättigung (ScvO2) zu ersetzen, was jedoch nur eine grobe Annäherung darstellt [8] [10].
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kurzgefasst: Klinik, Labor, EKG und Echokardiographie sind die wichtigsten nicht-invasiven
Verfahren zur Diagnostik. Ein invasives hämodynamisches Monitoring ist zur
Überwachung und Therapiesteuerung eines Patienten im kardiogenen Schock unabdingbar.
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Herzkatheteruntersuchung
Beim kardiogenen Schock infolge eines akuten Myokardinfarktes besteht die Indikation
zur umgehenden Akut-Koronarangiographie in Interventionsbereitschaft (AKUT-PTCA).
In allen anderen Fällen bedarf es nach anfänglicher medikamentöser Stabilisierung
ebenfalls einer invasiven Diagnostik zur Verifizierung einer kritischen Koronarstenose
oder eines hämodynamisch relevanten Klappenvitiums. Dieses Vorgehen sollte in
Anlehnung an die Leitlinien der Europäischen und Deutschen Gesellschaft für
Kardiologie erfolgen [3]
[4]
[12].
Fazit
Für die Diagnose eines drohenden oder manifesten kardiogenen Schocks ist entscheidend,
frühzeitig bei klinischen Symptomen wie Hypotension, Lungenstauung und/oder
Zeichen der Kreislaufzentralisation daran zu denken. Die Verdachtsdiagnose kann
durch eine echokardiograhische Beurteilung der linksventrikulären Pumpfunktion
weiter verifiziert werden. Anhand dieses nicht-invasiven Vorgehens lassen sich
drohende oder manifeste Schockzustände rasch erkennen und therapieren
(„Früh”-Revaskularisation!). Entsprechend den Leitlinien des American College
of Cardiology und der European Society of Cardiology ist der Einsatz eines Pulmonalarterien-Katheters
zur Differenzierung zwischen kardiogene und hypovolämischem Schock, zur Identifizierung
der führenden Schockkomponente bei gemischten Schockformen und bei manifestem
kardiogenem Schock zur Steuerung einer medikamentösen Therapie mit positiv-inotropen
Substanzen gerechtfertigt [9]
[12].
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma
haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer
Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).