Der Klinikarzt 2004; 33(10): VIII
DOI: 10.1055/s-2004-835335
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Isolierte systolische Hypertonie im Alter - Konsequent antihypertensiv therapieren!

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Publication Date:
22 October 2004 (online)

 
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Entgegen früheren Annahmen handelt es sich bei einer isolierten systolischen Hypertonie weder um eine "normale" Alterserscheinung noch um einen Erfordernishochdruck. Wurde früher das kardio- und zerebrovaskuläre Risiko fast ausschließlich am diastolischen Blutdruck festgemacht, gelten heute isolierte systolische Hypertonie (ISH) und erhöhter Pulsdruck ebenfalls als unabhängige Risikofaktoren (1).

Anders als der diastolische Blutdruck, der sein Maximum ungefähr im 55. Lebensjahr erreicht, kann der systolische Blutdruck bis zum 80. Lebensjahr steigen. Werden bei systolischen Blutdruckwerten über 140 mmHg diastolische Werte von unter 90 mmHg gemessen, liegt definitionsgemäß eine isolierte systolische Hypertonie vor.

Das erklärt auch, warum die Prävalenz der Erkrankung mit zunehmendem Alter steigt: In einer US-amerikanischen Untersuchung beispielsweise betrug die Rate in der Gesamtbevölkerung bei den 70- bis 74-Jährigen 12,5%, von den 75- bis 80-Jährigen hatten sogar 23,6% eine isolierte systolische Hypertonie. Noch höher ist der Anteil, wenn die Prävalenz bei älteren Patienten mit bekannter Hypertonie analysiert wird: Mit 60-70% steht die ISH hier eindeutig an erster Stelle.

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Ursache: arterielle Steifigkeit

Eine der wichtigsten Ursachen der isolierten systolischen Hypertonie im Alter sind Umbauvorgänge in den Arterienwänden. Zum einen steigt der Kollagenanteil, zum anderen reduzieren sich die elastischen Anteile der Gefäßwände, und es kommt zu einer allmählichen Versteifung der Arterien. Zusammen mit Funktionsstörungen des Endothels führt die arterielle Steifigkeit dazu, dass die Pulswelle stärker beschleunigt. Sie wird schließlich so schnell reflektiert, dass sie die zentrale Aorta bereits während der mittleren Systole erreicht. Da der systolische aortale Druck zunimmt und der diastolische Druck fällt, steigt zugleich der Pulsdruck (Differenz von systolischem und diastolischem Blutdruck).

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Weniger Schlaganfälle und kardiovaskuläre Ereignisse

Wie erfolgreich eine konsequente Blutdrucksenkung bei älteren Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie sein kann, zeigen unter anderem die Ergebnisse der plazebokontrollierten SHEP[1]-Studie mit über 4700 Patienten, bei denen der systolische Blutdruck um mindestens 20 mmHg auf Werte unter 160 mmHg gesenkt werden sollte. Die Abnahme des Blutdrucks um durchschnittlich 26/9 mmHg in der Verumgruppe (Plazebogruppe: 15/4 mmHg) verringerte das Risiko für ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle um 37%.

Noch eindrucksvoller sind die Resultate der ebenfalls plazebokontrollierten Syst-EUR[2]-Studie, an der 4695 Patienten im Alter von mindestens 60 Jahren teilnahmen. Hier erhielten die Patienten den lang wirksamen Kalziumantagonisten Nitrendipin. Konnte damit der Zielblutdruck (< 150 mmHg) nicht erreicht werden, wurde Nitrendipin mit Enalapril (Eneas®; 20 mg Nitrendipin plus 10 mg Enalapril) und Hydrochlorothiazid kombiniert. Verglichen mit den Patienten der Plazebogruppe wurden bei den konsequent medikamentös behandelten Patienten nicht nur 42% weniger Schlaganfälle, sondern auch 26% weniger kardiovaskuläre Endpunkte verzeichnet.

Für eine konsequente antihypertensive Therapie sprechen auch die Ergebnisse einer Metaanalyse von insgesamt acht Studien mit 15693 älteren Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie: Das Risiko für kardiale Ereignisse konnte hier um 23% verringert werden, die Inzidenz von Schlaganfällen nahm um 30% ab. Um einen Schlaganfall zu verhindern, mussten somit nur 48 Patienten fünf Jahre lang behandelt werden.

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Fazit für die Praxis

Eine konsequente antihypertensive Therapie kann also das bei isolierter systolischer Hypertonie und erhöhtem Pulsdruck deutlich erhöhte Risiko für kardio- und zerebrovaskuläre Komplikationen deutlich senken: Jeder dritte Schlaganfall und jedes vierte kardiale Ereignis könnte so verhindert werden.

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Mögliche subjektiv belastende Nebenwirkungen lassen sich am besten dadurch vermeiden, dass der Blutdruck zunächst nur auf systolische Werte unter 160 mmHg gesenkt wird. Erst wenn diese Werte gut toleriert werden, sollte dann im zweiten Schritt eine konsequente Drucksenkung auf systolische Werte unter 140mmHg erfolgen.

Quelle

1. Offers E, Kolloch E. Systolische Hypertonie - treat or not to treat? Herz 2003; 28: 702-706 nach einer Pressemitteilung der Merck KGaA Deutschland Pharma, Darmstadt

03 systolic hypertension in the elderly program

04 systolic hypertension in europe

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