Der Klinikarzt 2004; 33(10): X-XI
DOI: 10.1055/s-2004-835336
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine pharmakoökonomische Analyse - Antibiotika effizient und kostenbewusst einsetzen

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Publication Date:
22 October 2004 (online)

 
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Methicillinresistente Staphylokokken (MRSA, MRSE) sind nach wie vor Problemkeime in Krankenhäusern. Mittel der Wahl ist bislang Vancomycin i.v. - trotz seiner zum Teil geringen Gewebepenetration. Erwachsene mit normaler Nierenfunktion erhalten 1000 mg Vancomycin i.v. alle zwölf Stunden als mindestens einstündige Infusion. Bei gestörter Nierenfunktion muss die Dosis entsprechend den Serumspiegeln angepasst werden. Die Therapiedauer hängt vom Infektionsort und der Reaktion des Patienten ab und beträgt gewöhnlich zwei bis vier Wochen, bei schweren Infektionen bis zu sechs bis acht Wochen. Wegen möglicher Nebenwirkungen erfolgt die Therapie mit Vancomycin stationär.

Das Oxazolidinon Linezolid hat eine hohe Aktivität gegen MRSA, MRSE, vancomycinresistente Enterokokken (VRE) und penicillinresistente Pneumokokken. Die Substanz ist hochwirksam, sowohl oral als auch parenteral applizierbar und bedarf keiner Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz. Die Dosierung beträgt zweimal 600 mg (i.v. oder auch oral).

Die reinen Arzneikosten für Linezolid sind deutlich höher als die für Vancomycin. Doch möglicherweise könnte Linezolid bei schweren MRSA-Infektionen aufgrund seiner guten Wirksamkeit und unproblematischen Anwendung kosteneffektiv eingesetzt werden. Um zu klären, ob dies möglich ist, soll mithilfe einer vorliegenden Studie ein Modell erstellt werden, das sowohl die Kosten als auch die Effektivität berücksichtigt - also eine pharmakoökonomische Kosten-Effektivitäts-Analyse. Als Beispiel wurde die Behandlung schwerer Haut- und Weichteilinfektionen mit Linezolid oder Vancomycin gewählt, berücksichtigt wurden dabei die Ansprechraten und die Kosten für die Behandlung, verbunden mit der Verweildauer in der Klinik [1].

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Schnellerer Behandlungserfolg

In diese Studie eingeschlossen waren hospitalisierte Patienten mit gesicherten oder vermuteten MRSA-Infektionen. Insgesamt wurden 230 Patienten mit schweren Haut- und Weichteilinfektionen berücksichtigt - 122 davon waren mit Linezolid, 108 mit Vancomycin behandelt worden. Der Behandlungsbeginn erfolgte in 70-80% der Fälle auf einer chirurgischen, in etwa 20% der Fälle auf der Intensivstation.

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen war, dass die Patienten, die Linezolid erhielten, schneller auf die Behandlung ansprachen als Patienten unter Vancomycin. Schon nach einer Woche konnten 36% der Patienten unter der Linezolidtherapie geheilt und damit entlassen werden, nach zwei Wochen waren dies schon 54%. Anders war dies unter Vancomycin: Nach einer Woche konnten nur 17%, nach zwei Wochen 46% der Patienten die Klinik verlassen. Ab der dritten Behandlungswoche nähern sich die Heilungsraten beider Therapieschemata an und nach vier Wochen sind immerhin drei Viertel der Patienten - aus beiden Gruppen - infektionsfrei.

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Veranschlagte Gesamtkosten

Berücksichtigt man allein die Tagestherapiekosten beider Substanzen, ist die Behandlung mit Linezolid mit 120 Euro pro Tag deutlich teurer als die Gabe von Vancomycin, bei der inklusive der wöchentlichen Spiegelbestimmung insgesamt 15 Euro täglich zu Buche schlagen. Zu diesen reinen Medikamentenkosten müssen jedoch noch die Aufwendungen für die Hospitalisierung der Patienten (300 Euro pro Tag) und die Therapiekosten im Falle einer Nephrotoxizität - das sind 600 Euro bei zwei veranschlagten Krankenhaustagen - addiert werden. 5% der Vancomycin-Patienten entwickelten unter ihrer Therapie eine Nephrotoxizität.

Der Frage, ob die Einsparungen in der Krankenhausverweildauer, insbesondere in der ersten Woche, die Mehrkosten der Therapie mit Linezolid rechtfertigen, hat sich die pharmakoökonomische Analyse der Studiendaten angenommen. Sie soll auch dazu dienen, eine ökonomisch optimierte Behandlungsstrategie zu entwickeln.

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Pharmakoökonomische Analyse

Für die pharmakoökonomische Analyse der Daten wurde die so genannte Markov Monte Carlo Simulation eingesetzt. Eine Entscheidungsbaumanalyse gestattet es, die entstehenden Kosten für die Medikation und die reinen Krankenhauskosten zusammen und separat zu berechnen. Diese Modelle lassen Trends erkennen, geringe Kostenunterschiede zwischen zwei Verfahren sind weniger aussagekräftig. Gespeist wird das Modell mit allen relevanten Daten zur Effektivität (Zeitpunkt der Entlassung) aus der Publikation und den Daten zu den Kosten aus dem Bereich des Krankenhauses.

Die Modellierung lässt es weiter zu, verschiedene Szenarien auf der Basis vorhandener Daten zu berechnen. Dazu zählt zum Beispiel auch die Frage, welche Kostenersparnis zu erzielen ist, wenn die Behandlung in einem teuren Krankenhausbett nur so lange wie nötig erfolgt und die höherwertige medikamentöse Behandlung ambulant oder in einem "Hotelbetrieb" mit geringeren Tagessätzen fortgesetzt wird.

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Kostenvergleich zwischen den Therapiestrategien

Laut der Analyse der Daten sind die Gesamtkosten für die Linezolid- bzw. die Vancomycintherapie relativ ähnlich - für den Einsatz von Linezolid sind sie im Mittel höher, im Median niedriger als für Vancomycin. Da die Kosten jedoch eine weite Streubreite aufweisen, bietet es sich an, sie in fünf Quintilen oder Kostenklassen einzuteilen (Abb. [1]). Demnach fällt der Hauptteil der Kosten der Linezolidbehandlung eher in den Bereich von 2000-6000 Euro, also in den unteren Bereich der Skala. Bei der Vancomycintherapie dagegen liegen mehr Aufwendungen um 6000-10000 Euro, höhere Kosten waren hier nicht mehr zu verzeichnen. In der Linezolidgruppe entfallen allerdings 29% der Aufwendungen auf die höchste Kostenklasse (10000-12000 Euro) aufgrund einer langen Liegezeit.

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Einfluss der Krankenhauskosten auf die Therapiekosten

Wie sich die Krankenhaustagekosten tatsächlich auf die gesamten Therapiekosten auswirken, wurde mithilfe einer Sensitivitätsanalyse untersucht. Generell gilt - was auch leicht nachzuvollziehen ist: Bei sehr hohen Krankenhaustagekosten haben die Medikationskosten einen geringeren Einfluss auf die Gesamtaufwendungen.

Laut der Analyse entsprechen sich die beiden getesteten Therapieregime bezüglich ihrer Gesamtkosten genau dann, wenn die Krankenhauskosten pro Tag bei 366,20 Euro liegen (Abb. [2]). Bei höheren Krankenhaustagekosten ist Linezolid kosteneffizienter, bei niedrigeren täglichen Kosten liegt der Vorteil bei Vancomycin. Besonders wichtig ist dieses Ergebnis für Versorgungseinheiten, auf denen generell hohe Kosten anfallen, wie zum Beispiel Intensivstationen. Lange Liegezeiten, bedingt durch niedrigpreisige, weniger effektive Therapien sind unökonomisch.

Da weder die Krankenhaus- noch die Medikationskosten kurzfristig verändert werden können, kann nur eine veränderte Therapiestrategie die Kosten deutlich reduzieren. Sparpotenzial ergibt sich dann, wenn die Patienten frühzeitig aus teuren in günstigere Versorgungseinheiten verlegt werden können. Mit seiner niedrigen Toxizität und der Möglichkeit der oral Applikation bietet Linezolid potenzielle Vorteile gegenüber Vancomycin.

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Wie hoch ist das Einsparpotenzial?

Ein Beispiel: Wie wirkt es sich aus, wenn die Patienten nicht länger als zwei Wochen im Krankenhaus versorgt werden und Linezolid anschließend ambulant weiter verordnet wird? Bei rein stationärer Behandlung sind die Kosten für Linezolid und Vancomycin etwa gleich (Tab. [1]). Wenn der Patient aber nach zwei Wochen zu Hause mit einer oralen Linezolidtherapie weiterversorgt werden kann, sinken die Gesamtkosten um mehr als 20%, so die Analyse. Die Kosten für die Behandlung mit Linezolid lägen dann im Durchschnitt bei 5385 Euro, bei Vancomycin dagegen würden sie 6396,40 Euro betragen.

Nach dem neuen DRG-System würde für die Hauptdiagnosekategorie T01B: "OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären Krankheiten ohne äußerst schwere CC, Alter > 70 Jahre oder schwere CC" bei einem Basisfallpreis von 2900 Euro 5457,80 Euro vergütet werden - ganz gleich ob der Patient eine oder vier Wochen stationär behandelt wird. Dies macht deutlich, wie wichtig es für Kliniken sein wird, Therapiestrategien auch mit hochwirksamen innovativen Medikamenten zu entwickeln, um kostendeckend wirtschaften zu können.

Bei gesicherter Indikation ist es also durchaus sinnvoll, mit dem wirksamsten Medikament zu beginnen, um die Aufenthaltsdauer in teueren Krankenhauseinheiten (z.B. Intensivstation) und generell im Krankenhaus zu reduzieren. Auch aus rein medizinischer Sicht macht diese Strategie Sinn, da eine frühzeitige und effektive Therapie entscheidend zur Senkung der Morbidität und Letalität beiträgt [2].

Dr. Chr. Bannert, Augsburg

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Literatur

  • 6 Li Z . Willke RJ . Pinto LA . et al.  . Comparison of length of stay for patients with known or suspected methicillin-resistant Staphyloccocus Species Infections treated with Linezolid or Vancomycin: A randomised, multicenter trial.   Pharmacotherapy . 2003;  21 263-274
  • 7 Lodise TP . McKinnon PS . Swiderski L . Rybak MJ . Outcomes analysis of delayed antibiotic treatment for hospital-acquired Staphylococcus aureus bacteremia.  Clin Infect Dis. 2003;  36(11) 1418-1423
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Literatur

  • 6 Li Z . Willke RJ . Pinto LA . et al.  . Comparison of length of stay for patients with known or suspected methicillin-resistant Staphyloccocus Species Infections treated with Linezolid or Vancomycin: A randomised, multicenter trial.   Pharmacotherapy . 2003;  21 263-274
  • 7 Lodise TP . McKinnon PS . Swiderski L . Rybak MJ . Outcomes analysis of delayed antibiotic treatment for hospital-acquired Staphylococcus aureus bacteremia.  Clin Infect Dis. 2003;  36(11) 1418-1423
 
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