Eine Effizienz-Offensive in der Ernährungs- und Infusionstherapie sei notwendig, konstatiert
eine interdisziplinäre Gruppe aus Klinikärzten, Krankenhausapothekern und Pflegepersonal.
Eine Veröffentlichung von Praxisempfehlungen und Therapiealgorithmen wird noch in
diesem Jahr erwartet. Der klinikarzt sprach mit Herrn Dr. H.J. Dieterich und Herrn
Dr. M. Senkal, zwei Mitgliedern des Baxter Advisory Boards, das die Effizienzoffensive
ins Leben gerufen hat.
Hans-Jürgen Dieterich
Metin Senkal
klinikarzt: Herr Dr. Dieterich, Sie fordern mehr Effizienz in der Infusionstherapie - wieso?
Dr. H.J. Dieterich: Wir verfügen über eine Vielzahl von Infusionslösungen, die sich in ihrer Zusammensetzung
oftmals nur geringfügig unterscheiden, weshalb sich auch die Indikationen für den
Einsatz der einzelnen Lösungen überschneiden. Dies ist in Zeiten knapper Ressourcen
nicht nur ein therapeutisches, sondern auch ein ökonomisches Problem. Wenn ich meine
Therapie nicht nach schematisierten Empfehlungen durchführe, muss ich eine Vielzahl
von Infusionslösungen mit beinahe identischer Zusammensetzung vorhalten. Hier wäre
eine Beschränkung auf wenige, sachgerecht ausgewählte Lösungen sicher mehr. Darüber
hinaus fehlen bis heute akzeptierte Leitlinien für die Infusionstherapie.
klinikarzt: Herr Dr. Senkal, sieht es bei der Ernährungstherapie genauso aus?
Dr. M. Senkal: Bezüglich der Leitlinien zur Ernährungstherapie sind wir sicher besser ausgestattet.
Allerdings sind bis zu 30% der stationären Patienten entweder bereits bei der Aufnahme
mangelernährt, oder sie entwickeln während des Krankenhausaufenthaltes eine Mangelernährung.
Denn obwohl einfache und aussagekräftige Mittel zur Bestimmung des Ernährungszustandes
vorhanden sind, werden diese häufig zu wenig, zu spät oder falsch eingesetzt. Infektionen
und andere Komplikationen sowie verlängerte Liegezeiten sind die Folge.
klinikarzt: Was denken Sie sind die Ursachen dieser Defizite?
Senkal: Vielen Ärzten, die sich nicht speziell mit Ernährungstherapie befassen, fehlen klare
Handlungsanweisungen. Nicht nur, dass unterschiedliche Ansichten über den Bedarf herrschen,
es bestehen auch Unsicherheiten in der Zusammensetzung und Applikation der künstlichen
Ernährung. Nicht zuletzt wird künstliche Ernährung auch deshalb nicht eingesetzt,
weil sie als zu kompliziert empfunden wird.
Dieterich: Die Geschichte der Infusionstherapie ist relativ kurz und bis heute sind eine ganze
Reihe von Fragen nicht endgültig beantwortet. Darüber hinaus ist die Entwicklung neuer
Substanzen nicht weltweit gleich vorangeschritten, und über die Interventionspunkte
und die jeweiligen Zielkriterien besteht noch kein Konsens. Dies alles äußert sich
in einer Vielzahl von Therapiekonzepten mit nur marginalen Unterschieden.
klinikarzt: Sie haben sich mit verschiedenen Kollegen zusammengetan, um Abhilfe zu schaffen.
Wie soll das funktionieren?
Dieterich: Eine Reihe ausgewiesener Experten aus verschiedenen Fachdisziplinen hat sich zusammengetan,
um eine Quintessenz aus den derzeit vorliegenden Erkenntnissen zu erarbeiten und für
die große Mehrzahl unserer Patienten passende Algorithmen zur Durchführung einer angemessenen
Infusions- und Ernährungstherapie zu erarbeiten. Diese können natürlich nicht allen
Patienten gerecht werden. Aber selbst junge Ärzte sollten mit diesen Empfehlungen
in der Kitteltasche in der Lage sein, die große Masse der Fälle erfolgreich zu behandeln.
Senkal: Es geht um eine Vereinfachung und um die Anwendung der wichtigsten Parameter. Die
Indikationen werden klar dargestellt, die Therapieziele und das Monitoring vereinfacht
präsentiert, sodass mit nur wenigen Standardlösungen gearbeitet werden kann. Mithilfe
dieser Entscheidungswege können 80-90% der Patienten auch von Nicht-Spezialisten richtig
klinisch ernährt werden. Diese Vorgehensweise erhebt nicht den Anspruch, sämtliche
komplexen Fälle abzudecken. In Spezialsituationen müssen gesonderte, angepasste Therapieregime
angewendet werden.
klinikarzt: Glauben Sie, dass Ihr Ansatz breite Umsetzung finden wird?
Senkal: Diese interdisziplinären Empfehlungen kombinieren wissenschaftliche Erkenntnisse
mit der Erfahrung der klinischen Routine. Die Entscheidungswege und Therapieansätze
sind als "Standard of practice" für den klinisch tätigen Arzt gedacht, der sich nicht
mit der gesamten Spezialliteratur beschäftigen muss. Leitlinien und Empfehlungen von
Fachgesellschaften sind selbstverständlich integriert und durch Standardisierung vereinfacht.
Sie können jedoch auf keinen Fall ersetzt werden.
Dieterich: Eine breite Umsetzung setzt zunächst einmal eine ebenso breite Akzeptanz voraus.
Diese werden wir sicherlich nicht im ersten Schritt erzielen. Aber wir sehen die Chance,
ein zukunftsweisendes Projekt der kontinuierlichen Optimierung zu initiieren und eine
Effizienzverbesserung durch angemessene Standardisierung in den klinischen Alltag
einzuführen.
Herr Dr. Dieterich, Herr Dr. Senkal, herzlichen Dank für dieses Gespräch!