Eine bipolare Erkrankung betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern auch seine Angehörigen
insbesondere Partner und Kinder sowie die behandelnden Therapeuten. Die Erkrankung
kann daher nur gemeinsam bewältigt werden. Wie bereichernd das gemeinsame Gespräch
und vor allem die Diskussion sein kann, zeigte auch die gut besuchte diesjährige Tagung
der DGBS e.V., die jetzt vom 9.-11. September in Hamburg in Zusammenarbeit mit der
Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf und dem Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Harburg
stattfand. Insgesamt füllten mehr als 500 Besucher, ca. 50% Professionelle, ca. 30%
bipolar Erkrankte, ca. 20% Angehörige, auf dieser Jahrestagung das Prinzip des Trialogs
auch in diesem Jahr wieder sehr erfolgreich mit Leben.
Bipolar zu sein, ist etwas ganz besonderes. So unterschiedlich wie die Erkrankung
selbst, ist auch die Art und Weise, wie Menschen mit bipolaren Erkrankungen umgehen,
erklärte Dr. H.-P. Unger in Hamburg. "Man kann eine ganze Menge tun, um mittig und
auf gutem Niveau zu bleiben." Es stehen nicht nur medikamentöse Behandlungsmethoden,
sondern auch unterstützende nichtmedikamentöse Therapien zur Verfügung. Dem einzelnen
hilft vielleicht, wie Prof. P. Hartwich vorstellte, z.B. in der depressiven Phase
die Beschäftigung mit spirituellen Dingen. In der Manie können sich strukturgebende
Ansätze eignen, wie die Computermalerei oder Mandalas.
In Gruppentherapien können die ersten Warnzeichen einer Wiedererkrankung gemeinsam
mit den anderen Teilnehmern erkannt und Gegenregulationsmaßnahmen erarbeitet werden.
Außerdem ist es für viele befreiend, endlich die Erfahrungen, die z.B. während der
manischen Phase oder in der Klinik gemacht worden sind, einmal mit anderen besprechen
zu können und vielleicht zu verarbeiten.
In die Behandlung müssen auch unbedingt die Angehörigen miteinbezogen werden, forderte
PD Dr. T. Bock. "Eine Behandlung ohne Berücksichtigung der Angehörigen ist ein Kunstfehler!"
Bei der Behandlung muss auch darauf geachtet werden, dass es eine Eigendynamik der
Psyche, der Familie und der Beziehungen gibt. Nicht jede Manie oder depressive Episode
muss eine bipolare Erkrankung werden. Wie Bock vorstellte, besteht auch in der Öffentlichkeit
noch immer ein Zerrbild der Erkrankung, so meinen z.B. viele, die Betroffenen seien
gefährlich, Zweifel und Verzweiflung gehören aber zum Bild des Menschen, Verzweiflung
kann in eine Depression abrutschen, beides ist aber zutiefst menschlich.
Um aber die ganzen Therapien miteinander zu koordinieren, ist noch viel Arbeit erforderlich.
Die so genannte integrierte Versorgung steckt heute allerdings noch in den Kinderschuhen
und muss voran getrieben werden. Beispielsweise müssen, um nur einige Schwachstellen
aufzuzeigen, die Betroffenen im Krisenfall auch morgens um drei Uhr noch einen Ansprechpartner
finden können, der sie sofort unterstützen kann. Unterstützende Therapiemaßnahmen
müssen flächendeckend zur Verfügung stehen. Die Finanzierung dieser und anderer ambulanter
Maßnahmen muss mit den Versorgungsgesellschaften neu geregelt werden.
Wichtig ist auch, dass alle Betroffenen mit den Behandlungsmethoden zufrieden sind.
Um dies zu sichern, muss die Qualität der Behandlung überprüft und falls notwendig
verbessert werden. Die Aufnahmesituation in die Kliniken wird z.B. immer noch als
besonders belastend und traumatisierend empfunden. Wir brauchen keine geschlossenen
Stationen. Was wir brauchen ist unter anderem fester Zusammenhalt, um gemeinsam unsere
Ziele voran zu treiben.
Prof. Jules Angst - neues Ehrenmitglied der DGBS e.V.
Prof. Jules Angst wurde für sein Lebenswerk zum neuen Ehrenmitglied der DGBS e.V.
ernannt. Beispielsweise zählt seine Monographie aus dem Jahre 1966 zur Ätiologie und
Nosologie endogener depressiver Psychosen zu den Meilensteinen der modernen Psychiatrie,
beschrieb Prof. Andreas Marneros in seiner Laudatio. "Mit dieser Monographie sowie
der kurz darauf folgenden Studie von Carlo Perris, publiziert in englischer Sprache
in der "Psychiatrica Scandinavica", wurde die neue Epoche der bipolaren Störungen
eingeleitet ... Jules Angst behandelte in dieser Monographie als Erster und im Gegensatz
zu seinem verehrten Lehrer Manfred Bleuler die schizoaffektiven Psychosen - damals
nannte er sie noch "Mischpsychosen" - als eine Untergruppe der affektiven Erkrankungen.
In der damaligen Zeit war das revolutionär. Er widersprach damit allen Großen der
Psychiatrie." Weltberühmt ist auch die prospektive epidemiologische Züricher Kohorten-Studie
von Angst, die zu den methodisch besten Studien der Welt zählt. Die Follow-up-Periode
von mehr als 20 Jahren brachte bahnbrechende Ergebnisse, z.B. auch zur Inzidenz bipolarer
Erkrankungen. Der Vortrag von Angst "Bipolare Störungen als lebenslanges Schicksal"
zählte daher zu den Höhepunkten der Jahrestagung.
von links nach rechts: Dr. H. Grunze, Prof. J. Angst, Prof. A. Marneros