Aktuelle Urol 2004; 35(6): 461-462
DOI: 10.1055/s-2004-835733
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Blasenkarzinom - Erfolg einer Bacillus-Calmette-Guérin-Therapie ist vom p53-Status abhängig

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Publication Date:
17 November 2004 (online)

 
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Für viele Patienten mit rekurrentem oder high-grade superfiziellem Blasenkarzinom hat die adjuvante intravesikale Instillation von Bacillus Calmette-Guérin (BCG) den Krankheitsverlauf entscheidend verbessert. Bei anderen wiederum zeigte diese Strategie keinen Erfolg. Eine französische Studie zeigt, dass die p53-Akkumulation im Zellkern für den Misserfolg einer BCG-Therapie verantwortlich ist.

F. Saint u. Mitarb. untersuchten dazu die Krankheitsverläufe von 102 Patienten mit multifokalem, rekurrenten und/oder papillärem transitionalen Zellkarzinom mit oder ohne Carzinoma in situ (CIS) der Blase, die zum ersten Mal mit BCG behandelt wurden (European Urology 2004; 45: 475 - 482). Die p53-Expression wurde im entfernten Tumorgewebe immunhistsochemisch nachgewiesen. Waren mehr als 20% der Tumorzellkerne p53- positiv, war dies als Überexpression definiert.

Im Rahmen des Nachbeobachtungszeitraums von 20 Monaten hatten 36 Patienten (35,3%) einen Rückfall, 13 (12,7%) eine Krankheitsprogression und 5 Patienten (4,9%) verstarben aufgrund ihres Blasenkarzinoms. 78 Patienten (76,5%) waren p53-negativ und 24 (23,5%) p53-positiv. Die Patientengruppen waren hinsichtlich Alter, Zytologie vor der BCG-Behandlung, Multifokalität und Tumorgröße vergleichbar. Eine p53-Überex- pression konnte bei 24 Patienten identifiziert werden und war häufiger in Hochrisikotumoren (TaG3 und T1G3 mit oder ohne Cis) als in Tumoren mit intermediärem Risiko (Ta/T1 G1G2) zu finden. Von 78 p53-negativen Patienten hatten 26 (33,3%) einen Rückfall im Vergleich zu 10 (41,7%) von 24 p53-positiven Patienten. Rückfälle traten bei p53-positiven Patienten zudem früher als bei p53-negativen Patienten auf. Ferner waren die Zeitspannen bis zu einem Rückfall, einer Progression und bis zum Tod aufgrund des Karzinoms bei p53-positiven Patienten im Vergleich zu p53-negativen Patienten kürzer. In einer multivariaten Analyse erwies sich die p53-Überexpression als unabhängiger Prädiktor für einen Krankheitsrückfall.

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Harnblasen-Schistosomiasis - Fremdkörper können als Kokarzinogene wirken und zum Harnblasenkarzinom führen (Bild: Taschenatlas der allgemeinen und speziellen Pathologie, Thieme, 1998).

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T-Stadien des Harnblasenkarzinoms (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2002).

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Fazit

Die Analyse des p53- Status vor einer BCG-Behandlung ermöglicht es, die Patienten zu identifizieren, die am meisten von dieser Therapie profitieren. Denn eine prätherapeutische p53- Überexpression ist mit einem hohen Risiko für einen Rückfall, eine Progression und den Tod aufgrund des Karzinoms nach der BCG-Therapie assoziiert.

Dr. Sabine Adler, Mülsen St. Niclas

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Erster Kommentar

p53-Alterationen treten bei etwa der Hälfte humaner Tumoren auf, unter anderem auch beim Harnblasenkarzinom, und sind die häufigsten Mutationen bei humanen Karzinomen überhaupt. Das normale Wild-Typ p53 ist ein Tumor-Suppressor-Gen, das unterschiedliche Funktionen wie die Regulierung von Zellzyklus, DNA-Reparatur und Apoptose hat. Das Fehlen der p53-Funktion durch Mutation oder Inaktivierung führt zum Verlust der normalen Zellzykluskontrolle und Apoptose und letzlich zur genomischen Instabilität und malignen Transformation.

Trotz der manifesten Bedeutung von p53 bei der Karzinogenese ist der Wert als prognostischer Marker des Harnblasenkarzinoms noch nicht klar definiert.

p53-Mutationen treten im Gegensatz zur Pathogenese anderer Tumoren beim Harnblasenkarzinom eher früh auf. Diese Mutationen resultieren in einer Inaktivierung des P53-Proteins mit verlängerter Halbwertszeit und nukleärer p53-Akkumulation und somit erhöhter immunhistochemischer Positivität. Dies gilt aber nur für so genannte Missense-Mutationen, die zu etwa 80% auftreten, und nicht für Deletionen oder Nonsense-Mutationen, die in etwa 20% der Fälle auftreten. Letztere resultieren in einer "negativen" Immunfärbung. Überdies gibt es auch Fälle von falschpositiver p53-Färbung ohne kausale genetische Alteration. Verschiedene Autoren plädieren daher, nicht den p53-Färbeindex zu bestimmen, sondern eine direkte Mutationsanalyse durchzuführen. Insgesamt muss man aber von einer starken Korrelation zwischen p53-Mutationen und positiver Immunhistochemie ausgehen.

In zahlreichen Studien wurde der prognostische Wert der immunhistochemischen p53-Positivität beim Harnblasenkarzinom untersucht. Auch wenn einige Studien keine Korrelation des p53-Status mit klinischen Parametern fanden, scheint beim oberflächlichen Blasen-Ca. doch eine Korrelation der p53-Mutation mit Tumorgrad, Rezidiv und Progression zu bestehen.

Der Wert von p53 als prognostischer Marker des Harnblasenkarzinoms ist noch nicht klar definiert.

Die große Hetrogenität der publizierten Studien ist durch mehrere Faktoren begründet. Einerseits ist die Methodik der Immunhistochemie sehr variabel. Neben unterschiedlichen Färbeprotokollen mit variablen Inkubationszeiten unterscheidet sich die Färbung mit den gängigsten Antikörpern (DO-7, Pab1801) untereinander zum Teil signifikant. Der Cut-off- Wert als Kriterium eines "positiven" p53- Status wird zudem unterschiedlich definiert und liegt bei den meisten Studien zwischen 10 und 20%. Überdies sind die Patientenkollektive oft sehr heterogen (TaG1-T1G3 ± CIS) und somit schwer vergleichbar.

Zum Stellenwert des p53-Status als Prädiktor einer BCG-Therapie existieren, wie Saint et al. selbst zusammenfassen, ebenfalls heterogene Daten. Die Autoren haben in dieser Arbeit bei insgesamt 102 Patienten mit oberflächlichem Harnblasenkarzinom (Ta-1, G1-3 ± CIS), die erstmals mit BCG behandelt wurden, den immunhistochemischen p53-Status mit dem Outcome der Patienten korreliert. Die Zeit bis zu Rezidiv, Progression und Tod war bei Patienten mit p53-Überexpression (>20%) kürzer als bei Patienten mit niedriger p53-Expression. Überdies war die p53- Überexpression ein unabhängiger Prädiktor der Rezidivierung in multivariater Analyse. Eine multivariate Analyse zur Progression wurde wegen der geringen Fallzahl nicht durchgeführt.

Einige Punkte müssen bei dieser Publikation jedoch kritisch angemerkt werden. Retrospektiv untersucht wurden Patienten, die zwischen 1988 und 2001 behandelt wurden. Bis 1996 erhielten die Patienten BCG IMMUN F-Stamm ohne Maintenance und nachfolgend BCG Connaught-Stamm mit Maintenance. Dies erschwert eine saubere Analyse, auch wenn die Verteilung der BCG-Schemata in beiden Untersuchungsgruppen vergleichbar ist. Insgesamt wiesen lediglich 24 Patienten (23,5%) eine p53-Überexpression auf. Die Subgruppenanalyse dieser Patienten hat aufgrund der kleinen Anzahl sicher nur begrenzten Informationsgehalt. Dies gilt entsprechend auch für die Analyse der Progression (13 Patienten mit p53-Überexpression). Insgesamt ergibt sich aus dieser Publikation so ein weiterer Hinweis für den potenziellen Prognosenutzen des p53-Status beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom. Wie die Autoren zusammenfassen, kann die Wertigkeit der p53-Überexpression als Entscheidungshilfe bei der Festlegung von Therapieschemata aber nur durch geeignete prospektive, randomisierte Studien mit homogenem Patientengut und gut reproduzierbarer Methodik definiert werden und ist zudem von der Verfügbarkeit therapeutischer Alternativen abhängig.

Die prospektive Erfassung der p53-Expression wird in klinischen Studien derzeit z.B. bei der Frühinstillation mit Mitomycin (RUTT 203) durchgeführt. In einer prospektiven, randomisierten NCI-SWOG- Studie werden überdies Patienten mit muskelinvasivem Blasentumor nach Zystektomie in Abhängigkeit des p53-Status mit oder ohne adjuvante Chemotherapie (MVAC) behandelt.

Dr. Ingo Kausch, Lübeck

Literatur beim Autor

 
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Harnblasen-Schistosomiasis - Fremdkörper können als Kokarzinogene wirken und zum Harnblasenkarzinom führen (Bild: Taschenatlas der allgemeinen und speziellen Pathologie, Thieme, 1998).

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T-Stadien des Harnblasenkarzinoms (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2002).