Aktuelle Urol 2004; 35(6): 463-465
DOI: 10.1055/s-2004-835734
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Identifikation von Carcinomata in situ der Blase - Diagnostik mit neuer Fluoreszenzmethode erheblich zu verbessern

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Publication Date:
17 November 2004 (online)

 
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In einer kontrollierten, prospektiven Studie mit 211 auswertbaren Blasenkarzinom-Patienten wurden mit der Fluoreszenz-Zytoskopie 28% mehr Patienten mit Carcinoma in situ (CIS) identifiziert als beim Standardverfahren - ohne zusätzliche Nebenwirkungen oder Komplikationen (J Urol 2004;171:135-138).

Die Identifizierung von CIS hat erheblichen Einfluss auf die Behandlung von Patienten mit Blasenkarzinom, da die Läsionen mit einem hohen Risiko der Progession vergesellschaftet sind. Aber gerade die oberflächlichen Läsionen sind bei der Standardzystoskopie schwierig zu identifizieren. Die Zytologie wiederum erlaubt keine Lokalisierung der Herde oder Aussagen zur Ausdehnung der CIS. Deshalb wurde die Floureszenztechnik mit photoaktiven Porphyrinen wie Hexa- mniolaevolinat (HAL) entwickelt, die in neoplastischen Zellen akkumulieren; unter blauem Licht zeigt sich eine rote Fluoreszenz, über die dann eine Visualisierung möglich ist.

Die intravesikale Applikation von Aminolaevulinsäure zur Photodiagnose von Blasentumoren ist bereits Erfolg versprechend angewandt worden. Mit Hervix Hexaminolävulinat wurde jetzt ein Ester getestet, der eine höhere Selektivität und stärkere Fluoreszenz bei kürzerer Instillationszeit verspricht. Vorausgegangene Untersuchungen hatten eine hohe Detektionsrate für alle - auch oberflächliche - Blasentumoren ergeben bei gleichzeitig gutem Sicherheitsprofil. Deshalb wurde die Substanz in einer europäischen Studie an 17 urologischen Zentren prospektiv kontrolliert geprüft, wobei jeder Patient als eigene Kontrolle diente.

Nach Instillation von 50 ml HAL-Lösung wurde eine Zystoskopie vorgenommen, die Lichtquelle erlaubte den Einsatz von weißem und blauem Licht nacheinander. Alle Tumorherde und verdächtigen Stellen, die unter beiden Lichtquellen entdeckt wurden, wurden reseziert oder aber biopsiert. Die Histologie wurde zentral von einem "geblindeten" Experten vorgenommen.

Das Ergebnis: Bei den 211 Patienten wurde in 83 Fällen (39%) CIS nachgewiesen. Über ein Fünftel (22%) davon waren allein durch die neue Technik entdeckt worden, drei Viertel durch das Standardvorgehen und HAL-Technik. Insgesamt, so rechnen die Autoren vor, konnten mit der neuen Technik 28% mehr Läsionen identifiziert werden als bei der üblichen Zystoskopie.

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Papilläres Karzinom: Harnblase (Bild: Taschenatlas der allgemeinen und speziellen Pathologie, Thieme, 1998).

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Fazit

Die Nebenwirkungen der HAL-Methode werden als vernachlässigbar eingestuft, das Verfahren sei einfach als Zusatz in die Routine zu implementieren, Komplikationen nicht zu erwarten. Für die Zukunft erhoffen sich die Urologen deshalb positive Auswirkungen auf die Prognose von Blasenkarzinom-Patienten.

Renate Leinmüller, Wiesbaden

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Erster Kommentar

Die vorliegende Arbeit gleicht vielen älteren Studien, die sich mit der Detektion von Blasenkarzinomen unter Verwendung der Floureszenztechnik beschäftigen. Allen gemeinsam ist die höhere Nachweisrate insbesondere sog. "flat lesions" bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen. Die aktuelle Publikation fokussiert auf den Vorteil von "Hexvix®" beim Nachweis des Carcinoma in situ (CIS). Wie die Autoren in der Diskussion hervorheben, hat dies eine wesentliche klinische und therapeutische Relevanz.

Die vergleichsweise hohe Nachweisrate des CIS von insgesamt 39% unter Verwendung von "Hexvix®" lässt sich in der Studie durch die Einschlusskriterien erklären, die bewusst auf Risikopatienten zielt. Von insgesamt 83 Patienten mit einem Carcinoma in situ wurden 77% mit der Routinezystoskopie und 96% durch Floureszenzzystoskopie entdeckt, d.h. in 16 Patienten wurde durch den Einsatz von "Hexvix®" ein zusätzliches CIS nachgewiesen. Bezogen auf das Gesamtkollektiv von 211 Patienten sind dies 7,6%. In meinen Augen sind die weiteren Zahlenspiele der Autoren, die vorwiegend zur Demonstration der Überlegenheit der Floureszenzmethode dienen, nur schwer nachvollziehbar. So ist etwa die absolute Anzahl aller nachgewiesenen Tumoren wenig aussagekräftig, die angegebenen Daten sind durch den Wechsel der Bezugsgrößen (Patienten und Anzahl der Tumoren) ebenfalls verwirrend. Leider wurde auch der Einfluss der Erfahrung des Operateurs nicht berücksichtigt. Diese Variable wurde bereits in früheren Arbeiten als eine entscheidende Größe in der Erkennungsrate oberflächlicher Tumoren allgemein und für das CIS und die diskutierten Rezidivraten im Besonderen nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der vom Konzept her fraglichen Kontrollgruppe ist dies von Bedeutung, da sich auch in der eigenen Erfahrung durch das leichte Wechseln von Weißlicht- und Floureszenzendoskopie mit dem Fußschalter teils nur schwer abgrenzen lässt, welche Läsion welcher Methode zugeordnet werden soll.

Dagegen fehlen klare Angaben, bei welchem histopathologischen Stadium in welcher Häufigkeit das CIS durch die Weißlichtendoskopie und im Vergleich dazu mit der Floureszenzendoskopie detektiert wurde. Dies führt zu der eigentlichen Kernfrage bei der Untersuchung, nämlich der konkreten klinischen Relevanz und dem therapeutischen Prozedere. Die Behandlungskonzepte in dem "Graubereich" zwischen den oberflächlichen "low-risk"-Tumoren und den muskelinvasiven Karzinomen sind divergent, es konkurrieren hierbei die radikale Zystektomie im Sinne eines frühen aggressiven chirurgischen Vorgehens mit dem Blasenerhalt durch kurzfristige Kontrollen und rezidivierende transurethrale Resektionen kombiniert mit unterschiedlichen Regimen von BCG-Instillationen.

Die Studie bestätigt nur die Datenlage, liefert jedoch keine wesentlichen neuen Aspekte für die Differenzialindikation und klinische Bedeutung dieser Technik.

Für diejenigen, die dem Konzept des Blasenerhalts folgen, ändert sich durch den zusätzlichen Nachweis eines CIS in der Regel nichts im therapeutischen Prozedere, da für das hier untersuchte Risikokollektiv ohnehin die BCG-Instillationstherapie indiziert ist und damit die wirksamste Form der konservativen Therapie eingeschlagen ist. Berücksichtigt man dagegen das hohe Progressionspotenzial des CIS von etwa 80% und favorisiert in dieser Situation die zeitnahe radikale Zystektomie, würde ein - in der Studie nicht nachvollziehbarer - Anteil an Patienten der in diesem Stadium kurativen Therapie der radikalen Zystektomie unterzogen werden. Ohne die Diskussion dieser Ansätze auch hinsichtlich der Ergebnisse für die Tumorprogression und Prognose der Patienten zu vertiefen, wäre eine klare Datenlage der Autoren für diese Fragestellung wünschenswert gewesen.

Eine weitere Überlegung gilt den finanziellen Aspekten der routinemäßigen Verwendung der Floureszenzzystoskopie, da diese im DRG-System nicht extra berücksichtigt wird. Hierfür muss individuell analysiert werden, ob der finanzielle Mehraufwand durch den zusätzlichen Informationsgewinn kompensiert wird.

Durch eigene Erfahrungen mit der Floureszenzzystoskopie lässt sich die geringe Nebenwirkungsrate und das einfache technische Handling dieser Technik voll unterstreichen. Ansonsten bestätigt die besprochene Studie im Wesentlichen nur die bereits bekannte Datenlage, dass die Floureszenzzystoskopie die Detektion sog. "flat-lesions" erhöht, liefert darüber hinaus jedoch keine wesentlichen neuen Aspekte für die Differenzialindikation und klinische Bedeutung dieser Technik. Als Verfechter eines frühen aggressiven chirurgischen Vorgehens sehe ich weiterhin einen Vorteil dieser Technik für Patienten, bei denen in der präoperativen Zystoskopie keine oder fraglich suspekte Befunde in der Blase erhoben wurden und der Nachweis eines isolierten oder begleitenden CIS die Operationsentscheidung beeinflussen würde.

PD Dr. Joachim Leißner, Bonn

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Zweiter Kommentar

Die Problematik bei der Diagnostik des Urothelkarzinoms der Harnblase besteht darin, dass gerade die Läsionen, die mit einem hohen Progressionsrisiko behaftet sind (Carcinoma in situ) mit der herkömmlichen Weisslichtendoskopie (WLE) häufig schwer zu erkennen sind. Diese flachen Veränderungen kommen z.T. solitär vor, sind aber auch vielfach mit anderen Tumorentitäten koinzident. Im Gegensatz zu den exophytisch wachsenden Tumoren, die meist auch in der Weißlichtzystoskopie gut zu erkennen sind, sind die flachen Carcinoma in situ oder Dysplasien II° häufig nicht von normaler Schleimhaut zu unterscheiden.

Die photodynamische Diagnostik (PDD) zur Erkennung von urothelialen Neoplasien wird bereits seit einigen Jahren erfolgreich angewandt. Als klassischer Photosensibilisator wurde bisher die 5-Aminolävulinsäure eingesetzt. An großen Fallzahlen konnten u.a. an unserer Klinik die Überlegenheit der PDD gegenüber der WLE gezeigt werden. Insbesondere der Nachweis der flachen Urothelveränderungen (Carcinoma in situ und Dysplasien II°) ist erheblich verbessert.

Die vorliegende Arbeit der Hexvix-Study Group (zu der auch die Autoren dieses Kommentars gehören) konnte nun erstmals in einer kontrollierten, prospektiven Multizenterstudie die Wertigkeit der photodynamischen Diagnostik unter Verwendung eines Hexylesters der 5-Aminolävulinsäure belegen. Der Hexylester soll aufgrund seiner höheren Lipophilität schneller in den Tumorzellverband aufgenommen werden. Das photodynamische Wirkprinzip wird, wie bei Verwendung der 5-Aminolävulinsäure, durch die Anreicherung von photoaktiven Substanzen in den Tumorzellen, insbesondere Protoporphyrin IX gewährleistet. Aus diesem Grunde wird auch die- selbe Lichtquelle zur Anregung des Protoporphyrin IX verwendet. Das Studiendesign der vorliegenden Arbeit war in erster Linie auf die Detektion der Carcinoma in situ (CIS) ausgerichtet, indem hauptsächlich Risikopatienten eingeschlossen wurden.

Die Ergebnisse bestätigten die bisher publizierten Daten verschiedener Arbeitsgruppen nun erstmals in einer prospektiven Multizenterstudie. Insbesondere die gegenüber der Weißlichtendoskopie verbesserte Detektion der flachen Neoplasien gleicht den Daten unserer eigenen Arbeitsgruppe an mehr als 300 Patienten mit Carcinoma in situ oder Dysplasien II°. Ein Unterschied zur 5-Aminolävulinsäure lässt sich hinsichtlich der Effizienz aus dieser Studie nicht erkennen. Die Nebenwirkungen waren erwartungsgemäß gering, was die sichere Anwendung des Hexyl-Esters der 5-Aminolävulinsäure belegt. Inwiefern aus der Verwendung des Esters ("Hexvix®"), welcher aufgrund seiner lipohilen Eigenschaften eine bessere Gewebegängigkeit aufweist, eine Verbesserung der Methodik resultiert, kann aus der vorliegenden Arbeit nicht geschlossen werden.

Die Wertigkeit der photodynamischen Diagnostik hinsichtlich einer prognostischen Relevanz oder aber auch hinsichtlich einer möglichen photodynamischen Therapie sollten in weiteren Studie evaluiert werden. Gerade bei der photodynamischen Therapie könnte der Hexyl-Ester aufgrund der verbesserten Gewebegängigkeit neue Perspektiven eröffnen.

Dr. Edwin Hungerhuber, PD Dr. Dirk Zaak, München

 
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Papilläres Karzinom: Harnblase (Bild: Taschenatlas der allgemeinen und speziellen Pathologie, Thieme, 1998).