Aktuelle Urol 2004; 35(6): 465-466
DOI: 10.1055/s-2004-835735
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Zum Referat "Prostatakarzinome: Höherer COX2-Gehalt bei fortgeschrittenen Tumoren" aus Aktuelle Urologie 2004; 35: 359 erreichte die Redaktion noch folgender Kommentar

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17 November 2004 (online)

 
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Prostatakarzinome - Höherer COX2-Gehalt bei fortgeschrittenen Tumoren

Die verschiedenen Unterformen der Cyclooxigenase katalysieren die Umwandlung von Arachidonsäure zu Prostaglandinperoxid. Diese Umwandlung stellt eine Schlüsselreaktion in der Prostaglandinsynthese dar. Es sind derzeit zwei Unterformen der Cyclooxigenase bekannt. COX-1 wird regelmäßig in Normalgewebe exprimiert und ist in der Regulierung normaler Zellprozesse involviert. Im Gegensatz dazu wird COX-2 nur ausnahmsweise in Normalgewebe, wird aber vermehrt bei entzündlichen oder malignen Erkrankungen nachgewiesen. Mittlerweile wurde einer vermehrte Expression von COX-2 bei verschiedenen Tumorentitäten nachgewiesen. Hierzu gehören Karzinome der Lunge, des Magen- Darm-Traktes sowie das Mammakarzinom. Von den urologischen Tumoren zählen hierzu das Harnblasenkar- zinom sowie das Prostatakarzinom.

Die Tatsache, dass COX-2 vermehrt bei Tumorerkrankungen nachgewiesen wird und die Möglichkeit, COX-2 durch selektive Inhibitoren in der Wirkung zu hemmen, machen COX-2 zu einem viel versprechenden Target in der Tumortherapie.

Hierzu gehören Karzinome der Lunge, des Magen-Darm-Traktes sowie das Mammakarzinom. Von den urologischen Tumoren zählen hierzu das Harnblasenkarzinom sowie das Prostatakarzinom.

Ein besonderes Interesse richtet sich auf das COX-2, nachdem nachgewiesen werden konnte, dass durch Blockierung von COX-2 durch nichtsteroidale Antiphlogistika, das Risiko, an Kolonkarzinom zu versterben, gesenkt werden konnte (10). Diese Ergebnisse machen COX-2-Inhibitoren zu einem interessanten Therapieansatz in der Prävention von Tumorerkrankungen allgemein. Daten über eine mögliche Sinnhaftigkeit der Einnahme von COX-2-Inhibitoren in der Prävention oder Therapie urologischer Tumoren werden vereinzelt vorgestellt.

Edwards et al. untersuchten die Expression von HER2 und COX-2 im Gewebe von Patienten mit BPH oder Prostatakarzinom. Zusätzlich wurde eine Amplifikation des HER2-Gens mittels FISH untersucht. Hierbei wurde differenziert zwischen einer vermehrten Anzahl der HER2 Gene (copy numbers) sowie einem größeren Verhältnis im Vergleich zu Chromosom 17 (amplification). Der Ansatz, die Expression von HER2 sowie COX-2 gemeinsam zu untersuchen, rührt aus den Ergebnissen von Vadlamudi et al., die bei Patientinnen mit Mamma-Ca eine Regulierung der COX-2-Expression durch HER2 beschrieben. In der vorliegenden Arbeit untersuchen die Autoren ein Patientenkollektiv mit BPH, lokal begrenztem oder lokal fortgeschrittenen Tumoren. Hier stellt sich auch die erste Schwachstelle der Arbeit dar. Zur exakten Beschreibung der Expression ist vom Prinzip ein gut definiertes Patientenkollektiv erforderlich. Dies liegt hier nicht vor. Es wird nicht beschrieben, wie das Tumormaterial gewonnen wird oder wie die Diagnose (pT2/pT3 lässt sich ja praktisch nur am Präparat einer radikalen Prostatektomie diagnostizieren) gestellt wird. Problematisch ist sicher auch, dass 12 der pT1/pT2-Tumoren bereits Metastasen vorlagen. Dies führt eine Korrelation der Expressionsdaten mit dem Tumorstadium ad absurdum. Eine weitere Schwachstelle ist der Vergleich mit BPH-Gewebe. Hier wäre ein Vergleich mit "normalem" Prostatagewebe (was zugegebenermaßen schwer zu definieren ist) sinnvoller. Dementsprechend kann letztlich nur sinnvoll ein Vergleich zwischen Referenz- und Tumorgewebe sowie zwischen metastasierten und nicht metastasierten Tumoren durchgeführt werden. Vergleicht man BPH mit Tumorgewebe so findet man in der FISH tatsächlich eine signifikante Zunahme der Anzahl der HER2-Kopien, aber keine Amplifikation. Der Vergleich hinsichtlich der COX-2-Expression zwischen BPH und PCa zeigt ebenfalls einen signifikanten Expressionsunterschied. Dies steht etwas im Kontrast zu der Interpretation der Ergebnisse durch die Autoren selber. Diese fokussieren die Interpretation der Ergebnisse eher auf einen Expressionsunterschied zwischen BPH-Gewebe "pT1/ pT2"-Tumoren, der anhand des Patientenkollektivs nach meiner Einschätzungen nicht sinnvoll ist (s.o.). Hinsichtlich des Vergleichs zwischen metastasierten und nicht metastasierten Tumoren wird kein signifikanter Unterschied hinsichtlich COX-2-Expression, HER2- Amplifikation oder Anzahl der HER2-Gen Kopien gesehen. Die Korrelation der HER2 Daten und der COX-2 Expression untereinander zeigt tatsächlich einen signifikanten Unterschied zwischen der COX-2 Expression und der Anzahl der HER2-Kopien. In einer ähnlichen Arbeit zur Expression von COX-2 in Prostatagewebe verglichen Madaan et al. die Expression von COX-2 in BPH und PCa-Gewebe. Diese Arbeitsgruppe konnte bei zunehmender Entdifferenzierung eine Zunahme der COX-2- Expression nachweisen. Kritisch anzumerken ist auch zu dieser Arbeit, dass durch das untersuchte Patientenkollektiv (jeweils TUR-Material) keine Korrelation mit der Tumorgröße oder dem Tumorstadium durchgeführt werden konnte.

Die Arbeit beschäftigt sich mit 2 interessanten Ansätzen. 1. der Expression von COX-2 beim Prostatakarzinom und 2. mit der Expression von HER2 sowie der Interaktion beider Proteine. Wie geschildert stellen beide Proteine mögliche therapeutsche Targets dar. Problematisch sind sicher aber handwerkliche Schwächen der Arbeit. Dies ist in erster Linie das unzureichend definierte Patientenkollektiv. Auch scheint das gewählte Modell (retrospektive Analyse an Tumormaterial) nicht das optimale Konzept zu sein, um eine Interaktion der beiden Proteine zu untersuchen. Hier scheint ein in-vitro- Konzept für das Prostatakarzinom analog zu den Untersuchungen von Subbaramaiah erst einmal sinnvoller zu sein. Diese Daten stehen aber aus. So gesehen bringt die vorgelegte Arbeit nur wenig neue Erkenntnisse. Speziell kann nicht postuliert werden, welchen therapeutischen Benefit die Gabe von COX-2 Inhibitoren in der Prävention oder Therapie des Prostatakarzinoms haben könnte.

In einer aktuellen Arbeit konnten Gupta et al. zumindest im Tiermodell nachweisen, dass durch Einnahme von selektiven COX-2-Inhibitoren sowohl die Tumorentstehung verhindert als auch bei Tieren mit bestehenden Tumoren das tumorspezifische Überleben verlängert werden kann. In einer etwas älteren Arbeit konnten Liu et al., ebenfalls in einem Mausmodell, nachweisen, dass durch Hemmung von COX-2 das Tumorzellwachstum von PC3 (einer hormonrefraktären Prostatakarzinomzelle) gehemmt werden kann und existierende Tumoren verkleinert werden können.

Angesichts der vorliegenden Arbeiten kann heute die Bedeutung von COX-2 in der Entwicklung des Prostatakarzinoms als gesichert angesehen werden. Auch die Gabe von COX-2-Inhibitoren in der Prävention oder supplementiven Therapie des Prostatakarzinoms scheint viel versprechend. Klinische Daten, die eine Gabe von COX-2-Inhibitoren untersuchen, stehen bedauerlicherweise für das Prostatakarzinom weiterhin aus.

PD Dr. Martin G. Friedrich, Hamburg

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