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DOI: 10.1055/s-2004-836100
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Tumormarker - Der konkrete Fall
Tumour markers - case report
Prof. Dr. med. Rolf Lamerz
Medizinische Klinik II, LMU-Klinikum-Großhadern
Marchionini-Straße 15
81377 München
Telefon: +49/89/70952282
Fax: +49/89/70958879
eMail: Rolf.Lamerz@med.uni-muenchen.de
Publikationsverlauf
eingereicht: 31.8.2004
akzeptiert: 14.11.2004
Publikationsdatum:
09. Dezember 2004 (online)
Anamnese
Ein 50-jähriger Patient stellte sich wegen seit 6 Monaten bestehender Leistenschmerzen links und zur Abklärung einer kurz vorher aufgefallenen Resistenz im linken Mittelbauch vor. Die Schmerzen waren bewegungsunabhängig, strahlten in die ventrale proximale untere Extremität aus und besserten sich in Linksseitenlage bei Hüftbeugung. Kraft, Motorik und Sensibilität waren unauffällig. Es bestand Nachtschweiß ohne Fieber oder Gewichtsverlust.
#Untersuchung
Der Patient war in gutem AZ und EZ (77 kg/190 cm), Herz und Lungen sowie Blutdruck waren unauffällig. Leber und Milz waren unauffällig und druckschmerzfrei. Im linken Mittel- bis Unterbauch war eine gut faustgroße, gering druckschmerzhafte, derb bis prall elastische, nicht verschiebliche Raumforderung mit glatter Oberfläche tastbar. Die zervikalen, axillären und inguinalen Lymphknoten waren nicht vergrößert, die Bruchpforten beidseits geschlossen, die Extremitäten unauffällig. Am äußeren Genitale ließ sich eine kleine indolente Raumforderung am linken unteren Hodenpol tasten. Diese war homogen derb bis hart mit glatter Oberfläche und nicht sicher von Hoden und Nebenhoden abgrenzbar bei gut verschieblicher Skrotalhaut. Im Labor fielen auf: eine mäßig erhöhte BKS von 20/50 und eine CRP-Erhöhung auf 2 mg/dl, eine deutlichere Erhöhung der LDH auf 550 U/l und extreme Erhöhung der kombinierten Bestimmung von hCG/bhCG auf 215 700 U/l (< 5 U/l) bei normalem AFP von 2,9 ng/ml (< 15 ng/ml).
In der Sonographie des Abdomens zeigte sich eine 8 × 6 × 11 cm große Raumforderung (RF) im linken Mittel- bis Oberbauch, in der Hodensonographie eine inhomogene RF am unteren linken Hodenpol. In der Röntgenaufnahme des Thorax fielen multiple kleine Rundherde beidseits auf. In der Computertomographie waren multiple Rundherde in allen Lungenlappen nachweisbar, aber keine mediastinalen Lymphknoten. Außerdem zeigte sich eine 12 × 7 cm messende retroperitoneale RF links mit Infiltration in den linken Psoas. Ferner war im rechten Leberlappen kranial eine solitäre hypodense RF nachweisbar, die als kleines Hämangiom (2 cm) gewertet wurde. Eine ossäre Metastasierung wurde skelettszintigraphisch ausgeschlossen.
#Therapie und Verlauf
Bei der linksseitigen inguinalen Semikastration wurde (immun)histologisch die Diagnose eines Seminoms mit zahlreichen hCG-positiven trophoblastären Riesenzellen ohne Nachweis von Teratomanteilen gestellt. Der Tumor war im Orchiektomie-Präparat vollständig eingebettet. Entsprechend wurde die vorläufige Diagnose eines metastasierenden HCG-positiven Seminoms nach der WHO/AJCC-Klassifikation pT1, N3, M1 S3 gestellt.
Wegen der ausgedehnten retroperitonealen und pulmonalen Metastasierung sowie der sehr hohen hCG/bhCG-Konzentration, die für ein reines Seminom eher untypisch und auf einen Kombinationstumor verdächtig ist, wurde der Patient nach Semikastration einer intensivierten Chemotherapie nach dem ECBC-Protokoll (Etoposid, Cyclophosphamid, Bleomycin, Cisplatin) unterzogen. Diese wurde jedoch wegen einer Bleomycin-induzierten Pneumonitis ab dem 2. Zyklus durch drei weitere Zyklen eines Bleomycin-freien EIP-Protokolls (Etoposid, Ifosfamid, Cisplatin) mit konsequenten Intervallen von 3 Wochen ersetzt. Nach 4 Wochen normalisierte sich die LDH und das hCG fiel drastisch mit Halbwertzeiten von zunächst 1,8d, dann 3d und normalisierte sich nach 15 Wochen. Der Patient war schon nach zwei Chemotherapiezyklen beschwerdefrei. Mittels Bildgebung ließ sich eine Abnahme der Lungenrundherde an Zahl und Größe um mehr als 50 % und eine geringe Rückbildung der retroperitonealen Lymphknotenmetastasierung feststellen. Nach vier Therapiezyklen und Tumormarker-Normalisierung wurde eine sekundäre retroperitoneale Lymphadenektomie bzw. Debulking-Operation durchgeführt. Die Histologie des Operationspräparates (11 × 7 × 7 cm) zeigte neben Nekrosen auch Anteile eines reifen Teratoms. Die endgültige Diagnose lautete: kombinierter Keimzelltumor (pT1pN3M1S3/klinisches Stadium IIIB; schlechte Prognosegruppe nach IGCCCG Konsensus-Klassifikation wegen hCG>50 000 IU/l) mit hCG-positivem Seminom im Primärtumor des Hodens und Nachweis von reifem Teratom in den retroperitonealen Lymphknotenmetastasen. Ein Jahr nach Diagnosestellung waren in der Lunge computertomographisch keine metastasentypischen Läsionen mehr nachweisbar. Nach Chemotherapie und Operation wurde eine Vollremission erreicht und der Patient in ein engmaschiges Nachsorgeprogramm entlassen.
Prof. Dr. med. Rolf Lamerz
Medizinische Klinik II, LMU-Klinikum-Großhadern
Marchionini-Straße 15
81377 München
Telefon: +49/89/70952282
Fax: +49/89/70958879
eMail: Rolf.Lamerz@med.uni-muenchen.de
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