Noch immer herrscht die Meinung, die koronare Herzkrankheit (KHK) sei vorwiegend eine
Krankheit der Männer. Bis Mitte der 90er Jahre bestand der Mythos [4], dass Frauen aufgrund ihres hormonellen Status vor einer koronaren Herzkrankheit
geschützt seien. Erst in den letzten Jahren haben Analysen epidemiologischer Arbeiten
die große Bedeutung der koronaren Herzkrankheit in Industrieländern auch für Frauen
aufgedeckt. Tatsache ist, dass die koronare Herzkrankheit für Männer wie Frauen die
führende Todesursache ist.
1997 starben in Deutschland rund 244000 Frauen, aber „nur” 171000 Männer an einer
koronaren Herzkrankheit. Eine 50-jährige Frau hat heute ein 46 %iges Risiko an einer
koronaren Herzkrankheit zu erkranken, das Mortalitätsrisiko beträgt 31 %. Zum Vergleich:
An einem Mammakarzinom, dem von Frauen am meisten gefürchteten Malignom, verstarben
im gleichen Jahr 18000 Frauen. Mit einem 2,8 %igen Mortalitätsrisiko liegt das Mammakarzinom
weit hinter dem bei koronarer Herzkrankheit.
Die Inzidenz der koronaren Herzkrankheit bei Frauen unterscheidet sich deutlich von
der der Männer. Frauen entwickeln eine koronare Herzkrankheit im Durchschnitt zehn
Jahre später als Männer, zeitlich korrelierend mit dem natürlichen Abfall des Östrogenserumspiegels
mit Beginn der Menopause. Bis zur siebten Dekade ist die altersbezogene Sterblichkeit
für jede Altersgruppe bei Frauen geringer. Nach dem 75. Lebensjahr steigt die Todesrate
durch einen akuten Myokardinfarkt bei Männern um das Fünffache - bei Frauen jedoch
um das Neunfache!
Dass absolut mehr Frauen als Männer an der koronaren Herzerkrankung versterben liegt
daran, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Frau um etwa acht bis neun Jahre
höher liegt als die des Mannes. Bedenkt man, dass immer mehr Frauen bis zu 40 Jahre
nach der Menopause (dem Zeitpunkt, an dem die koronare Herzkrankheit signifikant zunimmt)
leben und im Jahre 2025 ungefähr 390 Millionen Frauen älter als 65 Jahre sein werden,
wird die Bedeutung der koronaren Herzkrankheit bei Frauen auch als gesundheitsökonomischer
und gesundheitspolitischer Faktor deutlich.
Im scharfen Gegensatz zu diesen statistischen Daten steht die Perzeption. Eine 1995
in Deutschland durchgeführte Umfrage (Gallup-Umfrage, 1995) fand heraus, dass vier
von fünf Frauen und zwei Drittel der Allgemeinärzte nicht wussten, dass kardiovaskuläre
Erkrankungen die führende Todesursache bei Frauen sind. Sowohl die meisten Frauen
als auch eine Vielzahl der Ärzte halten noch immer das Mammakarzinom für die größte
Gesundheitsbedrohung der Frau.
Koronare Risikofaktoren
Koronare Risikofaktoren
Die Prävalenz der koronaren Herzkrankheit ist unabhängig vom Geschlecht eng mit den
folgenden Risikofaktoren verbunden: arterielle Hypertonie, Hyperlipoproteinämie, Diabetes
mellitus, Alter, genetische Belastung und Nikotinkonsum [2]. Die relative Gewichtung jedes einzelnen Faktors ist jedoch geschlechtsspezifisch
unterschiedlich. So beeinflussen der Diabetes mellitus und der Nikotinkonsum die Entstehung
einer koronaren Herzkrankheit bei Frauen stärker als bei Männern [21].
Seit der Framingham-Studie ist bekannt, dass erhöhte Cholesterinwerte mit einem erhöhten
kardiovaskulären Risiko verbunden sind. Frauen weisen während ihres gesamten Lebens
höhere HDL-Spiegel („high density lipoprotein”) auf als Männer. Selbst nach der Menopause
ist bei Frauen nur eine insignifikante Abnahme des HDL-Cholesterinwerts zu verzeichnen.
Im Gegensatz dazu haben prämenopausale Frauen zwar einen geringeren LDL-Cholesterinspiegel
(„low density lipoprotein”) als Männer, nach der Menopause steigt er aber sprunghaft
an und übersteigt den der Männer gleichen Alters. Dies erklärt einen Teil der erhöhten
kardiovaskulären Morbidität und Mortalität der älteren Frau.
Ein Diabetes mellitus - unabhängig davon, ob insulinpflichtig oder nicht - eliminiert
die prämenopausal vorhandene geschlechtsspezifische Kardioprotektion der Frau. Das
Risiko der koronaren Herzkrankheit ist bei prämenopausalen diabetischen Frauen identisch
mit dem nichtdiabetischer Männer, im Vergleich zu einer nichtdiabetischen Frau jedoch
um das Drei- bis Siebenfache erhöht. Im Gegensatz dazu steigt das Risiko beim Mann
mit Diabetes mellitus nur um das Zwei- bis Dreifache [27].
Unabhängig vom Geschlecht besteht eine enge Korrelation zwischen der Höhe des arteriellen
Blutdrucks und der Inzidenz der koronaren Herzkrankheit. Vor dem 45. Lebensjahr leiden
Männer noch häufiger an einer arteriellen Hypertonie als Frauen. Mit zunehmendem Lebensalter
steigt zwar der Blutdruck bei beiden Geschlechtern, nach dem 60. Lebensjahr jedoch
proportional stärker bei Frauen. Nach dem 70. Lebensjahr ist die altersspezifische
Hypertonierate bei der Frau um 14 % höher als beim Mann.
Der Konsum von Zigaretten ist bei Frauen mit einem höheren Gesundheitsrisiko verbunden
als bei Männern. Rauchen setzt den Zeitpunkt des ersten Myokardinfarktes bei Frauen
stärker herab als bei Männern und erhöht das Risiko eines Infarktes - selbst bei prämenopausalen
Frauen - um das Dreifache. Außerdem haben Frauen größere Schwierigkeiten mit dem Rauchen
aufzuhören als Männer. Ursache dafür ist möglicherweise die Gewichtszunahme, die mit
der Nikotinkarenz in Verbindung steht.
Der stärkste geschlechtsspezifische Risikofaktor jedoch ist die Menopause - unabhängig
davon, ob natürlich oder durch eine Ovarektomie entstanden.
Kasuistik
Kasuistik
Eine 62-jährige Frau klagt seit zwei Jahren über epigastrische Beschwerden, Völlegefühl
und Übelkeit. In den letzten fünf Jahren war dem Hausarzt aufgefallen, dass die Blutdruckwerte
zunehmend angestiegen sind. Seit zwei Jahren war der LDL-Cholesterinwert pathologisch
erhöht, der HDL-Spiegel mit 43 mg/dl erniedrigt. Der Hausarzt hat der adipösen Patientin
zunächst zu einer Gewichtsreduktion geraten. Eine lipidsenkende Therapie war nicht
eingeleitet worden.
Seit sechs Monaten verspürte die Patientin eine progrediente belastungsabhängige Dyspnoe
und eine deutliche Leistungsminderung im Alltag. Die erwachsenen Kinder leben nicht
mehr im Haushalt. Vor sieben Jahren hat sich der Ehemann wegen einer deutlich jüngeren
Partnerin scheiden lassen. Weder im Ruhe-EKG noch im Belastungs-EKG zeigten sich ischämietypische
Kammerendteilveränderungen. Neben den jährlichen frauenärztlichen Untersuchungen,
war die Patientin zwischenzeitlich zur weiterführenden Abklärung der unspezifischen
Symptomatik einem Facharzt für Gastroenterologie sowie zusätzlich einem Facharzt für
Pneumologie überwiesen worden. Die ambulant durchgeführte Ösophagogastroduodenoskopie
konnte lediglich eine leichte Gastritis dokumentieren. Auch ein Therapieversuch mit
einer stimmungsaufhellenden Medikation führte zu keiner symptomatischen Besserung.
Eine erst vor einem Monat bei einem Kardiologen durchgeführte Stressechokardiografie
dokumentierte einen funktionellen Ischämienachweis bei 100 Watt im Versorgungsgebiet
des Ramus interventricularis (Riva). Die Koronarangiografie zeigte eine Drei-Gefäßerkrankung
mit führender hochgradiger Riva-Stenose im proximalen Drittel und jeweils mittelgradigen
Stenosen im Ramus marginalis und der rechten Herzkranzarterie. Die Riva-Stenose konnte
mittels Ballondilatation und Stentimplantation ausgeweitet werden. Mit einer Medikation
mit Acetylsalicylsäure 100 mg einmal täglich, Clopidogrel 75 mg einmal täglich über
vier Wochen, einem Statin und Metoprolol als antihypertensive Therapie wurde die Patientin
beschwerdefrei nach Hause entlassen. Seit der Intervention vor drei Monaten verspürte
sie keine epigastrischen Beschwerden, Übelkeit oder Dyspnoe mehr.
Diagnostik
Diagnostik
Selbst nach exakter Anamnese bleibt die Verdachtsdiagnose der koronaren Herzkrankheit
bei Frauen eine Herausforderung. Bis vor kurzem ging man davon aus, dass sich die
klinischen Beschwerden der koronaren Herzkrankheit bei Männern und Frauen in gleicher
Weise äußern, also in Form belastungsabhängiger linksthorakaler Schmerzen mit Ausstrahlung
in den linken Arm. Diese Angaben stammen aber überwiegend aus Studien bei Männern
mittleren Alters. Dass Freuen häufig über atypische Beschwerden klagen, ist erst in
den letzten Jahren gezeigt worden [8]: Sie haben Atemnot ohne Brustschmerz, ein abdominelles Druckgefühl oder Rückenschmerzen.
Nicht selten sind lediglich verminderte körperliche Belastbarkeit, schnelle Ermüdung
oder ein Völlegefühl im Epigastrikum Erstmanifestation einer koronaren Herzkrankheit.
Zudem haben Frauen häufiger Ruhebeschwerden und nächtliche sowie mit psychischem Stress
auftretende Symptome [6].
Aber nicht nur die klinische Symptomatik hat bei Frauen einen geringen prädiktiven
Wert, ähnliches gilt auch für das Belastungs-Elektrokardiogramm. Dessen niedrige Sensitivität
und Spezifität für den Nachweis einer koronaren Makroangiopathie ist bekannt. Für
Frauen ist sie jedoch noch geringer und liegt sogar unter 30 % [7].
Als weiteres nichtinvasives und zudem kostengünstiges Verfahren zum funktionellen
Ischämienachweis hat sich die Stressechokardiografie etabliert [28]. Bei Frauen ist die Belastungsechokardiografie ein aussagekräftiges Verfahren mit
einer Sensitivität von 85 % und einer Spezifität von 80 % und ist daher die Methode
der Wahl [22] - vorausgesetzt, ein erfahrender Untersucher kann hinzugezogen werden. Ist dies
nicht der Fall, kommt als Alternative die Myokardszintigrafie in Betracht, die mit
einer ähnlichen Sensitivität wie die Belastungsechokardiografie, aber einer geringeren
Spezifität und vor allem mit einer Strahlenbelastung verbunden ist [9].
Der so genannte „Goldstandard” für den Nachweis einer koronaren Herzerkrankung ist
die Koronarangiografie. Entsprechend den Daten der Literatur zeigten sich auch in
den Daten unserer Klinik keine geschlechtsspezifischen Unterschiede [18].
Ein Phänomen ist dem Kliniker sicher vertraut: Etwa bei der Hälfte der Frauen mit
typischer belastungsabhängiger pektanginöser Symptomatik und pathologischem Belastungs-EKG
zeigt sich ein normales Koronarangiogramm, was zu einer Verharmlosung der Problematik
geführt zu haben scheint [3]. Diesem so genannten „Syndrom X” liegt eine endotheliale Dysfunktion und auch eine
verminderte vasodilatatorische Kapazität der Mikrozirkulation zugrunde.
Das Syndrom X hat zu einem wahren diagnostischen „Dilemma” geführt [5]: Bis Frauen mit angiografisch dokumentierter koronarer Herzkrankheit nach ihren
ersten thorakalen Beschwerden einer Koronarangiografie zugeführt werden, dauert dies
im Schnitt länger als fünf Jahre. Bei Männern ist dieser Zeitraum durchschnittlich
kürzer als ein Jahr [Abb. 1]. Und reicht bei 70 % der männlichen Patienten mit koronarer Herzkrankheit der Besuch
bei einem Facharzt aus, um die Indikation zur invasiven Koronardiagnostik zu stellen,
benötigen 76 % der KHK-Patientinnen mehr als zwei fachärztliche Konsultationen, um
zu einer invasiven Diagnostik überwiesen zu werden. Zudem werden Frauen wesentlich
seltener zur weiterführenden Abklärung ihrer thorakalen Schmerzen direkt einem Kardiologen
zugewiesen und finden sich häufiger zunächst in der Praxis von Orthopäden, Neurologen
und Gastroenterologen wieder [25]
[26].
Therapie
Therapie
Neben bzw. wegen dem höheren Lebensalter weisen Frauen zu dem Zeitpunkt, an dem sie
einen akuten Myokardinfarkt erleiden, wesentlich mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren,
mehr andere arteriosklerotische Manifestationsorte sowie mehr Begleiterkrankungen
auf. Frauen sind somit zum Zeitpunkt der Erstmanifestation älter und kränker!
In der Literatur aber auch den eigenen Daten zeigt sich, dass die Prähospitalphase
des akuten Myokardinfarktes bei Frauen verlängert ist [21]. So dauerte es in einer Beobachtungsstudie mit 1737 Patienten bei Frauen 153 Minuten
länger als bei Männern, bis nach Schmerzbeginn eine Klinik erreicht wurde [14]. Die verspätete Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe im Rahmen eines akuten Infarkts
wirkt sich wiederum ungünstig auf die Erhaltung von Myokardgewebe und die Prognose
aus. Es besteht die Gefahr einer höheren zum Beispiel arrhythmiebedingten Prähospitalmortalität
und ein verspätetes Einsetzen einer Revaskularisationstherapie. Dies mag eine Erklärung
für die höhere Infarktsterblichkeit von Frauen in früheren Studien sein. Die in vielen
Analysen angewandte systemische Lyse verliert mit zunehmender Zeitdifferenz zum Infarktbeginn
an Effekt [31].
Laut den 1995 erhobenen Daten des SPRINT[1]-Registers ist die Mortalität von weiblichen Patienten nach einem akuten Myokardinfarkt
in der Initialphase während des stationären Aufenthaltes signifikant größer als bei
Männern. Ursächlich für diese erhöhte Mortalität sind vermehrtes Auftreten von Herzinsuffizienz,
Reinfarkten und kardiogenem Schock. Im Langzeitverlauf war die Sterblichkeit in beiden
Geschlechtern dann jedoch vergleichbar [30].
Die meisten Studien über die Therapie des akuten Myokardinfarktes wurden bei Männern
durchgeführt. Bei ungefähr 20 % aller Patienten mit akutem Myokardinfarkt tritt spontan
eine endogene Fibrinolyse durch das körpereigene fibrinolytische System auf. Bislang
konnte kein alters- oder geschlechtsspezifischer Unterschied in der Wirksamkeit aller
Thrombolytika nachgewiesen werden [1]. Nach statistischer Korrektur für Alter und Komorbitäten weisen Frauen eine gleich
hohe Reperfusionsrate nach Thrombolyse auf.
Die PAMI[2]-I-Studie [13] war eine prospektive randomisierte Multizenterstudie, welche die Thrombolysetherapie
(t-PA) mit einer primären perkutanen Koronarintervention (PTCA) beim akuten Infarkt
verglich und außerdem eine der ersten geschlechtsbezogenen Analysen durchführte (27
% der 395 Studienteilnehmer waren Frauen). Die Krankenhaussterblichkeit der Frauen
war um das 3,3-fache höher als die der Männer. Jedoch war diese erhöhte Letalität
ausschließlich bei den mit t-PA behandelten Patientinnen nachweisbar. In der PTCA-Gruppe
bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern [32]. Dies entspricht auch den von uns erhobenen Daten, die keine statistisch relevanten
geschlechtsspezifischen Unterschiede nach Akutintervention aufzeigen.
Neben der verbesserten Prognose hatten Frauen der PTCA-Gruppe in PAMI I auch weniger
schwer wiegende periphere vaskuläre Komplikationen als Frauen mit t-PA-Lyse (in der
Leiste: 3,8 versus 1,2 %, zerebrale Blutungen: 5,3 im Gegensatz zu 0,7 % der Männer).
Alle sieben zerebralen Blutungen wurden in der mit t-PA-Lyse behandelten Patientengruppe
dokumentiert. Auch bei unseren weiblichen Patienten zeigten sich nach Akutinterventionen
häufiger periphere Komplikationen in der Leiste.
Anders als unsere Daten, die für Frauen keine erhöhte Reinfarkt-Inzidenz aufzeigten,
dokumentierte die GUSTO[3]-I-Studie [30] eine erhöhte Anzahl an Reinfarkten bei Frauen. Die in unserer Untersuchung fehlenden
geschlechtsspezifischen Unterschiede sind am ehesten auf die heute aggressivere invasive
Therapie mit verbesserter Begleitmedikation zurückzuführen (frühe perkutane Intervention,
Stentimplantation, Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten).
Bis in die Mitte der 90er Jahre war die Wahrscheinlichkeit einer Frau, nach einem
Myokardinfarkt einer Herzkatheteruntersuchung zugeführt zu werden, geringer als die
eines Mannes. Sowohl in der MIDA[4]-, der MITI[5]- als auch der SAVE[6]-Studie bestand dieser Unterschied auch noch, wenn Alter und Begleiterkrankungen
in Betracht gezogen wurden [30]. Unsere Daten zeigen - ebenso wie neuere Studienergebnisse (FRISC[7]-II-Studie) -, dass Frauen, wenn erst einmal ein akuter Myokardinfarkt diagnostiziert
worden ist, von einer frühzeitigen invasiven Diagnostik und einer frühzeitigen Revaskularisation
(PTCA/ Stent) profitieren. Außerdem ist diese Strategie eindeutig mit einer Reduktion
der periinfarziellen Mortalität verbunden, und geschlechtsspezifische Unterschiede
bestehen nicht mehr.
Zudem scheinen Frauen etwas mehr von der Anwendung mit Glykoprotein(GP)-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
zu profitieren als Männer. Die insgesamt verbesserte Prognose in den letzten Jahren
ist mit größter Wahrscheinlichkeit auf die Anwendung von Stents und die verbesserte
thrombozytenhemmende Therapie mit GP-IIb/IIIa-Antagonisten zurückzuführen.
Medikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Nur wenige Studien haben die medikamentöse Therapie der stabilen koronaren Herzerkrankung
auf Geschlechtsunterschiede hin untersucht. Aufgrund des unterschiedlichen Hormonstatus,
der Körperfettverteilung, des Gewichts und des generell höheren Lebensalters der Frau
bei der Manifestation der koronaren Herzkrankheit bestehen aller Wahrscheinlichkeit
Unterschiede in Wirkung, Bioverfügbarkeit und Nebenwirkungen.
Die CARE[8]-Studie [19] untersuchte erstmals an insgesamt 4159 Patienten mit einem Frauenanteil von 14 %,
ob bei Postinfarktpatienten mit mäßig erhöhten LDL-Cholesterinwerten eine aggressive
lipidsenkende Therapie koronare Ereignisse verhindern kann. Entgegen den Empfehlungen
der FDA von 1993 (die erst eine medikamentöse LDL-Cholesterinsenkung ab einem Wert
von 140 mg/dl empfiehlt, wenn mindestens zwei weitere koronare Risikofaktoren bei
Frauen vorliegen) war der Benefit einer lipidsenkenden Therapie im Hinblick auf die
Reduktion atherosklerotischer Komplikationen bereits ab einem LDL-Cholesterinwert
von 125 mg/dl nachweisbar.
Nach der bisherigen Studienlage scheinen bei Betablockern keine wesentlichen geschlechtsspezifischen
Unterschiede bezüglich der Wirkung zu bestehen. Drei große Betablockerstudien kamen
jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Substanzen zum Zeitpunkt des Infarktes bei Frauen
zu einer größeren Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit führen als bei Männern:
Im Timolol Myocardial Infarction Trial zum Beispiel sank die Letalität bei Frauen
um 41 %, bei Männern um 35 %.
Im Rahmen der Sekundärprävention zeigen die Ergebnisse der ISIS[9]-2-Studie eindeutig eine reduzierte Sterblichkeit unter einer Therapie mit Acetylsalicylsäure
(ASS) von 23 %. Die Reinfarktrate verringerte sich sogar um 49 %. Leider waren weniger
als 25 % der Studienpopulation Frauen, und eine geschlechtsspezifische Analyse war
statistisch nicht verlässlich.
Bislang wurden vier randomisierte Studien zur Primärprävention mit Acetylsalicylsäure
vollendet. Alle Studien schlossen ausschließlich Männer mit ein. Beobachtungsstudien
bei Frauen kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Und die Ergebnisse der derzeit
laufenden Women's Health Studie - hier erhalten 40000 Frauen im Alter von mindestens
45 Jahren 100 mg Acetylsalicylsäure jeden zweiten Tag oder Plazebo - werden nicht
vor 2005 vorliegen. Die Primärprävention mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure
ist daher nur für Männer empfohlen.
Wenig überzeugend sind bislang die Daten einer ACE-Hemmer-Therapie bei Frauen beim
bzw. nach dem akuten Infarkt - besonders bei Patientinnen mit einer Auswurffraktion
unter 40 %: So fand die SAVE-Studie bei Frauen nur eine Reduktion der kardiovaskulären
Sterblichkeit von 4 %, bei Männern lag diese bei 28 % (Geschlechtsunterschiede im
Renin-Angiotensin-System, Reninblutspiegel umgekehrt proportional mit Estradiolspiegeln
korreliert). Analysen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden von Nitraten liegen
nicht vor. Frauen, die Kalziumantagonisten zur Blutdrucksenkung einnahmen, hatten
nach sechs Jahren ein höheres Infarktrisiko als Frauen, die ein anderes antihypertensives
Medikament einnahmen [30], Verapamil wird bei Frauen wegen der höheren Aktivität des Cytochrom-P450-Systems
rascher metabolisiert als bei Männern.
Entgegen der großen Hoffnung, durch eine Hormonersatztherapie einen atherogenen Benefit
zu produzieren, musste die HERS[10]-Studie nach 4,1 Jahren abgebrochen werden [11]
[15]. In HERS konnte die vierjährige Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen
die Inzidenz von Tod und Myokardinfarkt nicht reduzieren. Außerdem führte die Hormonersatztherapie
zwar zu einer Senkung der LDL- sowie zu einem Anstieg der HDL-Cholesterinwerte, diese
Veränderungen waren aber mit 10 bzw. 11 % vergleichsweise gering. Vorzeitig abgebrochen
wurde die Studie, da die Hormonersatztherapie zu einem signifikanten Anstieg thromboembolischer
Ereignisse sowie einem vermehrten Gallensteinleiden insbesondere in den ersten drei
Jahren führte. Daher ist momentan eine präventive Hormonersatztherapie aus kardiovaskulärer
Indikation nicht sinnvoll.
Operative Therapie
Operative Therapie
Exemplarisch für die Ergebnisse nach operativer Revaskularisation stehen die Resultate
der BARI[11]-Studie [16]. Hier zeigten sich keinerlei geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die
Revaskularisationsform (PTCA/Bypass-Op) oder die damit assoziierten kumulativen Überlebensraten.
Die Krankenhaussterblichkeit nach Bypassoperation ist bei Frauen weiterhin doppelt
so hoch wie bei Männern. Hauptverantwortlich sind auch hier das höhere Lebensalter
der Frau zum Zeitpunkt der Operation, die höhere Inzidenz an Risikofaktoren (insbesondere
Diabetes mellitus) und mehr Begleiterkrankungen. Eine nicht ganz unwichtige Rolle
spielt die Tatsache, dass Frauen sehr häufig notfallmäßig operiert werden. Nach erfolgreicher
Operation haben Frauen eine exzellente Langzeitprognose. Zieht man das höhere Alter
und die höhere Anzahl an Begleiterkrankungen in Betracht, ist die Langzeitprognose
der Frauen derjenigen der Männer sogar leicht überlegen. Daher sollte Frauen mit Indikation
zur Bypassoperation diese therapeutische Möglichkeit auch in höherem Alter nicht vorenthalten
werden.
Glossar
Glossar
Belastungs- EKG
Belastungs-EKG-Untersuchungen werden meist im Sitzen mit jeweils 25 Watt begonnen
und nach jeweils 120 Sekunden um 25 Watt gesteigert bis ein Endpunkt erreicht wird.
Folgende Parameter können bei jeder Fahrradergometrie evaluiert werden: Endpunkt bei
Belastungsabbruch, kumulative Belastungskapazität, maximale Herzfrequenz, Doppelprodukt
(maximale Herzfrequenz x maximaler Blutdruck x 0,01), ST-Streckensenkung; bei Auftreten
von Angina-pectoris-Symptomatik: Zeitdauer bis zum Auftreten der Angina pectoris,
bei Auftreten von ST-Streckensenkungen: Zeitdauer bis zum Auftreten der ST-Streckensenkung.
Patienten unter Digitalispräparaten, nach Implantation eines antibradykarden Schrittmachersystems,
mit Linksschenkelblock oder einer absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern werden von
der Bewertung der ST-Streckenveränderungen ausgeschlossen. Als Belastungsendpunkte
gelten die Angaben „systolischer Blutdruck > 220 mm Hg”, „komplexe ventrikuläre Rhythmusstörungen”,
„ST-Streckensenkungen > 0,15 mV”, „Angina pectoris”, „Luftnot”, „allgemeine bzw. muskuläre
Erschöpfung”, „Beinschwäche” sowie „Erreichen der Ausbelastungsfrequenz”. Zur Objektivierung
der Belastungsfähigkeit kann die maximale Belastungskapazität in metabolischen Äquivalenten
(1 MET = 3,5 ml x kg-1 x min-1 O2) ausgedrückt werden.
Stress-Echokardiografie
Es handelt sich um die Durchführung einer echokardiografischen Untersuchung in der
M-mode- oder 2-D-Technik während und nach kardialer Belastung. Diese Belastung kann
ergometrisch, pharmakologisch, elektrophysiologisch, psychomental, hyperventilatorisch
und psychophysisch durch Stressreaktionen ausgelöst werden. Bewertet werden die globalen
und regionalen linksventrikulären Kontraktionen, die durch Perfusionsstörungen und/oder
Herzmuskelerkrankungen verursacht werden. Im gesunden und gut durchbluteten Myokard
kommt es während einer Belastungsreaktion, die mit einem erhöhten Koronarfluss einhergeht,
zur Hyperkinesie, das heißt zu einer deutlichen systolischen Wanddickenzunahme und
konzentrischen Wandeinwärtsbewegung zum Zentrum des linken Ventrikels.
Myokardszintigrafie
Die Myokardszintigrafie ist ein bildgebendes diagnostisches Verfahren zur Funktionsdiagnostik
und Darstellung der Myokardperfusion, bei dem ein radioaktiv markierter Tracer am
Ende der ergometrischen Belastung appliziert wird, der sich entsprechend der Perfusion
im Myokard verteilt und mittels Gammastrahlen detektiert werden kann. Ein Defekt in
der Frühphase deutet entweder auf eine myokardiale Ischämie oder eine myokardiale
Narbe hin. Erst die Spätaufnahme zeigt nach der Aufnahmeverteilung in die Myozyten,
ob eine Restvitalität vorhanden ist. Somit erscheint ein Defekt in der Früh- und Spätphase
als Narbe, während eine Ischämie ein reversibler Defekt ist.
Herzkatheteruntersuchung
Fast alle Untersuchungen werden in der nach Judkins beschriebenen Technik durchgeführt.
Die Arteria femoralis wird unmittelbar unter der Leistenfalte palpiert und das Lokalanästhetikum
injiziert. Nach einer kleinen Hautinzision erfolgt die Punktion der Arterie mit der
Seldinger-Nadel. Über die in der Arterie liegende Nadel wird dann der Führungsdraht
in das Gefäß vorgeschoben. Die Punktionsnadel wird entfernt und eine Schleuse über
den Draht in die Arterie eingeführt.
Abb. 1