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DOI: 10.1055/s-2004-860936
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Wahlleistungsvereinbarung - Unterrichtungspflicht des Patienten über wahlärztliche Behandlung
Publication History
Publication Date:
13 January 2005 (online)
- Vermittelnde Lösung des Bundesgerichtshofs
- Wirksame Wahlleistungsvereinbarung
- Neue gesetzliche Regelung ab 01.01.2005
- Folgen einer unzureichenden Unterrichtung
- Fazit
Im Rahmen der Vierten Verordnung zur Änderung der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) im Jahre 1984 wurde erstmalig eine besondere Unterrichtungspflicht gegenüber dem Patienten vor Inanspruchnahme einer Krankenhauswahlleistung gesetzlich normiert, wonach dieser "vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistung zu unterrichten" war. 1994 wurde die Unterrichtungspflicht erweitert und die Worte "und deren Inhalt im Einzelnen" eingefügt (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV).
Seither herrscht Streit darüber, wie weit die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Patienten reicht. Zum Schutz der Patienten wurde hierzu vertreten, dass diesen eine detaillierte und auf den Einzelfall abgestellte Aufstellung mit den voraussichtlich entstehenden Arztkosten vorgelegt werden müsste. Andere hielten es dagegen für ausreichend, wenn der Patient den einfachen Hinweis erhält, dass die Abrechnung der Wahlleistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erfolgt. Erst auf Nachfrage sei dem Patienten dann die Gebührenordnung vorzulegen. Andernfalls bliebe es dem Patienten überlassen, ob er sich diese selbst beschaffe oder nicht.
#Vermittelnde Lösung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hielt beide Positionen für zu extrem. Er versuchte deshalb, in seinen Urteilen einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Patienten und dem des Krankenhauses zu finden. Nach Meinung des Bundesgerichtshofs ist eine detaillierte Aufstellung der auf den Patienten voraussichtlich zukommenden Arztkosten bei Inanspruchnahme der ärztlichen Wahlleistung nicht notwendig. Dies sei in der Praxis kaum zu realisieren, da Wahlleistungsvereinbarungen in aller Regel zu Beginn des stationären Aufenthaltes vereinbart würden. Zu diesem Zeitpunkt stehe aber meist noch nicht fest, welche Diagnose- und Therapiekosten überhaupt anfallen werden bzw. wie sich die Genesung des Patienten entwickeln wird. Insofern sei es beinahe unmöglich, vor der Behandlung eine Art Kostenvoranschlag der ärztlichen Wahlleistungen für den Patienten darzustellen.
Darüber hinaus wäre damit auch ein immenser organisatorischer Aufwand verbunden, dem ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Patienten fehle. Im Gegensatz zu nichtärztlichen Wahlleistungen (z.B. Einbettzimmer), die das Krankenhaus - wenn auch angemessen, so doch autonom - festsetze, kommen auf den Patienten einer ärztlichen Wahlleistungsbehandlung "nur" die Kosten der auf gesetzlicher Grundlage ergangenen Gebührenordnung für Ärzte zu. Dieser Umstand garantiere jedem Patienten, dass er für "(im wesentlichen) gleichartige bzw. gleichwertige ärztliche Leistungen eine (im wesentlichen) gleiche Vergütung zu zahlen hat" (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.03, MedR 2004, S. 264 ff. (266)). Das Informationsbedürfnis des Patienten sei daher im Hinblick auf ärztliche Wahlleistungen geringer als bei nichtärztlichen Wahlleistungen.
Soweit teilweise vorgeschlagen wurde, man könnte den Patienten zumindest in Etappen vor den jeweils bevorstehenden Diagnose und Therapieschritten über die zu erwartenden Kosten unterrichten, verwies der Bundesgerichtshof darauf, dass dies dem gesetzlich vorgeschriebenen Prinzip der "Wahlarzt und Liquidationskette", wie es in § 22 Abs. 3 S. 1 BPflV verankert ist, widersprechen würde.
Danach hat sich eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle (!) an der Behandlung des Patienten beteiligten Ärzte des Krankenhauses zu erstrecken, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen im Rahmen der voll- und teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung (§ 115 a SGB V) berechtigt sind - einschließlich der von diesen Ärzten veranlassten Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses. Wenn schon eine Beschränkung der Vereinbarung auf einzelne Ärzte oder Behandlungsabschnitte nicht in Betracht komme, dann gelte dies nach Auffassung des BGH auch für eine partielle Unterrichtungspflicht vor der jeweiligen Behandlung.
Im Ergebnis hält der Bundesgerichtshof damit eine zu weit reichende Unterrichtungspflicht zugunsten der Patienten für nicht geboten. Gleichwohl müsse aber die Änderung der BPflV im Jahre 1994 mit der auch auf "einzelne Inhalte" der Wahlleistung bezogenen Unterrichtungspflicht in der Praxis hinreichend umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund könne es nicht genügen, den Patienten nur darauf hinzuweisen, dass die Abrechnung nach der GOÄ erfolge und der Patient diese erst auf Nachfrage ausgehändigt bekomme. Damit würde die Verantwortung für eine Unterrichtung "im Einzelnen" entgegen der gesetzlichen Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 BPflV auf den Patienten abgewälzt.
#Wirksame Wahlleistungsvereinbarung
Unter Berücksichtigung der bislang zur Reichweite der Unterrichtungspflicht vertretenen Meinungen formulierte der Bundesgerichtshof - zunächst in seinem Urteil vom 27.11.03 (AZ III 37/03) - präzise Handlungsrichtlinien für eine ausreichende Unterrichtung des Patienten, an denen er in seinen nachfolgenden Entscheidungen zu Wahlleistungsvereinbarungen festhielt. Die Unterrichtung des Patienten im Vorfeld des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung muss danach mindestens die folgenden Punkte umfassen:
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Eine kurze Charakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen, wobei zum Ausdruck kommen muss, dass hierdurch ohne Rücksicht auf Art und Schwere der Erkrankung die persönliche Behandlung durch die liquida-Recht tionsberechtigten Ärzte sichergestellt werden soll - mit dem Hinweis darauf, dass der Patient auch ohne Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung die medizinisch notwendige Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erhält.
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Eine kurze Erläuterung der Preisermittlung für ärztliche Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte bzw. Zahnärzte (Leistungsbeschreibung anhand der Nummern des Gebührenverzeichnisses; Bedeutung von Punktzahl und Punktwert; Möglichkeit, den Gebührensatz je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand zu erhöhen); ein Hinweis auf Gebührenminderung nach § 6 a der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
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Einen Hinweis darauf, dass die Vereinbarung wahlärztlicher Leistungen eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zur Folge haben kann.
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Einen Hinweis darauf, dass sich bei der Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen die Vereinbarung zwingend auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV).
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Einen Hinweis darauf, dass die Gebührenordnung für Ärzte bzw. für Zahnärzte auf Wunsch eingesehen werden kann. Die ungefragte Vorlage dieser Gesetzestexte erscheint demgegenüber entbehrlich, da diesen für sich genommen kein besonderer Informationswert zukommt. Der durchschnittliche Wahlleistungspatient ist auch nicht annähernd in der Lage, sich selbst anhand des Studiums dieser umfangreichen komplizierten Regelungswerke einen Überblick über die Höhe der auf ihn zukommenden Arztkosten zu verschaffen.
§ 22 BPflV schreibt nur vor, dass die Wahlleistung vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren ist. Daraus ergibt sich bislang keine gesetzliche Verpflichtung, dass auch die vor dem Abschluss der Vereinbarung stattfindende Unterrichtung des Patienten in schriftlicher Form zu erfolgen hat. Gleichwohl hält der BGH auch eine schriftliche Abfassung der Unterrichtung gerade im Hinblick auf spätere Auseinandersetzungen schon jetzt in jedem Fall für zweckmäßig und daher empfehlenswert.
#Neue gesetzliche Regelung ab 01.01.2005
Infolge des Fallpauschalengesetzes vom 23.04.2002 wird sich ab dem 01.01.2005 die Vereinbarung von Wahlleistungen fortan nicht mehr nach § 22 BPflV, sondern nach § 17 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) richten. Da die beiden Vorschriften in inhaltlicher Hinsicht im Wesentlichen übereinstimmen, können die vom BGH entwickelten Anforderungen am materiellen Inhalt der Unterrichtungspflicht auch nach der gesetzlichen Neuregelung unverändert weiter gelten. Ausdrücklich normiert hat der Gesetzgeber allerdings in § 17 Abs. 2 KHEntgG, dass der Patient "vor Abschluss der Vereinbarung schriftlich über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten" ist. Was bislang somit nur als zweckmäßig galt, gehört dann zwingend zu den Voraussetzungen einer ausreichenden Unterrichtungspflicht.
#Folgen einer unzureichenden Unterrichtung
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine Wahlleistungsvereinbarung, der keine ausreichende Unterrichtung vorausging, grundsätzlich unwirksam. In diesem Fall besteht dann auch kein Honoraranspruch gegen den Patienten. So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 27.11.2003 eine Wahlleistungsvereinbarung für unwirksam gehalten, bei der die Vereinbarung über Wahlleistungen den Zusatz enthielt, dass die liquidationsberechtigten Ärzte berechtigt seien, "nach der jeweils gültigen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. nach dem Institutstarif" abzurechnen. Da nicht klar gewesen sei, was Gegenstand des Institutstarifs sei oder sein soll, in welchem Verhältnis dieser zur GOÄ steht, ob und gegebenenfalls welche Abweichungen sich bei der Anwendung dieses Tarifs gegenüber der GOÄ ergeben könnten, war die gesamte Wahlleistungsvereinbarung nach Auffassung des BGH unwirksam und die Klage des Chefarztes auf Zahlung des von ihm geltend gemachten Honorars gegen den Patienten abzuweisen.
Allerdings macht der Bundesgerichtshof von diesem Alles-oder- Nichts-Prinzip auch Ausnahmen. So hielt er es in dem Urteil vom 08.01.04 (AZ: III ZR 375/02) für treuwidrig, wenn ein Patient sich nur deshalb von Forderungen aus einer Wahlleistungsvereinbarung freihalten könne, weil er zuvor nicht über die Minderung der Gebühren bei stationären und teilstationären Leistungen nach § 6 a GOÄ belehrt worden war. Die fehlende Verweisung auf die Regelung des § 6 a Gebührenordnung für Ärzte hielt der BGH im Hinblick auf die Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung danach für unschädlich, sodass der Patient die ärztlich erbrachten Wahlleistungen bezahlen musste.
#Fazit
Gerade im Hinblick auf die ab dem 01.01.2005 geltende Verpflichtung, den Patienten vor der Vereinbarung einer Wahlleistung schriftlich über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten, sollten die vom BGH aufgestellten Kriterien einer hinreichenden Unterrichtung in die Wahlleistungsvereinbarung integriert werden, da damit auch beweisbar ist, dass die Unterrichtung zeitlich vor der Unterzeichnung der Vereinbarung und im durch die Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen erfolgte. Es ist dabei darauf zu achten, dass die entsprechenden Unterrichtungspunkte in der Wahlleistungsvereinbarung räumlich vor den Unterschriften der Vereinbarung dargestellt werden.
Bei gesonderten Formularen (z.B. Patientenmerkblättern zur Unterrichtung über Wahlleistungen) sollte darauf geachtet werden, dass diese zeitlich vor der Unterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung ausgehändigt werden. Eine entsprechende Dienstanweisung erscheint insofern angebracht.
Dr. iur. Isabel Häser, Rechtsanwältin, Ehlers, Ehlers und Partner, München