Füllungstherapie
In den untersuchten Sachverhalten wurden als Klagegründe insuffiziente Kunststofffüllungen
(verschlossene Interdentalräume, scharfkantige Kunststoffreste, frakturierte Füllungen
und Schmerzen nach konservierender Behandlung) bzw. Füllungen ohne besondere Angabe
ihrer Art beschrieben.
Antragssteller war in 3 Gutachten der Patient.
GZ
GKZ 833 vom 28.1.1998
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
Kunststofffüllungen im Frontzahnbereich; Inzisale Verlängerung des Frontzahnes; Verschließen
der Interdentalräume; Labialflächen von Zahn 13 und Zahn 23 weisen scharfkantige Kunststoffreste
auf; Palatinalflächen sind rau und inzisal scharf; Eckzahnführung an Zahn 23 fehlt;
Funktion der Front ist gestört.
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
Zähne 12, 13, 21, 22, 23: Füllungen abstehend, mit der Sonde unterfahrbar; Zahnzwischenraum
stark verengt; Zahn 11 Füllung überkonturiert, Zahnzwischenraum geschlossen; Füllung
mit Randspalt; Eckzahnführung fehlt, palatinal deutliche Schleifspuren erkennbar.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Füllungen müssen nachgearbeitet werden und sind in dem vorliegenden Zustand als mangelhaft
anzusehen. Ein Nachbesserungsrecht ist im Hinblick auf das nicht durch die Einwilligung
des Antragstellers gedeckte Vorgehen beim Aufbau der Frontzähne zu verneinen, worin
ebenfalls ein Behandlungsfehler im Sinne der Gutachterkommission zu sehen ist. Fehlende
Eckzahnführung ist ebenfalls auf einen Behandlungsfehler des Zahnarztes zurückzuführen.
Key Word
Füllungstherapie
GZ
GKZ 924 vom 13.1.1999
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
aus dem Gutachten nicht ersichtlich
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
frakturierte Füllung des Zahnes 48; Krone an Zahn 47 ist noch nicht definitiv einzementiert
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Vergleich: Der Zahnarzt verpflichtet sich, ein Schmerzensgeld von 500,- DM zu zahlen
Key Word
frakturierte Füllung
GZ
GKZ 840 vom 30.9.1998
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
Anfertigung eines Röntgenbildes der Zähne; Konservierende Versorgung der Zähne 35,
36 und 37, 45, 46 und 47; Kariesvermerk an den Zähnen 17, 16, 15, 25 und 26; Schmerzen
auf beiden Seiten des Unterkiefers.
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
Fehlerhafte Behandlung der Zähne im Unterkiefer, sodass die Versorgung der Zähne mit
3 Goldinlays erforderlich geworden ist; fehlerhafte Aufklärung über die Behandlungsbedürftigkeit
der Molaren im Oberkiefer.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Aus den vorgelegten Röntgenaufnahmen ergibt sich, dass die Zähne 36 und 46 überstehende
Füllungsränder aufwiesen, dies ist auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen; Reizung
des Zahnfleisches durch abstehende Füllungsränder.
Key Word
Füllungstherapie
Inlays/Teilkronen
Ursächlich für die Auseinandersetzungen in dieser Fallgruppe waren ein verstärktes
Heiß-Kalt-Empfinden nach der Eingliederung von Inlay-/und Teilkronenversorgungen,
insuffiziente Keramikinlays und -teilkronen, die Befestigung von Kreamikinlays mit
Silikatzement mit der Folgeerscheinung, dass „Kanten” zwischen dem einzementierten
Inlay und dem Zahn entstanden, welche zu schmerzhaften Stellen führten. Schmerzen
und mangelhafte Cerec-Inlayversorgungen kamen als weitere Kausalitäten hinzu.
5 Patienten stellten einen Antrag auf eine gutachterliche Überprüfung.
GZ
GF 22/98 vom 30.12.1998
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
Einsetzen einer Teilkrone am Zahn 16 und eines Inlays am Zahn 24. Am Zahn 16 wurde
eine 2-flächige Füllung gelegt; Auftreten von Schmerzen an selbigem Zahn.
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
Nach einem 3/4 Jahr wurde an den Zähnen 16 (Teilkrone) und 24 (Inlay) eine Caries
profunda festgestellt, was sehr ungewöhnlich ist und auf einen Behandlungsfehler schließen
lässt.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Es wird festgestellt, dass der Patient infolge eines schuldhaften Behandlungsfehlers
des Zahnarztes einen Gesundheitsschaden erlitten hat.
Key Word
Teilkrone, Inlay
GZ
GKZ 921 vom 3.2.1999
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
insuffizientes Keramikinlay
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
Die Gold-Inlays der Zähne 17 und 27 weisen eine ungenügende Retentionsform auf. Beim
Keramik-Inlay des Zahnes 37 fehlt ein Stück der Keramik. Am Keramik-Inlay ist ca.
ein Drittel weggebrochen.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Vergleich: Der Zahnarzt verpflichtet sich, 2000,- DM des empfangenen Honorars an den
Patienten zurückzuerstatten und ein Schmerzensgeld in Höhe von 700,- DM zu zahlen.
Key Word
Inlay, Retention
GZ
GKZ 920 vom 24.3.1999
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
verstärktes Heiß-Kalt-Empfinden nach Teilkronen- und Inlayversorgung
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
Röntgenaufnahmen, Situations- und Präparationsmodelle lassen erkennen: Die Inlays
bzw. Teilkronen der Zähne 17 und 16 weisen im Röntgenbild mesiale Spalten auf, bei
Inlay/Teilkrone des Zahnes 14 ist ein distaler Defekt sichtbar; Inlay des Zahnes 27
zeigt auf dem Situationsmodell einen palatinalen Randspalt auf, Inlay des Zahnes 26
weist einen bukkalen Spalt auf.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Eine Erneuerung der Inlays bzw. der Teilkronen ist geboten. Vergleich: Der Zahnarzt
verpflichtet sich, 4650,53 DM des empfangenen Honorars an den Patienten zurückzuerstatten
und ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000,- DM zu leisten.
Key Word
Inlay, Teilkrone
In allen Fällen konnte ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden.
Kronenversorgungen
Aus den 4 vorliegenden Sachverhalten konnten als Ursache für eine Begutachtung mangelhafte
definitive Versorgungen, Schmerzen im Unterkieferbereich mit einer nachfolgenden Extraktion,
Nachpräparationen, eine perforierte bukkale Fläche, Gefühlsstörungen im Bereich des
3. Trigeminusastes und eine Überempfindlichkeit der Zahnhälse herausgearbeitet werden.
Antragsteller war auch in dieser Fallgruppe jeweils der Patient.
GZ
GKZ 886 vom 15.7.1998
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
Schmerzen im linken Unterkiefer im Bereich des Zahnes 37; Überkronung der Zähne 14
und 24; spätere Extraktion des Zahnes 37 nach Kroneneröffnung; fehlende Eckzahnspitze
des Zahnes 33; Lösen der Krone des Zahnes 15.
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
starkes Abrasionsgebiss mit Parafunktionen; Zahn 15: der Kontaktpunkt steht distal,
mesial fehlt dieser; Krone ist stark beschliffen, Einzementierung durch Helferin.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Ein Behandlungsfehler wird festgestellt. Die definitive Einzementierung einer Krone
ist ausschließlich eine zahnärztliche Tätigkeit und darf nicht einer Helferin überlassen
werden.
Key Word
Überkronung
GZ
GKZ 923 vom 16.6.1999
Gutachterkommission
LZÄK Baden-Württemberg
Antragssteller
Patient
Sachverhalt/Ursache
Versorgung mit Kronen auf den Zähnen 25 und 26; es folgte eine Nachpräparation dieser
Zähne; die Krone auf Zahn 26 wurde immer wieder abgenommen und provisorisch einzementiert
(Temp bond); Probleme beim Beißen und Kauen wegen der Höhe der beiden Kronen.
Zahnärztliche Untersuchung/Behandlungsfehler
mangelhafte Kronenränder; Zahn 25 VMK-Krone bukkal u. palatinal mit der Sonde unterfahrbar;
Keramik abgeplatzt; Zahn 26 Vollgusskrone disto-bukkal unterfahrbar; es besteht kein
Seitenzahnkontakt, Kontakt besteht nur im Bereich der Zähne 12 bis 22.
Ergebnis des Gutachtens/Beurteilung
Behandlungsfehler: Die Kronen der Zähne 25 und 26 sind ungenügend und müssen erneuert
werden.
Key Word
Überkronung
Diskussion
Die in dieser Arbeit untersuchten 103 Urteile und Gutachten aus dem Zeitraum von 1968-2001
stellen eine nichtrepräsentative Auswahl dar. Anhand dieser Darstellungen wurde erarbeitet,
welche zahnärztlichen Tätigkeiten im Bereich der restaurativen Zahnheilkunde zu Komplikationen
führen können und wie die daraus resultierenden beklagten Behandlungsfehler von der
Justiz gewertet werden. Allerdings konnte den Gutachten keine richterliche Entscheidung
entnommen werden, sondern nur die Tatsache, ob die Auseinandersetzung in einem Vergleich
endete oder durch ein Urteil entschieden wurde. Der Großteil der Urteile ist auf die
80er- und 90er-Jahre datiert.
Allerdings werden nicht alle Streitigkeiten zwischen Zahnarzt und Patient erfasst,
da ein Teil durch Schlichtungsstellen - ohne Beschreiten des Rechtsweges - reguliert
wird. Das in dieser Arbeit ausgewertete Material kann daher keinen Anspruch auf Repräsentativität
erheben.
Die Probleme der Aufklärungspflicht wurden bereits 1980 auf der 105. Jahrestagung
der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde diskutiert. Haftungsklagen
gegen Zahnärzte wurden zu dieser Zeit vermehrt auf unzureichende Aufklärung gestützt
und hatten Erfolg. Oftmals wurde der Vorwurf eines Behandlungsfehlers wegen beweisrechtlicher
Schwierigkeiten fallen gelassen und stattdessen auf den Tatbestand der Aufklärungspflichtverletzung
ausgewichen [12]. Diese Tatsache konnte in dieser Arbeit nicht bestätigt werden. Ein Großteil der
Klagen stützte sich auf die Verletzung der Sorgfaltspflicht, bei der § 823 BGB (Schadensersatzpflicht)
seine Anwendung fand.
Durch die steigenden Anforderungen an die Sorgfalt wurde der sozial angemessene Spielraum
für den Zahnarzt, in dem er sich bewegen konnte, ohne dass juristische Probleme aus
seiner Behandlung resultierten, anhaltend eingeschränkt. Praktiziert ein Zahnarzt
nicht mehr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, so handelt er fahrlässig (§276 BGB)
und wird wegen Körperverletzung rechtlich verfolgt. Der stetig fortschreitende und
gesicherte Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft und die akkreditierte zahnärztliche
Praxis werden als zahnärztliche Standards definiert, welche von einer dauernden Veränderung
abhängig sind. Wissenschaftliche Erkenntnis, professionelle Akzeptanz und der zahnärztliche
Erfahrungsschatz sind im Begriff des (zahn-) medizinischen Standards verankert. Der
Sorgfaltspflichtmaßstab wird durch den Zeitpunkt des zahnärztlichen Handelns bestimmt
[8]. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und ein zahnärztlicher Erfahrungs- und Erkenntnisschatz,
welche notwendig sind, um ein Behandlungsziel zu erreichen, werden durch den Standard
repräsentiert.
Gleichzeitig stellt der Standard eine universelle Darlegung über eine gute Prävention
vor einer Erkrankung sowie eine einwandfreie Diagnose und deren Behandlung dar. Der
Standard für das zahnärztliche Handeln wird umso obligatorischer, je sicherer die
Basis der zahnärztlichen Erfahrung ist. Das Krankheitsbild des Patienten macht eine
Standardabweichung bisweilen erforderlich [11]. Der Standard legt den Rahmen für Verbindlichkeiten für das zahnärztliche Handeln
fest [6].
Der Behandlungsfehler ist nicht gezwungenermaßen mit einem Behandlungsmisserfolg gleichzusetzen.
In der Rechtssprechung liegt ein Behandlungsfehler erst dann vor, wenn der Zahnarzt
gegen den zahnmedizinischen Standard verstoßen hat.
Grundsätzlich bedarf jeder zahnärztliche Eingriff der Einwilligung des Patienten in
die Behandlung. Eine ordnungsgemäße und umfassende Aufklärung ist Voraussetzung für
eine wirksame Einwilligung. Erfolgte die Aufklärung nicht ordnungsgemäß oder unterblieb
sie, so verpflichtet dies den Zahnarzt vom zivilrechtlichen Standpunkt her zur Leistung
von Schmerzensgeld und Schadensersatz. Gleichzeitig spielt die strafrechtliche Relevanz
eine Rolle.
Die Verletzung der Sorgfaltspflicht ist in Bezug auf einen Großteil der juristischen
Probleme der Ausgangspunkt für gerichtliche Auseinandersetzungen. Sie basiert auf
dem Tatbestand der Fahrlässigkeit, welcher einem Behandlungsfehler entspricht.
Es konnte ein breites Spektrum an juristisch geahndeten Behandlungsfehlern aufgezeigt
werden: Die untersuchten Urteile über Klagen wegen vermuteter Nebenwirkungen von Amalgamfüllungen
stellen einen großen Fallgruppenbereich dar, was sich möglicherweise darauf zurückführen
lässt, dass in der Öffentlichkeit eine kontroverse Diskussion über dieses Füllungsmaterial
geführt wird. Auffällig ist, dass sich aus den untersuchten Urteilen herauskristallisiert,
dass im Großteil (26 Fälle) aller Klageerhebungen (29 Urteile) der Patient als klageführende
Partei auftrat und es in allen Urteilen zu einer Klageabweisung kam. Nicht selten
steht die Kostenübernahme von Inlays, die im Austausch für Amalgamfüllungen gelegt
wurden, als juristischer Streitpunkt im Vordergrund. Die Entfernung von Amalgamfüllungen
erfolgte meist auf den Wunsch des Patienten, auch wenn diese aus zahnmedizinischer
Sicht nicht indiziert war. Demzufolge hat der Patient die Kosten zu übernehmen, wenn
keine zwingende medizinische Indikation für Goldeinlagefüllungen vorliegt. Die Rechtsprechung
ist in Bezug auf diese Thematik sehr einheitlich.
Viele juristische Auseinandersetzungen beschäftigen sich mit Überkronungen. Den Anklageschriften
(16 Fälle) lässt sich überwiegend entnehmen, dass es sich streitgegenständlich um
zu kurze oder abstehende Kronenränder handelt. Der Zahnarzt beging in 15 dieser 16
Fälle demzufolge eine Verletzung des Werkvertrages, weil er die Kronen nicht ausreichend
auf ihre Einsetzbarkeit überprüfte. Es tritt § 823 BGB wegen unerlaubter Handlung
in Kraft, da keine von Mängeln freie Krone eingesetzt wurde. Die Gutachter konnten
anhand des diagnostischen Materials (Röntgenbilder, Behandlungsunterlagen, Gipsmodelle)
einen Behandlungsfehler aufgrund der eindeutigen Sachlage feststellen. Da keine verwendbare
Grenzwertfestlegung für die maximale Größe des Randspaltes vorliegt [10]
[11], hat der Zahnarzt einen Ermessensspielraum bei der Ermittlung und der Bewertung
des Überganges von der Krone zur Zahnhartsubstanz. Werte zwischen 17 und 200 Mikrometern
sind als akzeptabel einzustufen [2].
Die Höhe des Streitwertes fällt unterschiedlich aus und unterliegt, je nach Umfang
der Klage, Schwankungen. Streitwerte von unter DM 1000,- bis DM 250000,- wurden aus
den Urteilen ermittelt; die Höhe des Streitwertes belief sich in einem Großteil der
Urteile auf zwischen 5000,- DM und 20000,- DM [Abb. 1]. Ähnliche Schwankungen lassen sich aus der Studie Beckers [1] entnehmen. Er ermittelte, dass der durchschnittliche Streitwert bei 9801,79 DM lag.
Vergleicht man die Ergebnisse dieser Arbeit mit den Ergebnissen von Becker [1], so kristallisiert sich heraus, dass insuffiziente Kronenränder am häufigsten, d.
h. in 16 von 30 untersuchten Fällen, durch Sachverständige festgestellt wurden. Die
Untersuchung von Schlegel [13] ergab einen mangelhaften Kronenrand in 17 von 90 ausgewerteten Gerichtsgutachten.
Schlegel stellt ebenfalls fest, dass Mängel in der Randgestaltung von Kronen ein altes
Problem darstellen.
Der Schweregrad und die Folgen von Behandlungsfehlern im Bereich der konservierenden
Zahnheilkunde sind für den Patienten nicht immer nachvollziehbar. Diese Umstände würden
die geringe Zahl der juristischen Auseinandersetzungen erklären.
Die Leitungsanästhesie des Nervus mandibularis ist eine der häufig angewandten Anästhesieformen
in der Zahnheilkunde. Durch einen falschen Einstichpunkt oder eine falsche Richtung
der Kanüle können Kieferklemmen, Muskelhämatome, bei Periostverletzungen eventuell
Nachschmerzen auftreten. Außerdem werden fehlgeschlagene Leitungsanästhesien oder
Nervschädigungen beklagt. Allerdings treten diese forensischen Komplikationen nur
gelegentlich auf. Es kristallisiert sich heraus, dass alle Klagen abgewiesen wurden,
da aus dem Schadenseintritt (Nervschädigung) nicht der Schluss des Behandlungsfehlers
gezogen werden konnte. Unklar bleibt, inwiefern es dem Gutachter möglich ist, nachzuweisen,
ob dem Zahnarzt während des Anästhesierens ein Fehler unterlief, zumal es unmöglich
ist, den Ablauf einer Anästhesieapplikation zu rekonstruieren.
Im Rahmen der Leitungsanästhesie kann es auch zum Kanülenbruch kommen, welcher kausal
mit der rein zahnärztlichen Arbeit nicht in Verbindung gebracht werden kann. Der Zahnarzt
ist aus forensischen Gründen angehalten, den Patienten von einem Kanülenbruch zu unterrichten
und dafür zu sorgen, dass das Kanülenfragment in einer Fachklinik entfernt wird [5]. Die ausgewerteten Fälle von Kanülenbrüchen konnten nicht auf einen schuldhaften
Behandlungsfehler des Zahnarztes zurückgeführt werden.
Komplikationen, die auf eine Schleifscheibenverletzung zurückzuführen waren, ziehen
fast immer die Verurteilung des Zahnarztes nach sich [5]. Weiterhin stellte Gabka [5] fest, dass das Aspirieren oder Verschlucken von Fremdkörpern eine der schwer wiegendsten
Komplikation der zahnärztlichen Behandlung darstellt. Der Bundesgerichtshofs erfasst
in seinem Urteil vom 27.11.52 - VI ZR 25/52 München, dass dem Zahnarzt genau dann
der Tatbestand der Fahrlässigkeit angelastet werden muss, wenn es aufgrund seines
eigenen Verschuldens zum Verschlucken eines Fremdkörpers kommt. Gleichzeitig haftet
der Zahnarzt, wenn durch eine Abwehrbewegung des Patienten ein ungesichertes Instrument
oder ein Inlay bzw. eine Krone aspiriert oder verschluckt wird. Gabka [5] differenziert zwischen Verschlucken und Aspiration in Hinblick auf die Folge: Während
nach einer Aspiration bestimmte medizinische Maßnahmen ergriffen werden müssen, stuft
er das Verschlucken eines Fremdkörpers eher als harmlosen Zwischenfall ein [5]
[9]. Die Häufigkeit solcher Zwischenfälle war im Urteilsmaterial, das dieser Arbeit
zugrunde lag, äußerst gering.
Vom medizinischen Standpunkt her kann nach der oben erfolgten Diskussion nachstehende
Gruppeneinteilung der Fehler hinsichtlich der Sorgfalt vorgenommen werden [7]:
-
Fehler, die vom Zahnarzt fahrlässig, also infolge einer Sorgfaltspflichtverletzung,
begangen wurden und von Fall zu Fall in kausaler Folge Schäden nach sich ziehen, womit
sie rechtserheblich werden.
-
Fehler, die ohne Sorgfaltspflichtverletzung zustande kommen und darin bestehen, dass
eine bestimmte Behandlung nicht das optimal mögliche Resultat erreicht bzw. nicht
dem Standard eines erfahrenen Zahnarztes entspricht.
-
Fehler, die objektiv durch eine nicht zum Eingriff gehörende Läsion, eine Nebenwirkung
oder nachträglich sich einstellende, nicht angestrebte Folge gekennzeichnet sind,
deren Eintritt aber auch bei größerer Sorgfalt eines erfahrenen Behandlers bei der
Durchführung des ärztlich indizierten, nicht durch ein anderes Verfahren ersetzbaren
und notwendigen Eingriffs nicht mit letzter Sicherheit zu vermeiden sind.
Die Analyse der Urteile und Gutachten lässt erkennen, dass der Patient aufgrund seiner
Unzufriedenheit in Bezug auf die zahnärztliche Behandlung überwiegend als Kläger auftrat
[Abb. 2]. Es kristallisierte sich heraus, dass in 82 von 92 Fällen der Patient Klage erhob
und 12-mal die Erstellung eines Gutachtens vornehmen ließ. Die Klageabweisung erfolgte
in 76 % der Urteile [Abb. 3]. Indem der Patient auf juristischem Wege an den Zahnarzt Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen
stellt, geht er aktiv gegen den Zahnarzt vor. Darin lässt sich ein Unterschied zur
Vergangenheit erkennen: Durch verweigerte Honorarzahlungen nahm der Patient in der
Vergangenheit eine eher passive Haltung ein.
Der vermutete Anstieg in der „Prozessfreudigkeit” des Patienten kann durch viele Faktoren
erklärt werden. Die Hemmschwelle des Patienten wird durch die Presse, welche öffentlich
Kritik an medizinischen Berufen übt, herabgesetzt [3]. Eine „Unanfechtbarkeit” des (Zahn-)Arztberufes in früheren Jahren und die Tatsache,
dass eine juristische Unterstützung und Beratung, wie sie ein Patient heute erfährt,
nicht gegeben waren, erklären die geringere Bereitschaft in der Vergangenheit, gegen
den Zahnarzt juristisch vorzugehen. Die Beziehung von Zahnarzt und Patient hat sich
von einem Vertrauensverhältnis in ein reines Vertrags- und Dienstleistungsverhältnis
(unter dem Einfluss der Medien) gewandelt [4]. Eine überspannte Erwartungshaltung hinsichtlich der medizinischen Therapiemöglichkeiten
ist sehr häufig anzutreffen. Die oftmals überzogene Sichtweise hinsichtlich der medizinischen
Lehre führt bei einem Ausbleiben des Behandlungserfolges oder einer nicht zufriedenstellenden
Therapie zu der Annahme, dass der Zahnarzt fehlerhaft gehandelt habe. Die Akzeptanz
der Patienten, dass eine Erkrankung nicht immer therapierbar ist, ist sehr gering.
Die Tatsache, dass immer mehr Patienten die Initiative ergreifen, eine juristische
Auseinandersetzung durch ein Gericht entscheiden zu lassen, lässt sich auch darauf
zurückführen, dass Rechtsschutzversicherungen rechtlich aufklären und Hinweise auf
die finanzielle Entschädigung bei Klageerfolg geben [3]. Es wird immer Patienten geben, die aufgrund des monetären Vorteils gegen die zahnärztliche
Behandlung klagen werden. Das beste Beispiel hierfür findet man in den USA: Im Gegensatz
zu Deutschland herrscht dort kein Verhältnisrecht, durch welches nur der Schaden ersetzt
wird, der auch tatsächlich entstanden ist, sondern es wird eine beliebige Schadenshöhe
gefordert.
Die Frage nach dem Kausalzusammenhang zwischen einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung
als schadenbewirkendes Ereignis und den eingetretenen Folgen stellt einen problematischen
Bereich der Haftung dar. Bis heute konnte in der Rechtsprechung und Rechtslehre kein
einstimmiger Tenor festgelegt werden. Tatsache ist, dass zwischen der zahnärztlichen
Behandlung und dem beim Patienten eingetretenen Schaden ein kausaler Zusammenhang
vorliegen muss. Kernpunkt aller gerichtlichen Verfahren ist das Faktum, dass der Patient
dem Zahnarzt den Behandlungsfehler nachweisen muss. Gelingt ihm das nicht, ist mit
einer Einstellung des Verfahrens zu rechnen. In Bezug auf die vorliegende Arbeit gelang
es dem Patienten in 26 % (n = 29) der Fälle, eine fehlerhafte Behandlung nachzuweisen.
Auf den ersten Blick erscheint diese Zahl nicht so spektakulär, was jedoch darauf
zurückzuführen ist, dass es Unterschiede zwischen den einzelnen Fallgruppen bezüglich
der Anzahl der nachgewiesenen Behandlungsfehler gibt. In Auseinandersetzungen zur
Amalgamproblematik konnten keine Behandlungsfehler nachgewiesen werden, wohingegen
in den Streitfällen zur Kronen(rand)problematik eine Häufung von erfolgreichen Klagen
zu beobachten war.
Die Aufklärung muss inhaltlich dem Eingriff gerecht werden, um spätere Haftungsansprüche
zu widerlegen, und vor der Einwilligung des Patienten in die Behandlung stattfinden,
sodass er ggf. noch eine „Bedenkzeit” hat. Im Hinblick auf die Thematik dieser Arbeit
ist der Zahnarzt bei der Verwendung von Amalgam und Kompositmaterialien zur Aufklärung
über Vor- und Nachteile sowie über mögliche Risikofaktoren verpflichtet. Bei Überkronungen
sollte der Hinweis auf Temperaturempfindlichkeiten erfolgen. Die Anästhesie als behandlungsunterstützende
Maßnahme bedarf keiner frühzeitigen Aufklärung [14]. Die Dringlichkeit und die Art des Eingriffs bestimmen den Umfang der Aufklärung.
Eine Rationalisierung in Form von Aufklärungsvordrucken kann hilfreich sein, wenn
sie sich auf einen speziellen Eingriff und das Wesentliche bezieht. Dem Patienten
liegt die Aufklärung in schriftlicher Form vor; allerdings muss in jedem Fall noch
ein zusätzliches Aufklärungsgespräch geführt werden. Ein weiterer Vorteil ergibt sich
aus der Tatsache, dass die Aufklärung - durch die Unterschrift des Patienten auf einem
Durchschlag - dokumentiert wird.
Eine der behandlungsvertraglichen und rechtlichen Nebenpflichten ist die Dokumentationspflicht.
Zu dem Aufgabenbereich der derzeitigen zahnärztlichen Dokumentation zählen die Gewährleistung
einer planmäßigen Weiterbehandlung, Absicherung gegen Zwischenfälle, Komplikationen,
Haftpflichtansprüche des Patienten gegen den Vorwurf einer nicht sorgfältigen Planung
oder Untersuchung sowie einer Verletzung der Aufklärungspflicht und gegen den Vorwurf
der Beweislasterschwerung durch unzureichende Dokumentation [8]. Eine ordnungsgemäße Dokumentation sollte Heil- und Kostenpläne, Arztberichte, die
gesamte zahnärztliche Befundaufnahme sowie Therapieschritte, Schriftverkehr mit Krankenkassen
oder Patienten, Rechnungskopien und Röntgenbilder beinhalten. Auch die Aufklärung
muss im Krankenblatt vermerkt werden.
Ob der Zahnarzt durch eine sorgfältige Dokumentation, eine Einhaltung des zahnmedizinischen
Standards unter Einbeziehung der notwendigen Sorgfalt und eine umfassende Aufklärung
juristische Probleme vermeiden kann, erscheint sehr fraglich. In jedem Fall lassen
sich hierdurch aber die Ausgangsbedingungen in juristischen Streitfällen verbessern.