Z Gastroenterol 2005; 43(2): 163-164
DOI: 10.1055/s-2005-857870
Leitlinie

© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gastroösophageale Refluxkrankheit - Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten

Consensus Conference of the DGVS on Gastroesophageal RefluxH. Koop1 , W. Schepp2 , S. Müller-Lissner3 , A. Madisch4 , G. Micklefield5 , H. Messmann6 , K. H. Fuchs7 , J. Hotz †8
  • 1II. Innere Klinik HELIOS Klinikum Berlin - Klinikum Buch, Berlin
  • 22. Medizinische Abteilung, Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen, München
  • 3Abteilung Innere Medizin, Park-Klinik Weissensee, Lehrkrankenhaus der Charité, Berlin
  • 4Medizinische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
  • 5Medizinische Klinik I, Evangelisches Krankenhaus Unna, Unna
  • 6III. Medizinische Klinik, Klinikum Augsburg, Augsburg
  • 7Klinik für Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, Markus-Krankenhaus, Frankfurt am Main
  • 8Klinik für Gastroenterologie, Allg. Krankenhaus Celle, Celle
Die Teilnehmer der Konsensuskonferenz danken Frau C. Franke, Celle, für ihre engagierte Mitarbeit bei Organisation und Koordination während des Ablaufs der Konsensbildung.
Further Information

Prof. Dr. Herbert Koop

II. Innere Klinik, HELIOS Klinikum Berlin - Klinikum Buch

Hobrechtsfelder Chaussee 100

13125 Berlin

Phone: ++ 49/30/94 01 70 01

Fax: ++ 49/30/94 01 70 09

Email: hkoop@berlin.helios-kliniken.ded

Publication History

Publication Date:
07 February 2005 (online)

Table of Contents

Themenkomplex I: Definitionen, Epidemiologie und natürlicher Verlauf (ab Seite 165)

Themenkomplex II: Diagnostik (ab Seite 168)

Themenkomplex III: Therapie der nichterosiven Refluxkrankheit (NERD) (ab Seite 176)

Themenkomplex IV: Erosive Refluxkrankheit (ERD) (ab Seite 179)

Themenkomplex V: Extraösophageale Manifestationen (ab Seite 183)

Themenkomplex VI: Barrett-Ösophagus (ab Seite 185)

Themenkomplex VII: Chirurgische Therapie (ab Seite 191)

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Einführung

Die gastroösophageale Refluxkrankheit ist eine häufige Erkrankung in den Industrieländern der westlichen Welt. Die Prävalenz liegt bei 10 % der Bevölkerung, wenn mehrmals wöchentliche oder tägliche Refluxsymptome zugrunde gelegt werden. Die Erkrankung wird nicht nur zunehmend häufiger diagnostiziert (weil die betroffenen Patienten häufiger den Arzt aufsuchen), sondern es scheint, dass die Inzidenz ebenfalls zunimmt. Darüber hinaus hat sich das Spektrum der Refluxkrankheit in den letzten Jahren erweitert, so durch Beziehungen zu Symptomen des Respirationstraktes (so genannte extraösophageale Manifestationen). Parallel zur Zunahme der Refluxkrankheit wird auch eine mögliche, wenn auch seltene Folgekrankheit, nämlich das Adenokarzinom des distalen Ösophagus im Gefolge der Ausbildung eines Barrett-Ösophagus, in rasch wachsender Zahl beobachtet.

Aufgrund ihrer Häufigkeit führt die Erkrankung zu einer erheblichen Inanspruchnahme von Ressourcen im Gesundheitswesen. Diese betreffen nicht nur die finanziellen Aufwendungen für Arztbesuch und Diagnostik, sondern insbesondere für Medikamente in der Langzeittherapie bzw. für Antirefluxoperationen. So wurden allein 2001 in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Protonenpumpenblocker Esomeprazol, Omeprazol und Pantoprazol rund 230 Millionen € aufgewendet (WIdO - Wissenschaftliches Institut der AOK, 2002). Verlässliche Angaben über die Gesamtausgaben für Refluxkranke in Deutschland existieren nicht. Noch weniger transparent sind die indirekten Kosten, die durch Arbeits- und damit Produktivitätsausfall aufgrund von Refluxbeschwerden entstehen. Interviewbasierte Daten zeigten bei Patienten mit symptomatischem gastroösophagealen Reflux einen Arbeitsausfall in rund 10 % [1]. In Niedersachsen sind im Jahr 2001 aufgrund von statistischen Auswertungen der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung und der gesetzlichen Krankenversicherungen an ca. 160 000 Tagen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund von Erkrankungen mit den ICD-Nummern K21.0 (Refluxösophagitis), K21.9 (Refluxkrankheit ohne Ösophagitis) und K22.1 (Ösophagusulkus) ausgestellt worden (H. Jablonowski, pers. Mitteilung). Dies weist auf die beträchtlichen ökonomischen Aspekte der Refluxkrankheit hin.

Vor diesem Hintergrund erschien die Etablierung einer evidenzbasierten Leitlinie für Deutschland dringend geboten. Für die Refluxkrankheit liegt eine Leitlinie basierend auf den Ergebnissen der Genval-Konsensuskonferenz [2] vor, deren Empfehlungen in die Beratungen einbezogen wurden. Im Übrigen erfolgte die Vorbereitung in üblicher Weise (www.uni-duesseldorf.de/AWMF/II/index.html) mit systematischer Literatursuche in Medline, National Library of Medicine (PubMed) des NIH, der Cochrane Library sowie eigener Literatur. Die relevanten Arbeiten waren über das Sekretariat allen Teilnehmern zugänglich. Die Arbeitsgruppenleiter formulierten für ihre Arbeitsgruppen Fragebogen, die dann nach Beantwortung durch die Teilnehmer ausgewertet wurden („Delphi-Technik”). Nach einer Vorbereitungszeit tagten am 3. und 4.9.2001 die Arbeitsgruppen zur Formulierung eines Konsensusvorschlages („nominaler Gruppenprozess”), der dann anschließend im Plenum vorgestellt, diskutiert und gegebenenfalls modifiziert verabschiedet wurde. Die meisten Beschlüsse wurden im Konsens, d. h. mit einer Mehrheit von mehr als 80 %, verabschiedet, in Ausnahmefällen mit einer einfachen Mehrheit. Bei kontroversen Diskussionen wurde entweder auf die Formulierung einer Empfehlung verzichtet oder in der Empfehlung als noch offene Frage erkennbar gemacht, wenn es sich um ein relevantes Problem handelte. Nach Fertigstellung der schriftlichen Empfehlungen erfolgte eine intensive Abgleichung, um ggf. widersprüchliche Aussagen durch erneute Abstimmungen zwischen den betroffenen Arbeitsgruppen zu eliminieren.

Die Einteilung der Literatur erfolgte nach dem Schema (Tab. [1]) der Agency for Health Care Policy and Research [3], diejenige der Empfehlungsklassen der Leitlinienempfehlungen (Tab. [2]) entsprechend der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung [4]. Somit orientiert sich die Entwicklung der Leitlinie an den derzeit maßgeblichen Empfehlungen [4] [5] und erfüllt die Kriterien einer evidenzbasierten Leitlinie [6]. Naturgemäß kann eine Leitlinie nur als Handlungskorridor angewandt werden, von dem in begründeten individuellen Fällen selbstverständlich abgewichen werden kann. Die Finanzierung erfolgte durch Mittel, die von der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zur Verfügung gestellt wurden. Direkte finanzielle Zuwendungen an die Organisatoren z. B. durch die pharmazeutische Industrie wurden strikt vermieden.

Tab. 1 Evidenzgrade zur Bewertung von Studien nach Agency for Health Care Policy and Research (AHCPR)
EvidenzgradArt der Evidenz
IaEvidenz aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien
IbEvidenz aufgrund von mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie
IIaEvidenz aufgrund von mindestens einer gut angelegten kontrollierten Studie ohne Randomisierung
IIbEvidenz aufgrund mindestens einer anderen Art von gut angelegter, quasiexperimenteller Studie
IIIEvidenz aufgrund gut angelegter, nichtexperimenteller, deskriptiver Studien wie z. B. Vergleichsstudien, Korrelationsstudien und Fallkontrollstudien
IVEvidenz aufgrund von Berichten der Expertenausschüsse oder Expertenmeinungen und/oder klinischer Erfahrungen anerkannter Autoritäten
Tab. 2 Einteilung von Empfehlungsklassen nach der Ärztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherung
KlasseErläuterung
Aist belegt durch schlüssige Literatur guter Qualität, die mindestens eine randomisierte Studie enthält (Evidenzgrade Ia, Ib).
Bist belegt durch gut durchgeführte, nicht randomisierte klinische Studien (Evidenzgrade IIa, IIb, III).
Cist belegt durch Berichte und Meinungen von Expertenkreisen und/oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten. Weist auf das Fehlen direkt anwendbarer klinischer Studien guter Qualität hin (Evidenzgrad IV).

Alle Teilnehmer gedenken in großer Dankbarkeit Herrn Prof. Dr. med. Jürgen Hotz, ehemals Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie am Allgemeinen Krankenhaus Celle, für die Mitorganisation und Gastgeberfunktion bei der Konsensustagung. Jürgen Hotz hat sich unermüdlich für das Zustandekommen, die Durchführung und den erfolgreichen Abschluss eingesetzt. Er ist während der Arbeiten an der Formulierung der Konsensusempfehlungen plötzlich verstorben.

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Literatur

  • 1 Frank L, Kleinman L, Ganoczy D. et al . Upper gastrointestinal synmptoms in North America: prevalence and relationship to healthcare utilization and quality of life.  Dig Dis Sci. 2000;  45 809-818
  • 2 Dent J, Brun J, Fendrick A M. et al . An evidence-based appraisal of reflux disease management - the Genval Workshop Report.  Gut. 1999;  44 (Suppl 2) S1-S16
  • 3 Woolf S H. Practice guidelines: a new reality in medicine. III. Impact on patient care.  Arch intern med. 1993;  153 2646-2655
  • 4 Ollenschläger G, Oesingmann U, Thomeczek C. et al . Leitlinien und Evidence-based Medicine in Deutschland.  Munch Med Wochenschr. 1998;  38 502-505
  • 5 Selbmann K H. Entwicklung von Leitlinien in der Medizin - Kunst und Können?.  Chirurg. 1996;  67 (Suppl) 61-65
  • 6 Helou A, Lorenz W, Ollenschläger G. et al . Methodische Standards der Entwicklung evidenz-basierter Leitlinien in Deutschland.  Z Ärztl Fortbild Qualitätssich. 2000;  94 330-339

Prof. Dr. Herbert Koop

II. Innere Klinik, HELIOS Klinikum Berlin - Klinikum Buch

Hobrechtsfelder Chaussee 100

13125 Berlin

Phone: ++ 49/30/94 01 70 01

Fax: ++ 49/30/94 01 70 09

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Literatur

  • 1 Frank L, Kleinman L, Ganoczy D. et al . Upper gastrointestinal synmptoms in North America: prevalence and relationship to healthcare utilization and quality of life.  Dig Dis Sci. 2000;  45 809-818
  • 2 Dent J, Brun J, Fendrick A M. et al . An evidence-based appraisal of reflux disease management - the Genval Workshop Report.  Gut. 1999;  44 (Suppl 2) S1-S16
  • 3 Woolf S H. Practice guidelines: a new reality in medicine. III. Impact on patient care.  Arch intern med. 1993;  153 2646-2655
  • 4 Ollenschläger G, Oesingmann U, Thomeczek C. et al . Leitlinien und Evidence-based Medicine in Deutschland.  Munch Med Wochenschr. 1998;  38 502-505
  • 5 Selbmann K H. Entwicklung von Leitlinien in der Medizin - Kunst und Können?.  Chirurg. 1996;  67 (Suppl) 61-65
  • 6 Helou A, Lorenz W, Ollenschläger G. et al . Methodische Standards der Entwicklung evidenz-basierter Leitlinien in Deutschland.  Z Ärztl Fortbild Qualitätssich. 2000;  94 330-339

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