Klin Monbl Augenheilkd 2005; 222(5): 379-380
DOI: 10.1055/s-2005-858316
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Altersbedingte Makuladegeneration - neue Optionen in der Therapie?

Age-Related Macular Degeneration - New Options for Therapy?N. Bornfeld1
  • 1Zentrum für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen
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Publication Date:
23 May 2005 (online)

Über Jahre galt die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) als „de facto” unbehandelbar. Nur für eine Minderheit von Patienten mit extrafovealen klassischen chorioidalen Neovaskularisationen (CNV) kam unter Berücksichtigung der MPS-(Macular Photocoagulation Study)-Studien eine Behandlung mit thermischer Laserkoagulation infrage. Für die überwiegende Mehrheit der Patienten existierte keine Therapiemöglichkeit, so dass für betroffene Patienten nur der geringe Trost blieb, an dieser Erkrankung zwar nicht zu erblinden, wohl aber die Lesefähigkeit zu verlieren - keine befriedigende Perspektive. Dazu kam, dass auch für die Minderheit von Patienten, bei denen eine (thermische) Laserkoagulation indiziert war, eine Rezidivrate von mehr als 60 % hingenommen werden musste und auch die „erfolgreich” behandelten Patienten eine mehr oder weniger ausgeprägte Visusverschlechterung in Kauf nehmen mussten.

Diese für Arzt und Patient sehr unbefriedigende Situation hat sich in den letzten Jahren entscheidend geändert. Hatte man ursprünglich noch gehofft, durch eine chirurgische Extraktion der CNV bei neovaskulärer AMD eine Besserung oder zumindest einen geringeren Visusverlust im Vergleich zum Spontanverlauf der neovaskulären AMD zu erreichen, sind diese Hoffnungen zwar durch die jetzt publizierten Ergebnisse des „Submacular Surgery Trial” (SST) weitgehend zunichte gemacht worden [1] [2]. Die funktionellen Ergebnisse der Membranextraktion kombiniert mit einer chirurgischen Translokation der Makula und peripherer 360°-Retinotomie erscheinen sehr viel besser, obwohl dazu allerdings trotz intensiver Bemühungen einzelner Zentren noch keine Phase-II- oder Phase-III-Studien vorliegen [3].

Entscheidende Fortschritte sind darüber hinaus in der medikamentösen Therapie der AMD erreicht worden. Dabei haben sich zwei wesentliche Angriffspunkte einer möglichen medikamentösen Therapie der neovaskulären AMD herausgestellt.

Ein erster Ansatz war die die intensive Suche nach Möglichkeiten, den Verschluss der Gefäße innerhalb der CNV durch andere Methoden als die thermische Koagulation zu erreichen, die immer eine Schädigung der über der CNV liegenden Netzhaut zur Folge hat. Schon länger bekannte Ansätze zur photodynamischen Therapie (PDT) mit Hämatoporphyrin-Derivaten waren wegen der sehr hohen Phototoxizität dieser Substanz verlassen worden. Erst die Verwendung von Benzoporphyrin-Derivaten wie Verteporfin ermöglichte die klinische Anwendung dieses Therapieprinzips, das sich die laserinduzierte Photothrombose in pathologischen Gefäßen zunutze macht. Erste Ergebnisse zur PDT der neovaskulären AMD wurden 1999 veröffentlicht; zwischenzeitlich sind mehrere Phase-III-Studien publiziert worden, die die Wirksamkeit dieser Methode bei überwiegend klassischen CNVs belegen [4], so dass diese Therapie mittlerweile in allen Industrieländern zugelassen ist.

Wenn auch die PDT das Arsenal therapeutischer Methoden bei der AMD erheblich erweitert hat, kann die PDT in der großen Mehrzahl der behandelbaren Fälle keine Visusverbesserung erreichen, sondern lediglich den Visusverlust begrenzen. Das zunehmende Verständnis der Pathogenese der neovaskulären AMD und der Rolle der Wachstumsfaktoren wie insbesondere der verschiedenen Isoformen des „Vascular Endothelial Growth Factors” (VEGF) haben deshalb eine intensive Suche nach Substanzen, die die offensichtlich für den Verlauf entscheidende VEGF-Wirkung unterbrechen [5], zur Folge gehabt. Schon länger bekannte Ergebnisse der auf den über 30 Jahre alten Ideen von Judah Folkman [6] beruhenden onkologischen Grundlagenforschung waren die Ausgangsbasis für die jetzt zur Behandlung der neovaskulären AMD zur Verfügung stehenden Substanzen. Dabei sind sowohl modifizierte, ausschließlich antiangiogenetisch wirksame Steroide (Anecortave Acetat) als auch direkte VEGF-Inhibitoren, die entweder als sog. Aptamere (z. B. Pegabtanib) oder als VEGF-Antikörper wie Ranibizumab zur Verfügung stehen, wirksam. Wesentliche Unterschiede beziehen sich neben dem pharmakologischen Wirkprinzip auf die Applikationsart, die entweder juxtaskleral (also extraokular) wie beim Anecortave Acetat oder intraokular durch periodische Injektionen wie bei den genannten VEGF-Inhibitoren erfolgen muss. Dies hat erhebliche Unterschiede in der Akzeptanz durch den Patienten und im Risikoprofil zur Folge [7]. (Für die Ophthalmologie) neue Substanzen sind schon am Horizont, wie das aus der Behandlung kolorektaler Karzinome zugelassene Bevacizumab [8], das möglicherweise auch systemisch wirksam ist, wobei die damit verbundenen Risiken noch nicht absehbar sind.

All diese neuen Entwicklungen machen eine Neubewertung der Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit AMD notwendig. Die Retinologische Gesellschaft und die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft als wissenschaftliche Fachgesellschaften haben in Abstimmung mit dem Berufsverband der Augenärzte Deutschlands ein in dieser Ausgabe der Klinischen Monatsblätter veröffentlichtes Konsenspapier verfasst, das versucht, die Fülle der jetzt vorliegenden wissenschaftlichen Studien so zusammenzufassen, dass eine optimale Entscheidung über die zurzeit optimale Therapie in der individuellen Situation eines betroffenen Patienten erleichtert wird. Dieses Konsenspapier kann in Anbetracht der Dynamik des wissenschaftlichen Fortschritts zu diesem Thema nur von begrenzter Gültigkeitsdauer sein, so dass in absehbarer Zeit eine Revision notwendig sein wird. Diese Dynamik zeigt nach Jahren des Stillstands aber auch, dass für die betroffenen Patienten Therapieoptionen eröffnet werden, die noch vor einigen Jahren undenkbar waren und die angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung in den westlichen Industriestaaten von großer sozialmedizinischer Bedeutung sind.

Literatur

  • 1 Hawkins B S, Bressler N M, Bressler S B. et al . Surgical removal vs observation for subfoveal choroidal neovascularization, either associated with the ocular histoplasmosis syndrome or idiopathic: I. Ophthalmic findings from a randomized clinical trial: Submacular Surgery Trials (SST) Group H Trial: SST Report No. 9.  Arch Ophthalmol. 2004;  122 1597-1611
  • 2 Hawkins B S, Miskala P H, Bass E B. et al . Surgical removal vs observation for subfoveal choroidal neovascularization, either associated with the ocular histoplasmosis syndrome or idiopathic: II. Quality-of-life findings from a randomized clinical trial: SST Group H Trial: SST Report No. 10.  Arch Ophthalmol. 2004;  122 1616-1628
  • 3 Kirchhof B. Makulatranslokation. Bessere Prognosen für AMD-Patienten.  Ophthalmologe. 2002;  99 143
  • 4 Guidelines for using verteporfin (Visudyne) in photodynamic therapy for choroidal neovascularization due to age-related macular degeneration and other causes: update.  Retina. 2005;  25 119-134
  • 5 Csaky K. Anti-vascular endothelial growth factor therapy for neovascular age-related macular degeneration: promises and pitfalls.  Ophthalmology. 2003;  110 879-881
  • 6 Folkman J, Merler E, Abernathy C. et al . Isolation of a tumor factor responsible for angiogenesis.  J Exp Med. 1971;  133 275-288
  • 7 Schachat A P. New treatments for age-related macular degeneration.  Ophthalmology. 2005;  112 531-532
  • 8 Ferrara N. Vascular endothelial growth factor: basic science and clinical progress.  Endocr Rev. 2004;  25 581-611

Prof. Dr. N. Bornfeld

Zentrum für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen

45122 Essen

Email: retina@uni-essen.de