Einleitung
Einleitung
Alkoholabhängige, die nach der Therapie für längere Zeit arbeitslos bleiben, unterliegen einem im Vergleich zu Erwerbstätigen erheblich höheren Rückfallrisiko [1]
[2]. Eine berufliche Reintegration, die das Risiko reduzieren könnte, gelingt oft nicht aufgrund der herrschenden Arbeitsmarktverhältnisse, die für die Gruppe der Alkoholabhängigen in Behandlung infolge häufiger Arbeitsmarkthandicaps besonders restriktiv sind: hohes Alter, geringe schulisch-berufliche Qualifikation und lange Arbeitslosigkeitszeiten. Hinzu kommen die in der Regel schweren und oft frühen Rückfälle der Arbeitslosen [1]
[2], die die Reintegrationschancen zusätzlich mindern. Daher ist es sinnvoll und notwendig, eine spezifische Rückfallprävention für Arbeitslose zu entwickeln, die flankierend zur Förderung der beruflichen Wiedereingliederung und möglichst bereits während der Behandlung durchzuführen wäre.
Ziel und Fragestellungen
Ziel und Fragestellungen
Dies setzt eine genaue Kenntnis der rückfallbeeinflussenden Bedingungen der Arbeitslosen voraus. Diese Faktoren zu identifizieren, ist Ziel der vorliegenden Studie. Dazu wurde untersucht: Welche Patientenmerkmale sind bedeutsame Prädiktoren des Rückfalls der Arbeitslosen, die als Alkoholabhängige eine stationäre Maßnahme der medizinischen Suchtrehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) absolvierten und deren Therapieziel in Hinblick auf die Suchtproblematik die Alkoholabstinenz war? Darüber hinaus wurde geprüft, ob die Prädiktoren der Arbeitslosen sich von denen der Erwerbstätigen unterscheiden und ob die statistisch ermittelten Prädiktionsmodelle eine bessere Rückfallvorhersage leisten als die erfahrungsgestützten Prognosen der Therapeuten/Therapeutinnen.
Datenbasis
Datenbasis
Die Datenbasis ist das ARA-Projekt[1], das in der Fachklinik Wilhelmsheim (Oppenweiler, nahe Stuttgart) in Kooperation mit dem Institut für Suchtforschung der Fachhochschule Frankfurt/Main in den Jahren 2001 - 2004 durchgeführt wurde und als Längsschnittuntersuchung mit 4 Messzeitpunkten angelegt war: Beginn und Ende der Behandlung (t1, t2) sowie 6- und 12-Monats-Katamnese (t3, t4). Einbezogen in die Untersuchung war der Entlassjahrgang 2002 (n = 929), darunter bei Aufnahme 397 Arbeitslose und 435 Erwerbstätige mit der Erstdiagnose „Alkoholabhängigkeitssyndrom” (ICD-10 F10.2). Der Frauenanteil bei den Arbeitslosen und Erwerbstätigen war etwa gleich hoch (22 bzw. 26 %). Der Altersdurchschnitt betrug 44 bzw. 45 Jahre. Höchstens einen Hauptschulabschluss hatten 70 % der Arbeitslosen und 59 % der Erwerbstätigen und keine abgeschlossene Berufsausbildung 23 bzw. 14 %. Zum Zeitpunkt der Aufnahme waren die Arbeitslosen durchschnittlich 24 Monate ununterbrochen ohne Arbeit. In Hinblick auf diese und weitere soziodemografische Daten ist die ARA-Studie repräsentativ für die gegenwärtige Situation im Bereich der stationären Suchtrehabilitation Alkoholabhängiger [3]. Näheres zur Untersuchungsanlage, weiteren Stichprobencharakteristika und den bisherigen Ergebnissen zu den verschiedenen Messzeitpunkten s. Henkel et al. (2003, 2004, 2005) [1]
[2]
[4]
[5].
Forschungsstand
Forschungsstand
Systematische Untersuchungen zur Prädiktion des am Kriterium der Abstinenz bzw. Rückfälligkeit gemessenen Therapieerfolgs bei Arbeitslosen liegen bislang nicht vor. Daher kann lediglich auf den allgemeinen Stand der Forschung verwiesen werden.
Müller-Fahrnow et al. (2002) [6] kommen nach Durchsicht der internationalen Literatur zu dem Ergebnis, dass für folgende Patientenmerkmale ein deutlich negativer Einfluss auf den Behandlungserfolg nachgewiesen wurde: lange Chronizität und hoher Schweregrad der Abhängigkeit, Komorbidität (Substanzabhängigkeit und psychische Störungen), keine feste Lebenspartnerschaft, Konflikte und Belastungen in Familie bzw. Partnerschaft, instabile soziale Lage, unzureichende soziale Integration und Unterstützung, Arbeitslosigkeit und Geschlecht (oft höheres Rückfallrisiko für Frauen). In deutschen Studien allerdings sind keine Differenzen im Behandlungserfolg zwischen Männern und Frauen zu finden [7].
Auch dem Forschungsreview von Rist (1997) [8] ist zu entnehmen, dass von einer stabilen sozialen Lage (Partnerschaft, Arbeitsplatzsicherheit, Wohnverhältnisse) starke rückfallprotektive Effekte ausgehen.
Körkel (1999) [9] betont auf der Grundlage einer Literaturübersicht ebenso die soziale Integration und Unterstützung als wichtige abstinenzstützende Bedingungen und nennt darüber hinaus als Risikofaktoren: Depressivität bzw. Wertlosigkeitsgefühl, unzureichende Problembewältigungskompetenzen und, ebenso wie Rist, abstinenzbezogene Kognitionen wie z. B. geringe Abstinenzzuversicht und negative Abstinenzerwartungen.
Mehreren Katamnesestudien zufolge haben zudem jene Personen überproportional hohe Rückfallrisiken, die bereits während der Behandlung rückfällig wurden und deren Rückfall nicht konstruktiv therapeutisch bearbeitet wurde [9]
[10]. Nach den Ergebnissen von Rist (1997) [8] sind Rückfälle während der Therapie sogar der stärkste Prädiktor für die Rückfälligkeit nach der Behandlung. Weitere Risikogruppen sind nachweislich die Behandlungsabbrecher und die Suchtbehandlungswiederholer [1]
[2]
[10]
[11]
[12].
Allerdings ist der Forschungsstand nicht zufrieden stellend. Viele Untersuchungen sind aufgrund unterschiedlicher Behandlungssettings und Erfolgskriterien nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Oft fehlen Differenzierungen zwischen den verschiedenen Abhängigkeitsdiagnosen (Alkohol, Drogen, Medikamente), zwischen ambulanter und stationärer Behandlung und ebenso Drop-out-Analysen in der Katamnesestichprobe. Nur selten wurden multivariate Verfahren angewendet, die Aufschluss darüber geben, welches Gewicht den einzelnen Faktoren in der Prognose des Behandlungserfolgs zukommt. Zudem erfolgte die Prädiktion häufig anhand von Merkmalen im Katamnesezeitraum, wobei unklar blieb, ob diese dem Rückfall zeitlich vorausgingen oder Folge der Rückfälligkeit waren.
Prädiktionsmodell
Prädiktionsmodell
In der vorliegenden Untersuchung bildete die Entlassdiagnostik (t2) die Basis der Rückfallprädiktion. Grundsätzlich betrachtet ist die Entlassdiagnostik für eine Vorhersage am besten geeignet, da sie dem Rückfall zeitlich vorausgeht, im Unterschied zur Aufnahmediagnostik die erreichten therapeutischen Veränderungen berücksichtigt und zugleich die Ausgangsbedingungen im Katamnesezeitraum abbildet[2]. Der t2-Prädiktorensatz wurde um einige Merkmale aus anderen Messzeitpunkten ergänzt, die ebenfalls dem Rückfall zeitlich vorgelagert waren (Tab. [1]).
Tab. 1 Untersuchte Merkmale, Messinstrumente und Messzeitpunkte
Merkmale/Messinstrumente | t | Autoren |
Suchtanamnese, Substanzkonsum während Behandlung
| | |
Alkoholabhängigkeitsdauer (BADO Sucht) | t1 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
Zahl bisheriger Entzugsbehandlungen (BADO Sucht) | t1 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
wiederholte stationäre Entwöhnungsbehandlung (BADO Sucht) | t1 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
Substanzkonsum während der Behandlung (BADO Sucht) | t1-t2 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
abstinenzbezogene Kognitionen
| | |
Abstinenzzuversicht in Craving-Situationen (Subskala der Alcohol Abstinence Self-Efficacy Scale AASE) | t2 | DiClemente et al. 1994 [17]
|
negative Abstinenzerwartungen (Subskala des Abstinenzerwartungs-Fragebogens ABER) | t2 | Ackermann & Munckes 1998 [18]
|
soziale Integration und Unterstützung
| | |
soziale Partizipation (SSP-Skala) | t2 | Zemlin et al. 2002 [19]
|
soziale Unterstützung (SU-Skala) | t2 | Weich 2000 [20]
|
regelmäßige Teilnahme an Suchtselbsthilfegruppen (Katamnese Sucht 2002) | t3 | AHG-Wissenschaftsrat 2002 [21]
|
regelmäßige Teilnahme an professioneller Suchtberatung (Katamnese Sucht 2002) | t3 | AHG-Wissenschaftsrat 2002 [21]
|
Partnerschaft
| | |
feste Partnerschaft (BADO Sucht) | t2 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
Unzufriedenheit mit der Partnersituation (Subskala der LZ-Skala) | t2 | AHG-Wissenschaftsrat 1997 [22]
|
Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit
| | |
Wertlosigkeitsgefühl (Subskala der Skala Selbstwertgefühl SWG) | t2 | Badura et al. 1987 [23]
|
Global Severity Index GSI der Symptom-Checkliste SCL-90-R | t2 | Franke et al. 1995 [24]
|
Problembewältigungsverhalten
| | |
aktives Coping (Subskala der Skala Coping) | t2 | Jerusalem 1993 [25]
|
emotionales Coping (Subskala der Skala Coping) | t2 | Jerusalem 1993 [25]
|
arbeits- und arbeitslosigkeitsspezifische Merkmale
| | |
Summe der Arbeitslosigkeitszeiten letzte 3 Jahre bis t1 (BADO Sucht) | t1 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation (Subskala der Skala Lebenszufriedenheit LZ) | t2 | AHG-Wissenschaftsrat 1997 [22]
|
subjektive Bedeutung der Erwerbsarbeit (SBE-Skala) | t2 | Henkel et al. 2002 [26]
|
Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung (BADO Sucht) | t2 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
weitere Merkmale
| | |
Unzufriedenheit mit der Freizeitgestaltung (Subskala der LZ-Skala) | t2 | AHG-Wissenschaftsrat 1997 [22]
|
finanzielle Probleme und Belastungen (FB-Skala) | t2 | Brinkmann 1984 [27]
|
Geschlecht (BADO Sucht) | t1 | AHG-Wissenschaftsrat 2001 [16]
|
Die statistische Analyse der Prädiktoren erfolgte anhand multipler logistischer Regressionen (s. unten). Das zu prognostizierende Kriterium war die Rückfälligkeit bzw. Abstinenz im Zeitraum der 6-Monats-Katamnese. Als alkoholrückfällig bzw. alkoholabstinent galt, wer angab, während der Katamnesezeit Alkohol bzw. keinen Alkohol konsumiert zu haben (s. Rückfalldaten).
Die 6-Monats-Katamnese wurde gewählt, weil sie der Entlassdiagnostik unmittelbar folgte, anders als die t4-Katamnese, die sich auf den 7. bis 12. Monat nach Behandlungsende bezog. Zudem ist der Übergang vom Behandlungssystem in den Alltag bekanntlich die mit Abstand prekärste Phase. Das belegen auch die ARA-Projektdaten: Rund zwei Drittel der im t3-Katamnesezeitraum rückfälligen Arbeitslosen und Erwerbstätigen mit konstantem Erwerbsstatus (s. unten Stichprobe) wurden bereits in den ersten 3 Monaten nach Entlassung rückfällig, ein Drittel der Arbeitslosen und ein Fünftel der Erwerbstätigen sogar im ersten Monat [1]
[2]. Daher sind vor allem Prädiktoren der frühen Rückfälligkeit erforderlich, um daraus präventive Interventionen ableiten zu können, die bereits während der Suchtbehandlung realisiert und bereits zu Beginn des Nachbehandlungszeitraumes wirksam werden müssen.
Der Einfluss des Behandlungsabbruchs auf das Rückfallrisiko wurde nicht regressionsanalytisch untersucht, da für die Behandlungsabbrecher nur unvollständige t2-Daten vorlagen. Auf den Zusammenhang zwischen Behandlungsabbruch, Rückfallrisiko und Erwerbsstatus wird gesondert eingegangen (Tab. [6]).
Untersuchte Merkmale und Messinstrumente
Untersuchte Merkmale und Messinstrumente
Aufgrund der Neuigkeit der Fragestellung wurde ein eher exploratives Vorgehen gewählt, d. h. ein breites Spektrum möglicher Prädiktoren in die Regressionsanalyse einbezogen. Eine Übersicht mit Messzeitpunkt und Autoren der verwendeten Merkmale und Skalen gibt Tab. [1]. Die Auswahl orientierte sich zum einen am berichteten Forschungsstand (Alkoholabhängigkeitsdauer, Entzugs- und Entwöhnungsbehandlungswiederholung, Rückfall während der Behandlung, Wertlosigkeitsgefühle, Komorbidität, soziale Integration und Unterstützung, Partnerschaft, Coping, abstinenzbezogene Kognitionen) und zum anderen an Ergebnissen der Arbeitslosenforschung. Sie belegt, dass lange Arbeitslosigkeitszeiten, starke finanzielle Belastungen, eine hohe subjektive Bedeutung der Erwerbsarbeit und Probleme bei der Gestaltung der freien Zeit die negativen psychosozialen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit deutlich verschärfen können [4]
[13] und damit möglicherweise auch das Rückfallrisiko erhöhen. Von zwei weiteren Problemen wurden ebenfalls rückfallfördernde Effekte erwartet: Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation (Arbeitslosigkeit bzw. Erwerbstätigkeit) und Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung, da starke gesundheitliche Einschränkungen die beruflichen Reintegrationschancen erheblich mindern [14]
[15].
Die einzelnen Merkmale und Skalen sind bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben [4]. Ergänzend sei angemerkt:
Das Merkmal „Substanzkonsum während der Behandlung” umfasste alle psychoaktiven Stoffe außer Nikotin. Die Skala „Soziale Partizipation” [19] misst die Häufigkeit der sozialen Kontakte zu anderen Personen (Familie, Bekannte, Freunde, Nachbarn u. a. m.) und die Skala „soziale Unterstützung” [20] den erfahrenen bzw. verfügbaren Rückhalt im persönlichen sozialen Netzwerk. Die Teilnahme an Suchtselbsthilfegruppen bzw. professioneller Suchtberatung war folgendermaßen definiert: regelmäßig während des gesamten 6-monatigen Katamnesezeitraums und beginnend unmittelbar nach Abschluss der Behandlung. So gefasst stellt die Teilnahme an Selbsthilfegruppen bzw. professioneller Suchtberatung ebenfalls eine Ausgangsbedingung im Katamnesezeitraum dar und kann daher zur Rückfallprädiktion herangezogen werden.
Der Global Severity Index (GSI) der Symptom-Checkliste SCL-90-R [24] erfasst den Schweregrad der Belastung durch Symptome psychischer Störungen und diente als Indikator für das Vorliegen einer Komorbiditätssymptomatik. Die Skala „aktives Coping” [25] bildet ein zielstrebiges und problemadäquates Herangehen an Lebensprobleme ab, die Skala „emotionales Coping” [25] hingegen primär ein Verdrängen bzw. sich Ablenken von Problemen u. a. durch Essen, Rauchen, Trinken, Fernsehen. Die zur Messung der subjektiven Bedeutung der Erwerbsarbeit entwickelte SBE-Skala [26] erstreckt sich auf verschiedene psychosoziale Funktionen der Arbeit, wie z. B. Arbeit vermittelt Zukunftssicherheit, Lebenssinn, soziale Kontakte und Zeitstrukturen. Die Subskala „negative Abstinenzerwartungen” des Abstinenzerwartungs-Fragebogens [18] bezieht sich auf die Antizipation problematischer Folgen durch die Abstinenz nach Behandlung und die Skala „finanzielle Probleme und Belastungen” [27] z. B. auf Schulden, Mietrückstände, Nicht-einhalten-Können von Zahlungsverpflichtungen.
Stichprobe
Stichprobe
Die Stichprobenzusammensetzung nach Erwerbsstatus zu den Messzeitpunkten t1 bis t3 gibt Tab. [2] wieder. An der 6-Monats-Katamnese beteiligten sich insgesamt 682 Personen. Davon hatten 546 (80,1 %) im 6-monatigen Katamnesezeitraum einen konstanten Erwerbsstatus: 212 waren durchgehend arbeitslos, 334 durchgehend erwerbstätig. Diese beiden Gruppen, im Folgenden t3-konstant Arbeitslose und t3-konstant Erwerbstätige, erfüllten die zur Untersuchung der Fragestellungen entscheidende Voraussetzung, nämlich dass die Rückfälle eindeutig unter der Erwerbsstatusbedingung „arbeitslos” bzw. „erwerbstätig” auftraten. Ausgeschlossen wurden die Behandlungsabbrecher. Somit umfasst die Untersuchungsstichprobe, auf die sich, wenn nicht anders vermerkt, alle nachfolgenden Ausführungen beziehen, 181 t3-konstant Arbeitslose und 314 t3-konstant Erwerbstätige.
Tab. 2 Stichprobenzusammensetzung nach Messzeitpunkt und Erwerbsstatus
t[*]
| Erwerbsstatus | n | % |
t1 | gesamt | 929 | 100,0 |
| Arbeitslose | 397 | 42,7 |
davon Therapieabbruch | 70 | |
Erwerbstätige | 435 | 46,8 |
davon Therapieabbruch | 36 | |
Nichterwerbspersonen | 97 | 10,4 |
davon Therapieabbruch | 13 | |
t2 | gesamt | 810 | 100,0 |
| Arbeitslose | 301 | 37,2 |
Erwerbstätige | 425 | 52,5 |
Sonstige | 84 | 10,4 |
t3 | Katamneseantworter gesamt | 682 | 100,0 |
| konstant Arbeitslose | 212 | 31,1 |
davon Therapieabbruch | 31 | |
konstant Erwerbstätige | 334 | 49,0 |
davon Therapieabbruch | 20 | |
zeitweise arbeitslos/erwerbstätig | 64 | 9,4 |
konstant Nichterwerbspersonen | 46 | 6,7 |
Sonstige | 26 | 3,8 |
Anmerkung: Die zu t2 Arbeitslosen und Erwerbstätigen setzen sich zusammen aus den t1 bis t2 Arbeitslosen und Erwerbstätigen (ohne Behandlungsabbrecher) sowie aus Erwerbsstatuswechslern von t1 nach t2
|
Statistische Bearbeitung
Statistische Bearbeitung
Die statistische Bearbeitung erfolgte mit SPSS Version 12.01. Für univariate Gruppenvergleiche wurde der Pearson-χ2-Test bei kategorialen und der t-Test bei numerischen Variablen angewendet mit jeweils zweiseitiger Signifikanzprüfung (Signifikanzniveau p < 0,05). Zur multiplen logistischen Regression siehe unten.
Rückfalldaten
Rückfalldaten
Tab. [3] zeigt, dass von den 181 Arbeitslosen 82 und von den 314 Erwerbstätigen 73 alkoholrückfällig wurden. Dass es sich dabei um relevante Formen der Rückfälligkeit handelte, ist daran ablesbar, dass die Arbeitslosen im Mittel an 4,3 und die Erwerbstätigen an 2,8 Tagen pro Woche während der gesamten Katamnesezeit Alkohol konsumierten, die durchschnittliche Alkoholmenge pro Trinktag bei den Arbeitslosen rund 145 g und bei den Erwerbstätigen 87 g betrug und bei 59 der 82 (72,0 %) rückfälligen Arbeitslosen und 29 der 73 (39,7 %) rückfälligen Erwerbstätigen wieder eine Alkoholabhängigkeit vorlag, d. h., nach Angaben der Befragten waren mindestens drei der sechs Symptome des ICD-10 F10.2-Alkoholabhängigkeitssyndroms erfüllt. Die Daten lassen erkennen, dass die Arbeitslosen nicht nur häufiger, sondern auch erheblich häufiger in gravierenden Formen rückfällig wurden.
Tab. 3 Rückfalldaten der Arbeitslosen und Erwerbstätigen
t3-Erwerbsstatus[*]
| konstant arbeitslos n = 181 | konstant erwerbstätig n = 314 | |
Rückfallmerkmale | n | % | n | % | χ2
| df | p |
Alkoholrückfall | 82 | 45,3 | 73 | 23,2 | 25,97 | 1 | 0,000 |
Rückfall in Alkoholabhängigkeit ICD-10 F10.2 | 59 | 32,6 | 29 | 9,2 | 43,18 | 1 | 0,000 |
| M/SD | M/SD | t | df | p |
Trinktage pro Woche *) | 4,4/2,3 | 2,9/1,9 | 3,73 | 148 | 0,000 |
Trinkmenge in g pro Trinktag *) | 144,6/123,0 | 86,5/87,3 | 3,36 | 148 | 0,001 |
Anmerkung: M arithmetisches Mittel, SD Standardabweichung, *) bezogen auf die Alkoholrückfälligen
|
Drop-out-Analyse
Drop-out-Analyse
Es war zu untersuchen, ob sich die Katamneseteilnehmer von den Nichtteilnehmern in den für die Rückfallprädiktion ausgewählten Merkmalen unterschieden. Da jedoch unbekannt war, wer von den Nichtantwortern konstant arbeitslos bzw. erwerbstätig war, wurde die Drop-out-Analyse wie folgt durchgeführt: Die t3-konstant Arbeitslosen und Erwerbstätigen (n = 181 und 314), die an der Katamnese teilnahmen, wurden mit jenen bei Entlassung Arbeitslosen bzw. Erwerbstätigen verglichen, die sich nicht an der t3-Katamnese beteiligten (n = 92 und 76).
Bei den Arbeitslosen zeigte sich lediglich eine statistisch bedeutsame Differenz. Die t3-konstant Arbeitslosen hatten höhere Werte in der Abstinenzzuversicht in Craving-Situationen: M/SD 4,5/0,6 zu 4,2/0,8, t 2,78, df 271, p 0,006. Die t3-konstant Erwerbstätigen hingegen unterschieden sich von den bei Entlassung Erwerbstätigen ohne Katamnesebeteiligung in vier Merkmalen signifikant: Sie hatten durchschnittlich weniger Entzugsbehandlungen absolviert (M/SD 1,4/1,7 zu 2,6/5,1, t 3,52, df 388, p 0,000), wiesen eine niedrigere Summe der Arbeitslosigkeitszeiten in den letzten drei Jahren bis Behandlungsbeginn auf (M/SD 1,3/5,2 zu 4,1/9,9 Monate, t 3,45, df 388, p 0,001), hatten zum Zeitpunkt der Entlassung niedrigere negative Abstinenzerwartungen (M/SD 2,7/1,1 zu 3,0/1,3, t 2,15, df 388, p 0,032) und geringere finanzielle Probleme und Belastungen (M/SD 1,2/0,4 zu 1,4/0,7, t 2,97, df 388, p 0,003).
Bei den t3-konstant Arbeitslosen ist nicht davon auszugehen, dass systematische Stichprobenausfälle aufgetreten waren. Hingegen ist bei den t3-konstant Erwerbstätigen eine partielle Überrepräsentation von Personen mit eher günstiger Prognose anzunehmen. Dadurch kann möglicherweise auch die Quote der Rückfälligen (Tab. [3]) tendenziell unterschätzt sein.
Multiple logistische Regression
Multiple logistische Regression
In die multiplen logistischen Regressionen gingen ein: das dichotome Kriterium alkoholrückfällig vs. alkoholabstinent als abhängige Variable und die in Tab. [4] aufgeführten Merkmale als unabhängige Variablen.
Tab. 4: Unterschiede zwischen arbeitslosen und erwerbstätigen Alkoholrückfälligen und Alkoholabstinenten
t3-Erwerbsstatus[*]
| konstant arbeitslos n = 181 |
| rückfällig | abstinent | | | |
| n | n | χ2
| df | p |
gesamt | 82 | 99 | | | |
Männer/Frauen | 62/20 | 78/21 | 0,26 | 1 | ns |
feste Partnerschaft ja/nein | 35/47 | 52/47 | 2,29 | 1 | ns |
wiederholte stationäre Entwöhnungsbehandlung ja/nein | 44/38 | 29/70 | 11,06 | 1 | 0,001 |
Substanzkonsum während Behandlung ja/nein | 17/69 | 8/94 | 9,29 | 1 | 0,001 |
Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung ja/nein | 14/68 | 28/71 | 3,16 | 1 | ns |
regelmäßige Teilnahme an: | | | | | |
Suchtselbsthilfegruppen ja/nein | 19/63 | 39/60 | 5,42 | 1 | 0,020 |
professioneller Suchtberatung ja/nein | 25/57 | 44/55 | 3,70 | 1 | ns |
|
M/SD
|
M/SD
|
t
|
df
|
p
|
Alkoholabhängigkeitsdauer in Jahren | 13,6/8,5 | 11,6/7,4 | 1,69 | 179 | ns |
Zahl bisheriger Entzugsbehandlungen | 4,8/6,2 | 1,8/1,9 | 4,58 | 179 | 0,000 |
soziale Unterstützung | 2,6/0,7 | 2,7/0,8 | 0,71 | 179 | ns |
soziale Partizipation | 6,6/2,5 | 6,8/2,5 | 0,53 | 179 | ns |
Unzufriedenheit mit der Partnersituation | 3,4/1,7 | 2,7/1,6 | 3,04 | 179 | 0,003 |
Wertlosigkeitsgefühl *) | 2,8/0,6 | 2,9/0,6 | 1,02 | 179 | ns |
Global Severity Index GSI | 0,4/0,4 | 0,3/0,4 | 0,98 | 179 | ns |
aktives Coping | 3,5/0,5 | 3,8/0,4 | 2,96 | 179 | 0,004 |
emotionales Coping | 1,9/0,5 | 1,7/0,5 | 2,14 | 179 | 0,034 |
Summe Arbeitslosigkeit letzte 3 Jahre (Monate) bis t1 | 18,4/13,3 | 14,0/12,4 | 2,30 | 179 | 0,023 |
Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation | 4,7/1,5 | 4,6/1,6 | 0,57 | 179 | ns |
subjektive Bedeutung der Erwerbsarbeit | 2,0/0,4 | 2,0/0,5 | 0,55 | 179 | ns |
Unzufriedenheit mit der Freizeitgestaltung | 2,9/1,2 | 2,5/1,2 | 2,50 | 179 | 0,013 |
finanzielle Probleme und Belastungen | 1,3/0,5 | 1,4/0,6 | 0,49 | 179 | ns |
negative Abstinenzerwartungen | 3,2/1,1 | 2,7/1,1 | 2,84 | 179 | 0,005 |
Abstinenzzuversicht in Craving-Situationen | 4,4/0,6 | 4,5/0,6 | 1,34 | 179 | ns |
t3-Erwerbsstatus
|
konstant erwerbstätig n = 314
|
|
rückfällig
|
abstinent
| | | |
|
n
|
n
|
χ2
|
df
|
p
|
gesamt | 73 | 241 | | | |
Männer/Frauen | 46/27 | 177/64 | 2,96 | 1 | ns |
feste Partnerschaft ja/nein | 44/29 | 157/84 | 0,74 | 1 | ns |
wiederholte stationäre Entwöhnungsbehandlung ja/nein | 11/62 | 50/191 | 1,15 | 1 | ns |
Substanzkonsum während Behandlung ja/nein | 5/68 | 2/239 | **) | | |
Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung ja/nein | 3/70 | 12/229 | **) | | |
regelmäßige Teilnahme an | | | | | |
Suchtselbsthilfegruppen ja/nein | 26/47 | 106/135 | 1,61 | 1 | ns |
professioneller Suchtberatung ja/nein | 29/44 | 115/126 | 1,44 | 1 | ns |
|
M/SD
|
M/SD
|
t
|
df
|
p
|
Alkoholabhängigkeitsdauer in Jahren | 9,7/6,2 | 11,9/7,5 | 2,33 | 312 | 0,024 |
Zahl bisheriger Entzugsbehandlungen | 1,5/1,7 | 1,3/1,7 | 0,60 | 312 | ns |
soziale Unterstützung | 2,9/0,8 | 2,8/0,8 | 0,17 | 312 | ns |
soziale Partizipation | 7,7/2,1 | 7,8/2,4 | 0,36 | 312 | ns |
Unzufriedenheit mit der Partnersituation | 2,5/1,6 | 2,3/1,5 | 0,95 | 312 | ns |
Wertlosigkeitsgefühl *) | 3,0/0,4 | 3,2/0,6 | 1,73 | 312 | ns |
Global Severity Index GSI | 0,2/0,2 | 0,2/0,3 | 0,93 | 312 | ns |
aktives Coping | 3,7/0,4 | 3,6/0,5 | 0,72 | 312 | ns |
emotionales Coping | 1,6/0,4 | 1,7/0,5 | 1,45 | 312 | ns |
Summe Arbeitslosigkeit letzte 3 Jahre (Monate) | 1,2/5,0 | 1,3/5,3 | 0,11 | 312 | ns |
Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation | 2,3/1,2 | 2,2/1,3 | 1,05 | 312 | ns |
subjektive Bedeutung der Erwerbsarbeit | 2,2/0,4 | 2,3/0,4 | 1,56 | 312 | ns |
Unzufriedenheit mit der Freizeitgestaltung | 2,3/1,0 | 2,2/1,1 | 0,93 | 312 | ns |
finanzielle Belastungen | 1,3/0,5 | 1,2/0,4 | 1,54 | 312 | ns |
negative Abstinenzerwartungen | 3,0/1,1 | 2,6/1,0 | 2,63 | 312 | 0,009 |
Abstinenzzuversicht in Craving-Situationen | 4,4/0,6 | 4,5/0,7 | 0,41 | 312 | ns |
Anmerkung: Ergebnisse nach Missing-Ersatz, M arithmetisches Mittel, SD Standardabweichung, *) hohe Skalenwerte bedeuten aufgrund der Skalenpolung niedriges Wertlosigkeitsgefühl, **) aufgrund zu kleiner Fallzahlen nicht berechnet und nicht in die Regressionsanalyse aufgenommen
|
Als Methode für den Einschluss der unabhängigen Variablen in die Regressionsrechnung wurde die schrittweise Vorwärtsselektion (Likelihood Ratio) gewählt. Als Maß für die aufgeklärte Varianz wurde r2 nach Nagelkerke berechnet. Goodness-of-fit wurde mit dem Hosmer-Lemeshow-Test geprüft.
Es wurde eine Kreuzvalidierung durchgeführt. Dazu wurden die Stichproben nach einem Zufallsverfahren (Bernoulli) im Verhältnis von rund 75 zu 25 % in eine Analyse- und eine Validierungsstichprobe gesplittet. Bei diesem Verfahren wird anhand der Analysestichprobe das Regressionsmodell gebildet und mit der 25 %-Stichprobe validiert. Die Ergebnisse gelten dann als valide, wenn sich in der Validierungsstichprobe auf der Grundlage der für die Analysestichprobe ermittelten Prädiktoren ein annähernd gleich hoher Prozentsatz von Fällen richtig, d. h. als abstinent bzw. rückfällig, reklassifizieren lässt.
Fehlende Werte (Missing-Data) in einigen der unabhängigen Variablen traten in einer Größenordnung von maximal 15,3 bzw. 13,1 % auf (Arbeitslose bzw. Erwerbstätige). Dass es sich dabei um systematische Ausfälle handelte, ist insofern wenig wahrscheinlich, als sich die Gruppe mit vollständigen von der mit fehlenden Werten in der t1-Messung, die auch alle zu t2 erhobenen Merkmale umfasste, nicht signifikant unterschied. Dies zeigte sich sowohl bei den Arbeitslosen als auch den Erwerbstätigen.
Zur maximalen Ausschöpfung der Stichproben mussten fehlende Werte ersetzt werden. Dazu wurde ein Verfahren entwickelt und mit SPSS Version 12.01 durchgeführt, mit dem Missing-Data eines Merkmals nicht nur gemäß Mittelwert und Streuung, sondern korrespondierend zur kompletten Merkmalsverteilung zufallsersetzt werden. Das Verfahren ist bei numerischen und kategorialen Variablen anwendbar [28].
Ergebnisse der Arbeitslosen
Ergebnisse der Arbeitslosen
Tab. [4] gibt die Ergebnisse der univariaten Statistik der zur Rückfallprädiktion herangezogenen Merkmale wieder. Im Vergleich zu den abstinenten hatten die rückfälligen Arbeitslosen bereits signifikant mehr Entzugsbehandlungen hinter sich, einen höheren Anteil an Suchtbehandlungswiederholern (stationäre Entwöhnungsbehandlung), waren länger arbeitslos in den letzten drei Jahren bis Behandlungsbeginn und häufiger rückfällig während der Behandlung. Darüber hinaus waren sie bei Behandlungsende unzufriedener mit ihrer Partnersituation und Freizeitgestaltung und wiesen ein schwächer ausgeprägtes aktives und ein stärkeres emotionales Coping auf. Schließlich hatten sie bei Entlassung auch negativere Abstinenzerwartungen und nahmen seltener regelmäßig an Suchtselbsthilfegruppen teil.
Die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse in Tab. [5] zeigen, dass sich von den insgesamt 23 einbezogenen Merkmalen acht als signifikante Prädiktoren des Rückfalls der Arbeitslosen erwiesen, und zwar fünf als Risiko- und drei als Schutzfaktoren.
Bei den kategorialen Variablen geben die Odds Ratios den Faktor an, um den das Rückfallrisiko bei Vorliegen des Merkmals in Relation zur jeweiligen Referenzkategorie erhöht (OR> 1,00) bzw. reduziert (OR< 1,00) ist. Bei den numerischen Variablen vermindert bzw. erhöht sich das Rückfallrisiko um den jeweiligen OR-Faktor, wenn die Skalenwerte um eine Standardabweichung (SD)[3] variieren.
Kategoriale Merkmale: Der Substanzkonsum in Relation zur Abstinenz während der Behandlung war mit einem rund 15fach höheren Rückfallrisiko im Katamnesezeitraum assoziiert. Die regelmäßige Teilnahme an Suchtselbsthilfegruppen minderte das Risiko um das 3,3fache (OR 1:0,30). Entgegen der Erwartung war das Risiko im Fall der Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung im Vergleich zur Arbeitsfähigkeit um das 5,9fache (OR 1:0,17) niedriger. Wie das zu erklären ist, wird später diskutiert.
Numerische Merkmale: Ein stark ausgeprägtes aktives Coping reduzierte das Rückfallrisiko um das 3,5fache (OR 1:0,29) im Vergleich zu einem um eine Standardabweichung schwächeren Coping. Mit jeder um eine SD-Einheit höheren Zahl bisheriger Entzugsbehandlungen, stärkeren Unzufriedenheit mit der Freizeitgestaltung und der Partnersituation stieg das Risiko um das 1,5- bis 1,7fache. Hingegen erhöhte es sich mit jeder Standardabweichung der Arbeitslosigkeitsdauer (rund 13 Monate) lediglich um das 1,1fache. Auch die Untergrenze des Konfidenzintervalls liegt hier nur unwesentlich über 1,00.
Die Ergebnisse hinsichtlich verschiedener Gütekriterien zur Bewertung des logistischen Regressionsmodells waren: Die acht Merkmale zeigten sich auch mit der Methode der Rückwärtselimination (Likelihood Ratio) als signifikante Prädiktoren, was eine hohe Reliabilität des Regressionsmodells indiziert (Tutorial zu SPSS 12.01). Auch die Kreuzvalidierung erbrachte ein akzeptables Resultat, da die Prozentsätze der richtig klassifizierten Fälle relativ hoch sind und dicht beieinander liegen. Mit dem Regressionsmodell wurde rund die Hälfte der Varianz aufgeklärt. Positiv, d. h. insignifikant, fiel auch der Hosmer-Lemeshow-Test aus (Tab. [5]).
Tab. 5 Ergebnisse der multiplen logistischen Regression und Prognosen der Therapeuten/Therapeutinnen: t3-konstant Arbeitslose
Rückfallprädiktoren [*]
| OR | p | 95 %-KI |
Risikofaktoren
|
Substanzkonsum während der Behandlung | 15,23 | 0,014 | 1,75 - 132,5 |
Unzufriedenheit mit der Freizeitgestaltung | 1,69 | 0,014 | 1,21 - 2,58 |
Unzufriedenheit mit der Partnersituation | 1,61 | 0,002 | 1,25 - 2,17 |
Zahl bisheriger Entzugsbehandlungen | 1,53 | 0,000 | 1,22 - 1,93 |
Summe der Arbeitslosigkeitszeiten letzte 3 Jahre bis t1 | 1,10 | 0,003 | 1,02 - 1,21 |
Schutzfaktoren
|
Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung *) | 0,17 | 0,006 | 0,05 - 0,60 |
aktives Coping | 0,29 | 0,003 | 0,10 - 0,89 |
regelmäßige Teilnahme an Suchtselbsthilfegruppen | 0,30 | 0,022 | 0,10 - 0,84 |
r2 0,505 nach Nagelkerke, Hosmer-Lemeshow-Test χ2 4,89, df 8, p 0,770 |
Kreuzvalidierung, Klassifizierung
| AS | VS | Gesamt |
n | 138 | 43 | 181 |
richtig klassifizierte Fälle % |
Abstinente | 84,0 | 75,0 | 81,8 |
Rückfällige | 73,0 | 68,4 | 72,0 |
gesamt | 79,0 | 72,1 | 77,3 |
Prognosen der Therapeuten/Therapeutinnen
|
richtig prognostizierte Fälle % | | | |
Abstinente | | | 67,7 |
Rückfällige | | | 51,2 |
gesamt | | | 60,2 |
Anmerkung: OR Odds Ratios, KI Konfidenzintervall, AS Analysestichprobe, VS Validierungsstichprobe, *) s. Diskussion im Text
|
Darüber hinaus zeigt der Vergleich mit den am Ende der Behandlung gestellten Prognosen der Therapeuten/Therapeutinnen, dass das Regressionsmodell zu einer deutlich besseren Vorhersage führte. Der Anteil der durch die acht Prädiktoren richtig klassifizierten Fälle lag in der Gruppe der Rückfälligen um rund 21 Prozentpunkte, bei den Abstinenten um 14 und insgesamt um 17 Prozentpunkte über den Werten der Therapeuten/Therapeutinnen (Tab. [5]).
Ergebnisse der Erwerbstätigen
Ergebnisse der Erwerbstätigen
Tab. [4] ist zu entnehmen, dass sich die rückfälligen von den abstinenten Erwerbstätigen nur in den negativen Abstinenzerwartungen signifikant unterschieden und in der Alkoholabhängigkeitsdauer, wobei die kürzere Dauer bei den Rückfälligen wahrscheinlich auf ihr (nicht signifikant) niedrigeres Alter zurückging (M/SD 43,8/7,4 zu 45,4/7,3, t 1,622, ns).
Die Regressionsanalysen ergaben, dass bei drei lediglich leicht modifizierten Zufallssplittings der Stichprobe in eine Analyse- und Validierungsstichprobe (72:28 %, 75:25 %, 78:22 %) sich die Abhängigkeitsdauer und die Abstinenzerwartungen zwar konstant als signifikante Prädiktoren zeigten, doch darüber hinaus stets andere Variablen, so dass sich kein stabiles Rückfallprädiktionsmodell bilden ließ. Prädiktoren der Arbeitslosen fanden sich in keiner der gerechneten Varianten.
Auch für die Therapeuten/Therapeutinnen war es schwierig, die Rückfälligen in der Gruppe der Erwerbstätigen richtig vorherzusagen. Zwar wurden insgesamt 67,2 % aller Erwerbstätigen richtig prognostiziert, sogar 81,7 % der Abstinenten, jedoch lediglich 19,2 % der Rückfälligen.
Ergebnisse zum Therapieabbruch
Ergebnisse zum Therapieabbruch
Differenziert man zwischen den verschiedenen Formen der Therapiebeendigung, so ist festzustellen, dass in Relation zu den Erwerbstätigen überproportional viele Arbeitslose die Therapie selbst abbrachen oder auf Veranlassung der Klinik aufgrund verschiedener Formen unzureichender Compliance vorzeitig entlassen wurden. Beide Varianten zusammengefasst werden hier wie auch im gesamten Text als Behandlungsabbruch bezeichnet. Davon betroffen waren 70 (17,6 %) der 397 t1-Arbeitslosen und 36 (8,3 %) der 435 t1-Erwerbstätigen (Tab. [6] und Tab. [2]). Bei regulärer Therapiebeendigung betrug die Behandlungsdauer bei den Arbeitslosen M/SD 93/27 Tage, bei den Erwerbstätigen M/SD 83/30 und bei Behandlungsabbruch M/SD 47/34 (Arbeitslose) bzw. M/SD 52/34 Tage (Erwerbstätige). Die Differenzen zwischen den Erwerbsstatusgruppen sind nicht signifikant.
Tab. 6 Alkoholrückfällige und Rückfallquoten nach Art der Therapiebeendigung und Erwerbsstatus
Erwerbsstatus[*]
| Therapiebeendigung | |
Abbruch | regulär |
| n | % | n | % | χ2
| df | p |
t1 arbeitslos | 70 | 17,6 | 327 | 82,4 | 16,35 | 1 | 0,000 |
t1 erwerbstätig | 36 | 8,3 | 399 | 91,7 |
davon Katamneseantworter |
t1 arbeitslos | 37 | 52,9 | 221 | 67,6 | 9,36 | 1 | 0,002 |
t1 erwerbstätig | 24 | 66,7 | 328 | 82,2 |
Alkoholrückfällige und Rückfallquote 1 |
t1 arbeitslos | 30 | 81,1 | 94 | 42,5 | 18,87 | 1 | 0,000 |
t1 erwerbstätig | 9 | 37,5 | 84 | 25,6 | 1,63 | 1 | ns |
Alkoholrückfällige und Rückfallquote 2 |
t1 arbeitslos | 63 | 90,0 | 200 | 61,2 | 21,44 | 1 | 0,000 |
t1 erwerbstätig | 21 | 58,3 | 155 | 38,8 | 5,21 | 1 | 0,023 |
Alkoholrückfällige und Rückfallquote 3 |
t1 arbeitslos und t3 konstant arbeitslos | 27 | 87,1 | 82 | 45,3 | 18,51 | 1 | 0,000 |
t1 erwerbstätig und t3 konstant erwerbstätig | 6 | 30,0 | 73 | 23,2 | 0,48 | 1 | ns |
Anmerkung: Rückfallquote 1: Referenz Katamneseantworter, Rückfallquote 2: Katamnese-Nichtantworter als rückfällig definiert, Rückfallquote 3: Referenz Katamneseantworter
|
Das in mehreren Studien festgestellte erhöhte Rückfallrisiko im Fall eines Behandlungsabbruchs [10]
[11]
[12] trifft nach der vorliegenden Untersuchung für Arbeitslose und Erwerbstätige nicht in gleicher Weise zu. Das zeigen die Ergebnisse in Tab. [6]. Nimmt man die Katamneseteilnehmer als Referenz (Rückfallquote 1 und 3), so liegen bei den Arbeitslosen die Alkoholrückfallquoten der Abbrecher im Vergleich zur Gruppe mit regulärer Therapiebeendigung um das rund Zweifache höher, während die Differenzen bei den Erwerbstätigen statistisch nicht bedeutsam waren. Allerdings war die Beteiligung an der t3-Katamnese unterschiedlich hoch. Dies berücksichtigt die Rückfallquote 2, bei der, wie in der Katamneseforschung üblich [29], als konservative Schätzung des Behandlungserfolgs die Katamnese-Nichtantworter als rückfällig definiert sind. Hier fallen die Differenzen bei beiden Erwerbsstatusgruppen signifikant aus. So berechnet, stellt sich der Therapieabbruch als Risikofaktor für Arbeitslose und Erwerbstätige dar, allerdings auf einem ungleich hohen Niveau. Mit Rückfallquoten zwischen 80 und 90 % sind die Arbeitslosen mit Behandlungsabbruch als extreme Hochrisikogruppe zu kennzeichnen.
Diskussion
Diskussion
Die präsentierten Ergebnisse basieren auf den Daten von Arbeitslosen, die nach Abschluss der Suchtbehandlung mindestens 6 Monate ununterbrochen arbeitslos waren. Es handelt sich also um eine bestimmte Gruppe, die allerdings 60 % aller bei Entlassung Arbeitslosen umfasste (181 von 301 ohne Therapieabbrecher). Wenn man davon ausgeht, dass sich auch unter den Katamnese-Nichtteilnehmern ein bedeutsamer Anteil an t3-konstant Arbeitslosen befand, dann beziehen sich die Ergebnisse auf Arbeitslose, die unter den gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen die weit überwiegende Mehrheit der bei Entlassung Arbeitslosen repräsentieren.
Kritisch anzumerken ist, dass sich die Rückfallprädiktion nur auf Patienten- und nicht auch auf Behandlungsmerkmale stützt. Hierzu lässt sich zumindest feststellen, dass die Behandlungsdauer wahrscheinlich keinen Einfluss auf das Rückfallrisiko ausübte, da sich die rückfälligen von den abstinenten Arbeitslosen in dieser Hinsicht nicht signifikant unterschieden: M/SD 87/27 zu 94/29 Tage. Das galt auch für die Erwerbstätigen: M/SD 81/30 zu 85/29 Tage.
Das für die Arbeitslosen erstellte logistische Regressionsmodell ist hinsichtlich der genannten Gütekriterien als zufrieden stellend zu bewerten. Von praktischer Relevanz ist vor allem, dass sich mit den ermittelten Prädiktoren über Dreiviertel aller Fälle bezüglich Rückfall und Abstinenz im Katamnesezeitraum richtig vorhersagen ließen.
Bei den Arbeitslosen und Erwerbstätigen bestanden zwischen den Rückfälligen und Abstinenten im gesamten untersuchten Merkmalsspektrum höchst unterschiedliche Differenzprofile (Tab. [4]). Zudem fanden sich innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen weitaus weniger signifikante Differenzen. Dabei ist allerdings an die Drop-out-Analyse zu erinnern, die auf einige systematische Stichprobenausfälle hinwies. Diese haben wahrscheinlich die Varianz in der Gruppe der Erwerbstätigen zusätzlich verringert. Möglicherweise lässt sich für die Erwerbstätigen eine bessere Rückfallprädiktion erzielen, wenn man den Bereich der Erwerbsarbeit differenzierter untersucht, z. B. in Hinblick auf Stressfaktoren, Arbeitsplatzunsicherheit und berufliche Gratifikationskrisen [30]. Das war in der vorliegenden Untersuchung nicht der Fall, da das ARA-Projekt primär auf Arbeitslose ausgerichtet war.
Das Geschlecht übte keinen signifikanten Einfluss auf das Rückfallrisiko aus. Gleichwohl wäre es sinnvoll und notwendig, geschlechterdifferenzierende Rückfallprädiktorenanalysen durchzuführen, da nicht a priori davon ausgegangen werden kann, dass die Risiko- und Schutzfaktoren für arbeitslose Männer und Frauen gleich sind. In der vorliegenden Studie ließ sich dies aufgrund der zu kleinen Stichprobe der Frauen nicht überprüfen.
In Hinblick auf die Höhe der Odds Ratios erwies sich der Substanzkonsum während der Behandlung in Übereinstimmung mit dem Forschungsbefund von Rist (1997) [8] als der mit Abstand stärkste Rückfallprädiktor. Allerdings waren hier die Fallzahlen sehr klein, so dass dieses Ergebnis wahrscheinlich mit Unsicherheiten behaftet ist.
Von relativ geringem Einfluss scheint die Dauer der Arbeitslosigkeit vor Behandlungsbeginn zu sein. Nach den vorliegenden Ergebnissen resultieren substantielle Rückfallrisikodifferenzen erst bei einem Vergleich von Arbeitslosengruppen, die sich in der Arbeitslosigkeitsdauer um mehrere Jahre unterscheiden. Solche Extremgruppen sind unter Alkoholabhängigen, die eine Suchtbehandlung absolvieren, allerdings durchaus zu finden. Im ARA-Projekt waren bei Aufnahme rund 28 % höchstens sechs Monate und 14 % länger als drei Jahre ununterbrochen arbeitslos [4].
Bei den meisten Prädiktoren (z. B. aktives Coping, Unzufriedenheit mit der Partnersituation und der Freizeitgestaltung) ist evident, auf welche Probleme sich rückfallpräventive Interventionen beziehen müssten. Die Ausprägungen der beiden Merkmale „Summe der Arbeitslosigkeitszeiten” und „Zahl bisheriger Entzugsbehandlungen” sind als deutliche Hinweise auf Risikogruppen zu interpretieren, nämlich mehrjährig Arbeitslose und Alkoholabhängige mit überdurchschnittlich langer Suchtchronizität. Es bleibt jedoch offen, welche konkreten rückfallpräventiven Maßnahmen für diese Gruppen sinnvoll und notwendig wären.
Wenngleich sich das im univariaten Vergleich bedeutsame Merkmal „Entwöhnungsbehandlungswiederholung” nicht als eigenständiger Prädiktor in der Regressionsanalyse durchsetzte, ist es doch geeignet, Risikogruppen zu identifizieren. Differenziert man nämlich nach der Zahl bisheriger stationärer Behandlungen, dann findet man bei den Arbeitslosen einen kontinuierlichen und starken Anstieg der Alkoholrückfallquoten von den Erstbehandelten über die Einmal- hin zu den Mehrfachwiederholern, während dies bei den Erwerbstätigen nicht der Fall war (Tab. [7]).
Tab. 7 Alkoholrückfällige und Alkoholrückfallquoten (%) nach Zahl bisheriger stationärer Entwöhnungsbehandlungen und Erwerbsstatus
Erwerbsstatusgruppen | Rückfällige n | % | χ2 | df | p |
t3-konstant Arbeitslose
|
Erstbehandelte (n = 108) | 38 | 35,2 | 13,17 | 1 | 0,001 |
Einmalwiederholer (n = 48) | 26 | 54,2 |
Mehrfachwiederholer (n = 25) | 18 | 72,0 |
gesamt (n = 181) | 82 | 45,3 | |
t3-konstant Erwerbstätige |
Erstbehandelte (n = 253) | 62 | 24,5 | 1,41 | 1 | ns |
Einmalwiederholer (n = 43) | 7 | 16,3 |
Mehrfachwiederholer (n = 18) | 4 | 22,2 |
gesamt (n = 314) | 73 | 23,2 | |
Zahlreiche Merkmale erwiesen sich nicht als Prädiktoren, weder in der univariaten noch in der regressionsanalytischen Statistik, so auch nicht die Komorbidität. Hier ist allerdings einschränkend anzumerken, dass der GSI des SCL90-R lediglich die grundsätzliche psychische Belastung misst und keine spezifischen Formen psychischer Störungen erfasst.
Auch in den beiden Skalen „soziale Partizipation” und „soziale Unterstützung” bestanden zwischen Rückfälligen und Abstinenten keine signifikanten Differenzen. Gleichwohl zeigt sich an dem starken positiven Einfluss, den eine regelmäßige Teilnahme an Suchtselbsthilfegruppen auf die Aufrechterhaltung der Abstinenz ausübte, wie bedeutsam die soziale Integration und Unterstützung für Arbeitslose ist. Denn gerade diese beiden Faktoren stellen charakteristische Elemente der Selbsthilfegruppen dar. Hingegen erwies sich der regelmäßige Kontakt zu professioneller Suchtberatung nicht als eigenständiger Schutzfaktor. Weitere Datenanalysen jedoch ergaben, dass rund 29 % der abstinenten, hingegen nur 13 % der rückfälligen Arbeitslosen regelmäßig sowohl an Selbsthilfegruppen als auch an professioneller Suchtberatung teilnahmen, was auf einen zusätzlichen positiven Effekt der professionellen Nachsorge für Arbeitslose verweist.
Die Arbeitsunfähigkeit bei Entlassung zeigte sich entgegen der Erwartung als rückfallprotektiver Faktor. Weitere Datenanalysen ergaben, dass bei knapp 40 % der Arbeitsunfähigen, die abstinent blieben, bereits vor Abschluss der Therapie stationäre Weiterbehandlungsmaßnahmen eingeleitet worden waren, z. B. in Adaptionseinrichtungen, betreutes Wohnen oder Reha-Kliniken, während von den rückfälligen Arbeitsunfähigen niemand in solche Maßnahmen vermittelt worden war. Somit wirkte nicht die Arbeitsunfähigkeit rückfallprotektiv, sondern offensichtlich die mit ihr verbundene Überleitung in weitere Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen. Wie der Befund zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen unterstreicht auch dies die Bedeutung einer sich nahtlos an die Suchtbehandlung anschließenden Nachsorge für Arbeitslose.
Hinsichtlich des Behandlungsabbruchs ließ sich feststellen, dass die Arbeitslosen mit Abbruch in Relation zu denen mit regulärer Therapiebeendigung signifikant problematischere Werte in der t1-Aufnahmediagnostik hatten, und zwar im emotionalen Coping (M/SD 2,1/0,6 zu 1,9/0,5, t 3,02, df 375, p 0,003), in der Abstinenzzuversicht in Craving-Situationen (M/SD 3,6/1,0 zu 3,9/0,8, t 2,49, df 375, p 0,013) und ebenso im GSI des SCL90-R (M/SD 0,7/0,6 zu 0,5/0,6, t 3,28, df 375, p 0,001) wie auch in allen im SCL90-R erfassten störungsspezifischen Symptomen, z. B. Ängstlichkeit, Depressivität, s. Henkel et al. 2004 [1]. Zwischen den Erwerbstätigen mit und ohne Therapieabbruch bestanden in diesen Merkmalen keine signifikanten Differenzen. Ob darin Gründe für den häufigeren Abbruch der Arbeitslosen lagen, ist unklar.
Möglicherweise aber ist von Bedeutung, dass es langjährig Arbeitslosen aufgrund ihres oft strukturlosen Alltags und geringen Aktivitätsgrades schwerer als den Erwerbstätigen fällt, sich an das stark strukturierte Zeitmanagement einer Klinik anzupassen und die oft geforderte hohe Eigenaktivität in den therapeutischen Prozessen herzustellen. Auch könnte eine Rolle spielen, dass Arbeitslose im Vergleich zu Erwerbstätigen eine in Hinblick auf die beruflichen Integrationschancen schlechtere „Kosten-Nutzen-Relation” antizipieren und dadurch weniger motiviert sind, die Behandlung durchzuhalten. Denn während Erwerbstätige durch eine erfolgreiche Behandlung ihren Arbeitsplatz in der Regel sichern können, können Arbeitslose unter den derzeitigen Arbeitsmarktverhältnissen nur eine vage Hoffnung haben, durch die Behandlung ihre beruflichen Reintegrationschancen zu verbessern.
Schlussfolgerungen für die Suchtrehabilitation
Schlussfolgerungen für die Suchtrehabilitation
Die präsentierten Ergebnisse legen eine Reihe rückfallpräventiver Maßnahmen nahe, die in der Suchtbehandlung von Arbeitslosen umfassender und intensiver als bisher umgesetzt werden sollten:
-
Identifizierung von abbruchgefährdeten Patienten/Patientinnen in der Anfangsphase der Therapie und Vorbeugung des Behandlungsabbruchs z. B. durch Stärkung der Behandlungsmotivation mit Methoden der motivierenden Gesprächsführung [31], möglicherweise auch durch komorbiditätsbezogene therapeutische Maßnahmen,
-
konstruktive therapeutische Bearbeitung des Rückfalls während der Behandlung [32],
-
Förderung der Problembewältigungskompetenzen durch entsprechende Therapiemodule,
-
Vermittlung von Fähigkeiten zur aktiven und sinnerfüllten Gestaltung der für Arbeitslose oft strukturlosen und sinnentleerten Zeit durch freizeitpädagogische und beschäftigungstherapeutische Angebote,
-
Bearbeitung von Problemen und Konflikten in der Partnerschaft z. B. durch systemische oder familientherapeutische Maßnahmen,
-
Fokussierung auf die prekäre Übergangsphase vom Behandlungssystem in den Alltag durch Erstellung individueller Krisen- und Problembewältigungsplanungen bereits während der Behandlung im Hinblick auf die oft frühe Rückfälligkeit der Arbeitslosen,
-
Einleitung von Nachsorgemaßnahmen, vor allem durch eine möglichst nahtlose Eingliederung in Suchtselbsthilfegruppen und Aktivierung weiterer sozialer Stützsysteme und
-
sensiblere Wahrnehmung als Risikogruppen und besonders intensive rückfallpräventive Unterstützung der Alkoholabhängigen mit bereits mehreren Entzugs- bzw. Suchtbehandlungen und ebenso der mehrjährig Arbeitslosen.
Die Ausarbeitung konkreter rückfallpräventiver Programme sollte sich an diesen Eckpunkten orientieren. Sie sind nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zu Maßnahmen der beruflichen Integration zu verstehen. Gleichwohl wäre eine frühe Entscheidung darüber sinnvoll und notwendig, welche Therapiestrategie im Einzelfall mit Priorität verfolgt werden soll: Ist auf der Grundlage einer sicheren Prognose der individuellen Arbeitsmarktchancen eine Wiedergewinnung von Arbeit auf absehbare Zeit nicht möglich, dann sollte der Schwerpunkt der Behandlung umso stärker auf rückfallpräventiven Maßnahmen liegen. Diese müssen durch weitere Maßnahmen flankiert werden, die dem übergeordneten Ziel dienen, die Patienten/Patientinnen auf eine sozial integrierte, aktive und sinnerfüllte Lebensgestaltung ohne Erwerbsarbeit vorzubereiten.