Bis in die sechziger Jahre war die dermatologische Radiotherapie weit verbreitet,
sowohl in Universitätskliniken als auch bei den niedergelassenen Dermatologen. Erste
Anzeichen eines Rückgangs gab es schon in dieser Zeit, denn die chirurgischen Verfahren haben sich in der Dermatologie
mehr und mehr entwickelt. Bereits vorgängig wurden Medikamente wie Kortikosteroide
und Antibiotika in die Dermatotherapie eingeführt, mit welchen die verschiedensten
entzündlichen Dermatosen behandelt werden konnten. Es ist auch zu beachten, dass gerade
diese gutartigen Dermatosen einen großen Anteil am Krankengut der dermatologischen
Radiotherapie gehabt haben. Oft war ihre Anzahl größer als die der bestrahlten Hauttumore.
Weiter kommt hinzu, dass in den sechziger Jahren auch eine ausgesprochene Angst vor
Strahlenenergie, z. B. im Zusammenhang mit Atomenergie, bestand. Die Ausbildung in
Strahlentherapie wurde mehr und mehr vernachlässigt. Röntgengeräte für die Grenz-
und Weichstrahlentherapie wurden immer weniger hergestellt und die Kontrollkosten
für diejenigen, die ein Röntgengerät betrieben, stiegen an, in gewissen Ländern kam
es auch zur Erhöhung der Versicherungsgebühren. Schließlich ist auch daran zu denken,
dass insbesondere bei gutartigen Hautveränderungen mehrmalige Bestrahlungen im Interesse
des Patienten durchgeführt wurden und es daraufhin zu chronischen Röntgennebenwirkungen
mit entsprechenden Folgen gekommen ist. Aus all den genannten Ausführungen wird verständlich,
weshalb die Indikationen für eine dermatologische Radiotherapie, insbesondere gutartiger
Veränderungen, deutlich zurückgegangen ist.
Auf der anderen Seite muss betont werden, dass die Radiotherapie, neben den chirurgischen
Verfahren, immer noch eine der best untersuchten Therapiemethoden darstellt. Zu erinnern ist, dass der erste Patient, den W. C. Röntgen im Jahre 1900
bestrahlte, an einem Spinaliom der Nase litt. Seither haben sich unsere Erkenntnisse
bezüglich Strahlenphysik und Strahlenbiologie erweitert. Zu erinnern ist an die Entwicklung
der Fraktionierung der Röntgenstrahlen, der „Nominal Standard Dose” (NSD) aber auch
die Entwicklung der „Time Dose Fractionation”(TDF)-Faktoren. Auch die Wirkung kleinster
Strahlendosen und die Theorie der deterministischen und non-deterministischen Strahleneffekte
und unsere Kenntnisse bezüglich der Mechanismen akuter und chronischer Strahlenwirkungen
sind besser bekannt.
Die Literatur der dermatologischen Radiotherapie wurde bis in die sechziger Jahre praktisch von
Dermatologen bestritten. Es ist das Verdienst von Braun-Falco und Lukacs (Abb. [1]) sowie Goldschmidt (Abb. [2]), in dieser wichtigen Zeit Monographien zu diesem Thema herausgegeben zu haben.
Zu erwähnen ist auch, dass neben diesen Monographien in verschiedenen Ländern die
dermatologische Radiotherapie weiter betrieben und gelehrt wurde, trotz der oben erwähnten
Gründe des Rückgangs. Später kamen weitere Bücher zu diesem Thema heraus, so von Goldschmidt
und Panizzon (Abb. [3]), Peter und Plewig (Abb. [4]) und schließlich von Panizzon und Cooper (Abb. [5]). Insbesondere zu erwähnen ist, dass anlässlich der Kongresse der „American Academy of Dermatology” (AAD) die dermatologische Radiotherapie bis
heute immer noch auf dem Programm steht und Kurse angeboten werden. Die „European
Academy of Dermatology and Venerology” (EADV) ermöglicht Vorträge über die Röntgentherapie
leider nur noch im Rahmen des Symposiums „Non Melanoma Skin Cancer”. Ähnlich ist die
Situation bei den „Journées dermatologiques de Paris” (JDP), wo nach einem Stillstand
die Radiotherapie bei den konservativen Therapiemaßnahmen wieder Eingang in das Programm
gefunden hat. Ebenso beim Kongress der „Deutschen Dermatologischen Gesellschaft” (DDG).
Hier ist die Radiotherapie ebenfalls nur im Rahmen der „physikalischen Behandlungsmethoden”
vorgesehen. Bei uns in der Schweiz ist die Ausbildung in dermatologischer Radiotherapie
im Kurs „Physikalische Therapiemaßnahmen in der Dermatologie” alle zwei Jahre obligatorisch
zur Erlangung des Facharzttitels Dermatologie und Venerologie. Dieser beinhaltet zwei
Tage Ausbildung in Strahlenbiologie/Strahlenschutz/Strahlentherapie. Der Rückgang
der dermatologischen Radiotherapie führte so weit, dass nur noch wenige Universitätszentren die dermatologische Radiotherapie selbst durchführen: in der Schweiz in Zürich, Basel
und Bern, in Deutschland in der Fachklinik Hornheide/Münster und in den Universitätskliniken
in München und in Ulm, in Frankreich lediglich in der Universitätsklinik in Bordeaux,
in den USA in keiner Universitätshautklinik mehr, einzig noch in einzelnen dermatologischen
Praxiszentren, in Italien in der Universitätsklinik in Mailand, in England wird die
Radiotherapie nicht mehr von Dermatologen durchgeführt, ebenso in Österreich. Erhalten
geblieben sind noch gewisse Universitätszentren in den osteuropäischen Ländern, in
Südamerika, in Asien und in Australien (Brisbane, Geelong, Melbourne, Perth, Sydney).
Abb. 1 O. Braun-Falco, S. Lukacs: Dermatologische Röntgentherapie. Heidelberg: Springer,
1973.
Abb. 2 H. Goldschmidt: Physical Modalities in Dermatologic Therapy. Heidelberg: Springer,
1978.
Abb. 3 H. Goldschmidt, R. G. Panizzon: Modern Dermatologic Radiation Therapy. Heidelberg:
Springer, 1991.
Abb. 4 R. U. Peter, G. Plewig: Strahlentherapie dermatologischer Erkrankungen. Berlin: Blackwell,
1996.
Abb. 5 R. G. Panizzon, J. S. Cooper: Radiation Treatment and Radiation Reactions in Dermatology.
Heidelberg: Springer, 2004.
Es scheint uns wichtig, dass in jedem Land mindestens ein Zentrum mit Kompetenz in
diesem Fachbereich bestehen bleibt, denn wie im Nachfolgenden auszuführen ist, gibt
es auch heute noch wichtige Indikationen für eine dermatologische Radiotherapie, auch
wenn diese Liste gegenüber früher kleiner geworden ist. Insbesondere möchten wir auf
die Bedeutung der dermatologischen Radiotherapie bei Tumorerkrankungen und hier vor
allem bei älteren Leuten hinweisen. Die Radiotherapie ist und bleibt hier die beste
Alternative zur Chirurgie. Innerhalb der Dermatosen hat sich die dermatologische Radiotherapie erhalten können, vor allem die nebenwirkungsarmen
Grenzstrahlen, bei therapieresistenten Fällen oder besonderen Lokalisationen, z. B.
der Kopfboden oder Fingernägel bei Psoriasis vulgaris im Rahmen der chronischen verselbstständigten
Ekzeme, und allenfalls bei selteneren entzündlichen Veränderungen wie schmerzhaften
Ulcera cruris oder ein Pemphigus chronicus familiaris Hailey-Hailey. Hyperplastische
Hautveränderungen wie Hämangiome werden kaum mehr bestrahlt, ebensowenig die Induratio
penis plastica oder die vulgären Warzen. Hingegen sind benigne lymphozytäre Hyperplasien,
d. h. das Lymphozytom, immer noch eine mögliche Indikation.
Innerhalb der malignen Hauttumoren können kurativ behandelt werden die ausgedehnten aktinischen Keratosen, die ebenfalls sehr gut auf
Grenzstrahlen ansprechen und auch heute noch eine längere Rezidivfreiheit aufweisen
als z. B. 5-Fluorouracil (5-FU), Imiquimod oder Diclofenac. Auch der Morbus Bowen
größeren Ausmaßes stellt eine sehr gute Indikation dar. Basaliome und Spinaliome mittlerer
Größe (1,5 bis 4 Zentimeter) und im Gesichtsbereich stellen nach wie vor die häufigste
und wichtigste Indikation, insbesondere bei älteren Leuten, dar. Ebenfalls kurativ
behandelt werden können die Lentigo maligna und das Lentigo maligna Melanom. In diese
Kategorie gehört auch das Merkelzellkarzinom, das strahlensensibel ist, gelegentlich
aber ein kombiniertes Verfahren zusammen mit der Chirurgie bedingt. Zu erwähnen sind
auch isolierte B-Zell-Lymphome, die sehr gut strahlensensibel sind. Als zweite Gruppe
möchten wir die Hauttumoren, die palliativ behandelt werden können, erwähnen. So vor allem die übrigen B-Zell-Lymphome, aber
auch die T-Zell-Lymphome, das Kaposi-Sarkom, Melanom-Metastasen, leukämische Hautinfiltrate
und Hautadnextumoren. Nicht zu vergessen ist auch die (Ganzkörper-)Fernbestrahlung
mit der Weichstrahlmethode, die sich insbesondere für Erythrodermien eignet. Hier
gibt es nicht nur die Möglichkeit einer Bestrahlung am stehenden Patienten, sondern
auch die von Jung entwickelte Methode beim liegenden Patienten.
Im Rahmen interdisziplinärer Konsultationen der dermatologischen Onkologie gibt es immer wieder die Möglichkeit, dass der Dermatologe
die Radiotherapie erwähnt und hier, falls er nicht selbst die Radiotherapie durchführt,
dies in Zusammenarbeit mit dem Radioonkologen bespricht. Es gibt auch immer wieder
die Möglichkeit, dass jüngere Kollegen Röntgenapparate von älteren Kollegen übernehmen können. Diese Apparate funktionieren auch heute noch
einwandfrei, müssen jedoch technisch überprüft und vom Radiophysiker regelmäßig anhand
von Messungen kontrolliert werden. Dies sollte aber kein Hindernis sein mit solchen
Geräten umgehen zu können. Beispiele solcher Geräte sind Namen wie Dermax, Dermophos,
aber auch Therapix, Siemens Dermopan, Picker, die Geräte von Bucky, Siemens RT 50
bzw. 100 und General Electric. In den USA bestrahlen Dermatologen sehr oft nur noch
mit Grenzstrahlgeräten, dies aus versicherungstechnischen Gründen. Mit diesen Geräten
können immerhin viele oberflächliche Prozesse (bis 1 Millimeter Gewebehalbwerttiefe)
bestrahlt werden. Ansonsten sind die heute zur Verfügung stehenden Geräte meist kombinierte
Geräte, die Grenzstrahlen bis zur Tiefentherapie, d. h. von 10 kV bis 150 kV einschließen,
z. B. das Gerät Darpac 150.