Einleitung
Antibiotika sind nicht selten Auslöser allergischer Reaktionen mit Betonung der Allergien vom Typ 1. Während beispielsweise Amoxicillin, Ampicilin und Penizillin häufig als mögliche Verursacher von Arzneimittelexanthemen vermutet werden, zählt Metronidazol zu der Gruppe selten Allergien auslösender Medikamente [5]
[7]. In der Literatur finden sich nur wenige Fallberichte zu systemischen Hautreaktionen wie generalisierten Erythemen, Exanthemen oder Urtikaria nach systemischer Gabe des Medikaments [4]
[5]
[10].
Im Folgenden stellen wir eine Patientin vor, bei der eine allergische Allgemeinreaktion mit Schockfragmenten auftrat, welche anfänglich an eine Penizillinallergie denken ließ. Überraschenderweise konnte jedoch die vaginale Anwendung von Metronidazol als Ursache gesichert werden.
Fallbericht
Die 57-jährige Krankenschwester bemerkte beim Austeilen von Ampicillin-Sulbactam-Tabletten Rötung und Schwellung im Gesicht. Nachdem weitere Schockfragmente in Form von Schluckbeschwerden, Kloßgefühl, Tachykardie, Schüttelfrost und Urtikaria auftraten, erfolgte stationäre Aufnahme unter dem Verdacht einer anaphylaktischen Reaktion auf Penizillin, zumal aus der Anamnese bekannt war, dass die Patientin vier Wochen vorher von ihrem Zahnarzt verordnete Penizillin-Tabletten eingenommen hatte.
Die Akutbehandlung erfolgte mit Prednisolut i. v. und Antihistaminika. Nach Remission und Stabilisierung wurde die Patientin mit der Arbeitsdiagnose „Anaphylaktische Reaktion bisher unklarer Genese (Penizillin-Allergie, Latex-Allergie)” nach Hause entlassen.
Acht Wochen später stellte sich die Patientin in unserer allergologischen Ambulanz zur weiteren allergologischen Diagnostik vor. Nach ausführlicher Allergie- und Medikamenten-Anamnese wurde deutlich, dass die Patientin sich am Tag des akuten Ereignisses mit dem vom Gynäkologen verordneten Metronidazol vaginal behandelt hatte. Daraus ergab sich nun ein Verdacht auf eine Metronidazol-Allergie.
Diagnostik
Im Epikutan-Test: (Standard-Reihe, SE, Duftstoffe, Gummi-Reihe, Mercapto-Mix, Thiuram-Mix-Bestandteile, Penizillin- und Antibiotika-Reihe) mit Ablesung nach 24, 48, 96 und 120 h reagierten alle Substanzen negativ. Lediglich Gentamicinsulfat 20 % in Vaseline reagierte am 5. Tag der Testablesung mit ++ positiv. Anamnestisch war diese Typ-IV-Sensibilisierung jedoch nicht relevant. Eine iatrogene Sensibilisierung ist nicht mit Sicherheit auszuschließen. Metronidazol 0,5 % in Vaseline war auch nach 5 Tagen im Epikutantest noch negativ, jedoch im Scratch-Test positiv (siehe Tab. [1] und Abb. [1]). Auf Wunsch der Patientin haben wir darauf verzichtet, die Allergie mittels oraler Exposition zu bestätigen.
Abb. 1 Positiver Scratch-Test auf Metronidazol-Pulver.
Tab. 1 Ergebnisse der Medikamententestung in vivo
| Prick- | Scratch- | Intrakutan-Test |
Ampicillin-Pulver* | neg. | neg. | |
Amoxicillin-Pulver* | neg. | neg. | |
Unacid-Pulver* | neg. | neg. | |
Benzylpenicilloyl-Polylysin (PPL) | neg. | | neg. |
Na-Benzylpenicillin, Di-Na-Benzylpenicilloat (MDM = Nebendeterminantenmischung) | | neg. | | neg. |
Metronidazol-Pulver* | neg. | ++ | |
0,9 % NaCl-Lösung | neg. | neg. | neg. |
0,01 % Histamin-Lösung | ++ | ++ | +++ |
Metronidazol-Pulver* bei einer gesunden Kontrollperson | neg. | neg. | |
*alle Medikamente in 0,9 % NaCl-Lösung suspendiert. |
Der Prick-Test mit 6 verschiedenen Latexmilchen fiel negativ aus. Zur Medikamententestung siehe Tab. [1] und Abb. [1].
Das Gesamt-IgE lag mit 44 kU/ml im Normbereich. Im RAST (Pharmacia) für Penicilloyl G, Penicilloyl V, Ampicillin, Amoxicillin, Latex , Ficus spp., Avocado und Kiwi fanden sich keinerlei positive Resultate.
Diskussion
Metronidazol ist ein Nitroimidazol-Derivat, dessen Hauptmetabolit Hydroxymetronidazol nach lokaler Applikation auf der Haut nur im geringen Maße resorbiert wird. Somit sind systemische Reaktionen nicht zu erwarten [6]. Metronidazol wird topisch vor allem bei Rosazea häufig eingesetzt, dennoch sind Typ-IV-Reaktionen ausgesprochen selten [5].
Die Substanz wird wegen ihrer Wirkung gegen Bakterien (Anaerobier) und Protozoen (Amöben, Lamblien, Trichomonaden) geschätzt und in breitem Umfang verwendet. Auch bei systemischer Gabe treten Allergien sehr selten auf. Am häufigsten sind fixe Arzneimittelreaktionen beobachtet worden [5]
[7]
[8]
[9]. Sehr selten wurden Exantheme [1]
[5], die akute generalisierte exanthematische Pustulose [10] oder ein allergisches Asthma [2] beobachtet. Bei einer Häufung von schweren Arzneimittelreaktionen vom Stevens-Johnson- bzw. Lyell-Typ unter filipinischen Arbeitern in Taiwan konnte die kombinierte Einnahme von Mebendazol und Metronidazol als Risikofaktor identifiziert werden [3]. Kreuzreaktionen von Metronidazol zur anderen Imidazolen sind möglich [11].
Im Rahmen der vaginalen Anwendung muss durch Resorption des Antibiotikums in der Größenordnung von ca. 20 % auch mit systemischen Effekten gerechnet werden [6]. Dies erklärt, weshalb eine lokale Metronidazol-Anwendung bei unserer Patientin zur allergischen Allgemeinreaktion mit Schockfragmenten führen konnte. In der von uns eingesehenen Literatur fand sich kein vergleichbarer Fall. Schockfragmente mit Schüttelfrost, Fieber und Exanthem wurden nach oraler Einnahme bei einer möglicherweise auf vaginalem Wege sensibilisierten Frau beobachtet [4].