Aktuelle Dermatologie 2005; 31(4): 151-153
DOI: 10.1055/s-2005-861267
Therapiestudie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Linezolid-Therapie des schweren nekrotisierenden Erysipels

Linezolide Therapy of Severe Necrotizing ErysipelasA.  Gemmeke1 , E.  Köstler1 , H.  Konrad1 , U.  Wollina1
  • 1Hautklinik (Chefarzt: Prof. Dr. med. U. Wollina) am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden, Dresden
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Prof. Dr. Uwe Wollina

Hautklinik am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt · Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden · Dresden

Friedrichstraße 41 · 01067 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

Publication History

Publication Date:
04 April 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Das Erysipel stellt in der Regel keine spezielle diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Penizillin ist das Medikament der ersten Wahl. Eine 30-jährige Patientin ohne Risikofaktoren entwickelte ein akutes Erysipel des Unterschenkels. Die Erkrankung sprach jedoch weder auf eine intravenöse Antibiose mit Penizillin noch mit Cefotiam an. Stattdessen folgte eine Befundprogredienz mit ausgedehnter Nekrosenbildung am Vorfuß. Nach Therapieumstellung auf das Reserveantibiotikum Linezolid kam es zum prompten Ansprechen. Im Verlauf erfolgte die operative Sanierung mit Abtragung der Nekrosen und Defektdeckung mittels Spalthauttransplantation.

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Abstract

Usually, erysipelas means no special diagnostic or therapeutic challenge. Penicillin is treatment of first choice. A 30-year-old female without any risk factors developed an acute erysipelas of the lower leg. The disease, however, did not respond to intravenous antibiotics like penicillin and cefotiam. Instead there was a worsening of the disease with large necrosis of the forefoot. Once the therapy had been switched-over to the reserve antibiotic linezolid there was a prompt response. During the following necrectomy and mesh-graft transplantation were performed.

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Einleitung

Das Erysipel ist eine nichteitrige Entzündung der Haut mit Beteiligung der Lymphbahnen durch Infektion mit Streptokokken überwiegend aber nicht ausschließlich der Gruppe A. Es zeigt sich im typischen Fall das Bild einer akuten Dermatitis mit schmerzhafter, „flammender” Rötung und Schwellung. Selten, aber gefürchtet, sind nekrotische oder gangränöse Verlaufsformen [1].

Die wichtigste Differenzialdiagnose stellt die Phlegmone oder Cellulitis dar. Hierbei handelt es sich um eine purulente und suppurative Entzündung, die das subkutane Gewebe befällt. Am häufigsten sind S. pyogenes oder S. aureus als Erreger zu identifizieren. Typische Eintrittspforten sind auch hier wie bei dem Erysipel eine Tinea pedum oder kleinere Wunden. Gangrän, metastatische Abszesse und eine Sepsis können den Verlauf komplizieren [3] [6].

Beim Erysipel ist das Therapeutikum der ersten Wahl Penizillin, soweit keine Allergie vorliegt. Die intravenöse Gabe ist besonders anfänglich der oralen Gabe vorzuziehen, da rascher und sicher ausreichende Wirkspiegel erzielt werden. Bei komplizierten schweren Erysipelformen treten jedoch auch Penizillin-Versager auf.

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Kasuistik

Eine 30-jährige Patientin stellte sich mit akuter schmerzhafter Blasenbildung, Schwellung und Rötung am linken Fuß und Unterschenkel vor. Zudem klagte sie über Übelkeit, Erbrechen und Fieber bis 38,2°C. Es bestanden keinerlei Vorerkrankungen und keine Hinweise auf eine Immundefizienz.

Aufnahmebefund: Der gesamte Vorfuß und distale Unterschenkel rechts zeigten sich überwärmt, geschwollen und entzündlich gerötet. An der Außenseite des rechten Unterschenkels sahen wir mit klarer Flüssigkeit prall gefüllte Blasen, an den Zehen ältere, z. T. schon zerstörte Blasen. Inguinal rechts waren druckdolente Lymphknoten palpabel.

Die Entzündungsparameter (Leukozyten 27,8 Gpt/l, BSG 104 mm, CRP 429,5 mg/l) waren deutlich erhöht. Im Abstrich vom rechten Vorfuß und Unterschenkel war ein starkes Wachstum von Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus nachweisbar.

In der Sonographie des rechten Fußes und Unterschenkels konnte keine Fluktuation beobachtet werden. Doppler-sonographisch konnte eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, Thrombose oder Varikose ausgeschlossen werden. Im MRT des rechten Fußes zeigte sich kein Anhalt für einen tiefer gelegenen Abszess. Eine Osteomyelitis lag nicht vor.

Es wurde die Diagnose eines bullösen Erysipels mit sekundärer Besiedlung der Wundflächen nach spontaner Blaseneröffnung gestellt.

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Therapie und Verlauf

Unter der Diagnose Erysipel wurde die Antibiose mit Penicillin G 8-stündlich mit 10 Mega IE i. v. eingeleitet. Nach Eingang der mikrobiellen Befunde mit Nachweis von P. aeruginosa und S. aureus wurde auf Cefotiam 2 g aller 12 Stunden i. v. gewechselt. Dennoch bildete sich das Fieber nicht zurück, das blasige Areal am Vorfuß dehnte sich aus und wurde nekrotisch (Abb. [1] und [2]). Wir entschieden uns für das Reserve-Antibiotikum Linezolid (Zyvoxid®) 600 mg alle 12 Stunden i. v. Das führte prompt zum Fieberabfall und zum Rückgang der klinischen und laborchemischen Entzündungszeichen sowie zum langsamen Abschwellen des Beines. Nach fünf Tagen konnte auf orale Gabe des Antibiotikums gewechselt werden, die nach 10-tägiger Gabe beendet wurde.

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Abb. 1 Aufnahmebefund: Blasenbildung und Rötung des rechten Unterschenkels und Fußes.

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Abb. 2 Demarkierung und Nekrosebildung am rechten Fuß vor Linezolid-Therapie.

Nach Beherrschung der schweren Infektion wurde in subkutaner Infiltrationsanästhesie die große Nekrose am Fuß abgetragen. Nach Wundbettpräparation mit Débridement, transdermaler CO2-Sufflation und silberhaltigen Wundauflagen (Abb. [3]) erfolgte in Vollnarkose die Deckung des Defektes mittels Spalthaut vom Oberschenkel. Das Transplantat heilte komplett ein (Abb. [4]).

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Abb. 3 Rechter Fuß nach Wunddébridement und transdermaler CO2-Sufflation.

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Abb. 4 Rechter Fuß nach Spalthauttransplantation.

Eine Ursache bzw. Grunderkrankung, die diesen schweren Krankheitsverlauf erklären könnte, wurde nicht gefunden.

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Diskussion

Nekrotisierende Verlaufsformen eines Erysipels sind selten. Wichtigste mögliche Risikofaktoren für einen nekrotisierenden Krankheitsverlauf sind die Erysipellokalisation an den unteren Extremitäten sowie vorbestehende Leber- und Nierenerkrankungen. Diabetes mellitus ist dagegen wahrscheinlich von geringerer Bedeutung als bisher vermutet. Häufigster Verursacher beim Erysipel des Erwachsenen sind beta-hämolysierende Streptokokken. Zu den seltenen Erregern zählt u. a. P. aeruginosa.

Neben lokalen Maßnahmen ist eine rasch einsetzende systemische Antibiose notwendig. Therapie der ersten Wahl ist die Verabreichung von Penicillin G 1 - 4 Mio. IE/Tag. Alternativ können, insbesondere dann, wenn außer Streptokokken andere Erreger nicht ausgeschlossen werden können, auch Cephalosporine eingesetzt werden. Bei schweren Verlaufsformen oder bei Therapieresistenz wird der Einsatz von Reserveantibiotika wie Vancomycin, Rifampicin, Teicoplanin oder Linezolid empfohlen. Linezolid ist das erste zugelassene Antibiotikum der neuen Klasse der Oxazolidinone, die zu den reversiblen nichtselektiven Monoaminooxidase-Hemmern zählen. Linezolid gehört zu den Reserveantibiotika, die bei Methicillin- und Vancomycin-resistenten Infektionen eingesetzt werden können. Typische Indikationen sind unter diesem Aspekt schwere Haut- und Weichteilinfektionen, pulmonale und intraabdominale Infektionen sowie Infektionen der ableitenden Harnwege und die chronischen Knocheninfektionen. Nach Ausschluss von Kontraindikationen wie schwerer Leber- und Niereninsuffizienz, unkontrollierter Hypertonie, Phäochromozytom, Karzinoid, Thyreotoxikose, verschiedener psychiatrischer Vorerkrankungen und Einnahme von Arzneimitteln, die die Monoaminooxidase A oder B hemmen, werden 600 mg Linezolid alle 12 Stunden zunächst als intravenöse und im Verlauf als orale Medikation verabreicht. Wichtigste mögliche unerwünschte Wirkung ist eine Myelosuppression mit folgender Panzytopenie. Daher sollte wöchentlich ein großes Blutbild bestimmt werden. Da unter Linezolid-Behandlung möglicherweise Schwindel auftreten kann, sollte in solchen Fällen nicht Auto gefahren werden. Gleiches gilt für die Bedienung von Maschinen. Die Behandlung mit Linezolid sollte in der Klinik begonnen werden.

Nach Abheilung der Lokalinfektion ist beim nekrotisierenden Erysipel mit beginnender Granulation eine operative Abdeckung der Defekte mittels Hauttransplantation anzustreben.

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Literatur

  • 1 Bonnetblanc J M, Bedane C. Erysipelas: recognition and management.  Am J Clin Dermatol. 2003;  4 157-163
  • 2 Fetscher I, Brenke A, Winter H. Das nekrotisierende Erysipel.  Dermatol Monatsschr. 1993;  179 139-142
  • 3 Hook E W III. Acute cellulitis.  Arch Dermatol. 1987;  123 460-461
  • 4 Kuijper E J, Schippers E F, Bernards A T. Linezolid, an agent from a new class of antibiotics.  Ned Tijdschr Geneeskd. 2004;  148 (32) 1577-1581
  • 5 Raghavan M, Linden P K. Newer treatment options for skin and soft tissue infections.  Drugs. 2004;  64 (15) 1621-1642
  • 6 Semel J D, Goldin H. Association of athlete's foot with cellulitis of the lower extremities.  Clin Infec Dis. 1996;  23 1162-1164
  • 7 Smolle J, Kahofer P, Pfaffentaler E, Kerl H. Risikofaktoren für das Auftreten von lokalen Komplikationen beim Erysipel.  Hautarzt. 2000;  51 (1) 14-18
  • 8 Stevens D L, Dotter B, Madaras-Kelly K. A review of linezolid: the first oxazolidinone antibiotic.  Expert Rev Anti Infect Ther. 2004;  2 (1) 51-59
  • 9 van Laethem Y, Sternon J. Linezolid (Zyvoxid).  Rev Med Brux. 2004;  25 (1) 47-50
  • 10 Weinberg J M, Scheinfeld N S. Cutaneous infections in the elderly: diagnosis and management.  Dermatol Ther. 2003;  16 195-206
  • 11 Wesson K M, Lerner D S, Silverberg N B, Weinberg J M. Linezolid, quinupristin/dalfopristin, and daptomycin in dermatology.  Dis Mon. 2004;  50 (7) 395-406

Prof. Dr. Uwe Wollina

Hautklinik am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt · Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden · Dresden

Friedrichstraße 41 · 01067 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

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Literatur

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Abb. 1 Aufnahmebefund: Blasenbildung und Rötung des rechten Unterschenkels und Fußes.

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Abb. 2 Demarkierung und Nekrosebildung am rechten Fuß vor Linezolid-Therapie.

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Abb. 3 Rechter Fuß nach Wunddébridement und transdermaler CO2-Sufflation.

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Abb. 4 Rechter Fuß nach Spalthauttransplantation.