Aktuelle Dermatologie 2005; 31(7): 311-316
DOI: 10.1055/s-2005-861298
Gesundheitsökonomie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfassung diagnosebezogener Kosten mittels Bottom-up-Ansatz - Grundlage für erfolgreiches DRG-Management in der Hautklinik

Diagnosis-Based Cost Evaluation by Bottom-Up-Approach - Essentials for Successful DRG Management in DermatologyL.  Richert1 , R.  Weber1 , P.  Doelfs2 , F.  Bross1 , D.  Tscheulin3 , M.  Augustin4
  • 1Universitäts-Hautklinik Freiburg
  • 2Verwaltung des Universitäts-Klinikums Freiburg
  • 3Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen, Betriebswirtschaftliches Seminar IV, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • 4FG Gesundheitsökonomie und Lebensqualitätsforschung, Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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Prof. Dr. Matthias Augustin

FG Gesundheitsökonomie und Lebensqualitätsforschung, Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52 · 20246 Hamburg ·

Email: m.augustin@uke.uni-hamburg.de

Publication History

Publication Date:
15 July 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Hintergrund: Ein erfolgreiches DRG-Management setzt die Kenntnis der diagnosebezogenen Fallkosten voraus. Bislang wurden in den meisten deutschen Kliniken jedoch keine diagnosebezogenen, sondern pauschalierte Fallkosten erhoben, die für eine effiziente DRG-Planung nicht ausreichen. In der Universitäts-Hautklinik Freiburg wurde deshalb eine fallbezogene Kostenträgerrechnung erstellt. Dabei kam ein Kalkulationsverfahren nach Bottom-Up-Ansatz zum Einsatz. Vorgehen: Die Kosten- und Leistungsdaten des Wirtschaftsjahres 2000 wurden für n = 197 Patienten dem einzelnen Fall als Kostenträger anhand von Prozessanalysen und Akteninformationen zugewiesen. Ein möglichst großer Kostenanteil wurde als Einzelkosten betrachtet und verursachungsgerecht verteilt. Einzelne Leistungen wurden als separate Kostenträger behandelt, deren Werte direkt dem empfangenden Fall zugeschrieben und summiert wurden. Abhängig von der Genauigkeit der Kosten- und Leistungsstatistiken kamen Äquivalenzziffern- und Divisionskalkulation zum Einsatz. Zur Kalkulation der Arztkosten wurde eine Prozesskostenrechnung erstellt. Schlussfolgerung: Unter Voraussetzung einer exakten Kosten- und Leistungserfassung ist der Bottom-Up-Ansatz ein geeignetes Mittel zur Berechnung von Fallkosten.

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Abstract

Background: Successful DRG management requires knowledge of the diagnosis-related case costs. However, in most German clinics, costs are calculated as general instead of diagnosis-related costs. Thus, in the dermatology university hospital of Freiburg diagnosis-related costs were calculated in a bottom-up approach. Methods: On the basis of in-patient files and a direct evaluation of used resources, cost and productivity data of one economic year were assessed for n = 197 randomly selected single patient cases. The maximum possible proportion of costs was assessed as individual costs and assigned to the case. Single procedures were counted as separate cost functions, their values being directly added to the case. Depending on the accuracy of cost and productivity statistics, equivalent numbers or division calculation were applied. Costs for medical staff were assessed by process cost calculation. Conclusions: Given exact cost and productivity data, the bottom-up approach is a convenient method for the calculation of case costs.

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Hintergrund

Die Einführung des DRG-Systems stellt neue Anforderungen an das interne Rechnungswesen der Krankenhäuser. Die bedeutendste Funktion zur Steuerung und Kontrolle des Betriebsgeschehens hat dabei die Kostenträgerrechnung, in der die Kosten den einzelnen Behandlungsfällen zugeordnet werden. Die Kalkulation dieser fallbezogenen Kosten wird für die Krankenhäuser unverzichtbar sein, da sie nicht nur eine Wirtschaftlichkeitskontrolle, sondern auch die Planung und Steuerung des Leistungsprogramms unter DRG-Bedingungen ermöglicht.

Im vorherigen Erlössystem, das zum größten Teil auf nicht-leistungsorientierten Pflegesätzen basierte, bestand für die Krankenhäuser in Deutschland kein Anlass, eine fallbezogene Kostenträgerrechnung zu erstellen. Daher besteht wenig praktische Erfahrung mit der Durchführung einer solchen Kalkulation.

Im Rahmen der Vorbereitung auf das DRG-System wurden an der Universitäts-Hautklinik Freiburg auf Basis der Ist-Kosten des Jahres 2000 retrospektiv die Behandlungskosten 197 stationärer Fälle von n = 10 ausgewählten Diagnosen berechnet. Dabei wurden die aus den Patientendaten ermittelten Kosten dem Kostenträger „Fall” über den Bottom-Up-Ansatz zugeordnet. Dies bedeutet, dass ein möglichst großer Anteil der Kosten dem Kostenträger verursachungsgerecht als Einzelkosten zugeschrieben wurde und nur in Ausnahmefällen eine von den Gesamtkosten ausgehende Kalkulation durchgeführt wurde.

Die Erfahrungen, die mit diesem Kalkulationsansatz gemacht wurden und anderen Krankenhäusern zu Nutze sein können, werden im Folgenden dargestellt.

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Der Fall als Kostenträger

Die Kostenträgerrechnung zeigt, welche Kosten für die einzelnen betrieblichen Leistungen entstanden sind. Im Krankenhaus bestehen diese Leistungen aus Diagnostik, Therapie, Pflege und Unterbringung. Sie haben die Statusveränderung des Patienten zum Ziel [1]. Die Betriebsleistung kann daher als Summe heterogener Einzelleistungen am Patienten betrachtet werden [2]. Der einzelne Fall stellt dabei den Kostenträger dar; die Kalkulation basiert auf der Addition der Kosten der empfangenen Leistungen nach dem Bottom-Up-Ansatz. Die wesentlichen Aufgaben der Kostenträgerrechnung sind dabei die (zukunftsorientierte) Kalkulation von DRG-vergüteten Leistungen zum Zwecke der Steuerung des Betriebsgeschehens sowie die (vergangenheitsbezogene) Nachkalkulation zum Zwecke der Kostenkontrolle [3].

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Kosten- und Leistungserfassung

Ziel der Kosten- und Leistungserfassung ist es, eine möglichst große Zahl an Kosten dem Behandlungsfall direkt als Kostenträgereinzelkosten zuzurechnen.

Die Leistungsrechnung, die die Grundlage der Kostenverteilung auf die Kostenträger bildet, ist im Krankenhaus vor allem eine Mengenrechnung [1]. Um die Kosten verursachungsgemäß zuordnen zu können, sind genaue Leistungsstatistiken der einzelnen Kostenstellen erforderlich.

Sämtliche Daten zur Kostenstruktur der Universitäts-Hautklinik im Jahr 2000 wurden von der Klinikumsverwaltung bezogen. Zur Berechnung der Sachkosten wurden vor allem die Kostenstellenblätter betrachtet. Die Personalkosten wurden dem Bundesangestellten-Tarif (BAT) entnommen.

Bei der Kostenerfassung werden nur die DRG-relevanten Kosten berücksichtigt. Kosten, die in der Ambulanz oder Forschung anfallen, werden herausgerechnet. Dabei muss bedacht werden, dass in vielen Bereichen (z. B. OP, Labor, Allergologie) Leistungen sowohl für ambulante als auch für stationäre Fälle erbracht werden. Die dort entstehenden Kosten müssen daher nach einem geeigneten Schlüssel verteilt werden.

Investitionskosten und kalkulatorische Kosten wurden nicht berücksichtigt. Für die fallbezogene Kostenträgerrechnung in Krankenhäusern öffentlicher Trägerschaft sind die kalkulatorischen Kosten von geringer Bedeutung, da ihre Investitionskosten laut § 4 KHG im Wege öffentlicher Förderung übernommen werden. Die Frage eines Kapitalisierungszinses stellt sich im System der dualen Finanzierung also vielmehr dem öffentlichen Träger als dem Krankenhaus selbst.

Die kostenrelevanten Falldaten wurden den Patientenakten und dem Prometheus-Programm der Patientendatenverwaltung entnommen. In die Datenrecherche wurden vor allem die Aufenthaltsdauer, Medikamente als Einzelkosten, Pflegestufe, OP-Minuten, empfangene therapeutische und diagnostische Leistungen und Konsile einbezogen.

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Kostenrechnung

Ziel der Kostenträgerrechnung ist, die Kosten den Leistungen zuzuordnen, bei denen sie angefallen sind. Die Kostenzuordnung folgt dabei in erster Linie dem Verursacherprinzip, demzufolge einem Kalkulationsobjekt nur die Kosten berechnet werden dürfen, die es verursacht hat [1]. Lässt sich die Kostenverursachung nicht eindeutig festlegen, so kommt das Proportionalitätsprinzip zum Einsatz. Es besagt, dass die Kosten proportional zu bestimmten Bezugsgrößen auf die Kostenstellen zu verteilen sind [4]. Dies ist bei der Verrechnung der Gemeinkosten der Fall. Nur wenn das Proportionalitätsprinzip nicht anwendbar ist, werden die Gemeinkosten nach dem Durchschnittsprinzip verrechnet. Das Durchschnittsprinzip wurde zur Berechnung des Pflegesatzes verwendet, indem die Kosten durchschnittlich, jedoch nicht verursachungs- und leistungsgemäß auf die Pflegetage verteilt wurden.

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Verteilung der Overheadkosten

Die Hautklinik Freiburg nimmt als Abteilung des Universitätsklinikums zentral verwaltete Leistungen in Anspruch. Dazu gehören zum Beispiel Energiekosten, Verwaltung und technischer Dienst. Meist ist eine verursachungsgemäße Verteilung der entstehenden Overheadkosten nicht möglich. Diese Kosten sollten jedoch so genau wie möglich aufgeschlüsselt und durch geeignete Kalkulationsverfahren auf die einzelnen Abteilungen verteilt werden.

Muss auf eine Verrechnung der Overheadkosten auf die Abteilungskostenstellen verzichtet werden, so können diese Kostenanteile pauschal pro einzelnem Behandlungstag berechnet und dem Fall proportional seiner Verweildauer zugeschlagen werden. Dies entspricht der Berechnung des vormals üblichen Basisfallpreises.

Zusätzlich ergeben sich im stationären Bereich der einzelnen Abteilung weitere Overheadkosten. Diese setzen sich zum Beispiel aus Kosten des medizinischen Bedarfs zusammen, die nicht fallweise zuordenbar sind (zum Beispiel ärztlicher und pflegerischer Bedarf in Form von Desinfektionsmitteln oder Einmalhandschuhen). Der Anteil der durch Ambulanz und Poliklinik zu tragenden Overheadkosten muss anhand des Verhältnisses der dort gebuchten Sachkosten zu den stationären Sachkosten heraus gerechnet werden.

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Medikamentenkosten

Die Medikamentenkosten können dem Fall verursachungsgemäß als Einzelkosten zugeordnet werden, da ihr Verbrauch in der Patientenakte genau dokumentiert ist.

Soweit die angewandte Stückzahl in der Krankenakte nicht genau vermerkt ist, wurde der durchschnittliche Verbrauch pro Anwendung durch das Pflegepersonal auf den Stationen geschätzt; diese Schätzung betrifft vor allem den Verbrauch von Verbandsmaterial und Arzneimitteln zur äußerlichen Anwendung (Cremes und Salben), die nicht in Einzeldosen verpackt sind. Die Stückkosten der einzelnen Produkte wurden der Arzneimittelliste der Klinikumsapotheke entnommen. Sonderprodukte wurden über die in den Blättern der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung oder in der Roten Liste aufgeführten Kosten veranschlagt.

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Arztkosten

In die Berechnung des durchschnittlichen Aufwands pro Stationsarzt fließen die Stellen der Assistenzärzte und rückblickend die der Ärzte im Praktikum (AiP) ein. Die Leistungen der fest eingeteilten Studenten im Praktischen Jahr (PJ) pro Zeiteinheit wurden angesichts des für sie anfallenden Lehraufwands um den Faktor 0,33 korrigiert. Die Tätigkeit der Famulanten wurde in der Kalkulation nicht berücksichtigt, da ihr effektiver Nutzen im Vergleich zum Lehr- und Einarbeitungsaufwand auf Null geschätzt wird. Zur Kalkulation der durchschnittlichen Kosten pro Arztminute wurde nach Rücksprache mit der Klinikumsverwaltung mit einer Gesamtarbeit von 1.607 Jahresarbeitsstunden pro Stelle gerechnet. In dieser Stundenzahl sind Urlaub und 20-prozentige Ausfallszeit berücksichtigt (Tab. [1]).

Tab. 1 Durchschnittliche Kosten pro Arztminute (Stationsarzt)
durchschnittlicher Jahresaufwand 48.611,09
Arbeitsminuten pro JahrMin96.420,00
Kosten pro Minute 0,51

Bei der Verrechnung der Arztkosten muss berücksichtigt werden, dass die Ärzte oft in mehr als einer Kostenstelle tätig sind; ihre Leistungen sind jedoch nicht im Einzelnen dokumentiert. Hier erlaubt die Prozesskostenrechnung, diese Kosten dem Fall unter Umgehung der Kostenstellen verursachungsgemäß zuzuordnen. Die einzelnen Prozesse sind im stationären Bereich zum Beispiel Visite, Aufnahme, Entlassung etc. Die Minutenwerte der Prozesse dienen als Bezugsgröße zur Kostenzuordnung. Der Bildung der Prozesse und Minutenwerte muss dabei eine genaue Tätigkeitsanalyse des Personals vorausgehen [4]. In der Universitäts-Hautklinik Freiburg wurden DRG-relevante Prozesse auf den Stationen gezielt beobachtet und deren Minutenwerte aufgezeichnet. Weiterhin wurden die zeitlichen Abläufe durch die Stationsärzte selbst geschätzt. Diese Schätzungen wurden mit den beobachteten Daten verglichen, umso ihre Genauigkeit beurteilen zu können. Nach Rücksprache mit den Stationsärzten und Beobachtungen am Patientenbett wurde deutlich, dass der zeitliche Aufwand der Ärzte pro Tag und Patient in der Universitäts-Hautklinik Freiburg weitgehend unabhängig von der eigentlichen Hauptdiagnose des Falles entsteht. Vielmehr variieren die Arztkosten abhängig von der Behandlungsform (operativ oder konservativ) und von der behandelnden Station.

Um die leistungsgerechte Abbildung der Arztkosten zu gewährleisten, wurde zwischen fallfixen Kosten und verweildauerabhängigen Kosten unterschieden. Als fallfixe Kosten wurden diejenigen Prozesskosten definiert, die pro Patientenaufenthalt nur einmal anfallen. Dazu gehören folgende Abläufe und deren Kosten: Aufnahme, Erstvorstellung des Patienten gegenüber dem Oberarzt, Patientenaufklärung, Entlassung und Schreiben des Entlassbriefes. Davon abzugrenzen sind die verweildauerabhängigen Kosten, die täglich oder in anderen regelmäßigen Abständen entstehen. Zu den Abläufen, die diese Kosten verursachen, zählen Visite, Besprechungen, organisatorische Tätigkeiten und andere ärztliche Aufgaben. Bei der Summation der verweildauerabhängigen Kosten muss berücksichtigt werden, dass der Stationsablauf in der beobachteten Form nur an Werktagen abläuft. Damit diese Kosten dem Fall jedoch unabhängig vom Wochentag seiner Aufnahme und Entlassung zugeschrieben werden können, werden sie mit dem Faktor 0,71 auf den einzelnen Behandlungstag umgelegt. Die Berechnung der Kosten für Chef- und Oberarzt erfolgt analog.

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Pflegekosten

Die Pflegepersonalkosten stellen den größten Anteil der Personalkosten eines Falles dar. Um die Leistungen des Pflegepersonals differenziert beurteilen zu können, werden die einzelnen Fälle in der Universitäts-Hautklinik täglich in ein Pflegestufen-System eingeordnet. Dieses System unterscheidet allgemeine und spezielle Pflege in je drei Differenzierungen und entstammt der früheren Pflegepersonalregelung (PPR). Der durchschnittliche zeitliche Aufwand der resultierenden Pflegestufe wird durch einen bestimmten Minutenwert pro Tag abgebildet. Unter Einbeziehung eines festgelegten Fall- und Grundwertes lässt sich so der gesamte zeitliche Pflegeaufwand eines Falles in Minuten berechnen [5]. Da das PPR-System in der Hautklinik auch der Personalbedarfsrechnung dient, gewährleistet dieser Kalkulationsansatz zugleich die adäquate Abbildung der Gesamtpflegekosten; Bottom-Up- und Top-Down-Ansatz decken sich hier also.

Zur Berechnung der durchschnittlichen Personalkosten pro Pflegeminute wird über alle Stationen das Mittel des Jahresaufwands der dort arbeitenden Pflegekräfte gebildet. In der Gesamtjahresarbeitszeit von 96.420 Minuten sind Urlaubs- und Ausfallzeiten mit 20 % berücksichtigt.

Hinzu kommen die Kosten, die durch die Tätigkeit der Pflegedienstleitung und ihrer Mitarbeiter entstehen. Diese Tätigkeiten umfassen vor allem organisatorische und personaltechnische Verrichtungen. Daher werden die Kosten der Pflegedienstleitung dem Fall nicht in Abhängigkeit der Pflegeintensität, sondern proportional seiner Verweildauer pro Tag zugerechnet, und zu den anhand der PPR-Minuten ermittelten Kosten addiert. Ist die Pflegedienstleitung für mehrere Abteilungen zuständig, werden die Kosten anhand der Anzahl der Pflegetage pro Abteilung verrechnet.

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Leistungen in außerstationären Einrichtungen

Neben den ärztlichen und pflegerischen Diensten empfangen die Fälle der Hautklinik Leistungen aus Einrichtungen, die stationsunabhängig oder -übergreifend arbeiten. Dazu gehören zum Beispiel Laboruntersuchungen, operative Leistungen und histologische Beurteilungen. Die leistungserbringenden Einrichtungen werden jeweils als einzelne Kostenstellen betrachtet; die dort entstehenden Personal- und Sachkosten werden auf die Leistungen verrechnet. Die erbrachte Leistung stellt dabei einen separaten Kostenträger dar, dessen Wert direkt dem empfangenden Fall zugeschrieben wird. Diese Kostenträgerrechnung basiert auf den Daten der Kosten- und Leistungsstatistik des gesamten Jahres. Der Wert der in den Kostenstellen anfallenden Sachkosten wird um diejenigen Kostenarten bereinigt, die dem Fall bereits anhand der Overheadkosten zugerechnet wurden.

Die einfachste Methode der Kostenverteilung stellt die Divisionsrechnung dar; hier werden die Gesamtkosten eines Zeitraums durch die in dieser Periode erstellte Leistungsmenge geteilt (Tab. [2]). Vorraussetzung ist dabei, dass die erzeugten Leistungen homogen sind, wie es zum Beispiel im Fotolabor eines Krankenhauses annähernd der Fall sein kann. Diese Kalkulationsmethode beruht auf dem Durchschnittsprinzip.

Tab. 2 Durchschnittliche Kosten in der Fototherapie pro Behandlung als Beispiel für eine Divisionskalkulation
Betrag (€)
Sachkosten89.410,12
Personalkosten (Tarif: 1,5 VIB)131.962,27
221.372,39
Behandlungen12.948
Kosten pro Behandlung (€) 17,10

Ein differenzierteres Verfahren besteht in der Äquivalenzziffernrechnung. Bei einer heterogenen, aber verwandten Leistungsstruktur werden die jeweiligen Kosten über Äquivalenzziffern zueinander in ein Verhältnis gesetzt. Im Krankenhaus häufig angewandte Äquivalenzziffern sind die Punkte nach GOÄ oder DKG-NT, über die beispielsweise Laborleistungen gewichtet werden können [1] (Tab. [3]).

Tab. 3 Durchschnittliche Laborkosten (klinisches Labor) pro Punkt (DKG-NT) als Beispiel für eine Kalkulation nach Äquivalenzziffern.
Betrag (€)
Sachkosten 57.083,18
Personalkosten 175.373,12
Summe 232.456,30
Erbrachte Leistungen (DKG-NT-Punkte)5.751.925,00
Kosten pro Punkt (Cent)4,04
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OP-Kosten

Auch der OP ist eine Einheit, in der bereichsübergreifend sowohl ambulante als auch stationäre Leistungen erbracht werden. Die Berechnung der OP-Kosten gestaltet sich schwierig, da die operierenden Ärzte meist zusätzlich in anderen Bereichen (z. B. auf Station) tätig sind und nur einen Teil ihrer Arbeitzeit im OP verbringen. Vor der Kostenträgerrechnung muss also erst der Anteil der im OP anfallenden Personalkosten ermittelt werden.

Zur Berechnung der Fallkosten sollte derjenige Kalkulationsansatz gewählt werden, der dem Verursachungsprinzip am weitesten entspricht. Die Kalkulationsgenauigkeit wird durch die verfügbaren OP-Daten limitiert.

Wenn möglich, sollte eine Äquivalenzziffernkalkulation durchgeführt werden, in die neben der OP-Dauer die Anzahl des bei einer Operation anwesenden ärztlichen und pflegerischen Personals mit eingeht. Es muss jedoch geprüft werden, ob die in der Patientendatenverwaltung dokumentierte Personalpräsenz der tatsächlich bei einer Operation anwesenden Mitarbeiterzahl entspricht. Oft schwankt die Anwesenheit innerhalb der Dauer eines Eingriffs selbst stark. Nur zeitweise anwesendes Personal wird meist nicht in die Dokumentation mit aufgenommen. In diesem Fall ergeben sich mit dieser Kalkulation zu niedrige Kostensätze, die die real im OP entstehenden Kosten nicht abdecken.

Ist eine Äquivalenzziffernkalkulation nicht möglich, werden die Kosten dem Fall proportional zu seiner OP-Dauer zugeschrieben. Die einzelne Leistungseinheit, auf deren Basis eine Divisionskalkulation durchgeführt wird, ist die OP-Minute. Wenn die Rüstzeiten unzureichend dokumentiert sind, werden ihre Kosten nicht separat berechnet; sie gehen letztendlich in die Höhe des Betrags pro OP-Minute mit ein. Unter Verzicht der Einberechnung der anwesenden Personalzahl gewährleistet dieser Kalkulationsansatz, dass die für Leerlauf und organisatorische Tätigkeiten entstehenden Kosten mit abgedeckt werden. Wenn der Materialverbrauch im OP nicht fallweise dokumentiert und nur schwer schätzbar ist, werden auch die Sachkosten proportional den OP-Minuten verrechnet.

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Leistungen aus anderen Abteilungen

Kosten von Leistungen, die Patienten der Universitäts-Hautklinik aus anderen Abteilungen des Klinikums empfangen, werden mittels der Innerbetrieblichen Leistungsverrechnung (IBLV) der Kostenstelle Dermatologie zugeschrieben. Diese Verrechnung entspricht dem Proportionalitätsprinzip und erfolgt in Freiburg nach DKG-NT-Punkten. Der Punktwert variiert je nach leistungserbringender Abteilung. Um die Gesamtkosten pro Fall richtig abzubilden, muss dieser auf Vollkostenbasis berechnet werden.

Die empfangenen Leistungen werden der Patientenakte und der Patientendatenverwaltung entnommen und deren Kosten mittels Punktzahl und Punktwert dem Fall zugeschrieben.

Es muss beachtet werden, dass je nach Buchführung nicht alle Leistungen aus anderen Abteilungen in der IBLV gebucht werden. Die Kosten solcher Leistungen (z. B. Konsile) müssen gesondert berechnet und dem Fall zugeschlagen werden.

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Überführung von Leistungen in fallbezogene Kosten

Grundlage für die fallbezogene Kostenermittlung sind die Kosten-Basisdaten pro Leistung, wie sie nach den o. g. Verfahren ermittelt wurden (Tab. [4]). Auf der Basis dieser Basisdaten und des ermittelten Ressourcenverbrauchs pro Patient können die fallbezogenen Kosten ermittelt und für jede Diagnosegruppe die mittleren Kosten ermittelt werden (Tab. [5]).

Tab. 4 Übersicht der Kosten-Basisdaten für die Universitäts-Hautklinik Freiburg
LeistungLeistungseinheitKosten pro Leistung (DM)Kosten pro Leistung (€)
ArztMinute0,990,50
PflegePPR-Minute0,820,42
OPOP-Minute14,027,15
AnästhesieNarkose229,08116,83
Laser (PersonalkostenMinute1,810,92
Laser (Sachkosten)Sitzung0,430,22
LaborDKG-NT-Punkt0,080,04
Allergolog. TestungDKG-NT-Punkt0,370,19
Allergolog.LaborDKG-NT-Punkt0,100,05
Bakteriologie/MykologieAnforderung19,139,76
HistologieAnforderung46,2923,61
FotolaborAuftrag17,478,91
FototherapieSitzung33,4417,05
KrankengymnastikSitzung34,3917,54
AngiologieUntersuchung45,2523,08
SonographieUntersuchung29,7015,15
ProktologieUntersuchung54,3027,69
SozialdienstFall178,3390,95
Psychosomat. LiaisondienstKonsil105,0653,58
sonstiges KonsilKonsil56,2028,66
IBLVDKG-NT-Punktvariierende Punktwertevariierende Punktwerte
Tab. 5 Beispiel für eine Kostenträgerstückrechnung in der Diagnosegruppe „Bösartige Neubildungen” (C44.X nach ICD-10 2.0; n = 20)
Stichprobe „Bösartige Neubildungen”: Fallkosten (Euro)
PatientStationGeschlechtAlterDiagn.LOSPflegeArztOPOverheadkostenmed. BedarfLaserdiagn./therap. Leistungen außerhalb der Stationaus anderen Abteilungen bezogene LeistungenSumme
81Jm71812 549,12204,14 817,351.096,4730,260,00 237,500,002.934,85
82Jw6739 419,16165,24 573,58 822,3550,970,00 23,670,002.054,97
83Jw3426 289,20126,34 286,79 548,233,840,00 296,450,001.550,85
84Jw77412 549,12204,14 387,171.096,4762,100,00 78,510,002.377,51
85Jm64814 635,77230,08 774,331.279,2147,0313,18 170,010,003.149,60
86Jw76414 635,77230,08 523,391.279,2155,750,00 28,000,002.752,20
87Jm6159 419,16165,24 57,36 822,3518,5540,01 513,330,002.036,01
88Jw83420 895,69307,88 716,971.827,4558,040,00 117,810,003.923,84
89Jm6327 332,52139,31 609,43 639,6136,950,00 95,840,001.853,64
90Jw75917 765,73268,98 652,441.553,3395,020,00 100,640,003.436,15
91Jw93415 679,09243,051.190,181.370,5850,1126,35 364,510,003.923,85
92Jm767191.217,82294,91 666,791.736,08153,1913,18 282,750,004.364,71
93Jw747151.638,71243,05 530,561.370,58463,060,00 109,83157,104.512,89
94Jm48411 505,80191,181.068,291.005,1045,1348,78 98,3042,683.005,25
95Jm9059 573,45165,24 164,90 822,3571,050,00 23,670,001.820,66
96Jw63211 505,80191,18 336,981.005,1020,950,00 64,630,002.124,63
97Jm71517 929,22268,98 867,541.553,33242,980,00 335,3767,144.264,56
98Jm66414 635,77230,08 824,521.279,2158,2913,18 84,190,003.125,23
99Jw8743 216,9487,44 824,52 274,1269,820,00 71,000,001.543,84
100Jm944191.217,82294,91 509,051.736,0894,3313,18 47,340,003.912,70
Mittelwert 71,654,7512,65 680,58212,57 619,111.155,8686,37 8,39 157,17 13,352.933,40
Kostenanteil in Prozent 23,2 %7,2 % 21,1 % 39,4 %2,9 %0,3 % 5,4 %0,5 % 100,0 %
SD 14,682,054,61 351,6759,84 285,37 421,62103,0514,44 135,6338,01 984,01
Minimum 3423 216,9487,44 57,36 274,123,840,00 23,670,001.543,84
Maximum 949201.638,71307,881.190,181.827,45463,0648,78 513,33157,104.512,89
Grenzkosten (pro zusätzl. Behandlungstag) 53,8012,97 91,376,83 164,97
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Berechnung der Grenzkosten

Nach Summation der einzelnen Kosten und Berechnung der durchschnittlichen Fallkosten einer Diagnosegruppe können die Grenzkosten kalkuliert werden (Tab. [5]). Dies sind die Mehrkosten, die pro zusätzlichem Behandlungstag verursacht werden, den ein Fall nach Durchführung der diagnostischen und operativen Maßnahmen stationär verbringt. Sie bilden also die Veränderung der Kosten ab, die bei Variation der Verweildauer entsteht. Die Grenzkosten pro „Produktionseinheit Behandlungstag” werden durch die Inanspruchnahme pflegerischer und ärztlicher Routinearbeit, durch den Verbrauch von medizinischem Bedarf und durch die Overheadkosten bedingt.

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Schlussfolgerungen

Der Bottom-Up-Ansatz erlaubt die verursachungsgemäße Berechnung der Fallkosten. Voraussetzung ist, dass die zugrunde liegenden Leistungs- und Kostendaten so detailliert wie möglich erhoben werden. Je genauer die Statistiken der einzelnen Abteilungen sind, desto aussagekräftiger sind die kalkulierten Ergebnisse. Dies ist vor allem dort der Fall, wo die vorliegenden Leistungsstatistiken eine Äquivalenzziffernkalkulation zulassen.

Als wichtiger Kostenblock sollten deshalb auch die Overheadkosten Gegenstand einer genauen Analyse sein und im Einzelnen aufgeschlüsselt werden.

Bei der Berechnung des Fallkostendurchschnitts ist es von großer Bedeutung, dass die Kalkulation auf Basis einer genügend großen Fallzahl durchgeführt wird; die gewählte Stichprobe muss repräsentativ sein, um die Validität der Ergebnisse zu gewährleisten [6]. Nur eine korrekte Beurteilung des Behandlungsaufwandes und damit eine schlüssige Kostenkalkulation ermöglichen, Budgetfehlsteuerungen im DRG-System zu vermeiden.

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Literatur

  • 1 Hentze J, Kehres E. Kosten- und Leistungsrechnung in Krankenhäusern. 4. Aufl. Stuttgart; Kohlhammer Verlag 1999
  • 2 Keun F. Einführung in die Krankenhaus-Kostenrechnung. Wiesbaden; Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH 1996
  • 3 Tscheulin D K, Helmig B. Aufbau einer Kostenträgerrechnung im Krankenhaus.  Das Krankenhaus. 1996;  86 501-508
  • 4 Schweitzer M, Küpper H U. Systeme der Kosten- und Erlösrechnung. 7. Aufl. München; Verlag Franz Vahlen GmbH 1998
  • 5 Schöning B, Luithlen E, Scheinert H. Pflege-Personalregelung: Kommentar mit Anwendungsbeispielen für die Praxis. 2. Aufl. Stuttgart; Kohlhammer Verlag 1995
  • 6 Goldschmidt A JW. 10 Thesen und Antithesen zum DRG-System.  Krankenhausumschau. 1999;  11 858-864

Prof. Dr. Matthias Augustin

FG Gesundheitsökonomie und Lebensqualitätsforschung, Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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Literatur

  • 1 Hentze J, Kehres E. Kosten- und Leistungsrechnung in Krankenhäusern. 4. Aufl. Stuttgart; Kohlhammer Verlag 1999
  • 2 Keun F. Einführung in die Krankenhaus-Kostenrechnung. Wiesbaden; Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH 1996
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  • 6 Goldschmidt A JW. 10 Thesen und Antithesen zum DRG-System.  Krankenhausumschau. 1999;  11 858-864

Prof. Dr. Matthias Augustin

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