Der ambulant tätige Dermatologe befindet sich nach Jahren stagnierender Erlöse aus
der Kassenpraxis sprichwörtlich auf rauer See. Zusammenschlüsse von Leistungserbringern
im Gesundheitswesen und Kapitalgesellschaften bedrohen seine Existenz. Die Musik spielt
regional, was zur täglichen Arbeit in der Praxis auch organisatorische Vorkehrungen
vor Ort erfordert. Die Einzelpraxis gerät scheinbar unter Druck, wenngleich sie in
ihrer kleinsten Variante auch noch Jahre gerade als Privatpraxis Überleben kann. Sie
erfordert dann aber auch massiven persönlichen Einsatz. Kooperationen werden insbesondere
als Gemeinschaftspraxis gefördert, stellen aber hohe Anforderungen an die Teamfähigkeit.
Integrierte Versorgung und der Aufbau von medizinischen Versorgungszentren werden
die Themen der nächsten Jahre sein. Auf der einen Seite kann daraus eine Klinik-/Praxiskette
entstehen, in der Mehrheit droht indes Fremdbestimmung und Kapitalverlust.
Eine problematische Komponente ist die persönliche Haftung des Arztes für seine Verordnungen.
So ist gerade in jüngster Zeit z. B. in Hessen die Situation eskaliert. Es kommt trotz
nachgewiesener langjähriger besonderer Wirtschaftlichkeit der hessischen Kassenärzte
zu Rückforderungen der Kassen aus vorjährigen Medikamentenverordnungen in mehrstelliger
Millionenhöhe. Zur schlechten Stimmung trägt auch die generelle Absenkung des Medikamentenbudgets
um mehrere Prozent via Schiedsamtsspruch für 2004 bei. Die meisten der angekündigten
Einbußen lassen sich nur durch jahrelange Sozialgerichtsverfahren bekämpfen, so dass
akut große Vor- und Umsicht bei der Liquiditätsplanung der Kassenpraxis angesagt ist.
Gerade die Vielzahl neuer Präparate in der Dermatologie lässt es wichtig erscheinen,
die ambulant gewonnenen Erfahrungen und Daten zentral in einer Institution zu sammeln,
um so die Qualität und Wirtschaftlichkeit unseres überwiegend ambulant ausgeübten
Faches besser belegen zu können. Dies gilt insbesondere auch für ästhetische Fragestellungen
als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Mitbewerbern am Markt.
Aktuelle Veränderungen wie der allgemeine Rückgang der Patientenzahlen durch die Praxisgebühr
oder auch der Rückgang der Verordnungen durch die Einschränkung der Erstattungsfähigkeit
haben die Dermatologenschaft irritiert.
In etlichen Bundesländern haben regionale Zusammenschlüsse von Ärzten bereits Kontakt
mit Kassen aufgenommen, um aus der Budgetfalle zu entrinnen. In Hessen stehen die
Kardiologen als so genannte Kardio-Plattform mit den Kassen in Verhandlung, um außerhalb
des ständig abnehmenden KV-Budgets eine für sie profitable Vergütung zu erreichen.
Diese wird dann makabererweise wieder dem KV-Topf entzogen.
Ein Absinken des dermatologischen Honorars unter den Grenzwert von 20,- Euro pro
Quartal und pro Patient in den Selbstkostenbereich ist zumindest in Hessen nunmehr
auch und gerade durch den neuen EBM 2000 plus wahrscheinlich. Dies verlangt trotz
aller Zuflüchte in Ästhetik und andere Felder nach effektivem Gegensteuern! Die Ärzte
müssen von Leidenden wieder zu aktiv Handelnden werden. Der Arzt muss darauf achten,
nicht selbst zu einem immer preiswerteren Gesundheitsdienstleister zu werden. Die
politisch gelähmte KV ist dabei nicht das geeignete Instrument, um unsere Interessen
effektiv zu vertreten (vgl. neuer EBM, Arzneimittelregresse, IT-Vernetzung, etc.).
Handlungsfähige regionale Bündnisse müssen u. a. die überbordende Bürokratie im Gesundheitswesen
ablösen. Sie müssen gleichzeitig für unsere Patienten respektierte Ansprechpartner
im Kampf um notwendige gesellschaftliche Ressourcen für die eigene und die Volksgesundheit
darstellen.
Die Preisgestaltung ist für den Dermatologen gerade bei Igel-Leistungen in der Praxis
wichtig. Das unentgeltliche Erbringen von medizinischen Leistungen ist dabei nach
dem bestehenden Berufsrecht untersagt. Kollegen, die in einzelnen Regionen z. B. Hautkrebsuntersuchungen
nach außen scheinbar kostenlos anbieten, um später mit der Videodokumentation durchwegs
zu liquidieren, sei dies ausdrücklich gesagt. Für den Dermatologen ist also wichtig,
hier einen marktfähigen Preis zu realisieren, der sich in der Praxis an die GOÄ anlehnt.
In den Qualitätszirkeln erhält man dazu sicherlich interessante Informationen. Wichtig
ist, nicht an der nach außen sicht- und fühlbaren Qualität zu sparen. Genauso gilt
es darauf zu achten, Dinge, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen, zu günstigerem
Preis outzusourcen oder darauf zu verzichten. Markenbildung ist angesagt. Dies ist
insbesondere regional von Vorteil, kann aber auch überregional sinnvoll sein. Die
neue Berufsordnung erleichtert den Zusammenschluss von Praxen, das genaue Prozedere
ist vielfach noch unklar. Die politisch gewünschte Entstehung von Medizinischen Versorgungszentren
wird durch die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen widerlegt. Einzig als Ausgründung
von Kliniken mit dem Sinne enger Vernetzung zwischen ambulanter und stationärer Medizin
entstehen sinnvolle Konstrukte; wichtig ist, dass ein professioneller Klinikbetreiber
mit gut gefüllter Börse dahintersteckt.
Ein Thema besonderer Art stellt die IT-Vernetzung im Gesundheitswesen dar. Die Gesundheitskarte
wird zu Veränderungen in unserer Gesellschaft führen, die man heute schon als revolutionär
bezeichnen muss. Der Arzt als hippokratisch bestimmter Garant des Datenschutzes und
langjährige Bezugs- und Vertrauensperson (dezentrales Modell) wird ersetzt durch den
Hausarzt als Datensammelstelle und Moderator sowie den Spezialisten, der in spezialisierten
Zentren tätig ist und seine Befunde in ein Datennetz einspeist (zentrale Speicherung
aller Befunde). Was hier durch mangelhafte Technik (Viren, Würmer, Fehlfunktionen,
Elementarschäden) und/oder Einsichtnahme durch unbefugte Dritte (Versicherungen,
Arbeitgeber, Geheimdienste) droht, sprengt das Vorstellungsvermögen. An die Möglichkeiten
des Missbrauchs genetischer Daten, etc. und totalitäre politische Verhältnisse wollen
wir gar nicht denken. Die Politik erhofft sich dagegen mehr Transparenz und Kostenersparnis.
Insgesamt sind vom Gesetzgeber Umwälzungen geplant, die weit über das bisherige Maß
an Veränderung hinausgehen. Vernetzung aller Daten und Zugriff rund um die Uhr ist
angesagt. Der Arzt wird zum Gesundheitsdienstleister, der Patient kann rund um die
Uhr seine Krankenakte einsehen. Bei Dokumentation wie Abrechnung wird ein besonderer
Plausibilitätsaufwand sichtbar. „Empowerment of the Patient” heißt der neudeutsche
Fachterminus. Man setze diesem damit verbundenen lebenslangen arzt- wie patientenbezogenem
Überwachungsinstrument anonymer Kassen bewusst die dezentrale Datenhaltung bisherigen
Ausmaßes entgegen. Nur diese erfüllt den Eid des Hippokrates, der bewusst den eigenen
Arzt zum Sachwalter des Patienten macht. Die komplette Publikation von Leitlinien
im Internet ist eine weitere „Sünde“, da die ärztliche Kunst gemäß dem Hippokratischen
Eid nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden darf. Dies scheint aber weder
KBV noch BÄK zu interessieren. Die neue Welt ist schon im Sozialgesetzbuch festgelegt:
die Datenkommunikation im Gesundheitswesen hat ab 1. 1. 2006 nicht mehr papiergebunden
sondern elektronisch zu erfolgen. Unsere KBV hat sich voll diesen Vorhaben angeschlossen.
Ein Dissenz zwischen Regierung und Opposition ist nicht zu erkennen. Wie beim Konto
holt sich der Staat auch hier unbeschränkten Zugang auf die intimsten Daten seiner
Bürger. Da die Übertragung via Internet erfolgt, gilt es auch bei der Sicherheit vermehrt
Abstriche zu machen. An die Service-Qualität unserer IT-Dienstleister wollen wir erst
gar nicht denken. Das vom Autor einst mitbegründete CAST-Forum (Center for Applied
Security Technology) am Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt
veranstaltet zu diesem Thema jährlich Ende Juni sein MED-CAST-Forum. Hier werden aktuelle
Entwicklungen verständlich erörtert und Fallstricke aufgezeigt. Thema dieses Jahr
war nach der eCard 2004 die elektronische Patientenakte. Weitere Einzelheiten finden
sie unter www.castforum.de.
Zum Schluß noch ein wichtiger Gedanke: Es gibt weiter und immer mehr Patienten, die
uns dringend brauchen. Hautkrebs beispielsweise - egal ob weiß oder schwarz - nimmt
rasant zu. Die Forschung sorgt für neue effektivere Behandlungsmethoden, die in der
hautfachärztlichen Praxis in den meisten Fällen anwendbar sind. Die Dermatologie hat
sich zu einem innovativen medizinischen Fachgebiet gemausert, um das man uns nicht
nur wegen der IGeL-Möglichkeiten beneidet. Der Weg aus dem Dilemma der schwindsüchtigen
gesetzlichen Krankenversicherung ist für uns die Kostenerstattung, die es gestattet,
dem Patienten die bestmögliche Therapie zumindest anzubieten. Die Frage der Finanzierung
sollte nicht vom Arzt zu lösen sein. Uns geht es primär um die bestmögliche Beratung
und Heilung. Eine „Geiselhaft“ der gesamten Ärzteschaft für die Arzneimittelkosten
- wie im GMG vorgesehen - muß bei weiter schrumpfender Vergütung zwangsläufig zum
Ausstieg der Ärzte aus dem bestehenden System führen.
Literatur beim Verfasser