Aktuelle Dermatologie 2005; 31(7): 333-334
DOI: 10.1055/s-2005-861317
Gesundheitsökonomie
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Aktuelle Aspekte der Dermatoökonomie aus der subjektiven Sicht eines niedergelassenen Dermatologen

Dermatoeconomics from the Point of View of a Dermatologist in Private OfficeM.  Herbst
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Dr. Matthias Herbst

Hautarzt und Allergologe

Rheinstraße 7 - 9 · 64283 Darmstadt ·

Email: Dr.med.Matthias.Herbst@t-online.de

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Publication Date:
15 July 2005 (online)

Table of Contents

    Der ambulant tätige Dermatologe befindet sich nach Jahren stagnierender Erlöse aus der Kassenpraxis sprichwörtlich auf rauer See. Zusammenschlüsse von Leistungserbringern im Gesundheitswesen und Kapitalgesellschaften bedrohen seine Existenz. Die Musik spielt regional, was zur täglichen Arbeit in der Praxis auch organisatorische Vorkehrungen vor Ort erfordert. Die Einzelpraxis gerät scheinbar unter Druck, wenngleich sie in ihrer kleinsten Variante auch noch Jahre gerade als Privatpraxis Überleben kann. Sie erfordert dann aber auch massiven persönlichen Einsatz. Kooperationen werden insbesondere als Gemeinschaftspraxis gefördert, stellen aber hohe Anforderungen an die Teamfähigkeit. Integrierte Versorgung und der Aufbau von medizinischen Versorgungszentren werden die Themen der nächsten Jahre sein. Auf der einen Seite kann daraus eine Klinik-/Praxiskette entstehen, in der Mehrheit droht indes Fremdbestimmung und Kapitalverlust.

    Eine problematische Komponente ist die persönliche Haftung des Arztes für seine Verordnungen. So ist gerade in jüngster Zeit z. B. in Hessen die Situation eskaliert. Es kommt trotz nachgewiesener langjähriger besonderer Wirtschaftlichkeit der hessischen Kassenärzte zu Rückforderungen der Kassen aus vorjährigen Medikamentenverordnungen in mehrstelliger Millionenhöhe. Zur schlechten Stimmung trägt auch die generelle Absenkung des Medikamentenbudgets um mehrere Prozent via Schiedsamtsspruch für 2004 bei. Die meisten der angekündigten Einbußen lassen sich nur durch jahrelange Sozialgerichtsverfahren bekämpfen, so dass akut große Vor- und Umsicht bei der Liquiditätsplanung der Kassenpraxis angesagt ist. Gerade die Vielzahl neuer Präparate in der Dermatologie lässt es wichtig erscheinen, die ambulant gewonnenen Erfahrungen und Daten zentral in einer Institution zu sammeln, um so die Qualität und Wirtschaftlichkeit unseres überwiegend ambulant ausgeübten Faches besser belegen zu können. Dies gilt insbesondere auch für ästhetische Fragestellungen als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Mitbewerbern am Markt.

    Aktuelle Veränderungen wie der allgemeine Rückgang der Patientenzahlen durch die Praxisgebühr oder auch der Rückgang der Verordnungen durch die Einschränkung der Erstattungsfähigkeit haben die Dermatologenschaft irritiert.

    In etlichen Bundesländern haben regionale Zusammenschlüsse von Ärzten bereits Kontakt mit Kassen aufgenommen, um aus der Budgetfalle zu entrinnen. In Hessen stehen die Kardiologen als so genannte Kardio-Plattform mit den Kassen in Verhandlung, um außerhalb des ständig abnehmenden KV-Budgets eine für sie profitable Vergütung zu erreichen. Diese wird dann makabererweise wieder dem KV-Topf entzogen.

    Ein Absinken des dermatologischen Honorars unter den Grenzwert von 20,- Euro pro Quartal und pro Patient in den Selbstkostenbereich ist zumindest in Hessen nunmehr auch und gerade durch den neuen EBM 2000 plus wahrscheinlich. Dies verlangt trotz aller Zuflüchte in Ästhetik und andere Felder nach effektivem Gegensteuern! Die Ärzte müssen von Leidenden wieder zu aktiv Handelnden werden. Der Arzt muss darauf achten, nicht selbst zu einem immer preiswerteren Gesundheitsdienstleister zu werden. Die politisch gelähmte KV ist dabei nicht das geeignete Instrument, um unsere Interessen effektiv zu vertreten (vgl. neuer EBM, Arzneimittelregresse, IT-Vernetzung, etc.). Handlungsfähige regionale Bündnisse müssen u. a. die überbordende Bürokratie im Gesundheitswesen ablösen. Sie müssen gleichzeitig für unsere Patienten respektierte Ansprechpartner im Kampf um notwendige gesellschaftliche Ressourcen für die eigene und die Volksgesundheit darstellen.

    Die Preisgestaltung ist für den Dermatologen gerade bei Igel-Leistungen in der Praxis wichtig. Das unentgeltliche Erbringen von medizinischen Leistungen ist dabei nach dem bestehenden Berufsrecht untersagt. Kollegen, die in einzelnen Regionen z. B. Hautkrebsuntersuchungen nach außen scheinbar kostenlos anbieten, um später mit der Videodokumentation durchwegs zu liquidieren, sei dies ausdrücklich gesagt. Für den Dermatologen ist also wichtig, hier einen marktfähigen Preis zu realisieren, der sich in der Praxis an die GOÄ anlehnt. In den Qualitätszirkeln erhält man dazu sicherlich interessante Informationen. Wichtig ist, nicht an der nach außen sicht- und fühlbaren Qualität zu sparen. Genauso gilt es darauf zu achten, Dinge, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen, zu günstigerem Preis outzusourcen oder darauf zu verzichten. Markenbildung ist angesagt. Dies ist insbesondere regional von Vorteil, kann aber auch überregional sinnvoll sein. Die neue Berufsordnung erleichtert den Zusammenschluss von Praxen, das genaue Prozedere ist vielfach noch unklar. Die politisch gewünschte Entstehung von Medizinischen Versorgungszentren wird durch die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen widerlegt. Einzig als Ausgründung von Kliniken mit dem Sinne enger Vernetzung zwischen ambulanter und stationärer Medizin entstehen sinnvolle Konstrukte; wichtig ist, dass ein professioneller Klinikbetreiber mit gut gefüllter Börse dahintersteckt.

    Ein Thema besonderer Art stellt die IT-Vernetzung im Gesundheitswesen dar. Die Gesundheitskarte wird zu Veränderungen in unserer Gesellschaft führen, die man heute schon als revolutionär bezeichnen muss. Der Arzt als hippokratisch bestimmter Garant des Datenschutzes und langjährige Bezugs- und Vertrauensperson (dezentrales Modell) wird ersetzt durch den Hausarzt als Datensammelstelle und Moderator sowie den Spezialisten, der in spezialisierten Zentren tätig ist und seine Befunde in ein Datennetz einspeist (zentrale Speicherung aller Befunde). Was hier durch mangelhafte Technik (Viren, Würmer, Fehlfunktionen, Elementarschäden) und/oder Einsichtnahme durch unbefugte Dritte (Versicherungen, Arbeitgeber, Geheimdienste) droht, sprengt das Vorstellungsvermögen. An die Möglichkeiten des Missbrauchs genetischer Daten, etc. und totalitäre politische Verhältnisse wollen wir gar nicht denken. Die Politik erhofft sich dagegen mehr Transparenz und Kostenersparnis.

    Insgesamt sind vom Gesetzgeber Umwälzungen geplant, die weit über das bisherige Maß an Veränderung hinausgehen. Vernetzung aller Daten und Zugriff rund um die Uhr ist angesagt. Der Arzt wird zum Gesundheitsdienstleister, der Patient kann rund um die Uhr seine Krankenakte einsehen. Bei Dokumentation wie Abrechnung wird ein besonderer Plausibilitätsaufwand sichtbar. „Empowerment of the Patient” heißt der neudeutsche Fachterminus. Man setze diesem damit verbundenen lebenslangen arzt- wie patientenbezogenem Überwachungsinstrument anonymer Kassen bewusst die dezentrale Datenhaltung bisherigen Ausmaßes entgegen. Nur diese erfüllt den Eid des Hippokrates, der bewusst den eigenen Arzt zum Sachwalter des Patienten macht. Die komplette Publikation von Leitlinien im Internet ist eine weitere „Sünde“, da die ärztliche Kunst gemäß dem Hippokratischen Eid nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden darf. Dies scheint aber weder KBV noch BÄK zu interessieren. Die neue Welt ist schon im Sozialgesetzbuch festgelegt: die Datenkommunikation im Gesundheitswesen hat ab 1. 1. 2006 nicht mehr papiergebunden sondern elektronisch zu erfolgen. Unsere KBV hat sich voll diesen Vorhaben angeschlossen. Ein Dissenz zwischen Regierung und Opposition ist nicht zu erkennen. Wie beim Konto holt sich der Staat auch hier unbeschränkten Zugang auf die intimsten Daten seiner Bürger. Da die Übertragung via Internet erfolgt, gilt es auch bei der Sicherheit vermehrt Abstriche zu machen. An die Service-Qualität unserer IT-Dienstleister wollen wir erst gar nicht denken. Das vom Autor einst mitbegründete CAST-Forum (Center for Applied Security Technology) am Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt veranstaltet zu diesem Thema jährlich Ende Juni sein MED-CAST-Forum. Hier werden aktuelle Entwicklungen verständlich erörtert und Fallstricke aufgezeigt. Thema dieses Jahr war nach der eCard 2004 die elektronische Patientenakte. Weitere Einzelheiten finden sie unter www.castforum.de.

    Zum Schluß noch ein wichtiger Gedanke: Es gibt weiter und immer mehr Patienten, die uns dringend brauchen. Hautkrebs beispielsweise - egal ob weiß oder schwarz - nimmt rasant zu. Die Forschung sorgt für neue effektivere Behandlungsmethoden, die in der hautfachärztlichen Praxis in den meisten Fällen anwendbar sind. Die Dermatologie hat sich zu einem innovativen medizinischen Fachgebiet gemausert, um das man uns nicht nur wegen der IGeL-Möglichkeiten beneidet. Der Weg aus dem Dilemma der schwindsüchtigen gesetzlichen Krankenversicherung ist für uns die Kostenerstattung, die es gestattet, dem Patienten die bestmögliche Therapie zumindest anzubieten. Die Frage der Finanzierung sollte nicht vom Arzt zu lösen sein. Uns geht es primär um die bestmögliche Beratung und Heilung. Eine „Geiselhaft“ der gesamten Ärzteschaft für die Arzneimittelkosten - wie im GMG vorgesehen - muß bei weiter schrumpfender Vergütung zwangsläufig zum Ausstieg der Ärzte aus dem bestehenden System führen.

    Literatur beim Verfasser

    Dr. Matthias Herbst

    Hautarzt und Allergologe

    Rheinstraße 7 - 9 · 64283 Darmstadt ·

    Email: Dr.med.Matthias.Herbst@t-online.de

    Dr. Matthias Herbst

    Hautarzt und Allergologe

    Rheinstraße 7 - 9 · 64283 Darmstadt ·

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