Einleitung
Einleitung
Häufigere Operationen kleineren Ausmaßes in der Dermatologie bringen die Haut mit potenziellen Allergenen in Kontakt. Es besteht das Risiko einer Sensibilisierung auf den OP-Faden, die Lokalanästhetika, die Desinfektionsmittel, die Wundspüllösungen und das Schutzpflaster nach der Wundschließung. Werden Nävuszellennävi und andere Hautveränderungen regelmäßig entfernt, kann sich die Zahl der Eingriffe schnell zu 30 bis 40 Kleinoperationen summieren. Kennt der Patient seine Pflasterunverträglichkeit, macht er in der Regel schon vorher darauf aufmerksam. Werden Lokalanästhetika nicht vertragen, berichtet der Patient meistens über Vorfälle bei der Zahnbehandlung. Zu allergischen oder irritativen Reaktionen auf Desinfektionsmittel erhält man selten eine Auskunft. Noch geringer ist die Zahl der beobachteten Unverträglichkeiten auf das millionenfach eingesetzte synthetische Nahtmaterial.
Nach der kürzlichen Schilderung einer Kontaktallergie auf das monomere Grundmaterial und den Farbstoff eines Polyamid-6-Fadens [1] soll hier über einen weiteren Fall berichtet werden.
Kasuistik
Kasuistik
Eine 42-jährige Kindergärtnerin kam im Dezember 2003 als Notfall in den dermatologischen Operationssaal zur Entfernung mehrerer Nävi. Zuvor war sie bereits 27-mal zur Exzision von Nävuszellennävi einbestellt worden. Nach der letzten Operation im Oktober war ihr eine Rötung im Narbenbereich und deutlicher Juckreiz aufgefallen. Aus diesem Grunde hatte man beim jetzigen Eingriff auf einen anderen, farblosen OP-Faden zurückgegriffen. Dennoch entwickelte sich nach drei Tagen rund um die Nahtstelle am Unterschenkel erneut ein diffuses Erythem (Abb. [1]). Zur diagnostischen Klärung wurde die Patientin aus der onkologischen in die allergologische Abteilung überwiesen.
Abb. 1 Erythem an der Nahtstelle. Der neue farblose OP-Faden ist deutlich zu erkennen.
Allergologische Untersuchungen
Allergologische Untersuchungen
Im Laufe der zahlreichen Operationen waren unterschiedliche OP-Fäden verwendet worden, am häufigsten ein blau gefärbter Perlonfaden. Als Desinfektionsmittel setzte man Lösungen mit Para-Rosanilinen und Salben mit Povidonjod, zur Wundspülung Undecylenamidopropylbetain und Polihexanid ein. Zur Vorbereitung des Operationsgebietes dienten Prilocain und Norepinephrin in Bikarbonat- und Kochsalzlösung mit den Konservierungsmitteln Natriumdisulfit, Chlorbutanol und Methylparaben. Neben den genannten Noxen wurden zur Epikutantestung noch ε-Caprolactam (Grundmaterial des Perlonfadens), Säureblau 158 (Farbstoff des OP-Fadens), Betaisodonasalbe, ein Löwenzahnextrakt (die Patientin hielt Kaninchen), Indigokarmin (Farbstoff von Gummibärchen, Kontakt im Kindergarten) sowie die Standardreihe mit dem zurzeit der Testung verwendeten Anhang aus Kompositen-Mix, Kolophonium-Mix, Propolis, Benzoylperoxid, Dispersionsblaugemisch 106/124, Lyral®, Palladiumchlorid, Terpentinöl, Bufexamac, Desinfektions- und Konservierungsmitteln, Antioxidanzien und Emulgatoren eingesetzt.
In der 72-Stundenablesung reagierte die Patientin sehr stark auf das Säureblau 158, das native Kolophonium und die modifizierten Kolophoniumprodukte (Kolophonium-Mix). Zweifach positive Reaktionen ergaben sich auf die Betaisodonasalbe und das Lokalanästhetikum Prilocain (Tab. [1]). Alle anderen Noxen inklusive des Grundmaterials des OP-Fadens (ε-Caprolactam) und der drei anderen Nahtmaterialien, die 48 Stunden appliziert worden waren, blieben negativ. Eine Nickelallergie aus einem zwei Jahre früher durchgeführten Epikutantest ließ sich nicht bestätigen.
Tab. 1 Ergebnisse der Epikutantestung
Noxe | Konz. | 24 h | 72 h |
Natives Kolophonium | 20 % | ? x | +++ |
Kolophonium-Mix | 20 % | ? a | +++ |
Säureblau 158 | 1 % | ∅ | +++ |
Betaisodonasalbe | 100 % | ? a | ++ |
Prilocain | 2 % | ∅ | ++ |
ε-Caprolactam | 5 % | ∅ | ∅ |
Methylrosanilin | 0,3 % | ∅ | ∅ |
Löwenzahn | 2,5 % | ∅ | ∅ |
Chlorbutanol | 5 % | ∅ | ∅ |
Natriumdisulfit | 1 % | ∅ | ∅ |
Norepinephrin | 1 % | ∅ | ∅ |
Undecylenamidopropylbetain | 0,1 % | ∅ | ∅ |
Polihexanid | 0,1 % | ∅ | ∅ |
Methylparaben | 3 % | ∅ | ∅ |
Therapie und Verlauf
Therapie und Verlauf
Nach Behandlung mit einem schwach wirksamen Kortikosteroid heilte die Läsion in Fersenhöhe langsam ab. Bei den weiteren 22 Eingriffen, die seither vorgenommen werden mussten, verwandte man farbloses chirurgisches Nahtmaterial und ein mit Prilocain nicht verwandtes Lokalanästhetikum. Nebenwirkungen traten nicht auf.
Diskussion
Diskussion
Im Gegensatz zur kürzlich beschriebenen Patientin, die sowohl auf den Farbstoff als auch auf das Monomer des Perlonfadens reagierte [1], war bei der Kindergärtnerin nur eine Sensibilisierung gegenüber dem Azofarbstoff Säureblau 158 eingetreten (Abb. [2]). Hinweise auf frühere Hautveränderungen nach Kontakt mit azofarbstoffhaltigen Textilien oder Gegenständen ließen sich anamnestisch nicht herausfinden. Bereits nach dem Auftreten der ersten Unverträglichkeitsreaktionen durch das Pflaster ersetzte die Patientin dieses an den großflächig abgedeckten Nahtstellen durch kleinere Pflasterstücke, um die Hautveränderungen zu minimieren. Bei den darauf folgenden Operationen nahm man auf die Unverträglichkeit Rücksicht und verzichtete auf kolophoniumhaltige Pflaster. Dass tatsächlich eine Kolophoniumallergie durch die Pflaster induziert worden war, ließ sich bei der jetzigen Epikutantestuntersuchung beweisen. Moderne Pflaster enthalten natives Kolophonium oder modifizierte Kolophoniumprodukte, nicht selten auch ein Gemisch aus beiden [2]. Fast alle der seit 1998 erfolgten 27 Eingriffe waren im gleichen Operationssaal vorgenommen worden, in dem das oben genannte Gemisch aus Prilocain, Norepinephrin und drei Konservierungsmitteln in Bikarbonat- und Kochsalzlösung standardmäßig eingesetzt wird. Als sich nach dem Wechsel des OP-Fadens dennoch ein Rezidiv entwickelte, kam der Faden als Ursache der Hautveränderungen nicht mehr infrage. Die Sensibilisierung musste folglich auf einen der Bestandteile dieses Gemisches zurückzuführen sein, als deren Ursache sich schließlich Prilocain herausstellte. Auch in diesem Zusammenhang konnte in der Anamnese kein Hinweis auf frühere Zwischenfälle mit Lokalanästhetika (z. B. beim Zahnarzt) gefunden werden. Da auch die Kolophoniumallergie erst durch die häufige Verwendung der Pflaster zur Abdeckung der Nähte erworben wurde, ist die Sensibilisierung auf alle fünf Noxen in diesem Fall allein durch die vielen Exzisionen der Nävuszellennävi zustande gekommen.
Abb. 2 Strukturen der beiden Allergene Säureblau 158 und Prilocain.
Während Irritationen gelegentlich beschrieben werden, sind allergische Reaktionen auf synthetisches chirurgisches Nahtmaterial sehr selten. Auf den Farbstoff Säureblau 158 wurden außer dem vorherigen [1] und dem jetzigen keine weiteren Fälle beschrieben. Dem Hersteller des Nahtmaterials liegen nur Beobachtungen über Unverträglichkeitsreaktionen vor. Spanische Autoren berichten [3] über einen positiven Epikutantest auf einen Polypropylenfaden. Monomere des Nahtmaterials wurden nicht getestet. Der Faden hatte sieben Tage nach der Operation zu Schmerzen an der Nahtstelle geführt, die anschließend spontan aufriss. Bei einer 56-jährigen Französin entwickelte sich ein Erythem in der Umgebung einer Nahtstelle. Ursache war das Sterilisationsmittel Ethylenoxid, gegen das sich Antikörper nachweisen ließen. Der Epikutantest blieb negativ. Das probeweise Einnähen eines kleinen Fadenstückchens an einer anderen Hautstelle erzeugte am 5. Tag ein 6 cm messendes Erythem [4].
Seit der Einführung in den 1940er-Jahren sind knapp 50 Fälle einer Kontaktallergie auf Lokalanästhetika beschrieben worden. Die Applikation war überwiegend topisch erfolgt. Schilderungen allergischer Reaktionen nach subkutaner Anwendung von Prilocain (Abb. [2]) liegen nur von drei Autoren vor [5]
[6]
[7]. Baba-Jews et al. überprüften Angaben von 37 Patienten über Nebenwirkungen durch Lokalanästhetika nach zahnärztlichen Eingriffen. In zwei Fällen erhielten sie eine allergische Spätreaktion auf Prilocain nach erneuter i. v.-Injektion. Die Sensibilisierung ließ sich im Lymphozyten-Transformations-Test (LTT) bestätigen [8].