Pneumologie 2005; 59(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2005-862211
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Kongressbericht - Nikotin und andere Schadstoffe

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Publication Date:
25 January 2005 (online)

 
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Glasgow begrüßt die 14 518 Teilnehmer des ERS (Bild: Sibylle Rettenmaier).

Neuigkeiten vom Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS), September 2004 in Glasgow

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Rauchen und Asthma

Ihr Asthma scheint nicht abschreckend zu sein für Raucher: Ein Viertel der Asthmatiker raucht, etwa gleichviel wie in der Allgemeinbevölkerung. Dies erklärte Dr. Neil Thomson aus Glasgow auf dem Kongress der ERS in Schottland. Ein deutlicher Risikofaktor: Eine Nachverfolgung von Patienten mit fasttödlichem Asthma zeigte jetzt, dass die Mortalität bei rauchenden Asthmatikern mit 28% deutlich über der allgemeinen mit 10% lag. Thomson erklärte, dass Rauchen neben den medizinischen Auswirkungen als Prädiktor für mangelnde Fähigkeit, sich selbst und die Krankheit ausreichend managen zu können, gelten müsse. Außerdem ist die Therapie bei rauchenden Asthmatikern schwieriger: Theophyllin werde doppelt so schnell ausgeschieden, Kortikosteroide dagegen seien nie an Rauchern getestet worden. Viele Raucher zeigen eine "Kortisonresistenz", so Thomson in der "Hot Topic Session". So konnten verschiedene Studien zeigen, dass Raucher mit mildem Asthma unter Behandlung keine Verbesserung des morgendlichen Peakflows und der FEV1 aufwiesen. Exraucher, die mindestens ein Jahr lang aufgehört hatten, zeigten dagegen Werte, die zwischen denen von Rauchern und Nichtrauchern lagen.

Auch zelluläre Unterschiede tragen vermutlich zu einem schnelleren FEV1-Verlust bei. So besitzen Raucher mehr Neutrophile und weniger Eosinophile als Nichtraucher, betonte Dr. Guy Joos aus Gent. Dies konnte im Tierversuch klar nachgewiesen werden. Der Vorteil im Tierversuch - es handelt sich um "rauchende" bzw. eher dem Rauch ausgesetzte Mäuse - ist, dass es keine Unterschiede im Lebensstil der Mausgruppen gibt. Bei rauchenden und nichtrauchenden Menschen mag das anders sein. Mäuse, die "rauchten" und allergisch reagierten (sie wurden sensibilisiert, um Asthma zu imitieren), zeigten die höchste bronchiale Hyperreagibilität und die stärkste Atemwegsentzündung, so Joos. Es gebe außerdem einen klaren Zusammenhang zwischen Rauchen und dem Asthmaschweregrad. Keine Evidenz dagegen gebe es bei der Frage, ob Rauchen auch initial sensibilisieren kann. Beide Referenten betonten, dass es mehr klinische Studien zum Thema geben müsse, Raucher dürften nicht prinzipiell aus Asthmastudien ausgeschlossen werden.

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Aromastoffe als Gefahr

Eine ganz andere Belastung, nämlich beruflicher Natur, schilderte Frau Dr. Kathleen Kreiss aus Morgantown, West Virginia. Ihre Arbeitsgruppe hatte mehrere Arbeiter einer Popcornfabrik untersucht, die schwere respiratorische Probleme aufwiesen. Die Diagnose war schlussendlich Bonchiolitis obliterans. Als auslösendes Agens konnte ein Stoff, der für das Butteraroma des Popcorns sorgt, ausgemacht werden. Diesem Diacetyl waren vor allem die Mischer und Abpacker in extrem hohen Dosen ausgesetzt. Es reichte dabei, nur kurze Zeit (z.B. beim Öffnen der Tanks) mit einer hohen Dosis konfrontiert zu werden, die durchschnittliche Tagesbelastung war nicht unbedingt erheblich. Arbeiter der Fabrik hatten ein 2,6fach höheres Risiko, respiratorische Probleme zu entwickeln, als die normale Bevölkerung. Kreiss beobachtete eine Kohorte der Arbeiter über 33 Monate und stellte einen Abfall der Lungenkapazität um durchschnittlich 55 ml pro Jahr fest. Die Wissenschaftler ihres Instituts, welches sich um Sicherheit und Gesundheit in Betrieben kümmert, haben nun einen besseren Schutz der Arbeiter vor dem Butteraroma gefordert. Kreiss erwähnte, dass einige der Untersuchungen nicht publiziert worden wären, da die betroffenen Firmen eine entsprechende Vereinbarung mit den Forschern getroffen hatten. Es müsse weiter in dieser Richtung geforscht werden, da sicher Firmen verschiedener Branchen (Lebensmittelindustrie, Tankstellen, Militär) in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit auf reaktive flüchtige Substanzen gerichtet hätten.

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Nanopartikel bleiben unerkannt

Dies war auch das Thema von Prof. Benoit Nemery aus Leuven, der in der Nanotechnologie eine Gefahr für die Atemwege sieht. Und zwar nicht in der Herstellung, wo hohe Sicherheitsstandards die Regel seien, sondern beispielsweise in der Verpackung oder Reparatur. Seiner Aussage nach können kleinste Partikel, die auf der Haut (z.B. für Sonnencremes) oder in der Nahrung getestet und sicher sind, nach Inhalation Katastrophen auslösen. Noch seien zwar keine konkreten Krankheiten aufgetreten, er plädiert jedoch dafür, neue Substanzen auch auf Inhalation zu testen, bevor sie in die Umwelt freigesetzt werden. Das medizinische Problem bei Nanopartikeln (kleiner als 100 nm) sei, dass Makrophagen, die normalerweise zur Entfernung von Fremdpartikeln zuständig sind, diese gar nicht bemerken. Nemery betonte, dass Nanopartikel wohl auch ins sensorische Gehirn gelangen könnten. Es sei allerdings unklar, wo sie überall schaden könnten, geforscht werden sollte aber in jedem Fall mehr in diesem Bereich. Nanopartikel entstünden oft beim Erhitzen und wieder Kondensieren, also nicht nur in der eigentlichen Nanotechnologie. Dies trifft wohl auch bei dem Butteraroma in der Popcorn-Produktion zu.

Sibylle Rettenmaier, Stuttgart

 
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Glasgow begrüßt die 14 518 Teilnehmer des ERS (Bild: Sibylle Rettenmaier).