Eine neue Welt

Aufmerksam beobachten, nachlesen, nachfragen (wo möglich): Der Arbeitsalltag in psychiatrischen Kliniken erschließt sich vielen Neulingen nur mit Mühe und nicht immer ohne Missverständnisse, Fehler oder Frustrationen. Die ersten Wochen bringen unendlich viele Eindrücke. Fragen werden aufgeworfen und Emotionen ausgelöst. Tagsüber haben die Kollegen oft wenig Zeit für Erklärungen, abends ist der Neuling zu erschöpft für schwere Lektüre in einer ihm fremden Fachsprache. Klassische Lehrbücher fokussieren zudem auf Krankheitsbilder und bringen wenig über die Praxis in psychiatrischen Kliniken.

Diese Lücke schließt Wulf Rössler, Ordinarius in Zürich, mit einer gut lesbaren Einführung. Schwerpunktmäßig wendet sich das Büchlein an Psychologen, die eine Tätigkeit in der Psychiatrie aufnehmen, aber eigentlich profitieren von dieser Einweisung Anfänger und Praktikanten aller Berufsgruppen.

Eine kurze Geschichte psychiatrischer Institutionen bildet den Ausgangspunkt, von dem der Leser mühelos in den Klinikalltag hineingeführt wird: Begegnung mit Patienten, Diagnostik und Therapie, Teamarbeit, Psychotherapie, Rechtsfragen, Kooperation mit Diensten in der Gemeinde und weitere wichtige Themen werden dargestellt - passend zum Charakter einer Einführung knapp, aber nicht zu knapp und immer anschaulich. Der Verzicht auf Literaturverweise (außer Buchempfehlungen ganz am Ende) und ein schlichtes Layout erleichtern die Lesbarkeit. Hervorgehobenen Merksätze helfen dem Anfänger bei der Gewichtung der neuen Informationen.

Mehr als ein Begleiter für die ersten Wochen kann und will dieses Buch nicht sein, aber dafür ist es ideal. Einziger Nachteil aus meiner Sicht: Die geringe Schriftgröße - aber Anfänger sind ja meistens noch jung.