Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(1): 8-9
DOI: 10.1055/s-2005-864769
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gründe für eine "sektorübergreifende Qualitätssicherung"

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Daniela Riese

Referentin im Referat "Versorgungsstrukturen und Qualitätssicherung"

Abteilung Stationäre Einrichtungen

Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) e.V.

AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.

Frankfurter Straße 84

53721 Siegburg

Publication History

Publication Date:
08 March 2005 (online)

 
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Daniela Riese

Seit mehreren Jahren gibt es immer wieder kontroverse Diskussionen um die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Der Schwerpunkt liegt dabei in der letzten Zeit häufig auf der Forderung nach einer "sektorübergreifenden" Qualitätssicherung. Ausgehend von der externen vergleichenden Qualitätssicherung im Krankenhaus, dem so genannten "BQS-Verfahren", soll im Folgenden erläutert werden, was eine sektorübergreifende Qualitätssicherung notwendig macht und woran ihre Umsetzung bis jetzt gescheitert ist.

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Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) in Düsseldorf

Im Rahmen der externen vergleichenden Qualitätssicherung gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 135 a SGB V sammelt die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) seit nunmehr vier Jahren bundesweit Daten, die ihr von Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden, bewertet sie anhand von Qualitätszielen und -indikatoren und vergleicht die Ergebnisse. Insgesamt wurden im Jahr 2003 in 2200 Krankenhäusern Daten zu 2,8 Mio. Krankenhausleistungen erhoben und ausgewertet. Dies hat, wie alle Maßnahmen der externen Qualitätssicherung, eine Verbesserung der Ergebnisqualität zum Ziel. Mit der Erfassung von immerhin 20% aller stationären Leistungen konnte dazu zwar schon ein wichtiger Teil beigetragen werden. Eine umfassende Bewertung der Ergebnisqualität setzt über das oben beschriebene Verfahren hinaus jedoch mittel- und langfristige Verlaufsbeobachtungen voraus.

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Längerfristige Ergebnisse erforderlich

Im Bereich der Orthopädie beispielsweise lässt sich die Ergebnisqualität bei der Implantation von Knie- und Hüfttotalendoprothesen an kurzfristigen Komplikationen wie der postoperativen Wundinfektion oder über die Messung der postoperativen Beweglichkeit bei Entlassung feststellen. Postoperative Daten werden jedoch in der Regel letztmalig am Ende des stationären Aufenthalts erhoben. Komplikationen, die nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auftreten, werden damit nicht erfasst. Ohne Erkenntnisse zu langfristigen Komplikationen wie der Pseudarthrosenbildung und zu Langzeitergebnissen wie der Standzeit der Prothesen bleibt das Bild allerdings unvollständig. Für umfassende Aussagen zur Ergebnisqualität wäre eine Verlaufsbeobachtung über den stationären Bereich hinaus im Rehabilitationsbereich oder in der vertragsärztlichen Versorgung notwendig. Diese wiederum erfordert eine Datenerhebung in allen Sektoren der Patientenversorgung.

Mit der Begründung einer fehlenden Verlaufsbeobachtung wurden sogar einige Leistungsbereiche ab dem Jahr 2004 bis auf weiteres von der Dokumentationspflicht des BQS-Verfahrens ausgenommen. So ist beispielsweise bei der Kataraktoperation die Ergebnisqualität bezogen auf den wichtigsten Qualitätsindikator, die Verbesserung des Sehvermögens, in der Regel erst mehrere Wochen nach dem Eingriff beurteilbar. Angesichts der sehr kurzen Verweildauer bei stationär erbrachten Eingriffen ist dies ohne sektorübergreifende Datenerhebung nicht möglich.

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Operation des Karpaltunnelsyndroms meist ambulant

Bei der Dekompression bei Karpaltunnelsyndrom ergab sich die Notwendigkeit einer sektorübergreifenden Datenerhebung daraus, dass die Operation in 90% der Fälle ambulant durchgeführt wird. Über das BQS-Verfahren können also nur Daten für 10% der Eingriffe erhoben werden; zudem sind diese auf den in der Regel kurzen stationären Aufenthalt beschränkt. Auf diese Weise können keine belastbaren Aussagen zur Ergebnisqualität der erbrachten Leistungen gemacht werden. Für das Jahr 2004 hat das Bundeskuratorium folgerichtig eine Aussetzung der Dokumentation beschlossen mit der Begründung, dass ohne Erhebung der Ergebnisse ambulanter Operationen bzw. der Ergebnisse nach Abschluss der Behandlung Aufwand und Nutzen der externen Qualitätssicherung in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Wie schwierig derzeit eine Erhebung von Verlaufsdaten nur über den Zeitraum von einem Monat ist, verdeutlicht das Beispiel der isolierten Koronarchirurgie. Der Vergleich risikoadjustierter 30-Tage-Letalitätsraten scheiterte daran, dass nur 27% der Krankenhäuser das Follow-up im notwendigen Umfang leisten konnten.

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Niedrige Komplikationsrate wegen kurzer Krankenhausverweildauer?

In der Konsequenz bedeutet dies auch, dass die Krankenhäuser, die die Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen in einem Benchmarking mit anderen Krankenhäusern vergleichen wollen, dies nur eingeschränkt tun können. Sie wissen beispielsweise nicht, ob die niedrige Komplikationsrate eines anderen Krankenhauses nur auf dessen kürzere Verweildauern zurückzuführen ist.

Die externe vergleichende Qualitätssicherung nach § 137 SGB V ist nur ein Beispiel dafür, dass eine sektorübergreifende Qualitätssicherung bisher nicht flächendeckend umgesetzt worden ist. Auch in anderen Sektoren der Patientenversorgung beziehen sich die gültigen Vereinbarungen und Richtlinien jeweils lediglich auf den eigenen Bereich; eine Verlaufsbeobachtung anhand von Daten aus allen Sektoren der Patientenversorgung gibt es nur vereinzelt.

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DRG - Disease Management - Integrierte Versorgung

Die Einführung der DRGs, die zu immer weiter sinkenden Verweildauern im Krankenhaus führt, wird diese Problematik noch verschärfen. Auch die Umsetzung neuer Versorgungsformen wie beispielsweise der Integrierten Versorgung oder der Disease-Management-Programme macht deutlich, dass in Zukunft eine sektorübergreifende Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung angestrebt werden muss.

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Gesetzliche Grundlagen zur sektorübergreifenden Qualitätssicherung

Häufig wird den Leistungserbringern und den Krankenkassen zum Vorwurf gemacht, den Bereich der sektorübergreifenden Qualitätssicherung zu vernachlässigen oder gar eine Zusammenarbeit zu blockieren. Eine solche Argumentation greift jedoch zu kurz. Zunächst sollte man die gesetzlichen Grundlagen für die sektorübergreifende Qualitätssicherung unter zwei Gesichtspunkten betrachten:

- Inwieweit sind die Leistungserbringer zur Mitwirkung an einer sektorübergreifenden Erhebung von Verlaufsdaten verpflichtet?

- Inwieweit sind die Leistungserbringer zur Erhebung und Übermittlung von Daten im Rahmen der sektorübergreifenden Qualitätssicherung berechtigt?

Im SGB V finden sich dazu unterschiedliche, teils gegenläufige Regelungen.

Als so genannte Generalklausel verpflichtet § 135a SGB V alle Leistungserbringer zur Qualitätssicherung. In Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V werden Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer von Vorsorge- oder Rehabilitationsleistungen und Einrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a SGB V besteht, zur Beteiligung an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung verpflichtet. Einschränkend heißt es jedoch in Abs. 1, die Leistungserbringer seien "zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet". Eine enge Auslegung dieser Regelung schließt beispielsweise die Weiterleitung von Daten über die stationäre Einweisung nach einer ambulanten Operation durch einen Vertragsarzt aus.

Des Weiteren wird im § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich die Berücksichtigung der Erfordernisse einer sektoren- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung eingefordert. Der Geltungsbereich des § 137 SGB V bleibt jedoch auf die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser beschränkt. Eine gesetzliche Verpflichtung der niedergelassenen Ärzte oder der Rehabilitationseinrichtungen zur Beteiligung an den externen vergleichenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 137 SGB V besteht nicht. Für diese haben wiederum Richtlinien nach § 136a Satz 1 Nr. 1 SGB V bzw. Vereinbarungen § 137d SGB V Gültigkeit, die auch nur jeweils auf den eigenen Bereich beschränkt sind. Eine einheitliche Datenerhebung, wie sie beispielsweise für einen Vergleich der Beweglichkeit nach Gelenkendoprothesenimplantation nach Abschluss des Aufenthalts im Krankenhaus und nach Abschluss der Rehabilitation sinnvoll wäre, lässt sich auf diese Weise nur schwer erreichen.

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Gemeinsamer Bundesausschuss

Seit dem 1. Januar 2004 hat der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 SGB V umfangreiche Kompetenzen im Bereich der vertragsärztlichen und stationären Versorgung, insbesondere auch im Bereich der Qualitätssicherung, erhalten. In § 137b SGB V wird er unter anderem damit beauftragt, Empfehlungen für eine an einheitlichen Grundsätzen ausgerichtete sowie sektoren- und berufsgruppenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen einschließlich ihrer Umsetzung zu erarbeiten. Allerdings sind die Beschlusskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die sektorübergreifende Qualitätssicherung begrenzt; die Qualitätssicherung bei ambulanten Operationen und bei sonstigen stationsersetzenden Leistungen gemäß § 115b Abs. 1 SGB V sowie die Qualitätssicherung bei der ambulanten und stationären Vorsorge oder Rehabilitation gemäß § 137d SGB V unterliegen anderen Regelungsmechanismen. Die für Krankenhäuser und Vertragsärzte wichtige Frage, ob eine Operation bessere Ergebnisse bringt, wenn sie ambulant oder stationär erbracht wird, muss aus zwei verschiedenen Qualitätssicherungssystemen mit unterschiedlichen Regelungsmechanismen beantwortet werden.

Zusammenfassend muss also festgestellt werden, dass einerseits die Selbstverwaltung vom Gesetzgeber mit der Umsetzung der sektorübergreifenden Qualitätssicherung beauftragt wird, andererseits die Leistungserbringer nicht eindeutig zur Mitwirkung an entsprechenden Maßnahmen verpflichtet sind. Ohne eine solche Verpflichtung fehlt auch die gesetzliche Ermächtigung der Leistungserbringer. Eine sektorübergreifende Verlaufsbeobachtung erfordert die Erhebung, Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten. Selbst wenn dies pseudonymisiert oder anonymisiert erfolgt, ist der Leistungserbringer aus datenschutzrechtlicher Sicht nur zur Erhebung und Übermittlung der Daten berechtigt, wenn die Einwilligung des Patienten oder eine verfassungsgemäße gesetzliche Ermächtigung des Leistungserbringers vorliegen.

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Anpassung der gesetzlichen Regelungen erforderlich

Der erste Schritt zur Umsetzung einer erfolgreichen sektorübergreifenden Qualitätssicherung ist demnach die Anpassung der gesetzlichen Regelungen. Alle Leistungserbringer sollten zur Mitwirkung an einer sektorübergreifenden Qualitätssicherung verpflichtet und berechtigt sein, die entsprechenden Daten zu erheben und zu übermitteln. Auf dieser Basis können dann Vereinbarungen zur sektorübergreifenden Qualitätssicherung unter Beteiligung aller betroffenen Spitzenorganisationen abgeschlossen werden, die für alle Leistungserbringer verbindlich sind. Dabei ist sorgfältig zu prüfen, welche Versorgungsbereiche in die Qualitätssicherung einbezogen werden sollen, etwa ob über die im SGB V genannten hinaus auch weitere Leistungserbringer, wie beispielsweise Pflegeeinrichtungen, einbezogen werden müssen, um die sektorübergreifende Qualitätssicherung erfolgreich umzusetzen.

Quelle für alle genannten Ergebnisse der Externen vergleichenden Qualitätssicherung: www.bqs-outcome.de

Daniela Riese

Referentin im Referat "Versorgungsstrukturen und Qualitätssicherung"

Abteilung Stationäre Einrichtungen

Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) e.V.

AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.

Frankfurter Straße 84

53721 Siegburg

Daniela Riese

Referentin im Referat "Versorgungsstrukturen und Qualitätssicherung"

Abteilung Stationäre Einrichtungen

Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) e.V.

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