Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(1): 12-14
DOI: 10.1055/s-2005-864772
Orthopädie aktuell

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Rechtsfragen bei der Behandlung ausländischer Patienten

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Rechtsanwalt Dr. Stefan Bäune

Sozietät Schmidt, von der Osten & Huber

Haumannplatz 28-30

45130 Essen

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Publication Date:
08 March 2005 (online)

 
Table of Contents

In Zeiten stagnierender Einnahmen der Ärzte und Krankenhäuser bei zugleich steigenden Ausgaben stellt sich für Ärzte und Klinikbetreiber zunehmend die Frage, auf welche Weise zusätzliche Einnahmen erzielt werden können. Als ein möglicher Weg der Erschließung neuer Einnahmequellen wird hier gerade von Klinikbetreibern die gezielte Akquise von Patienten aus dem Ausland angesehen. Viele Kliniken versuchen daher verstärkt, ausländische Kontakte aufzubauen, um auch im Ausland (insbesondere Großbritannien, den USA und den arabischen Staaten) auf ihre Leistungen aufmerksam zu machen. Bei der Gewinnung und Behandlung ausländischer Patienten tauchen jedoch nicht nur Fragen der Ausgestaltung von Pflege, Service und Behandlung (z.B. hinsichtlich Ernährungsgewohnheiten, religiösen Bräuchen, kulturellen Empfindlichkeiten etc.) auf, sondern auch bedeutsame Rechtsfragen. Diese sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. Dabei versteht es sich von selbst, dass im Rahmen dieses Beitrags lediglich ein erster kursorischer Überblick gegeben werden kann.

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Patientenaufnahme

Mit der Patientenaufnahme bzw. der Erstvorstellung beim niedergelassenen Arzt wird ein Behandlungsvertrag mit dem Patienten abgeschlossen. Aus Sicht des deutschen internationalen Privatrechts ist auf diesen Vertrag - sofern keine abweichende Vereinbarung mit dem Patienten getroffen wird - grundsätzlich deutsches Recht anwendbar, da die für den Behandlungsvertrag charakteristische Leistung, also die ärztliche Behandlung, in Deutschland zu erbringen ist (vgl. Art. 28 Abs. 2 EGBGB). Für Ärzte und Klinikbetreiber bedeutet dies, dass die bekannten Vorgaben der GOÄ und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) zu beachten sind. Zu erinnern ist hier insbesondere an die Erfordernisse einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung (§ 22 Abs. 2, 3 BPflV), die Grenzen einer Honorarvereinbarung (§ 2 GOÄ) und die Minderungspflicht nach § 6 a GOÄ.

Aus Sicht der Ärzte und Klinikbetreiber stellt sich allerdings die Frage, ob durch eine gesonderte Rechtswahlvereinbarung eine Umgehung der restriktiven deutschen Regelungen zu Honorar- und Wahlleistungsvereinbarungen möglich ist. Diese Frage dürfte nach deutschem internationalen Privatrecht jedoch zu verneinen sein, da nach Art. 34 EGBGB zwingende Regelungen des deutschen Rechts, die dem Gemeinwohl dienen, nicht über eine Rechtswahlvereinbarung ausgehebelt werden können. Zu diesen zwingenden Regelungen dürften auch die Vorschriften über die Honorar- und Wahlleistungsvereinbarung gehören.

Beim Abschluss von Wahlleistungs- und Honorarvereinbarungen mit ausländischen Patienten stellt sich die weitere Frage, in welcher Sprache die Vereinbarungen getroffen werden müssen. Da eine Vereinbarung aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen besteht, setzt dies zwangsläufig die gegenseitige Verständlichkeit voraus. Zumindest die mündliche Vereinbarung muss daher - z.B. unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - für beide Seiten verständlich sein. Für die notwendige Schriftform von Wahlleistungs- und Honorarvereinbarung dürfte dies allerdings nicht gelten, da es für die Einhaltung einer gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform grundsätzlich ausreichend ist, dass die verwendete Sprache einer Übersetzung zugänglich ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass beiden Vertragsparteien die Sprache verständlich ist.

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Aufklärung

Die Aufklärung des ausländischen Patienten kann in deutscher Sprache erfolgen, sofern dieser des Deutschen hinreichend mächtig ist. Dabei ist zu beachten, dass sich der aufklärende Arzt selbst davon zu überzeugen hat, dass der Patient dem Aufklärungsgespräch folgen kann. Stellt er insoweit fest, das dem Patienten die notwendigen Sprachkenntnisse fehlen, ist durch den Arzt bzw. den Klinikbetreiber dafür Sorge zu tragen, dass eine Übersetzung durch eine sprachkundige Person erfolgt. Aus Beweiszwecken dürfte es sich in diesen Fällen empfehlen, zumindest in den Sprachen Aufklärungsbögen vorzuhalten, mit denen die größten ausländischen Patientengruppen abgedeckt werden.

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Behandlungsfehler

Wird im Einzelfall nach Abschluss der Behandlung durch den Patienten ein Behandlungsfehler geltend gemacht, stellen sich für den betroffenen Arzt bzw. Klinikbetreiber zwei entscheidende Fragen:

1. In welchem Staat kann der ausländische Patient Klage erheben?

2. Kommt deutsches oder ausländisches Recht zur Anwendung?

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Zuständigkeit der Gerichte

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1.1

Die internationale Zuständigkeit der Gerichte bestimmt sich bei Patienten aus den Mitgliedstaaten der EU - mit Ausnahme Dänemarks - nach der "Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (EuGVVO). Danach kann eine Klage gegen den behandelnden Arzt und den Klinikbetreiber stets in Deutschland erhoben werden (vgl. Art. 2, Art. 5 Nr. 1 lit. a) EuGVVO). Daneben besteht bei unerlaubten Handlungen (darunter fallen auch zu einem Körperschaden führende Behandlungsfehler) nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO für den Patienten die Möglichkeit, Klage vor dem Gericht des Ortes zu erheben, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Der Ort des Schadenseintritts erfasst allerdings lediglich den Erstschaden, nicht daraus möglicherweise resultierende Folgeschäden. Da das primäre Schadenereignis bei Behandlungsfehlern regelmäßig zeitgleich mit dem Fehler des Arztes eintritt, wird bei Geltung der EuGVVO in den meisten Fällen eine ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet. Dies gilt allerdings nicht bei den sog. Diagnosefehlern. In diesen Fällen begründet allein der Irrtum des Arztes regelmäßig noch keinen unmittelbaren körperlichen Schaden. In diesen Fällen tritt der körperliche Schaden in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt auf. Ist der Patient zu diesem Zeitpunkt bereits in sein Heimatland zurückgekehrt, kann er also entweder in Deutschland oder in seinem Heimatland Klage erheben.

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1.2

Für Patienten aus Norwegen, Island oder der Schweiz greift das sog. "Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (LGVÜ). Insofern gelten ebenfalls die vorstehend dargestellten Zuständigkeitsregelungen.

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1.3

Kommt der Patient nicht aus einem Mitgliedstaat der EU, Norwegen, Island oder der Schweiz, hat er stets die Möglichkeit, Klage vor einem deutschen Gericht zu erheben, da die Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach deutschem Verfahrensrecht bereits durch den Ort der ärztlichen Behandlung begründet ist. Neben der Zuständigkeit deutscher Gerichte kann jedoch auch die Zuständigkeit des Gerichts des Heimatlandes des Patienten gegeben sein. Mangels international einheitlich geltender Zuständigkeitsregelungen richtet sich die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts ausschließlich nach dem Verfahrensrecht des jeweiligen Staates. Da diese Vielzahl von unterschiedlichen Verfahrensordnungen an dieser Stelle nicht dargestellt werden kann, bleibt hier lediglich der Hinweis, dass die Verfahrensordnungen anderer Staaten - ebenso wie die deutsche Zivilprozessordnung - für die Frage der internationalen Zuständigkeit grundsätzlich nicht an den Wohnsitz bzw. das Herkunftsland des Klägers abstellen. Allerdings sieht das Verfahrensrecht vieler Staaten die Möglichkeit vor, bei unerlaubten Handlungen die Klage dort zu erheben, wo der Schaden eingetreten ist.

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2. Anwendbares Recht

Die Bestimmung des anwendbaren Rechts hängt ausschließlich vom zuständigen Gerichtsstand ab, da es - ebenso wie es kein international einheitliches Verfahrensrecht gibt - auch kein einheitliches Internationales Privatrecht gibt. Das hat zur Folge, dass das angerufene zuständige Gericht jeweils nach dem Internationalen Privatrecht des eigenen Landes zu prüfen hat, welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt.

Die Behandlung ausländischer Patienten eröffnet nicht nur neue Einnahmequellen, sondern beinhaltet auch zusätzliche Risiken. Diese Risiken sollten durch den Arzt bzw. Klinikbetreiber im Rahmen der Entscheidung, inwieweit verstärkt Patienten aus dem Ausland akquiriert werden sollen, berücksichtigt werden. In diesem Rahmen ist auch der bestehende Haftpflichtversicherungsschutz zu hinterfragen. Insofern ist insbesondere denkbar, dass die Versicherer in der gezielten Akquise und vermehrten Behandlung bestimmter ausländischer Patienten eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung sehen könnten. Ist die grundsätzliche Entscheidung für die Akquise im Ausland gefallen, sollten im Rahmen der organisatorischen Vorbereitungen auch die notwendigen rechtlichen Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen werden, um die aufgezeigten Risiken möglichst gering zu halten.

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2.1

Hat der ausländische Patient eine Arzthaftungsklage vor einem deutschen Gericht erhoben, hat dieses nach den Regelungen des deutschen Internationalen Privatrechts grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden, da die für den Behandlungsvertrag charakteristische Leistung zum einem in Deutschland zu erbringen war und die unerlaubte Handlung zum anderen in Deutschland stattgefunden hat. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der "Erfolg" einer unerlaubten Handlung, also der primäre Schadenseintritt (vgl. dazu oben, Ziff. IV. 1.1) in einem anderen Staat eingetreten ist. In diesen Fällen kann der Geschädigte nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB verlangen, dass von dem zuständigen deutschen Gericht das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist. Allerdings wird der Schädiger durch Art. 40 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB geschützt, wonach in Deutschland auch auf der Grundlage ausländischen Rechts keine Ansprüche geltend gemacht werden können, die wesentlich weiter gehen, als es zur angemessenen Entschädigung des Verletzten erforderlich ist.

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2.2

Kann der Patient ausnahmsweise eine Arzthaftungsklage vor einem ausländischen Gericht erheben, weil z.B. der primäre Schaden erst im Ausland eingetreten ist, richtet sich die Frage des anwendbaren Rechts nach dem Internationalen Privatrecht des jeweiligen ausländischen Staates. Im Rahmen dieses Beitrags bleibt insofern lediglich folgender Hinweis: Sieht das ausländische Verfahrensrecht bei unerlaubten Handlungen in einem anderen Staat bei späterem Erfolgseintritt im eigenen Staat bereits die Zuständigkeit der eigenen Gerichte vor, wird zumeist auch eine Anwendung des jeweiligen Rechts vorgesehen sein.

Wird der Arzt bzw. der Klinikbetreiber durch ein ausländisches Gericht zur Zahlung von Schadenersatz und/ oder Schmerzensgeld verurteilt, stellt sich die weitere Frage, ob das ausländische Urteil in Deutschland anerkannt wird und der Vollstreckung zugänglich ist. Nach § 722 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Urteil grundsätzlich nur statt, wenn die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch ein deutsches Vollstreckungsurteil ausgesprochen worden ist. Dieses Erfordernis, das im Übrigen nicht für Urteile der Mitgliedstaaten der EU und der Vertragsstaaten des LGVÜ gilt, bietet den betroffenen Ärzten und Klinikbetreibern allerdings keinen Schutz vor ausländischen Urteilen, da die Richtigkeit oder Angemessenheit des ausländischen Urteils durch das deutsche Gericht nicht zu prüfen ist. Erst wenn die Anerkennung des ausländischen Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, kann das deutsche Gericht die Klage auf Erlass eines Vollstreckungsurteils abweisen (§§ 723 Abs. 2, 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Diese Voraussetzungen können auch dann vorliegen, wenn ausgeurteilte Schadenersatz- oder Schmerzensgeldbeträge außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zum eingetretenen Schaden liegen. Dies meint aber keinesfalls, dass ausländische Urteile, die dem Patienten ein höheres als in Deutschland übliches Schmerzensgeld zugesprochen haben, nicht vollstreckbar seien. Vielmehr werden durch diese Regelung nur Extremfälle erfasst.

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3. Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen

Um das Risiko der Inanspruchnahme vor einem ausländischen Gericht nach ausländischem Recht zu reduzieren, empfiehlt es sich, bei der Patientenaufnahme eine Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarung mit dem Patienten zu treffen, wonach für sämtliche Streitigkeiten aus dem Behandlungsverhältnis deutsche Gerichte unter Anwendung deutschen Rechts zuständig sind. Eine solche Klausel ist allerdings nicht als Allheilmittel zu verstehen, da ein vom Patienten angerufenes ausländisches Gericht die Wirksamkeit dieser Klausel nach dem jeweiligen ausländischen Recht zu prüfen hat. Die Ausgestaltung derartiger Klauseln ist also unter Berücksichtigung des Rechts der Staaten vorzunehmen, aus denen die meisten ausländischen Patienten des Arztes bzw. der Klinik kommen.

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4. Haftungsvereinbarungen

Zur Risikominimierung ist weiter an die Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen zu denken. Allerdings können formularmäßige Haftungsbeschränkungen für Personenschäden nach deutschem Recht nicht wirksam vereinbart werden. Für die Staaten, aus denen die meisten ausländischen Patienten kommen, sollte jedoch jeweils gesondert geprüft werden, inwieweit das dortige Recht Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden (z.B. auf eine bestimmte Höchstsumme) zulässt.

Rechtsanwalt Dr. Stefan Bäune

Sozietät Schmidt, von der Osten & Huber

Haumannplatz 28-30

45130 Essen

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