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DOI: 10.1055/s-2005-865024
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Erektile Dysfunktion und Übergewicht - Ein gesunder Lebensstil hat positive Effekte
Publication History
Publication Date:
07 March 2005 (online)
Nicht alle Theorie ist grau. Das zeigt eine italienische Studie, die folgender Theorie ihre Richtigkeit bescheinigt: Veränderungen, hin zu einem gesunden Lebensstil, insbesondere Gewichtsreduktion und vermehrte sportliche Aktivitäten, führen zu einer Verbesserung bestehender erektiler Dysfunktion.
Im Rahmen einer randomerisierten Studie untersuchten K. Esposito und Kollegen den Einfluss von Gewichtsreduktion und gesteigerter körperlicher Aktivität an 110 übergewichtigen Männern (Bodymass Index < 30) im Alter zwischen 35 und 55 Jahren mit bestehender erektiler Dysfunktion (< 22 von 25 möglichen Punkten des IIEF-Scores, International Index of Erectile Function) (JAMA 2004; 291: 2978 - 2984).
Die 55 Männer aus der Interventionsgruppe nahmen an einem 2jährigen Programm zur Gewichtsreduktion, mit dem Ziel einer 10% Verminderung des Ausgangsgewichtes und zur Erhöhung der körperlichen Aktivität, teil. Sie erhielten detaillierte Informationen zur Kalorien- und Gewichtsreduktion, führten ein Ernährungstagebuch, vereinbarten konkrete Ziele, hatten psychologische Beratungen und erhielten individuelle Anleitung für vermehrte körperliche Aktivität. Männer aus der Kontrollgruppe erhielten allgemeine mündliche und schriftliche Informationen zu gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität. Im Rahmen des Beobachtungszeitraums wurden die Veränderungen der erektilen Dysfunktion bewertet.

Gewichtsreduktion und vermehrte sportliche Aktivitäten verbessern die Erektionsfähigkeit übergewichtiger Männer mit erektiler Dysfunktion (Bild: Archiv, nachgestellte Situation).
Bodymass-Index verringert
Nach 2 Jahren Diät- und Fitnessprogramm hatte sich der Bodymass-Index der Männer aus der Interventionsgruppe von anfänglich durchschnittlichen 36,9 auf 31,2 und bei den Männern aus der Kontrollgruppe von 36,4 auf 35,7 verringert. Auch steigerten die Männer aus der Interventionsgruppe stärker ihre körperlichen Aktivitäten als die Männer aus der Kontrollgruppe. Der durchschnittliche IIEF-Wert verbesserte sich in der Interventionsgruppe von 13,9 auf 17, während er bei den Männern aus der Kontrollgruppe nahezu unverändert blieb (von anfänglich 13,5 auf 13,6). Bei 17 Männern aus der Interventionsgruppe und bei 3 aus der Kontrollgruppe stieg der IIEF Wert auf > 22. Veränderungen des Bodymass-Index und der körperlichen Aktivität erwiesen sich in einer multivariatetn Analyse als unabhängig mit veränderten IIEF Werten assoziiert.
Gewichtsreduktion und vermehrte sportliche Aktivitäten verbessern die Erektionsfähigkeit übergewichtiger Männer mit erektiler Dysfunktion.
Dr. Sabine Adler, Mülsen St. Niclas
#Erster Kommentar

B. Schwindl
Anspruch und Wirklichkeit
Die Autoren K. Esposito et al. stehen mit ihren Ausführungen in direkter Tradition zur Humoralpathologie der Griechen des Altertums oder auch der ganzheitlichen Medizin einer Hildegard von Bingen ("In allen Dingen soll sich der Mensch das rechte Maß auferlegen, wann immer der Körper des Menschen ohne Diskretion isst und trinkt ...").
Zweifelsohne besteht ein Zusammenhang zwischen Lebensweise, Ernährung (griech. Hygiene und Diät) und der körperlichen wie geistigen Verfassung im Weiteren, die sich auch im Engeren in der Manneskraft widerspiegelt. Erfreulicherweise konnte dies nun mit einer Studie untermauert werden.
Es stellt sich die Frage, welches Gewicht dem isolierten Risikofaktor Übergewicht hinsichtlich der Potenzstörung und somit dem Wert der Studie zukommt. Slogans wie "Rund und gesund" treffen den Kern genauso wenig wie "Rauchen macht schlank". Auch Anorexie ist wenig libidofördernd. Alkoholabusus führt zu Hodenatrophie.
Gewichtsreduktion muß schon wegen des ansonsten drohenden Jo-Jo-Effekts mit Bewegung kombiniert werden. Körperliche Ertüchtigung sollte möglichst den gesamten Organismus einbeziehen, regelmäßiges Beüben stärkt die Organe ("Use it or loose it"). Dies gilt auch für den Penis. Übertriebener Radrennsport, der Marathonlauf des Untrainierten jedoch kann Potenzstörung bewirken. Tägliche Masturbation "zur Prophylaxe" - wie kürzlich von einem Patienten berichtet -ist ebenso kontraproduktiv.
#Alles Übermaß ist zu verurteilen
Häufig ist die oft schon im Kindesalter destillierte Adipositas begleitet von weiterer Komorbidität wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipidämie und -cholesterinämie), Hyperurikämie und somit Wegbereiter für vaskuläre Erkrankungen (insbesondere KHK, ischämischer Insult, AVK, Thrombose), die mit Abstand die Todesursache Nummer 1 darstellen. Der Nutzen von Diät und Regeln zur gesunden Lebensführung liegt vor allem in der Prophylaxe. Reversibilität ist nur bei kurzer Krankheitsdauer zu erwarten, die Therapie erfolgt meist medikamentös.
Die in der Studie avisierte Verbesserung des IIEF basiert auf einer über zwei Jahre andauernden intensiven Betreuung isoliert adipöser Patienten durch ein geschultes interdisziplinären Kollegenteam des Center for Obesity Management der 2. Universität von Neapel, bestehend aus Ernährungsberatern, Physiotherapeuten, Internisten, Urologen, Psychologen. Ein kurzfristiger Erfolg lässt sich im praktischen Alltag wohl selten realisieren, das Gros der Übergewichtigen wird sich wohl kaum bei der (sich nur langsam kräftigenden) Stange halten lassen. Welcher Stress geplagte, um seinen Arbeitsplatz fürchtende Otto-Normal-Verbraucher wird sich einem solch zeitraubenden Programm widmen wollen.
Der Faktor Psyche, wie er nur im Rahmen einer hingebungsvollen Zuneigung aus einer nicht von wirtschaftlichen Zwängen diktierten Studie erwächst, ist bei der Analyse der Daten meines Erachtens zu wenig berücksichtigt.
Der Wert dieser Studie liegt wohl vor allem darin, daran zu erinnern, dass ein unkritischer Einsatz in der Tat sehr wirksamer Life-style-Drogen das Übel selten an der Wurzel zu packen vermag. Die eher zufällige Entdeckung des Viagra (sinnigerweise bei der Erforschung neuer kardiovaskulärer Medikamente) hat die Behandlung der Impotenz (so hieß das Krankheitsbild damals noch) revolutioniert. Milliarden Euro werden weltweit pro Jahr für Viagra, Levitra, Cialis und Co ausgegeben. Eine gute Anamneseerhebung und Basisdiagnostik sowie begleitende Beratung müssen dem Sturm und Drang unserer Patienten nach zeitgemäßer Therapie vorausgehen. Der "Penis als Wünschelrute" für die Entdeckung kar- diovaskulärer Erkrankung, die dem Herzinfarkt vorauseilende erektile Dysfunktion auf der Basis generalisierter Arteriosklerose sei hier als stellvertretendes Beispiel erwähnt.
#Fazit
1. Werden wir nicht müde unseren Patienten eine gesunde Lebensweise, Ernährung etc. zu empfehlen und noch besser vorzuleben. Zur höchsten Stufe der Hygiene ist derjenige gelangt, welcher das Leben in Selbstbeherrschung so akzeptiert wie es ist. Der Gewinn ist mannigfaltig: Für den Betroffenen und die Volksmedizin nützlich und zudem pekuniär günstig.
2. Überfordern wir unsere Patienten nicht. Sie werden uns sonst den Rücken zukehren. Nutzen wir reflektiert die Errungenschaften der modernen Medizin mit den PDE-5- Hemmern. Nobody is perfect!
Dr. Bernhard Schwindl, Weiden i.d.O.

Gewichtsreduktion und vermehrte sportliche Aktivitäten verbessern die Erektionsfähigkeit übergewichtiger Männer mit erektiler Dysfunktion (Bild: Archiv, nachgestellte Situation).

B. Schwindl