Aktuelle Urol 2005; 36(1): 4-8
DOI: 10.1055/s-2005-865025
Referiert und kommentiert

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Prostatabiopsie - Schnelle und lang anhaltende Anästhesie durch Bupivacain

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Publication Date:
07 March 2005 (online)

 
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Mehr als 90% aller Männer empfinden die Prostatabiopsie als äußerst schmerzhaft. Untersuchungen zufolge kann die periprostatische Injektion mit Lidocain die Schmerzen während dieser Prozedur signifikant lindern. J. C. Rabets und Kollegen untersuchen, ob das länger wirksame Präparat Bupivacain in diesem Zusammenhang weitere Vorteile bietet (BJU International 2004; 93: 1216 - 1217).

Dazu erhielten 75 Patienten randomerisiert kurz vor der Biopsie entweder eine periprostatische Injektion mit Bupivacain, eine Kombination aus Lidocain/Bupivacain im Verhältnis 1:1 oder keine Lokalanästhesie (Kontrollgruppe). Nach der Probenentnahme dokumentierten die Patienten den empfundenen Schmerz anhand einer visuellen Analogskala (VAS, 1-10). Sowohl unter Bupivacain allein als auch unter der Kombination von Lidocain/Bupivacain dokumentierten die Patienten eine signifikant bessere Schmerzkontrolle als Patienten aus der Kontrollgruppe. Unterschiede waren dabei zwischen den beiden Anästhesieansätzen nicht feststellbar. Die periprostatische Injektion von Bupivacain im Vorfeld einer Prostatabiopsie führt zu einer schnellen und signifikanten Anästhesie und somit zu einer Schmerzreduktion für den Patienten. Gegenüber Lidocain hat dieses Präparat den Vorteil einer längeren Wirkzeit, was insbesondere bei anschließender Behandlung erwünscht sein kann.

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Oben: Transrektale Prostatabiopsie unter Sonographiekontrolle; unten: Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).

Dr. Sabine Adler, Mülsen St. Niclas

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Erster Kommentar

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J. Blonski

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Lokale Anästhesie ja - Analgesie nicht immer!

Die transrektale Prostatabiopsie unter endosonographischer Kontrolle ist ein Standardverfahren zur Prostatakarzinomerkennung. Doch bereits in frühen Untersuchungen wurde gezeigt, das dieser Eingriff bei 65-90% der betroffenen Männer mit Schmerzen verbunden ist. Um eine verbesserte Patientenakzeptanz zu erreichen, wurden verschiedene Anästhesie- und Analgesieprotokolle verglichen. 1996 wurde hierzu die erste prospektive, randomisierte Doppelblindstudie bei 64 Patienten durchgeführt.

Patienten erhielten entweder 5 ml 1% Lidocain oder 5 ml Kochsalz; es konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einer Lidocain-Nervenblockade die Prostatastanzbiopsie deutlich weniger schmerzhaft war als in der Plazebogruppe. Durch zunehmende Erfahrung der Untersucher und technische Verbesserung zeigte sich in neueren Arbeiten, dass ca. 90% der Patienten, bei denen eine 6fach Stanzbiopsie durchgeführt wurde, keinen oder minimalen Schmerz empfanden; weniger als 3% der Patienten entwickelten starke Schmerzen mit zusätzlichem Analgesiebedarf.

Diese geringe Morbidität war unter anderem bedingt durch die Verwendung dünnerer endorektaler Ultraschallköpfe und Stanzpistolen mit 18 g-Nadeln. Aus diesem Grunde erscheint die routinemäßige Verwendung von Lidocain oder Bupivacain-Nervenblockaden bei Patienten, bei denen 2-6 Prostatabiopsiezylinder entnommen werden, nicht zwingend indiziert.

Bei ausgedehnteren Biopsieprotokollen ist jedoch eine ausreichende Analgesie erforderlich. Zwar berichteten Naughton et al., dass ein 12fach -Stanzbiopsieprotokol der Prostata keinen erhöhten Schmerzreiz im Vergleich zu einem 6fach-Stanzbiopsieprotokol aufweist, dennoch sind in den letzten 3 Jahren eine Vielzahl von Untersuchungen zur Optimierung der Schmerzreduktion im Rahmen der Prostatastanzbiopsie publiziert worden.

In der von Rabets publizierten 3-armigen prospektiven Untersuchung wurde den Patienten vor Prostatastanzbiopsie entweder 5 ml 0,25% Bupivacain, eine Kombination aus 0,25% Bupivacain gemischt mit 1% Lidocain periprostaisch injiziert oder sie erhielten keine Anästhesie, allerdings auch kein Plazebo. Diese Untersuchung zeigte, dass 0,25% Bupivacain und Bupivacain gemischt mit 1% Lidocain den Schmerzreiz identisch verringern konnten im Vergleich zu keiner periprostatischen Injektion. Da es sich bei dieser Untersuchung nicht um eine plazebokontrollierte Studie handelt, ist die Aussagekraft etwas eingeschränkt, da die subjektive Schmerzempfindung von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist.

Ob die längere HWZ des Bupivacains einen klinischen Vorteil bei der Durchführung von Prostatastanzbiopsien hat, müssen weitere Studien zeigen. Die vorliegenden Daten zeigen jedoch, dass die perpirostatische Nervenblockade eine effektive Methode der Schmerzreduktion darstellt. Die Option einer lokalen Anästhesie sollte daher allen Patienten vor einer Prostatastanzbiospsie angeboten werden, obwohl nicht alle Patienten, bei denen eine Prostatastanzbiopsie durchgeführt wird, eine Analgesie benötigen.

Literatur beim Autor

Dr. Jakob Blonski, Braunschweig

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Zweiter Kommentar

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H. Heynemann

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Lokalanästhesie nicht prinzipiell notwendig - aber ruhig dem Patienten anbieten!

Seit Eskew et al. (1997) zeigen konnten, dass bei der 6fach-Biopsie zur Diagnostik des Prostatakarzinoms durch zusätzlich zwei laterale Biopsien die Entdeckungsrate um 35% stieg und die prospektiv randomisierte Multizenterstudie von Presti et al. (2002) in den USA bei 2299 Patienten unter Beweis stellte, dass bei 6 versus 12 Biopsien die Sensitivität von 78 auf 97% gesteigert werden konnte, ist die Diskussion um eine mögliche Zunahme von Komplikationen und Nebenwirkungen, verbunden mit einer entsprechenden Schmerzsymptomatik nicht zur Ruhe gekommen.

Es galt und gilt die Frage zu beantworten, inwieweit bei einer zunehmend invasiven diagnostischen Maßnahme eine Lokalanästhesie, in welcher medikamentösen Zusammensetzung auch immer, erforderlich ist oder nicht. Clements et al. (1993), Grundwell, M. C. et al. (1999) und Babarian et al. (2000) fanden keinen Unterschied in der Morbidität beim Vergleich der 6fach- gegenüber der 12fach- Biopsie. Naughton et al. (2000 und 2001) ermittelten in einer prospektiv randomisierten Studie bezüglich einer 6fach- gegenüber einer 12fach-Biopsie bei der Beurteilung von Schmerzen und Morbidität ebenfalls keinen signifikanten Unterschied, was Zisman et al. (2001) mit einer Untersuchung bei 211 Patienten bestätigten. Im Gegensatz dazu teilten Obek et al. (2002) mit, dass sie eine Zunahme infektionsbedingter Komplikationen, einhergehend mit einer entsprechenden Schmerzsymptomatik feststellten. Von Knobloch et al. (2003) publizierten ihre Erfahrungen mit einer erhöhten Biopsieanzahl und schlussfolgerten, bei allen Patienten zur Mehrfach-Biopsie der Prostata eine Lokalanästhesie durchzuführen. Im gleichen Zeitraum konnten Seymour et al. (2001) und Addia et al. (2003) nach Auswertung ihrer Mehrfach-Biopsien wiederum zeigen, dass keine vermehrten Komplikationen und Zunahme der Schmerzen nach Erhöhung der Biopsie-Zahl auftraten, so dass keine zusätzlichen Injektionen für eine Anästhesie bzw. Leitungsanästhesie erforderlich sind.

Auch Manseck et al. (2001) stellten bei 162 Patienten in einer monozentrischen Studie beim Vergleich 6 versus 10 Stanzbiopsien keinen Anstieg der Komplikationen und Nebenwirkungen (Schmerzen usw.) fest. Selbst bei Risikopatienten (zum Beispiel Patienten mit Immunsuppression nach Nierentransplantation) fanden Wammack al. (2001) keine erhöhte Komplikationsrate bei Mehrfach-Prostatabiopsien (> 6 Stanzen).

Eine aktuelle repräsentative Arbeit von Palisaar et al. (2003) konnte bei 1650 Patienten zeigen, dass mit der Erhöhung der Stanzbiopsie-Zahl auf zehn Biopsien keine Morbiditätszunahme festzustellen war (> 50 % diskrete Hämaturie, Hämospermie, Hämatochezie; 2,1% passagere Temperaturen > 38 °C; 0,7% akute Prostato- und/oder Epididymitis).

Ausgehend von der vorgestellten Arbeit, die einen - wenn auch statistisch signifikanten - Vorteil der Patienten mit einer Lokalanästhesie im Vergleich ohne Anästhesie zur 10fach-Prostatabiopsie bei einer allerdings sehr kleinen Patientenzahl (75 Patienten!) zeigt, kann daraus schlussfolgernd nicht die allgemeine Empfehlung zur zusätzlichen Lokalanästhesie bei der Mehrfach-Stanzbiopsie (> 6 Stanzen) gegeben werden.

Bei längeren operativen Eingriffen an der Prostata (Brachytherapie, HF-Therapie usw.) wird von den Autoren der Publikation die Anwendung von Bupivacain als lang wirksames Lokalanästhestikum emp- fohlen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Datenlage, bezogen auf große prospektiv randomisierte mono- und multizentrische Studien, ist die Lokalanästhesie zur Prostatabiopsie (> 6 Stanzen) prinzipiell als Standard nicht erforderlich, dennoch sollte sie dem Patienten angeboten werden und kann im Einzelfall (zum Beispiel auf Wunsch des Patienten, ängstlicher Patient usw.) zum Einsatz kommen.

Prof. Hans Heynemann, Halle/Saale

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Dritter Kommentar

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J. Walz

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Lokalanästhesie ermöglicht frühe Verlegung und Entlassung des Patienten

Die berichtete Technik, eine Prostatabiopsie in Lokalanästhesie durchzuführen, scheint eine effektive Maßnahme zu sein, die Schmerzen während der Stanzenentnahme zu reduzieren. Die angegebenen Zahlen bezüglich des Schmerzempfindens der Patienten können jedoch nicht pauschalisiert werden. Ein Anteil von über 90% mit mittelstarken bis starken Schmerzen scheint überhöht zu sein. Häufig empfinden die Patienten die Prostatabiopsie eher als unangenehm und weniger als schmerzhaft. Hervorgerufen wird dies meist durch den Schallkopf im Rektum und den Druck auf den Schließmuskel als auch durch den Harndrang, der durch die Manipulation der Prostata bedingt ist. Bei beiden wird eine Lokalanästhesie keine Verbesserung der Symptomatik bewirken. Deshalb ist nicht jeder Patient ein Kandidat für eine solche Anästhesie. Sie sollte somit bei den Patienten erfolgen, die diese Maßnahme wünschen, sei es aufgrund negativer schmerzhafter Erfahrungen durch vorangegangene Prostatabiopsien oder aufgrund von Bedenken im Vorfeld einer ersten Prostatabiopsie. Die Durchführung des periprostatischen Blocks ist allerdings technik- und benutzerabhängig. So gibt es Studien, die keine vermehrte Schmerzkontrolle nach periprostatischer Anästhesie aufzeigen. Auf einwandfreie Applikation des Lokalanästhetikums ist also zu achten. Wichtig ist außerdem bei der Durchführung einer Lokalanästhesie, dass die Beurteilung und Untersuchung der Prostata und der anhängigen und umgebenden Organe vor dem Einspritzen des Medikaments stattfinden. Durch die zusätzliche Flüssigkeit und das eventuell hervorgerufene Hämatom können die Prostataränder insbesondere im Übergang zu den Samenblasen nicht mehr eindeutig beurteilbar sein. Gleiches gilt für ein versehentliches Injizieren in die Prostata selbst. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Ultraschalldiagnostik ist zu beachten, dass Verfahren, die das Gewebe analysieren und eine läsionengezielte Biopsie erlauben sollen durch das eingespritzte Lokalanästhetikum verfälscht werden können. Man denke da insbesondere an die farbkodierte Dopplersonographie und an die Power-Doppler-Sonographie, aber auch an andere bildanalysierende Methoden.

Insgesamt ist der Ansatz die Akzeptanz von Prostatabiopsien in der Bevölkerung zu erhöhen sehr wichtig, da die Prostatabiopsie immer noch die einzige Methode darstellt, ein Prostatakarzinom mit Sicherheit nachzuweisen und so den Patienten einer Therapie zuführen zu können. Um unnötige Biopsien zu vermeiden, sollte jede Biopsie ein Maximum an Effektivität und Genauigkeit bezüglich der Diagnose aufweisen. Dies wird erreicht, wenn anstelle der Sextantenbiopsie eine Mehrfachbiopsie durchgeführt wird. Diese sollte aus mindestens 8 Stanzen bestehen. Zusätzlich sollte der Hauptteil der Stanzen in die lateral äußere Zone gerichtet werden, da hier am häufigsten Prostatakarzinome auftreten. Um diese Biopsie so erträglich wie möglich zu machen, hilft es, wenn sie von einem routinierten Untersucher schnell und schonend durchgeführt wird.

Der Einsatz von Bupivacain als Lokalanästhetikum anstelle von Lidocain ist sinnvoll. Dies jedoch weniger wegen der Stanzenentnahme selbst, da hierbei die Ergebnisse der Gruppe, die eine Mischung aus Lidocain und Bupivacain erhielt, den Ergebnissen der Bupivacain- Gruppe ebenbürtig waren. Wichtiger ist, dass Bupivacain eine deutlich längere Wirkungsdauer als Lidocain hat und hierdurch eine mehrere Stunden andauernde und auch über den Eingriff hinaus anhaltende schmerzlindernde Wirkung erzielt wird. Zum Beispiel werden hierdurch die später nach dem Eingriff auftretende Schmerzen vermindert, die von manchen Patienten als so ausgeprägt empfunden werden, dass sie den Erfolg der Lokalanästhesie zunichte machen können, wie dies von Seymour und Kollegen beschrieben wurde. Interessant ist der Einsatz der periprostatischen Anästhesie mit Bupivacain aber vor allem bei der Durchführung von länger dauernden Prozeduren an der Prostata, wie in dem Artikel zum Schluss bemerkt wird. Hier ist einmal die Sättigungsbiopsie zu erwähnen, bei der 20-30 Biopsien in einer Sitzung, meist in Analgosedierung, entnommen werden. Rabets und Kollegen veröffentlichten bereits dieses Jahr ihre Erfahrungen mit dem periprostatischen Block und der Sättigungsbiopsie mit guten Ergebnissen. Diese Maßnahme könnte die Akzeptanz der Sättigungsbiopsie erhöhen, da sie eine Analgosedierung überflüssig macht. Ob die anästhetische Wirkung ausreichend effektiv und lang anhaltend ist, um länger dauernde und schmerzhaftere Therapien wie zum Beispiel Brachytherapie oder Kryoablation durchzuführen, müssen weitere Studien zeigen. Vor allem in Verbindung mit der low-dose-Brachytherapie scheint der Einsatz der Lokalanästhesie interessant, da die anästhesiologische postoperative Überwachung aufgrund des Strahlenschutzes sehr aufwändig und je nach Gegebenheiten kostspielig sein kann. Hier würde die Lokalanästhesie eine frühe Verlegung und Entlassung des Patienten ermöglichen. Fraglich ist jedoch, ob der Patient ohne lokoregionaler oder allgemeiner Anästhesie über den gesamten Zeitraum des Eingriffes reglos in einer Position verweilen kann.

Literatur beim Autor

Jochen Walz, Hamburg

 
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Oben: Transrektale Prostatabiopsie unter Sonographiekontrolle; unten: Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bild: Praxis der Urologie, Thieme, 2003).

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J. Blonski

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H. Heynemann

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J. Walz