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DOI: 10.1055/s-2005-865099
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Prävention des kolorektalen Karzinoms - eine Conditio sine qua non!
Prevention of colorectal carcinoma: a conditio sine qua non!Publication History
Publication Date:
30 March 2005 (online)
Das kolorektale Karzinom ist in den westlichen Industriestaaten unverändert auf dem Vormarsch. Trotz ausgefeilter chirurgischer Techniken sowie signifikanter neuer Entwicklungen auf dem Gebiet der Chemotherapie ist die 5-Jahres-Überlebensrate noch nicht sehr deutlich gestiegen, fasst man alle UICC-Stadien zusammen. Noch immer werden hierzulande mehr als 50 % der Darmkrebse in den ungünstigen UICC-Stadien III und IV diagnostiziert. Bei steigenden Inzidenzzahlen, mitbedingt durch die gestiegene Lebenserwartung, fällt jedoch ein leichtes Absinken der Mortalitätsrate auf. Dieser Trend ist vielleicht auch der Tatsache zuzuschreiben, dass sich gerade in Deutschland in den letzten Jahren die Bemühungen um eine Prävention des kolorektalen Karzinoms massiv intensiviert haben.
Theoretisch ist es doch so einfach: Würde man jeden 55-Jährigen koloskopieren, aus dem Befund die nötigen Konsequenzen ziehen (Operation, Polypektomie, Mukosektomie), und ein befundadaptiertes Follow-up einhalten, könnte man wahrscheinlich die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms dramatisch absenken, wenn nicht sogar zumindest für das sporadische Karzinom nahezu eliminieren. Dem steht jedoch die Wirklichkeit gegenüber: Trotz aller Bemühungen werden präventive Maßnahmen eher selten in Anspruch genommen. Dies liegt nach wie vor an mangelnder Information, an diffusen Ängsten vor der Untersuchung und wohl auch an der mangelnden Bereitschaft, sich mit dem Thema Krebs auseinanderzusetzen.
Dabei hat Deutschland im europäischen Vergleich das einzige etablierte Früherkennungssystem; die Angebotspalette für die Früherkennung ist beachtlich: Der Okkultbluttest (FOBT), der in Deutschland schon lange in die Regelversorgung eingeführt ist, hat aufgrund großer Longitudinalstudien den höchsten Evidenzgrad, wenngleich mit seinem Einsatz „nur” eine Senkung der Mortalität um 20 - 30 % erzielt werden kann. An diesem einfachen, preiswerten und relativ sensitiven Test müssen sich alle anderen Tests messen lassen, für die allerdings vergleichende große Studien entweder fehlen oder Daten noch nicht in ausreichend großem Umfang vorliegen. Sensitivität und Spezifität einiger neuerer z.B. immunologischer Tests sind denen des bewährten FOBT zwar überlegen, die Tests sind aber teurer und nicht erstattungsfähig. Unabhängig davon stimmt jedoch nachdenklich, dass gegenwärtig der FOBT deutlich weniger nachgefragt wird.
Es zeichnen sich ganz neue Wege ab, wie in diesem (S. 880) und im vorhergehenden Heft (S. 809) hervorragend beschrieben, die - beruhend auf der molekularen Pathogenese des Kolonkarzinoms - eine sichere und möglicherweise einfache Risikoanalyse erlauben, zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht zu einem vertretbaren Preis. Die seit dem 1.10.2002 eingeführte Screening-Koloskopie hat nach den neuesten Daten aus dem Zentralinstitut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ihre Bewährungsprobe bestanden, wenn gleich sie weit davon entfernt ist, einen großen Teil der Anspruchsberechtigten zu erreichen. Virtuelle Untersuchungsverfahren erscheinen außerordentlich attraktiv, müssen ihre Belastbarkeit im täglichen Alltag jedoch noch durch möglichst große, multizentrisch organisierte Studien beweisen. Dabei wird wahrscheinlich für Deutschland MR vor CT gehen, zumindest was das Screening betrifft. Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten hat sich federführend mit anderen Fachverbänden außerordentlich akribisch mit dem Thema Darmkrebs befasst und in sehr ausgewogenen Leitlinien diskutiert. In diesen Leitlinien kommt sehr klar der gegenwärtige Stand vor allem auch der Maßnahmen zur Prävention zum Ausdruck. Es ist Aufgabe von uns Ärzten, diese Leitlinien ernst zu nehmen, sie umzusetzen und vor dem Hintergrund dieser Datenlage Berechtigten, Betroffenen wie der Öffentlichkeit deutlich zu machen, welche Chancen, bei absolut minimalen Risiken, für den Einzelnen bestehen, diese vor allem für den älteren Menschen bedrohliche und tödliche Erkrankung abzuwenden. In der DMW wurde in den letzten Jahren bereits viel zu dem wichtigen Thema publiziert [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]. Öffentlichkeitsarbeit ist zur entscheidenden Stellgröße geworden, um unsere Ziele maximal zu erreichen.
Literatur
- 1 Birkner B R. et al . Evidenz-basierte Prävention des kolorektalen Karzinoms. Dtsch Med Wochenschr. 2003; 128 2598
- 2 Kunstmann E. et al . Erblicher Darmkrebs. Vernetzung eines spezialisierten Zentrums mit Allgemeinmedizinpraxen. Dtsch Med Wochenschr. 2004; 129 23
- 3 Riemann J F. Fäkaler DNA-Test: Neue Screeningmethode beim kolorektalen Karzinom. Molekulares Screening - man darf gespannt sein!. Dtsch Med Wochenschr. 2004; 129 1609
- 4 Riemann J F. Kolorektales Karzinom: Vermeiden statt leiden. Dtsch Med Wochenschr. 2003; 128 2581
- 5 Stein J. et al . Pyruvatkinase Typ M2 (M2-PK) im Stuhl - Ein valider Screeningparameter für kolorektale Neoplasien? Erste Ergebnisse einer multizentrischen Vergleichsstudie. Dtsch Med Wochenschr. 2004; 129 1806
- 6 Strumberg D. et al . Ernährung, Lifestyle und Krebs: Wege zur Primärprävention. Dtsch Med Wochenschr. 2004; 129 1877
- 7 Webendörfer S. et al . Darmkrebs-Vorsorge im Betrieb. Eine Initiative sekundärer Prävention in der BASF Aktiengesellschaft. Dtsch Med Wschr. 2004; 129 239
Prof. Dr. J. F. Riemann
Medizinische Klinik C, Klinikum der Stadt Ludwigshafen
Bremserstraße 79
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