Der Klinikarzt 2005; 34(3): V
DOI: 10.1055/s-2005-865155
Blickpunkt

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Morbus Gaucher - Enzymersatz als kausales Therapiekonzept

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Publikationsdatum:
18. April 2005 (online)

 
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Knochenschmerzen, Anämien oder Thrombozytopenien sollten grundsätzlich umfassend abgeklärt werden, unter Umständen könnte sich hinter solchen unspezifischen Symptomen auch ein M. Gaucher verbergen, eine lysosomale Speicherkankheit mit möglicherweise schwersten Folgen.

Einen typischen Fall hat uns Dr. E. Mengel vom Universitätskinderklinikum in Mainz beschrieben: Zwischen der Manifestation des Morbus Gaucher und der Diagnose lagen hier 15 Jahre - keine Seltenheit, wie der Pädiater versichert.

Etwa ein Drittel der Patienten werden tatsächlich erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Zwar treten die klinischen Manifestationsformen des Glukozerebrosidasemangels oft schon viel früher auf, werden aber in der Kindheit meist fehldiagnostiziert oder ignoriert. Laut epidemiologischen Daten sind nur 10-20% der Patienten in Deutschland korrekt diagnostiziert. Ein Grund dafür sind die unspezifischen Symptome, wie Adynamie, leichte Ermüdbarkeit und Knochenbeschwerden.

Bei der heute 43-jährigen Frau E. standen die Symptome des Bewegungsapparates im Vordergrund: Im Alter von zehn Jahren trat erstmals eine schmerzhafte Schwellung der Fingergrundgelenke auf.

Es folgten Schwellungen der Sprung- und Kniegelenke und Behandlungen mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie Steroiden bei Verdacht auf eine juvenile, chronische Arthritis. Eine Milzvergrößerung wurde erstmals im Alter von zwölf Jahren beschrieben. Beidseitige Hüftkopfnekrosen im 20. Lebensjahr wurden als Folge der Steroidbehandlung interpretiert.

Unbehandelt verläuft der M. Gaucher bei fast allen Patienten fortschreitend und chronisch. Je früher die Erkrankung manifest wird, desto schwerer und rascher verläuft sie in der Regel. Blutungskomplikationen und Milzrupturen - die Milz kann bis auf das 20fache der Norm vergrößert sein - können die Betroffenen vital gefährden.

Blutungskomplikationen - genauer eine Thrombopenie - waren auch bei Frau E. der Anlass, warum im Alter von 25 Jahren nach der ersten Schwangerschaft ein Morbus Gaucher mit nichtneuronopathischer Verlaufsform diagnostiziert wurde. Frau E. war beim Schlittschuhlaufen gestürzt, und erst zu diesem Zeitpunkt wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen der Milzvergrößerung und den Skelettveränderungen vermutet.

Ein großes Problem in der Praxis sind zudem Knochen- und Gelenkveränderungen, angefangen von tief im Schaftbereich lokalisierten dumpfen Knochenschmerzen der unteren Extremitäten, Gelenkschmerzen und Knochenkrisen bis hin zum Auftreten pathologischer Frakturen, Wachstumsstörungen und osteonekrotischen Veränderungen vor allem am Hüftkopf oder dem proximalen Humerus.

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Gezielt nach früheren Erkrankungen fragen

In der Anamnese spielt die gezielte Erfragung der am häufigsten betroffenen Organsysteme eine wichtige Rolle - zum Beispiel vorangegangene Splenektomien oder eine frühere Therapie wegen eines Morbus Perthes bzw. aseptischer Knochennekrosen. Wichtige laborchemische Befunde sind Anämien und (ausgeprägte) Thrombozytopenien. Im Blutplasma sind die lysosomalen Verlaufsparameter (saure Phosphatase, ACE und Ferritin) typischerweise erhöht. Gesichert wird die Verdachtsdiagnose 'Morbus Gaucher' durch eine direkte Bestimmung der Beta-Glukozerebrosidase in Leukozyten oder aus kultivierten Fibroblasten (Glukozerebrosidase-Aktivität unter 30%).

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Fehlendes Enzym ersetzen

Verursacht wird diese verringerte Enzymaktivität durch einen autosomal-rezessiv vererbten Defekt der Glukozerebrosidase, weshalb Glukozerebrosid nicht zu Glukose und Ceramid degradiert werden kann. Damit kommt es in der Folge zur Anreicherung der Speichersubstanz in Milz, Leber, Knochenmark und seltener der Lunge.

Standardtherapie des M. Gaucher ist heute die Infusion der rekombinanten Glukozerebrosidase (Imiglucerase; Cerezyme®) im Abstand von etwa 14 Tagen. Dies führt zu einer allmählichen Verbesserung von Anämie und Thrombozytopenie - was wiederum die Leistungsfähigkeit der Patienten deutlich steigert -, Leber- und Milzvolumen normalisieren sich. Zudem werden Gaucher-Zellinfiltrate im Knochenmark reduziert, der Fettanteil im Knochenmark wieder hergestellt, und Knochenschmerzen sowie andere Knochenkomplikationen verringern sich.

Da das Krankheitsbild des M. Gaucher interindividuell stark variiert, lässt sich nur mithilfe einer individualisierten Therapie in dem zuvor gesetzten Zeitrahmen ein maximaler Behandlungserfolg sicherstellen. Eine Dosisreduktion jedoch kann erst erwogen werden, wenn tatsächlich alle relevanten therapeutischen Ziele erreicht wurden, denn in der Regel klingen die hämatologischen und viszeralen Symptome schneller ab als bestehende Knochen- oder Lungenkomplikationen. Um eine adequate Erhaltungstherapie sicherzustellen, eignet sich die Bestimmung der Chitotriosidase, da die Konzentration dieses sensitivsten Verlaufparameter bereits ansteigt, bevor eine klinische Verschlechterung der Gaucher-Symptome zu erkennen ist.

sts