Der Klinikarzt 2005; 34(3): VI-VII
DOI: 10.1055/s-2005-865156
Blickpunkt

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Therapie systemischer Candidämien - Können wir mit Voriconazol eine neue Ära einläuten?

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Publikationsdatum:
18. April 2005 (online)

 
Inhaltsübersicht

Einer von zehn bis 20 Patienten auf einer Intensivstation hat auch eine systemische Mykose", konstatierte Prof. K. Rommelsheim, Bonn. "Besonders häufig betroffen sind (hämato)onkologische oder immunsupprimierte Patienten. Auf Verbrennungsstationen weist sogar praktisch jeder Patient zusätzlich eine Pilzinfektion auf." Noch immer stellt diese Situation viele klinisch tätige Mediziner vor Probleme, lassen sich doch Systemmykosen allein vom klinischen Bild von bakteriellen Infektionen kaum unterscheiden.

Gerade Patienten mit hämatoonkologischen Grunderkrankungen oder mit persistierendem Fieber profitieren von einem frühen Einsatz antimykotischer Therapieoptionen. "Für den Patienten kann eine frühzeitige Behandlung einer Pilzinfektion lebenswichtig sein - auch wenn das Keimspektrum noch nicht bekannt ist", so Rommelsheim. Studienergebnissen zufolge sei damit eine Senkung der Letalität um 40-60% möglich. Doch nur bei 15-40% der Patienten erfolge die Therapie früh genug. Daher sei es von immenser Bedeutung, die Bewusstseinslage der Therapeuten zu ändern, auch wenn sich in den letzten Jahren hier schon einiges getan habe: "Früher wurde erst gar nicht nach Pilzen gescreent, da praktisch keine Therapieoptionen zur Verfügung standen", so Rommelsheim.

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Deeskalieren wie mit einem Antibiotikum

Ähnlich wie sich die Intensivmedizin stets weiterentwickelt hat - und dadurch wiederum mehr Lebensräume für Pilze und Hefen bietet (z.B. Katheteroberflächen) -, steht heute auch ein größeres Spektrum an Therapeutika zur Verfügung. "Heute können wir mit den neueren Antimykotika ebenso umgehen, wie wir das mit Antibiotika inzwischen gewöhnt sind", meinte Rommelsheim. Ihre relativ geringe Toxizität ermögliche inzwischen eine antimykotische Deeskalationstherapie. Damit meinen die Experten eine frühe Intervention mit einem "Breitspektrum-Antimykotikum" wie zum Beispiel Voriconazol (Vfend®), wenn eine systemische Mykose vermutet wird. Sind die verursachenden Keime dann zweifelsfrei identifiziert (Selektagar), kann deeskaliert und spezifisch behandelt werden. Die Deeskalationstherapie umfasst dabei nicht nur den Wechsel von einem Breitspektrum- zu einem Schmalspektrum-Antibiotikum, sondern auch die Umstellung von der intravenösen auf eine orale Applikation der Medikation oder eine Anpassung der eingesetzten Dosierung.

Zwar sind Infektionen mit Fusarien, Scedosporien oder Kryptokokken relativ selten, viel öfter haben wir es in der Klinik mit Candidosen oder Aspergillosen zu tun. Doch "die einzige Substanz, die durchgängig wirksam ist, ist Voriconazol", so Rommelsheim. Seit Januar dieses Jahres spiegelt dies auch die Zulassungssituation wider. Denn inzwischen ist die Substanz aufgrund aktueller Studiendaten neben der Behandlung invasiver Aspergillosen, bei disseminierten Candidainfektionen und bei endemischen Erregern (Scedosporium und Fusarium) auch zur primären Therapie der Candidämie bei nichtneutropenischen Patienten zugelassen.

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Candidämien: Breites Aktivitätsspektrum ein wichtiges Kriterium

Welches Präparat man bei einer (vermuteten) Pilzinfektion als erstes einsetzt, diese Frage hängt im Prinzip von drei Kriterien ab. "Von besonderer Bedeutung neben dem Krankheitsstatus des Patienten (neutropenisch/nichtneutropenisch, hämodynamisch stabil/instabil) sowie der Effektivität und Toxizität einer Substanz ist vor allem ihr Aktivitätsspektrum", erklärte Prof. B.J. Kullberg, Nijmegen (Niederlande).

Wer kenne nicht das typische Szenarium am Freitag Nachmittag, wenn der Befund aus dem mikrobiologischen Labor kommt und die Blutkultur des Intensivpatienten positiv für Hefen ist, genauere Informationen über Spezies und Resistenzsituation jedoch noch nicht zur Verfügung stehen. "Infektionen mit fluconazolsensiblen Candida albicans stellen uns weniger vor Probleme", meinte Kullberg. In dem Maße jedoch, wie die Inzidenz dieser Infektionen derzeit sinke, tauchen verstärkt problematischere Infektionen mit anderen, zum Teil fluconazolresistenten Non-albicans-Spezies wie Candida glabrata, Candida krusei oder Candida tropicalis auf.

"Aufgrund der Zulassungserweiterung von Voriconazol für die primäre Therapie der Candidämie bei nichtneutropenischen Patienten können wir heute in dieser Situation zwischen verschiedenen Therapieoptionen wählen. Dabei ist Voriconazol zumindest ebenso wirksam wie die derzeit präferierte Therapie mit Amphotericin B (i.v.) gefolgt von Fluconazol", so Kullberg.

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Ebenso effektiv, ...

Grundlage der Zulassungserweiterung sind die Daten einer großen, bislang noch unveröffentlichten Studie, in der 370 Patienten mit mindestens einer für Candida positiven Blutkultur und klinischen Zeichen einer Infektion mit einer dieser beiden Optionen behandelt wurden. Im Mittel wurden die Patienten in beiden Therapiearmen 15 Tage antimykotisch behandelt, dabei erhielten die Patienten der Kontrollgruppe im Schnitt vier Tage lang Amphotericin B, bevor die Behandlung auf Fluconazol umgestellt wurde.

"Aufgrund der hohen Nebenwirkungsraten der Therapie mit Amphotericin B war eine echte Verblindung der Studie leider nicht möglich", erklärte Kullberg. Um dennoch valide Daten zu erhalten, beurteilte ein unabhängiges, so genanntes "Datenreview-Komitee" (DRC) die Studienergebnisse und prüfte, ob tatsächlich eine Candidämie vorlag und wie die Patienten auf die Therapie ansprachen. Ohne Kenntnis der aufgetretenen Toxizitäten und unerwünschten Wirkungen ermittelte das Komitee zudem die Ursachen für Therapieversagen oder -abbruch. Primärer Endpunkt der Studie war der Anteil der erfolgreich behandelten Patienten zwölf Wochen nach Ende der Therapie.

Die initialen Patientencharakteristika waren in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar: Der APACHE-II-Score der Voriconazol-Gruppe lag im Mittel bei 13,8, in der Vergleichsgruppe bei 14,7. Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer waren intensivpflichtig, fast 40% der Patienten wurden beatmet - die Patienten waren also ernstlich krank. Der Anteil der Patienten mit Candida-non-albicans-Infektionen war in der Voriconazolgruppe mit 60,5% sogar höher als im Kontrollarm (50,0%). "Da diese Studie weltweit durchgeführt wurde, spiegelt sie vermutlich die tatsächlichen Verhältnisse - nämlich die Verschiebung des Erregerspektrums von Candida albicans zu anderen Non-albicans-Spezies - in den Kliniken weltweit wider", meinte Kullberg.

Zwölf Wochen nach Therapieende war die Behandlung in beiden Studienarmen bei etwa 40% der Patienten erfolgreich verlaufen (Abb. [1]). "Diese im Vergleich zu anderen Studien relativ niedrige Erfolgsrate ist einfach zu erklären", so Kullberg. "Denn der Therapieerfolg im primären Endpunkt war sehr stringent definiert. Sobald sich der Patient - aus welchem Grund auch immer - erneut vorstellte, war dieser nicht erfüllt."

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Abbildung 1

Von eher untergeordneter Bedeutung war, welcher Candida-Erreger die Infektion verursacht hatte. Beide Therapieregime waren stets ähnlich effektiv - mit einer Ausnahme: Lag eine Infektion mit Candida tropicalis, einem der drei "Player" der Non-albicans-Spezies im Krankenhaus, vor, sprachen die Patienten signifikant besser auf Voriconazol an als auf die Behandlung mit Amphotericin B und Fluconazol (Abb. 1). "Warum dies so ist, können wir noch nicht beantworten", meinte Kullberg, "bislang ist dies nur eine interessante Beobachtung!"

Der sekundäre Endpunkt, nämlich der Therapieerfolg zum letzten relevanten Zeitpunkt zwei, sechs oder zwölf Wochen nach Ende der Behandlung war mit 65,11% unter Voriconazol und 71,33% unter der Amphotericin B-/Fluconazoltherapie in einem Bereich, wie in früheren Studien zu beobachten war. Der Median des Intervalls bis zur ersten negativen Blutkultur betrug in beiden Gruppen zwei Tage, und die Überlebensrate am Tag 98 lag bei 63,3% für Voriconazol, im Vergleichsarm bei 57,7% (relatives Risiko 0,82, 95%-Konfidenzintervall: 0,58-1,16) - also ebenfalls vergleichbar mit früheren Studien. "Man könnte sogar vermuten, dass bezüglich des Überlebens ein leichter Vorteil für Voriconazol bestünde", sagte Kullberg, "da die Überlebensrate unter Voriconazol immer ein wenig über der unter der Amphotericin B/Fluconazoltherapie liegt." Zwar sei der Unterschied nicht signifikant, ein Trend jedoch zu erkennen.

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... aber weniger toxisch

So ähnlich die beiden Therapieregime bezüglich der Erfolgsraten auch waren, bezüglich der Nebenwirkungsraten gab es - erwartungsgemäß - signifikante Unterschiede. So traten unter der intravenösen Amphotericin-B-Behandlung mehr behandlungsassoziierte (v.a. renale), mehr schwer wiegende und mehr infusionsassoziierte unerwünschte Ereignisse auf. Ein weiteres erfreuliches Ergebnis: "Mit 4,1% waren die vorübergehenden visuellen Erscheinungen, die typisch für die Voriconazoltherapie sind, im Vergleich zu früheren Studien relativ selten", konstatierte Kullberg.

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Fazit

Damit hat Voriconazol die Erwartungen der Experten, die diese aufgrund der früheren Studienergebnisse hegten, erfüllen können. Erstmals könne man nun bei Candidämien aus zwei äquieffektiven Therapieoptionen wählen, konstatierte Prof. M. Ruhnke, wobei Voriconazol das bessere Toxizitätsprofil aufweise. Und PD D. Schmitt, Leipzig, meinte: "Die neuen Werkzeuge in der antimykotischen Therapie versetzen uns immer besser in die Lage, auch schwerste Fälle zu heilen. Wir nehmen Voriconazol gerne in Anspruch und beginnen die Therapie mit einer intravenösen Gabe über drei bis fünf Tage. Tritt dann eine Besserung ein, können wir die Therapie direkt auf eine orale Gabe umstellen - ein bedeutender Vorteil. Tritt keine Besserung ein, dann starten wir eine Kombinationstherapie."

sts

Quelle: Sondersymposium Voriconazol (Vfend®) und Pressegespräch im Rahmen des 15. Symposiums "Intensivmedizin und "Intensivpflege", veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe

 
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Abbildung 1