Der Straßburger Pathologe von Recklinghausen beschrieb 1889 pathologisch braune Haut-
und Organverfärbungen, die nach seiner Auffassung vom Blutfarbstoff herrührten, und
führte den Begriff der Hämochromatose ein. Die Vererbbarkeit der Krankheit legte Sheldon
1935 in einer klassischen Monographie dar, er machte Eisenablagerungen für sämtliche
klinischen Manifestationen verantwortlich. Etwa im Jahr 1975 wurden dann der autosomal-rezessive
Erbgang der Hämochromatose und deren Assoziation mit der HLA-A3-Region beschrieben.
Die Identifizierung des HFE-Gens - einem transmembranen Protein, das in seiner Struktur
den MHC-Klasse-I-Proteinen ähnelt (MHC = „major histocompatibility complex”, Histokompatibilitätshauptkomplex)
- und der am häufigsten für eine Hämochromatose verantwortlichen Mutationen gelang
schließlich 1996.
Hämochromatose-Formen
Hämochromatose-Formen
Klassische hereditäre Hämochromatose
Die klassische hereditäre Hämochromatose (Typ I) ist die häufigste autosomal-rezessiv
vererbte Erkrankung in Populationen europäischer Herkunft oder Abstammung. In den
meisten Fällen ist sie ursächlich auf eine Punktmutation im HFE-Gen zurückzuführen.
Daraus resultiert eine dauerhafte Dysbalance zwischen der intestinalen Eisenresorption
und dem tatsächlichen Eisenbedarf.
Unter physiologischen Bedingungen steht das beim Abbau von Hämoglobin freigesetzte
Eisen erneut für die Synthese funktionseisenenthaltender Proteine zur Verfügung. Diese
hocheffiziente Wiederverwertung des Eisens erklärt, warum trotz des täglichen Bedarfs
von etwa 20 mg Eisen eine durchschnittliche Aufnahme von nur 1-2 mg Eisen aus der
Nahrung für einen ausgeglichenen Eisenhaushalt sorgt. Durchschnittlich werden täglich
etwa 10 mg Eisen mit der Nahrung angeboten, lediglich 10-20 % davon werden jedoch
intestinal resorbiert. Besteht ein höherer Eisenbedarf, wie dies zum Beispiel nach
Blutverlusten der Fall ist, kommt es zu einer adaptierten Steigerung der Eisenresorption.
Sind die Eisenspeicher gefüllt, erfolgt dagegen eine verminderte Aufnahme.
Da der menschliche Körper Eisen nicht aktiv ausscheiden kann, kann er hereditäre und
erworbene Formen der Eisenüberladung nicht kompensatorisch ausgleichen. Die gesteigerte
Eisenresorption bei der hereditären Hämochromatose führt zu einer Zunahme des Gesamtkörpereisens.
Damit kommt es - bevorzugt in Leber, Haut, Pankreas, Herz, Gelenken und endokrinen
Organen - zu Eisenablagerungen, die sich histochemisch mit der Berliner-Blau-Reaktion
darstellen lassen [Abb. 1].
Die veraltete Bezeichnung der Hämochromatose als „Bronzediabetes” vernachlässigt zwar
die Leber als das vorrangig von der Eisenüberladung betroffene Organ, illustriert
dagegen die typischen Veränderungen im Hautkolorit und endokrinen Pankreas mit der
Konsequenz des Diabetes mellitus. Das voll ausgeprägte Bild eines „Bronzediabetes”
gehört jedoch zu den eher seltenen Hämochromatose-Manifestationen. Andere Hämochromatose-Manifestationen
resultieren aus Eisenablagerungen im Herz (Kardiomyopathie), in Gelenken (Fingergrundgelenke
II + III) und in der Hypophyse (Endokrinopathien). Diese können ebenfalls Anlass für
ärztliche Konsultationen sein und müssen die Hämochromatose differenzialdiagnostisch
berücksichtigen. Als Frühsymptom geben die Betroffenen häufig ein allgemeines Schwäche-
bzw. Krankheitsgefühl an, dies ist jedoch nicht spezifisch für die Hämochromatose.
Dennoch sollte differenzialdiagnostisch insgesamt häufiger an eine Hämochromatose
gedacht und ihr Vorliegen labordiagnostisch ausgeschlossen werden.
Die hereditäre Hämochromatose ist eine Erkrankung des Erwachsenenalters. Bis zur Manifestation
der Erkrankung dauert es Jahrzehnte, während derer die Körpereisenmenge anwächst.
Bei Frauen treten Symptome häufig erst postmenopausal auf und damit etwa ein Jahrzehnt
später als bei männlichen Patienten. Wesentlich für den Verlauf der Erkrankung ist,
dass bei frühzeitiger Diagnose durch eine regelmäßige Aderlasstherapie und Reduzierung
des Gesamtkörpereisens der infauste natürliche Verlauf bei voller Manifestation der
hereditären Hämochromatose vermieden werden kann. Die häufigsten Todesursachen von
unbehandelten Patienten sind Herzversagen, Leberversagen und die Entwicklung eines
hepatozellulären Karzinoms.
Problematisch für die medizinische Praxis ist die Definition der hereditären Hämochromatose,
die sich einerseits am Vorliegen von Manifestationen und/oder Komplikationen orientieren,
andererseits aber bereits asymptomatische Merkmalsträger einschließen kann. Die Datenlage
zur Penetranz der Erkrankung, die sich als Prozentsatz der Patienten mit klinischer
Manifestation in der Population der genetischen Anlageträger definiert, ist hochkontrovers
und reicht von etwa 1-25 %. Unstrittig ist dagegen, dass in der europäischen Bevölkerung
und damit im deutschsprachigen Raum mit einer homozygoten genetischen Hämochromatose-Anlage
pro 200- 400 Personen der Gesamtbevölkerung gerechnet werden muss. Derzeit werden
die Möglichkeiten und Grenzen von Screening-Programmen in Studien geprüft.
Nichtklassische Formen der hereditären Hämochromatose
Von den primären, genetisch bedingten Formen lassen sich sekundäre, mit anderen Krankheiten
einhergehende Hämochromatosen abgrenzen (z.B. bei hämolytischen Anämien und Thalassämie-Syndromen).
In den letzten Jahren wurde zunehmend transparent, dass die hereditäre Hämochromatose
keine genetisch einheitliche Erkrankung ist, sondern unterschiedliche genetische Veränderungen
vorliegen können. Derzeit wird die hereditäre Hämochromatose in vier Typen unterteilt.
Neben dem klassischen Typ I mit Mutationen im HFE-Gen [Abb. 2] wurden seltene juvenile Hämochromatosen (Typ II) mit Veränderungen auf den Chromosomen
1 bzw. 19 beschrieben. Die Typen III und IV mit Veränderungen auf den Chromosomen
7 und 2 scheinen gehäuft in Südeuropa (Italien) aufzutreten. Nichtklassische Hämochromatose-Formen
sowie das Vorliegen seltener Mutationen im HFE-Gen sollten in Erwägung gezogen werden,
wenn bei einer Hämochromatose-Manifestation, klinisch-chemischen Indikatoren einer
phänotypischen Eisenüberladung und positiver Familienanamnese keine der typischen
HFE-Mutationen nachgewiesen werden kann.
Klinisch-chemische Diagnostik
Klinisch-chemische Diagnostik
Für die phänotypische Beurteilung des Eisenhaushaltes kommen die Analysen von Eisenkonzentration
und Ferritinkonzentration im Plasma bzw. im Serum sowie die Ermittlung der Transferrinsättigung
in wechselnden Kombinationen zur Anwendung. Eine isolierte Bestimmung der Eisenkonzentration
kann zur Diagnose einer Hämochromatose nicht empfohlen werden, da erst späte Stadien
erkannt werden und die Eisenkonzentrationen erheblichen intraindividuellen Schwankungen
unterliegen. Normale Eisenkonzentrationen schließen eine Hämochromatose nicht aus,
während erhöhte Eisenkonzentrationen auch ohne vermehrtes Speichereisen gefunden werden
können.
Weit verbreitet ist die Kombination der Analyse der Transferrinsättigung zusammen
mit der Bestimmung der Ferritinkonzentration im Serum - ein Vorgehen, das sich in
der Hämochromatose-Diagnostik bewährt hat. Die Analytik sollte am nüchternen Patienten
erfolgen, bei grenzwertigen Befunden ist eine Wiederholung der Untersuchung indiziert.
Eine erhöhte Transferrinsättigung gilt als relativ früher phänotypischer Befund im
Verlauf einer Hämochromatose.
Ferritin ist ein Akut-Phase-Protein. Bei interkurrenten Erkrankungen korreliert die
Ferritinkonzentration deshalb nicht mit dem Körpereisen. Eine zusätzliche Analyse
des C-reaktiven Proteins kann in solchen Situationen hilfreich sein. Erhöhte Ferritinkonzentrationen
zeigen eine sehr gute Sensitivität für die Hämochromatose bei lediglich mäßiger Spezifität.
Im diagnostischen Alltag gelten Transferrinsättigungen über 45 % und/oder Ferritinkonzentrationen
über 300 μg/l (Männer) bzw. 200 μg/l (Frauen) als sensitive Hinweise auf eine mögliche
Hämochromatose und Kriterien für eine weitere Abklärung. Beide Verfahren haben sich
bei Berücksichtigung ihrer Einschränkungen als relativ gleichwertig herausgestellt.
Die weitere nichtinvasive Diagnostik der Hämochromatose erfolgt mit der genetischen
Diagnostik, um die ursächlichen Mutationen im HFE-Gen nachzuweisen [Abb. 3]. Die Indikation zur Leberbiopsie als invasives Verfahren sollte dagegen streng gestellt
werden und ist für die Diagnosestellung einer Hämochromatose vollständig entbehrlich.
Kasuistik
Kasuistik
Eine 30-jährige Frau wird stationär aufgenommen. Ihr Vater ist manifest an einer hereditären
Hämochromatose erkrankt und wird bei vorliegender Leberzirrhose und hepatozellulärem
Karzinom für eine Lebertransplantation vorbereitet. Die Tochter unterzieht sich einer
Evaluation, ob sie als Lebendspenderin für eine Leberteilspende geeignet ist.
In der Laboruntersuchung der Patientin zeigt sich eine normale Plasma-Eisenkonzentration
von 25,9 μmol/l (Referenzbereich: 9-30 μmol/l), eine normale Transferrinkonzentration
von 209 mg/dl (168-336 μmol/l) und eine normale Ferritinkonzentration von 49 μg/l
(10-120 μmol/l). Die errechnete Transferrinsättigung beträgt 49 % (16-45 %). Bei den
durchgeführten Genanalysen bestätigt sich die Verdachtsdiagnose einer Hämochromatose:
Die Patientin ist heterozygot für beide Mutationen (Cys282Tyr/His63Asp) und damit
an einer Hämochromatose erkrankt. Sie kommt nicht als Spenderin für ihren erkrankten
Vater infrage. Die Transaminasen der Patientin sind unauffällig (AST 26 U/l [≤ 31
U/l], ALT 21 U/l [≤ 34 U/l]).
Offenbar liegt bei der Patientin ein frühes Stadium der Erkrankung vor, welches der
menstruationsbedingte Blutverlust bislang kompensiert. Die Patientin wird über ihr
Krankheitsbild aufgeklärt und zu jährlichen Kontrolluntersuchungen gebeten, um Transferrinsättigung,
Ferritinkonzentration und Transaminasen im Verlauf zu bestimmen. In Abhängigkeit von
der Dynamik der Eisenüberladung wird dann individuell und frühzeitig die Indikation
zur Aderlasstherapie gestellt werden (vgl. [Abb. 3]).
Genetische Diagnostik
Genetische Diagnostik
Seit vielen Jahren ist aus der Analyse familiärer Stammbäume die Hämochromatose als
autosomal-rezessive Erkrankung bekannt. Später fand sich eine Assoziation mit dem
HLA-A3-Genort, sodass schließlich das krankheitsverursachende Kandidatengen HFE identifiziert
werden konnte.
Eine homozygote G>A-Transition - also der Austausch eines Guanin- mit einem Adenin-Purinnukleotid
- an Position 845 führt zu einem Aminosäurenaustausch von Zystein zu Thyrosin (Cys282Tyr)
im HFE-Protein. In der Folge kann eine funktionell wichtige Disulfidbrücke im HFE-Genprodukt
nicht ausgebildet werden. Diese Mutation findet sich ursächlich bei etwa 90 % der
Patienten mit hereditärer Hämochromatose. Eine kleinere Gruppe von etwa 5 % der Hämochromatose-Patienten
weist eine Kombination heterozygoter Mutationen Cys282Tyr und His63Asp auf [Abb. 2]. Homozygote Träger der His63Asp-Mutation erkranken nicht an der Hämochromatose,
ebensowenig heterozygote Cys282Tyr-Anlageträger.
Die Cys282Tyr-Variante trat erstmalig vor etwa 2000 Jahren in der keltischen Bevölkerung
auf. Wahrscheinlich genossen die weiblichen Merkmalsträger einen Selektionsvorteil,
da sie trotz eisenarmer Ernährung in Schwangerschaft und Stillperiode keine Anämie
entwickelten. Auch männliche homozygote Merkmalsträger dürften weniger häufig erkrankt
sein, da es aufgrund der damals niedrigen Lebenserwartung nicht zur Hämochromatose-Manifestation
kam. Heute geht man in der nordeuropäischen Bevölkerung von etwa 10 % heterozygoten
Merkmalsträgern und einer homozygoten Genanlage pro 200-400 Personen aus.
Der Vorteil der molekulargenetischen Analytik liegt darin, bei Patienten mit einem
Phänotyp der Eisenüberladung die Diagnose einer Hämochromatose nichtinvasiv stellen
zu können. Allerdings können auch seltene Varianten der Hämochromatose vorliegen (s.o.),
die nur in spezialisierten Laboratorien nachgewiesen werden können. Demzufolge kann
eine hereditäre Hämochromatose auch bei einem negativen Gentest nicht völlig ausgeschlossen
werden. Differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden müssen andere Ursachen einer
Eisenüberladung, die allerdings auch die Manifestation einer Hämochromatose begünstigen
können. Hierzu zählen die alkoholinduzierte Eisenüberladung, Erkrankungen mit ineffektiver
Erythropoese bzw. verkürzter Erythrozytenlebensdauer und die chronische Transfusionspflichtigkeit.
Zahlreiche Laboratorien bieten an, den Mutationsnachweis durchzuführen. Dabei wird
die postalische Einsendung von antikoaguliertem Vollblut zur DNA-Isolation empfohlen,
beispielsweise eine Probe EDTA-antikoaguliertes Blut (EDTA = „ethylene diamine tetraacetic
acid”). Im Labor erfolgt die DNA-Extraktion und PCR-Amplifikation (PCR = „polymerase
chain reaction”) zusammen mit entsprechenden Kontrollproben.
Für den Mutationsnachweis selbst stehen eine Vielzahl etablierter Verfahren zur Verfügung.
Viele Laboratorien verwenden die Hybridisierung von farbstoffmarkierten Gensonden
und werten deren Bindung an den Genort mit und ohne Mutation aus. Der Vorteil dieses
Systems ist, dass das Genotypisierungsergebnis der Probe unmittelbar nach der PCR
im identischen verschlossenen Testansatz ermittelt werden kann.
Ebenfalls häufig eingesetzt wird der Restriktionsverdau. Hier wird das PCR-Produkt
mit einem Restriktionsenzym geschnitten, was je nach vorliegendem Genotyp in der gelelektrophoretischen
Auswertung ein typisches Bandenmuster ergibt. Zum Nachweis bzw. Ausschluss der Hämochromatose
sollte die Genotypisierung der Varianten HFE Cys282Tyr und His63Asp erfolgen. Eine
Qualitätssicherung durch interne Qualitätskontrolle und Teilnahme an externen Ringversuchen
ist zu fordern.
Während Nutzen und Risiken genetischer Screening-Programme in Populationen derzeit
nicht abschließend beurteilt werden können, besteht Einigkeit darüber, Verwandten
erster Ordnung von Patienten mit hereditärer Hämochromatose ein Screening anzubieten,
um eine Früherkennung der Erkrankung zu ermöglichen.
Fazit
Fazit
Die hereditäre Hämochromatose ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die sich im
Erwachsenenalter durch die Komplikationen einer andauernd gesteigerten Eisenresorption
und Eisenüberladung manifestiert. Typisch ist eine jahrzehntelange symptomfreie Zeit,
gefolgt von einem unspezifischen Krankheitsgefühl und beginnenden Organmanifestationen
(Gelenkschmerzen, Hepatomegalie, Diabetes mellitus, Impotenz). Die Erkrankung tritt
gehäuft in zentral- bzw. nordeuropäischen Populationen auf. Wichtig ist die frühe
Diagnosestellung, da durch eine Aderlasstherapie die Komplikationen der Erkrankung
vermieden werden können. Bei einem Verdacht auf eine Hämochromatose bieten sich als
klinisch-chemische Parameter die Analysen von Ferritinkonzentration und/oder Transferrinsättigung
an. Bestätigt wird die Diagnose durch genetische Testverfahren, welche die pathologischen
Varianten im HFE-Gen nachweisen.
Abb. 1 Mit der Berliner-Blau-Reaktion lassen sich die für eine hereditäre Hämochromatose
typischen Eisenablagerungen im Gewebe anfärben
Abb. 2 Das Protein weist drei Alpha-Untereinheiten und eine Assoziation mit Beta-2-Mikroglobulin
auf. Die transmembranöse Komponente ist angedeutet. Gekennzeichnet sind die für die
Hämochromatose entscheidenden Mutationen: Cystein/Tyrosin (Position 282) und Histidin/Asparaginsäure
(Position 63)
Abb. 3 Ein klinischer Verdacht sollte frühzeitig zur Ausschlussdiagnostik anregen, da bei
einer Aderlasstherapie im Stadium vor Organmanifestationen eine normale Lebenserwartung
erreicht wird