Mitglieder der Arbeitsgruppe Chipdiagnostik der Deutschen Vereinten Gesellschaft für
Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) sind Prof. Dr. Paul Cullen (Münster),
Prof Dr. Harald Funke (Jena), Dr. Hanns-Georg Klein (Martinsried), Prof. Dr. Cornelius
Knabbe (Stuttgart), PD Dr. Thomas Langmann (Regensburg), Prof. Dr. Michael Neumaier
(Mannheim). Mitteilungen an die Arbeitsgruppe können Sie an folgende eMail-Adresse
richten: michael.neumaier@ikc.ma.uni-heidelberg.de.
Nicht erst seit James Watson und Francis Crick die Bedeutung der DNA als Träger der
Erbsubstanz und der strukturellen Aufklärung der DNA-Doppelhelix identifizierten,
haben Wissenschaftler versucht, die Geheimnisse des Lebens zu entschlüsseln. Der bisher
ehrgeizigste Ansatz hierzu war das Human Genome Projekt (HGP) - ein massiver internationaler
Ansatz, der dazu diente, das humane Genom zu sequenzieren und zu kartieren. Mit der
Veröffentlichung einer ersten Genomsequenz erzielten im Jahr 2001 zwei unabhängige
Gruppen große Aufmerksamkeit (6, 14). Im Jahr 2004 wurde die Version 35 publiziert,
die 99 % des menschlichen Genoms mit einer Fehlerrate von weniger als 0,01 % identifizierte
(3).
Eine sinnvolle medizinische Nutzung dieser Kenntnisse besteht in dem Versuch, den
Zusammenhang zwischen klinischen Erkrankungen und genetischen Varianten systematisch
zu erforschen. Neben bereits heute zahlreich existierenden Erkenntnissen zu monogen
verursachten Erbkrankheiten hofft man nun vor allem darauf, auch wichtige Einblicke
in die genetischen Komponenten bei komplex verursachten Erkrankungen, wie Karzinomen,
Altersdemenz oder Atherosklerose zu erlangen. Dabei könnte - so die Hoffnung - ein
besseres Verständnis der Struktur des menschlichen Genoms die Wissenschaft in die
Lage versetzen, die genetische Prädisposition für Erkrankungen einzelner Individuen
zu bestimmen. Darüber hinaus ist es denkbar, ganze Bevölkerungsgruppen durch genetisches
Screening zum Zwecke einer verbesserten Prävention auf Risikoprädispositionen zu untersuchen.
Überwiegt der Nutzen oder die Gefahr?
Überwiegt der Nutzen oder die Gefahr?
Noch ist es sicher deutlich zu früh, die Auswirkungen genetischer Tests auf unser
Gesundheitssystem oder gar unsere Gesellschaft explizit zu beurteilen. Doch schon
jetzt wird deutlich, dass wie bei vielen anderen medizinischen Prozeduren auch bei
genetischen Testprogrammen Nutzen und mögliche Gefahren eng beieinander liegen: Neben
der analytischen und diagnostischen Spezifität bzw. Sensitivität von Gentests sind
insbesondere Fragestellungen, die sich auf das Angebot medizinischer Interventionsmöglichkeiten
bei Individuen mit krankheitsassoziierten Genmutationen beziehen, von großer Bedeutung
für das ärztliche Handeln.
Zudem berühren die Ergebnisse genetischer Untersuchungen stets die Persönlichkeitsrechte
in ganz besonderem Maße, ein Umstand, der für die Gendiagnostik von erheblicher Bedeutung
ist. Dementsprechend sind zahlreiche genetisch-diagnostische Verfahren - etwa im Bereich
des fetalen und des Neugeborenenscreenings, der Abstammungsanalytik, der Identifikation
von Trägern von Erbkrankheiten sowie der möglichen genetischen Testung in Zusammenhang
mit Interessen (z.B. von Versicherungsfirmen, Arbeitgebern oder Krankenkassen) - eng
mit Fragen der Ethik und des Persönlichkeitsrechts verknüpft.
Besondere Bedeutung besitzen diese im Rahmen der persönlichen Entscheidungs- bzw.
Teilnahmefreiheit (Recht auf Wissen und Recht auf Nicht-Wissen), wie sie genetische
Screeningprogramme zur Erkennung von monogenen Erkrankungen fordern. Eine Sonderstellung
nimmt in diesem Zusammenhang die Prädispositionsdiagnostik für Volkskrankheiten ein,
die in der Regel durch zahlreiche gleichzeitig wirksame genetische Faktoren im Zusammenwirken
miteinander und mit Parametern der Umwelt und der Lebensführung entstehen. So haben
die heute zur Risikovorhersage genutzten Faktoren ihrerseits eine genetische Grundlage.
Wichtig ist jedoch der Hinweis darauf, dass die von einzelnen genetischen Polymorphismen
ausgehende Wirkung auf das individuelle Krankheitsgeschehen häufig überschätzt wird.
Die Untersuchung von Genexpressionsprofilen ist in ethischer Hinsicht deutlich weniger
problematisch, da die mRNA-Expression als Vorläufer der Proteinbiosynthese funktionell
näher an einem biochemischen Phänotyp liegt und damit dem Einfluss von (in der Regel
korrigierbaren) externen Modulatoren unterliegt. Sie ist daher kein permanentes, möglicherweise
stigmatisierendes Label für den Träger.
Genetische Screening-programme
Genetische Screening-programme
Pro ...
Protagonisten eines genetischen Screenings führen ganz wesentliche medizinische Argumente
an. So ermögliche die rechtzeitige Erkennung einer Krankheitsprädisposition die vorbeugende
Behandlung und könne damit den klinischen Ausbruch einer Erkrankung verhindern bzw.
verzögern. Auch lasse sich die Therapietreue des Patienten verbessern und seine Lebensweise
den Befunden gezielt anpassen, um den klinischen Ausbruch einer Krankheit vorzubeugen.
Letztendlich steige hierdurch die Lebensqualität.
Schließlich könne im Rahmen der Selbstbestimmung ein Patient, welcher von einer unheilbaren
Erkrankung mit hoher Dominanz und Penetranz erführe, den verbleibenden Rest seines
Lebens entsprechend der Erkenntnis neu ordnen. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar,
nämlich dass ein Individuum es vorzieht, über eine zukünftige mit hoher Wahrscheinlichkeit
unausweichliche Erkrankung nicht informiert zu werden. Demnach sind es vor allem die
Schwere und der Grad der Unabwendbarkeit des zukünftigen Ereignisses, welche die Diskussion
um eine Prädispositionsanalytik entscheidend prägen. Aber auch, wenn kurative oder
effektive präventive Maßnahmen vorhanden sind, kann dies das Selbstbestimmungsrecht
der Betroffenen nicht einschränken.
... und Contra
Zu den häufig genannten Argumenten gegen genetische Screeningprogramme gehören die
Stigmatisierung, durch „minderwertige Gene” möglicherweise Krankheiten geerbt zu haben,
und die Furcht vor einer daraus resultierenden Diskriminierung. Andere Argumente zielen
auf eine Änderung von Verhaltensweisen bei der Partnerwahl und der Reproduktion entsprechend
den Erkenntnissen aus genetischen Untersuchungsprogrammen. Bei geeignet großer technischer
Kapazität von Screeningprogrammen sei in letzter Konsequenz auch eine signifikante
Verschiebung des natürlich vererbten Genpools zu befürchten.
Schließlich ließe sich anführen, dass die Ausweitung der genetischen Untersuchungstechniken
in Richtung auf eine massive multiparametrische Diagnostik (so genannter DNA-Chip)
die Wahrscheinlichkeit eines Fehlergebnisses steigere: Auch bei einer analytischen
Richtigkeit von 99 % ist eines von 100 Ergebnissen falsch. Bei der großen Zahl der
in Zukunft routinemäßig untersuchbaren genetischen Eigenschaften könne dies zu einer
signifikanten Fehlbefundung führen. Daher gelten genetische Untersuchungsergebnisse
als außergewöhnliche Befunde, die nicht auf einer Stufe mit anderen Ergebnissen medizinischer
Untersuchungen stehen (so genannter „genetic exceptionalism”).
Gesetzliche und ethische Aspekte
Gesetzliche und ethische Aspekte
Schon diese wenigen Argumente zeigen die Bandbreite, die sich über alle Einzelschritte
einer genetischen Untersuchung von der Probennahme bis zur Befundinterpretation erstreckt
und derer sich verschiedene offizielle und halb-offizielle Empfehlungen angenommen
haben. Ein Schlüsseldokument ist die Deklaration von Helsinki (Dokument 17.C) der
World Medical Association (WMA), die inzwischen mehrfach revidiert wurde. Sie behandelt
unter anderem die Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Patienten beim Umgang mit
seinem biologischen Material.
Unterschiedliche Interessensgruppen wie regulierende Behörden, Wissenschaftler, Ärzte
sowie Gruppen mit persönlichen (z.B. Patientenorganisationen) und kommerziellen (z.B.
Gesundheitsindustrie) Anliegen haben ein Interesse an der Formulierung von Verhaltensstandards,
die ihre jeweiligen Anliegen in besonderer Weise berücksichtigen. Hierdurch ist klar
geworden, dass gerade die im Rahmen genetischer Diagnostik gewonnenen Daten hinsichtlich
Veranlassung, Durchführung, Interpretation, Zugang, Nutzung und Sicherung reguliert
werden müssen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl nationaler und supranationaler Programme,
Arbeitsgruppen und Initiativen, und die Suchbegriffkombination („recommendations genetic
testing”) produziert mehr als 300000 Treffer im Internet. Als Beispiel ist in dem
Kasten ein großes europäisches Programm kurz erläutert.
Ethische, soziale und gesetzliche Implikationen genetischer Untersuchungen
Ethische, soziale und gesetzliche Implikationen genetischer Untersuchungen
In Europa hat das Directorate-General der Europäischen Kommission 25 Empfehlungen
zu den ethischen, sozialen und gesetzlichen Implikationen genetischer Untersuchungen
gegeben (europa.eu.int/comm/research/conferences/2004/genetic/recommendations_en.htm) und rät ausdrücklich, die Weltgesundheitsorganisation WHO, internationale Fachgesellschaften,
eine internationale Konferenz zur Harmonisierung sowie die EU-Kommission in Entscheidungen
einzubinden. Wesentlich an der europäischen Empfehlung ist, dass die EU-Kommission
den genetischen Exzeptionalismus ablehnt. Demzufolge betrachtet sie die genetische
Information als integralen Bestandteil des Gesamtspektrums und nicht als separaten
Anteil der Gesundheitsinformation. Der knapp und klar gefasste Katalog umfasst folgende
Punkte:
-
genereller Rahmen
1. Notwendigkeit der Definition universeller Standards
2. Testung auf Keimbahnmutationen und somatische Mutationen
3. „genetic exceptionalism”
4. Information und Erziehung der Öffentlichkeit
5. öffentlicher Dialog
-
Implementation genetischer Untersuchungen in die Gesundheitssysteme
6. medizinisch-genetisches Testen und sein Kontext
7. Qualitätssicherung
8. Bevölkerungsscreening
9. genetische Beratung
10. Datensicherheit: Vertraulichkeit, Privatsphäre und Autonomie
11. Schutz vor Diskriminierung
12. Genetik und ethnischer Hintergrund
13. Genetik und Geschlecht
14. soziale, kulturelle und ökonomische Konsequenzen
15. professionelle Entwicklung
16. Partnerschaften und Zusammenarbeit
17. Kontext der Regulierung und Kriterien für Testentwicklung und -nutzung
18. seltene Erkrankungen
19. Pharmakogenetik
-
genetische Untersuchung als Instrument der Wissenschaft und Forschung
20. existierende und neue Biobanken
21. Sammlung humanen biologischen Materials, assoziierter Daten und ihr Gebrauch
22. grenzüberschreitender Probenaustausch
23. „informed consent”
24. Proben von Verstorbenen
25. Konsensusverfahren bei Kindern und verletzlichen Personen in genetischer Forschung.
Mehrere Empfehlungen befassen sich ausdrücklich mit der Qualitätssicherung in klinischen
Laboratorien. So fordern sie zum Beispiel die Entwicklung von Qualitätsstandards bei
der Verteilung von Material und Ressourcen sowie bei den technischen Fertigkeiten
von Wissenschaftlern, Ärzten und technischem Personal (Empfehlung 4). Der Erhalt und
die Verbesserung analytischer Qualität sind als ethische Handlungsmaßnahmen (Empfehlung
7) definiert. Ebenso müssen genetische Tests aussagekräftig sein, ihre Ergebnisse
einen hohen prädiktiven Wert besitzen, und eine ärztliche Beratung im Anschluss an
den Test muss gewährleistet sein (Empfehlungen 8, 9 und 19). Schließlich werden professionelle
Entwicklung, Kooperation und Partnerschaft zwischen den verschiedenen Interessengruppen
angeregt (Empfehlungen 15 und 16).
Genetische Untersuchungen im Bereich der medizinischen Versorgung sind demnach ein
multidisziplinärer Ansatz mit engen Kooperationen zwischen Klinik und Labor. Die diagnostische
Befundinterpretation sollte im Kontext mit dem Phänotyp, also zusammen mit klassischen
biochemischen Laborbefunden und den klinischen Befunden der Patienten stattfinden.
Hierbei muss sich die untersuchte Person unter ausdrücklicher Wahrung aller ihrer
Persönlichkeitsrechte im Mittelpunkt befinden. Schließlich behandeln die EU-Richtlinien
den Bereich der genetischen Forschung an klinischem Material bei der Herstellung und
Pflege von „Biobanken” (d.h. Geweben, Zellen oder Körperflüssigkeiten) und der daraus
gewonnenen Untersuchungsmaterialien. Kürzlich haben Studien gezeigt, dass eine substanzielle
Zahl von klinischen Studien nur ungenügend durch institutionelle Reviewboards oder
lokale Ethikkomitees überwacht werden [10].
Untersuchungen mit wirtschaftlichem Interesse
Untersuchungen mit wirtschaftlichem Interesse
Kommerzielle Interessen haben bei der Entwicklung und Anwendung genetischer Untersuchungen
in der Medizin einen hohen Stellenwert. Ein wichtiger Problembereich ist die Praxis
der Patentierung genetischer Krankheitsinformationen, welche - wie Jon F. Merz und
seine Kollegen vom Center for Bioethics in Philadelphia argumentieren - mit der Ausübung
wichtiger diagnostischer Verfahren interferieren bzw. die Ingangsetzung klinisch-diagnostischer
Pfade behindern [8].
Legislative Initiativen haben in der Vergangenheit versucht, Mediziner und ihre Krankenhäuser
oder Non-profit-Organisationen von Patentverletzungsklagen auszunehmen, wenn diese
diagnostische Tests mithilfe patentierter Gensequenzen durchführen müssen. Die Biotech-Industrie
äußert gegenüber solchen Vorstößen schwerste Bedenken und befürchtet den Verlust exklusiver
Rechte am jeweiligen diagnostischen Marktsegment. Ihr Hauptargument ist hierbei, dass
eine gesetzliche Regulierung innovationsfeindlich sei und so die Weiterentwicklung
behindere [2]
[9].
In diesem Zusammenhang ist sicher erwähnenswert, dass viele Patente mit Bedeutung
für die genetische Diagnostik von Universitäten gehalten werden. Diese wiederum lizenzieren
die Patentrechte häufig exklusiv an privatwirtschaftliche Unternehmen, obschon die
Patentrechte sehr oft mithilfe öffentlicher Fördergelder erarbeitet wurden. Daher
wird häufig gefragt, ob solche genetischen Informationen nicht a priori als „public
domain” gelten sollten.
Als weiteres Argument gegen eine Patentierung genetischer Informationen gilt, dass
eine exklusive Lizenzierung sowohl den Wettbewerb als auch eine Entwicklung verbesserter
und preiswerterer Tests behindere (vgl. Kasten). Exklusive Lizenzen könnten also zur
Kostensteigerung und damit zu einer Limitierung des Zugangs zu genetischen Untersuchung
führen [9]. So belegt eine aktuelle Studie, dass Patienten diagnostisch indizierte genetische
Untersuchungen vorenthalten wurden, da die Laboratorien entweder Patentverletzungsverfahren
fürchteten oder keinen Zugang zu wichtigen diagnostischen Tests hatten [3].
In der Diskussion um solche Genpatente ist schließlich die zunehmend brennende Frage
ungeklärt, ob bei der steigenden Zahl von Patenten künftig durch die Patentierung
bzw. Lizenzierung eine komplexere Gendiagnostik (DNA-Chip, DNA-Mikroarray) gesichert
durchgeführt werden kann. Auf Mikroarrays lassen sich simultan Tausende von Genen
gleichzeitig untersuchen (multiparametrische Analytik). Patentrestriktionen könnten
verhindern, dass die Hersteller kommerzieller DNA-Chips potenziell wichtige genetische
Informationen auf den Array aufbringen können oder deren Ergebnisse durch eine Auswertesoftware
ausgeblendet werden müssen. Entsprechend wären diagnostische Befunde möglicherweise
entweder unvollständig oder sogar irreführend.
Einfluss des technischen Fortschritts
Einfluss des technischen Fortschritts
Auch aufgrund des raschen technischen Fortschritts müssen ethische Aspekte der genetischen
Diagnostik ständig neu betrachtet werden. So muss man zum Beispiel davon ausgehen,
dass der Stellenwert der multiparametrischen genetischen Diagnostik stark zunehmen
und das Verfahren allgemein verfügbar werden wird:
-
Die hohe Sondendichte auf DNA-Chips erlaubt technisch die Erzeugung einer großen Zahl
von genetischen Einzelinformationen.
-
Aufgrund der niedrigen so genannten „diagnostischen Power” einzelner genetischer Merkmale
(„single nucleotide polymorphisms”; SNPs) ist gerade bei den häufigen polygenen bzw.
multifaktoriellen Erkrankungen (z.B. Herz/Kreislauferkrankungen, Tumoren, Diabetes,
psychiatrische Erkrankungen) die gleichzeitige Untersuchung vieler genetischer Marker
erforderlich, um diagnostisch aussagekräftige genetische Signaturen zu erhalten [4].
-
DNA-Chips sind im Vergleich zu einer Einzeltestung bei weitem kosteneffizienter.
Aus der Sicht des Laboratoriums existiert neben Fragen der Bioinformatik und medizinischen
Interpretation zusätzlich das Thema der Qualitätssicherung genetischer Untersuchungsergebnisse
gerade im Bereich der DNA-Array-Analytik. Der Hochdurchsatz und die dabei quasi „industrielle
Erstellung genetischer Informationen” erfordern die Definition von Standards und internen
und externen Kontrollmaßnahmen sowie die Bereitstellung externer unabhängiger Ringversuchsprogramme,
wie sie für andere Bereiche der Labormedizin gesetzlich verankert oder zumindest üblich
sind. Während solche Programme bei DNA-Chipanalysen noch fehlen, existieren sie für
genetische Einzelanalysen bereits erfolgreich seit Jahren.
Externe Ringversuchsprogramme (EQA)
Externe Ringversuchsprogramme (EQA)
Die Verbreitung und Förderung analytisch/technischer Fertigkeiten und diagnostisch/medizinischer
Kenntnisse sowie die Sicherung ihrer Qualität sind zweifellos wichtige integrale Bestandteile
ethischen Verhaltens oder Handelns in der genetischen Diagnostik. EQA-Programme sind
allgemein verwendete Werkzeuge in der klinischen Labordiagnostik und auf nationaler
wie auf internationaler Ebene quasi gesetzlicher Standard.
So veranstaltet beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und
Laboratoriumsmedizin (DGKL) seit 1997 regelmäßig Ringversuche mit dem Ziel der Verbesserung
der molekularen und genetischen Diagnostik, der Schaffung eines professionellen Netzwerks
und einer Datenbank für die teilnehmenden Laboratorien und Organisationen sowie der
Vermittlung von Weiter- und Fortbildungen. Ausgehend von 43 Laboratorien im Jahr 1997
nehmen inzwischen 230 Laboratorien in Deutschland, der Europäischen Union, Australien,
Taiwan und anderen Ländern zweimal pro Jahr teil. Das Spektrum wird ständig erweitert
und umfasst derzeit Faktor V, Faktor II (Prothrombin 20210), Faktor XIII, MTHFR, Glykoprotein
IIb/IIIa (GPIIb/IIIa), PAI 1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1), ApoE, ApoB100, alpha1-Antitrypsin
(Proteinase-Inhibitor 1), ACE I/D, CETP („cholesterol ester transfer protein”), HFE,
TPMT (Thiopurin-S-Methyltransferase), CYP2D6 (Cytochrom P450 2D6) and UGT-1A. Ebenso
wurden Ringversuche zu technisch-methodologischen Aspekten wie Präanalytik, DNA-Sequenzierung
sowie zum Mutationsscreening durchgeführt. Einige der Ergebnisse wurden auch außerhalb
der Programme kommuniziert [1]
[11]
[12].
Aus dem Genotypisierungsprogramm können bisher eine Reihe von wesentlichen Schlussfolgerungen
gezogen werden:
-
Präanalytische Faktoren (Materialqualität, Transportzeit und -umstände, Inhibitoren
etc.) sind für die Qualität molekulargenetischer Untersuchungsergebnisse kritisch.
-
Molekulare Methoden zur Genotypisierung von SNPs erscheinen hinsichtlich der technischen
Leistungsfähigkeit generell sehr robust.
-
Einfache Methoden funktionieren mit der gleichen Zuverlässigkeit wie hochtechnische
Verfahren. Es gibt keine Korrelation zwischen technischem Aufwand und Untersuchungsqualität.
-
Im diagnostischen Labor sinkt die Richtigkeit von Versuchsergebnissen bei Probenkontaminationen
(1:8 bis 1:16; w:w) deutlich ab. Erfolgreiches Erkennen des analytischen Problems
und Troubleshooting korreliert mit dem technischen und interpretiven Wissen des Labors.
Dies betont die Bedeutung der Prozeduren des Qualitätsmanagements bei Laboratorien,
die DNA-Amplifikationsmethoden verwenden.
-
Die meisten Fehler werden nicht durch fehlerhafte Primärdaten, sondern im Bereich
der postanalytischen Validierung sowie der Interpretation gemacht.
Die methodischen Aspekte genetischer Testung werden derzeit von EQUAL untersucht.
Dieses von der EU geförderte EQA-Projekt (www.ec-4.org/equal) basiert auf den Erfahrungen nationaler Ringversuche [1]
[13]. EQUAL thematisiert drei EQA-Programme (Genotypisierung, quantitative Genexpressionsanalyse
und DNA-Sequenzierung) und organisiert die Fort- und Weiterbildung von molekulardiagnostisch
tätigen Laboratorien auch in Zusammenarbeit mit supranationalen Fachgesellschaften
wie der International Federation for Clinical Chemistry (IFCC).
Zusammenfassend lässt sich eine beeindruckende Zahl von Aktivitäten konstatieren,
die auf der Erkenntnis beruhen, dass die Sicherung der molekulargenetischen Analysenqualität
ein wichtiger Bestandteil im Katalog der ethischen Tätigkeiten in der molekularen
Diagnostik ist. Die positiven Auswirkungen molekularer EQA-Programme zeigen, dass
diese Diagnostik erfolgreich in der Krankenversorgung angekommen ist. Außerdem ist
- dies belegen erste Erfahrungen - der Aufwand für weitere Verbesserungen der Qualität
gerechtfertigt, wobei offizielle supranationale Programme zu konzertierten Aktionen
und Kooperationen auf technischer und medizinischer Ebene sowie im Bereich von Schulung
und Weiterbildung ermutigen.
Konflikt zwischen öffentlichem und kommerziellem Interesse - ein Beispiel
Konflikt zwischen öffentlichem und kommerziellem Interesse - ein Beispiel
Ein US-amerikanisches Unternehmen, hatte sich über das Europäische Patentamt die Rechte
an den Ergebnissen einer Kooperation mit der Universität von Salt Lake City sichern
lassen - nämlich die Nutzung aller gegenwärtigen sowie zukünftigen experimentellen,
diagnostischen und therapeutischen Optionen im Zusammenhang mit dem Brustkrebsgen
BRCA-1. Die Firma hatte daraufhin die genetische BRCA-1-Testung ausschließlich selbst
durchgeführt und keinerlei Lizenzen vergeben. Diese Politik rief bei einer wachsenden
internationalen Opposition verschiedenster Fachgesellschaften den Vorwurf von unethischem
Handeln und Machtmissbrauch sowie Befürchtungen um eine „Biopiraterie genetischen
Materials” in Zusammenhang mit einem „DNA-Proben-Tourismus” hervor [7]. Im Mai 2004 hat das Europäische Patentamt die Patente jedoch aus patentrechtlichen
- freilich nicht aus ethischen Gründen - widerrufen (www.shef.ac.uk/bioethics-today/archives/files/Patentscomm.htm).