Es waren einmal 2 Geschwister, Ixion und Koronis ...
Ihre Eltern waren Titanen, sie hatten in dem großen Krieg gegen die Götter gekämpft, und sie waren beide gefallen. Das war in der Zeit, als noch alle Wesen sterblich waren - alle, mit Ausnahme der beiden Ur-Wesen: Himmel und Erde, Uranos und Gaia. Die Titanen waren die Herren der Welt gewesen; die einen sagen, nie wieder werde ein glücklicheres Zeitalter sein; andere behaupten, niemals hätten Schrecken und Finsternis grausamer geherrscht als unter den Titanen. Die Letzteres sagen, halten es mit den Göttern. Den Göttern sei es nämlich zu danken, dass dem Terror ein Ende bereitet wurde. Die Götter stürzten die Titanen, und als Erstes führten sie die Unsterblichkeit ein - allerdings nur für Götter. Weit im Westen in einem Garten, den die Hesperiden bewachen, wuchsen Äpfel; wer von ihnen aß, dem konnte der Tod nichts anhaben. Die Äpfel der Hesperiden waren das Hochzeitsgeschenk von Gaia an ihre Enkelin Hera, als diese Zeus heiratete. Eifersüchtig wachten die Götter, dass niemand in den Garten der Hesperiden gelangte. Sie sollten unsterblich sein, nur sie.
Die beiden Titanenkinder Ixion und Koronis wuchsen ohne Eltern auf. Ixion war um einiges älter als seine Schwester. Er war für sie Bruder und Vater in einem. Ixion hatte ein hartes Gemüt, heißt es. Er hatte zugesehen, wie die Götter die Titanen hingeschlachtet haben. Da hatte er sein Herz verschlossen. Er gehörte nicht zu denen, die sich nach dem Krieg mit den Siegern aussöhnten. Er blieb unversöhnt, und sein Herz war voll Hass auf die Götter.
Zu seiner kleinen Schwester sagte er: "Geh ihnen aus dem Weg! Lass dich auf nichts ein! Provoziere sie nicht! Aber schmeichle ihnen auch nicht! Lebe so, als ob es die Götter nicht gäbe!" Koronis war ein zierliches, lebensschwaches Kind. Oft saß Ixion an ihrem Bettchen und machte sich Sorgen, weil ihre Stirn so heiß war. Er suchte nach Mitteln, die die Gesundheit seiner Schwester befördern könnten. Er experimentierte mit Kräutern und Blüten. Die Ur-Mutter Gaia half ihm. Sie ließ Gutes vor seinen Füßen wachsen. Sie war gekränkt, weil die Götter so grausam gegen die Titanen vorgegangen waren. Ixion war einer ihrer Lieblinge. So erwarb sich Ixion Kenntnisse über die Heilkraft der Natur, und er nutzte sie, um seine Schwester Koronis stark und lebenstüchtig zu machen.
Als dann Koronis kein Kind mehr war, erschien es ihrem Bruder angebracht, ihr eine Mutter zu geben, wenigstens eine Stiefmutter. Er beschloss zu heiraten. Seine Frau suchte er sich im Kreis der Familie. Sein Onkel Eioneus hatte eine Tochter, die hieß Dia. Dia war eine Schönheit, was Ixion nicht so wichtig war, er kannte sie als eine sanfte, hingabebereite Frau, das war für ihn entscheidend, denn zuerst sollte sie für seine kleine Schwester Koronis eine gute Mutter sein und erst an zweiter Stelle seine Frau. Koronis und Dia verstanden sich gut, sie mochten einander, und als Ixion seiner Schwester eröffnete, dass Dia ihre Mutter werden würde, war sie glücklich. Auch Dia war glücklich. Sie liebte Ixion. Sie bewunderte ihn. Sie bewunderte, mit welcher Fürsorge er sich um seine kleine Schwester kümmerte. Und sie bewunderte seine Unbeugsamkeit. Dass er nicht sein Gesicht zu einem falschen Lächeln verzog und den Oberkörper vorbeugte, wenn ein Gott vorüberschritt. Sie nahm sich ein Beispiel an ihm. Dem Ixion gefiel das. Und auch wenn er immer darauf beharrt hatte, dass er sein Herz ausschließlich für seine Schwester öffnen wolle, bald konnte er sich durchaus vorstellen, dass er sich eines Tages - vielleicht! - in Dia verliebe. Und dann verliebte er sich in sie. Er ging und bat Eioneus um die Hand seiner Tochter. Eioneus war ein unterwürfiger Charakter. Er wollte es immer allen recht machen. Er buckelte vor seinen Brüdern, den Titanen, die den Krieg überlebt hatten; er buckelte aber auch vor den Göttern, die so viele seiner Brüder und Schwestern getötet hatten. "Es ist eine neue Zeit", pflegte er zu sagen. "Jede Zeit ist, wie sie ist. Die Zeit lässt sich nicht biegen. Wir aber können zerbrechen."
Ixion verachtete seinen Onkel. Er sprach seine Verachtung nicht aus. Das war auch gar nicht nötig. Eioneus setzte voraus, dass ihn sein Neffe verachtete, er setzte voraus, dass ihn jeder verachtete. Und deshalb verachtete ihn auch jeder - die Titanen und auch die Götter.
"Du willst Dia zur Frau heben?" fragte er. "Dann sollst du sie bekommen. "Der Bräutigam zahlt. So war das üblich. Wenn Eioneus in einer Sache Mut zeigte, dann beim Geld. In seinem Geiz war er kühn. Ein Held der Raffgier war er. Er setzte die Summe für seine Tochter Dia fest. Eine hohe Summe. Ixion handelte nicht. Der Tag der Hochzeit wurde ausgemacht.
Und dann: Wenige Tage vor dem Hochzeitstermin kam Eioneus, er wand sich, hob die Hände, Ixion werde sicher sehr ungehalten sein, sagte er. "Können wir die Hochzeit um 7 Tage verschieben?" Auf sieben Tage kommt es im Prinzip nicht an, denkt Ixion. Er möchte mit Dia sprechen. Eben das sei leider nicht möglich. "Weil eben", so kurvt Eioneus durch die Argumente, "es sich um Innerfamiliäres handle."
Nach 6 Tagen kommt Eioneus wieder, und wieder kommt er allein, ohne Dia. "Dieses Innerfamiliäre", druckst er herum, "ist ein sehr Kompliziertes." Es liege in Ixions Interesse, wenn die Hochzeit noch einmal verschoben würde. "Sagen wir um 30 Tage." Ixion ist verärgert. Wer kann das ihm übel nehmen? Wieder verweigert ihm sein Onkel, dass er mit der Braut spreche. "Gut", sagt Ixion. "Aber du sollst wissen, einen weiteren Aufschub werde ich nicht akzeptieren." Als Eioneus dann trotzdem einen weiteren Aufschub verlangt - diesmal kommt er nicht persönlich zu Ixion, sondern schickt einen Boten -, da stellt Ixion Erkundungen an. Er will wissen, was dahinter steckt.
Und dann weiß er, was dahinter steckt: Eioneus hat seine Tochter einem anderen gegeben. Nur vorübergehend zwar. Aber er hat. Dieser andere ist eine gute Partie. Die beste Partie. Es ist Zeus persönlich. Der oberste Gott. Zugleich der oberste Feind der Titanen. Für ein billiges Lob von dem, Brosamen einer zweifelhaften Gunst, hat der Titan Eioneus seine eigene Tochter an einen Gott verschachert! Und hat seinen Neffen betrogen! Das macht Ixion zornig. Sehr zornig. Sehr, sehr zornig.
Dann, nach einer Weile, taucht wieder der Bote des Eioneus bei Ixion auf. Das "Innerfamiliäre" sei inzwischen erledigt, die Hochzeit könne gefeiert werden. Ixion versteht genau, was das heißt. Zeus hat Dia gehabt, jetzt hat er genug von ihr - der Nächste, bitte! "Wenn Eioneus die Hochzeitsgabe will, dann soll er sie bei mir abholen", lässt Ixion seinem Onkel ausrichten. Eioneus ist geizig, er ist gierig, er ist speichelleckerisch - und dumm ist er obendrein. Er hätte sich ja denken können, dass Ixion herausbekommt, was da gelaufen ist; dann wäre er auf der Hut gewesen; dann hätte er nicht postwendend sein Pferd bestiegen und wäre ohne Begleitung zu Ixion geritten, um das Geld abzuholen.
Ixion bereitet ihm einen heißen Empfang. Er hat eine Grube ausgeschaufelt, hat sie mit glühenden Kohlen gefüllt, hat die Grube abgedeckt und getarnt. Und Eioneus mitsamt seinem Pferd bricht in die Grube und kommt darin um.
Mord an Fremden - verständlich. Mord an Nachbarn - na ja. Mord in der Verwandtschaft - ein schlimmes Verbrechen! Niemand findet sich, der Ixion von dieser Schuld reinigen will. Er ist ausgestoßen. Da schickt Zeus seinen Botschafter Hermes. Der teilt dem Ixion mit, der Göttervater habe sich seiner erbarmt, er persönlich werde ihn von der Schuld des Mordes reinigen. - Was erwarten wir von dem stolzen Ixion? Dass er ablehnt. Dass er den Hermes zurückschickt, mit erhobener Faust und einem Fluch womöglich. - Aber nein: Ixion nimmt an. Allerdings stellt er eine Bedingung. Die Reinigung soll im Olymp stattfinden. In ihren Wohn- und Hauptsitz sollen ihn die Götter einladen. Wir staunen: Zeus ist damit einverstanden. Was geht in Zeus vor? Hat er ein schlechtes Gewissen, weil er Dia, die Braut des Ixion, verführt, in Wahrheit vergewaltigt hat? Das wäre neu. Schlechtes Gewissen ist keine Eigenschaft, die bisher an Zeus beobachtet werden konnte. Will er die anderen Götter provozieren? Das kam immer wieder vor. Eine Machtdemonstration. Vielleicht aber ist es nur eine Laune. Die anderen Götter jedenfalls sind empört - besonders Hera, die Gemahlin des Zeus. Sie werde an diesem Gastmahl nicht teilnehmen, verkündet sie. Aber Zeus befiehlt ihr zu bleiben, und nicht nur das: Ixion soll zwischen Hera und Zeus Platz nehmen.
Und dann beim Mahl - Nektar und Ambrosia - geschieht das Unglaubliche, der Skandal: Ixion greift Hera zwischen die Beine. Unter dem Tisch. Hera erstarrt. Die Sache ist so ungeheuerlich, dass es ihr die Sprache verschlägt. Als die anderen aufstehen, um Ixion zu verabschieden, bleibt sie sitzen. Und dann will sie mit Zeus unter 4 Augen sprechen. Zeus glaubt ihr nicht. Aber dann zweifelt er. Er lässt Hephaistos rufen, den Gott des Handwerks - ein Genie, der Vater aller Ingenieure und Erfinder.
"Sieh dir deine Mutter an", sagt Zeus. "Kannst du eine Nachbildung von ihr herstellen?" Natürlich kann er das. Die Frage ist nur: Aus welchen Material? "Wolke", sagt Zeus. Hephaistos fängt eine Wolke ein und formt sie, bis sie keiner im Olymp von Hera unterscheiden kann. Und Wolke-Hera bekommt auch einen Namen: Nephele.
Dann lädt Zeus den Ixion noch einmal in den Olymp, und wieder nimmt Ixion die Einladung an. Er ist gierig danach, die Götter zu demütigen. Er hat es getan, und er will es noch einmal tun. Strafe fürchtet er nicht.
Wieder sitzen die Götter um die Tafel herum, wieder ist Ixions Platz zwischen Zeus und Hera. Nach dem Mahl gibt Zeus den Göttern ein Zeichen, sie erheben sich und lassen Ixion und die falsche Hera allein. Ixion stürzt sich auf Nephele und vergewaltigt sie brutal. Und das reicht dann. Ixion wird in den Tartaros gestürzt. Das ist jener Ort unter dem Hades, der für die großen Bösewichte reserviert ist. Einige werden dem Ixion folgen - Tantalos, Sisyphos ... -, auf jeden wartet eine individuell auf ihn zugeschnittene Pein. Ixion wird auf ein brennendes Rad gefesselt. Zuvor aber geben ihm die Götter von den Äpfeln der Hesperiden zu essen, damit er unsterblich wird, damit es unendlich lange wehtut.
Nephele, die Wolke, ist schwanger. Und sie bringt 10 merkwürdige Wesen zur Welt: Kentauren. Das sind pferdeähnliche Geschöpfe, aus deren Leib Oberkörper und Arme eines Mannes wachsen. 9 der 10 sind durch und durch böse, der zehnte ist durch und durch gut. Das liegt an ihrem Vater Ixion. In ihm haben sich Gut und Böse nicht vermischt. In allem war er böse, nur böse und immer böse; außer: in der Liebe zu seiner Schwester Koronis. Diese Liebe war rein und gut, als wäre sie erst erfunden worden und noch nicht in der Welt erprobt. Und so mischten sich auch seine Gene nicht - 9 Teile schlecht, ein Teil gut. Der gute Kentaur hieß Chiron, und in der gesamten antiken Mythologie findet man kein Wesen, das klüger, freundlicher, aufopfernder und von heilsamerer Wirkung wäre als er. Er wurde der erste Wissenschaftler, der erste Pädagoge. Seine Forschungen galten dem Menschen, dessen Krankheiten und Gebrechen. Chiron hat die Medizin erfunden. Als Lehrer war er ein Vorbild durch die Jahrhunderte der Antike. Er hat Helden wie Jason, Telamon, Herakles, Peleus und dessen Sohn Achill ausgebildet. - Wir werden noch von ihm hören.
Nun war Koronis also allein. Sie trauerte um ihren Bruder. Aber sie war auch erleichtert. Das getraute sie sich nicht einzugestehen; aber es war so. Solange ihr Bruder auf Erden weilte, war sie nicht frei gewesen. Seine Sorge drohte sie zu ersticken. Nun sah sie die Welt mit anderen Augen. Und ihr erster Blick fiel auf einen jungen, hübschen Mann. Und als sie mit ihm Worte wechselte, merkte sie, dass er auch klug war. Und dieser junge Mann war mehr als hübsch und klug. In Wahrheit war er der Schönste und der Klügste. Sein Name: Apoll.
Koronis verliebte sich ihn Apoll, und Apoll verliebte sich in Koronis. Sie dachte nicht mehr an den Rat ihres Bruders, dass sie den Göttern aus dem Weg gehen solle. Außerdem war Apoll alles andere als gut auf seinen Vater Zeus zu sprechen. Wenn dieser bezaubernde Gott überhaupt fähig war zu hassen, dann hasste er seinen Vater. Was Zeus verachtete, bewunderte Apoll; was Zeus amüsierte, langweilte seinen Sohn. Eine höchst neurotische Vater-Sohn-Beziehung. Und wenn sich Zeus im Olymp darüber empörte, dass sein ältester Sohn sich ausgerechnet mit der Schwester des Bösesten aller Bösewichte herumtrieb, so bewirkte das nur, dass Apoll die zarte Koronis umso mehr liebte.
Und Koronis liebte Apoll, wie gesagt ... - Wunderbar, so ein perfekter Mann! Alles kann er besser als andere! Alles weiß er besser als andere! Er kann schöner singen, schöner die Lyra schlagen, schöner reden; er kann höher springen, länger laufen, präziser mit dem Bogen schießen. Was kann ein Mädchen anderes tun, als so einen Mann bewundern? Bewundern. Sonst gibt es nichts. Das macht auf die Dauer müde. Zwischendurch wird Koronis schwanger. Das ändert aber nichts daran, dass ihr der Nacken wehtut, vor lauter Nicken; immer muss sie nicken, denn alles, was ihr göttlicher Liebster tut und sagt, ist perfekt, man kann nur dazu nicken, nur auf und ab der Kopf, nie hin und her. Es würde dem Nacken gut tun, wenn er einmal wenigstens "nein" machen könnte. Und dem Selbstbewusstsein würde es ebenfalls gut tun, wenn es ein Gebiet, irgendein Gebiet, gäbe, auf dem sie dem anderen überlegen wäre. So ein Gebiet gibt es aber nicht. Wenn sie Papierschiffchen faltet, faltet Apoll die schöneren, die besser schwimmen ...
In ihrer Not legte sich Koronis einen Liebhaber zu. Ist nicht überliefert, wie der hieß. Ein Durchschnittsmann, vielleicht sogar unter dem Durchschnitt - Glatzenansatz, Spreizfuß, schwitzende Hände, nervös, wortarm, unmusikalisch. Was für ein Glück, auf so vielen Gebieten überlegen zu sein!
Es spricht sich herum. Der blendende Apoll wird betrogen! Bald wissen es alle, nur einer nicht - er. Aber dann fliegt ein Vogel daher und setzt sich auf seine Schulter, ein Rabe. Die Raben waren damals weiß - so weiß, wie heute die Schwäne sind. Und der Rabe flüstert dem Gott ins Ohr: "Weißt du schon, weißt du schon, deine Liebste hat sich unter einen anderen gelegt!" Apoll in seiner Eifersucht schreit den Raben an, dass es von den Bergen Griechenlands widerhallt. Vor Angst wird das Gefieder des Raben schwarz. Von da an waren die Raben schwarz. "Ich will sie nicht mehr sehen!" schreit Apoll. Und er will, dass sie nicht mehr lebt. Er ruft seine Zwillingsschwester Artemis, die Göttin der Jagd. Bittet sie, Koronis als Beute zu betrachten und abzuschießen.
Artemis tötet Koronis und untersucht die Beute und stellt fest, dass sie schwanger ist. Die Leibesfrucht lebt noch. "Was soll damit geschehen?" fragt sie ihren Bruder. Apoll ist der einzige Gott, der zu einem schlechten Gewissen fähig ist. Es tut ihm Leid, dass seine Schwester die Koronis getötet hat. Er weint. Und er bittet Artemis, die Leibesfrucht aus dem toten Körper zu schneiden. Es ist ein Knabe. Nymphen sollen sich um ihn kümmern. Apoll gibt ihm den Namen: Asklepios.
Die beste Erziehung soll Asklepios genießen, die allerbeste. Da kommt nur ein Lehrer in Frage - Chiron. Asklepios wird der erfolgreichste Schüler des Kentauren. Er interessiert sich wie sein Lehrer für die Körperlichkeit des Menschen. Unser Wohl liegt ihm am Herzen. Er ist ein Nachfahre der Titanen, und ein Titan war es, der uns Menschen aus Asche, Lehm und Speichel geknetet hat: Prometheus. Während sich Chiron immer mehr auf die Lehre verlegt, widmet sich Asklepios der Forschung. "Warum müssen wir sterben?" Diese Frage bestimmt alle seine Bemühungen. Und daraus folgend die nächste Frage: "Wie können wir den Tod besiegen?"
Es gelingt den beiden, viele Krankheiten zu heilen. Die Menschen kommen zu Hunderten, zu tausenden. Asklepios und Chiron werden verehrt wie Götter. "Nicht mich sollt ihr verehren", ruft Asklepios den Menschen zu. "Alles, was ich bin, habe ich von meinem Vater, von Apoll!" In der Nähe der Sanatorien werden Tempel für Apoll errichtet. Freilich schmeichelt das dem ewig jungen Gott. Die Leistungen seines Sohnes sind ja auch beeindruckend. Auch Pallas Athene neigt ihr Haupt vor Asklepios. Sie liebt die klugen Männer, die mutigen, die sich auf ihre Kraft und ihre Intelligenz verlassen. Hermes, der Götterbote, verfolgt mit Begeisterung die Arbeit des Arztes. Hermes wird ja auch "Psychopompos" genannt, das ist der Seelenträger; er trägt die Seelen der Verstorbenen in den Hades; er weiß, welches Leid der Tod den Menschen zufügt; er hat große Sympathie für einen, der den Tod besiegen will.
Und dann gelingt es dem Asklepios. Er kann einen Verstorbenen ins Leben zurückholen. Die Menschheit ist in größter Aufregung. Was gelten ihnen jetzt noch die Götter? Hat ihnen je ein Gott so viel Gutes getan? - Apoll nutzt die Gelegenheit und schlägt der Götterversammlung vor, seinen Sohn Asklepios in den Olymp aufzunehmen, ihn unsterblich zu machen. Ein Gott der Medizin! "Das wird die Menschen mit uns versöhnen!"
Pallas Athene ist dafür, Hermes ist dafür, auch Hera und Hestia sind dafür, ebenso Demeter und Hephaistos und Aphrodite. Zeus? Schwankt er? Man weiß nicht, wie er sich zu dieser Sache verhält.
Da tritt Hades auf, der finstere Bruder des Zeus, der Herr der Unterwelt, ein gerechter Gott. Er sagt: "Soll es so sein. Ich bin einverstanden. Sollen die Menschen den Tod besiegen. Aber! Entweder alle oder keiner. Wenn einer mein Reich verlässt, ohne je wiederkehren zu müssen, so werde ich die Pforten des Hades öffnen, und alle Verstorbenen werden ins Leben zurückströmen, und es wird kein Platz mehr sein auf der Welt."
Zeus machte kurzen Prozess. Er schleuderte seinen Blitz auf Asklepios und tötete ihn. Ohne Vorwarnung. Ohne sich mit den anderen Göttern zu besprechen. Als Folge wurde der Hass zwischen Apoll und Zeus unversöhnlich. Die Menschen aber verehrten ihren "Heilgott" und liebten ihn mehr als jeden Olympier.